Liebe Anja, in vielem verstehe ich dich gut.
Du hast sehr hohe Ansprüche, das bist du und verbiegen kannst du dich nicht, das wärst dann nicht mehr du.
Wenn ich dir jetzt ein bisschen mehr Geduld und weniger Druck wünschen würde, würde das dein Unverständnis für meine Worte noch mehr steigern.
Aber, ich kenne das.
Ich bin das erste halbe Jahr nur verzweifelt und angstbesessen auf der Suche nach einem neuen Leben, einem neuen Lebensinhalt gewesen. Voller Unruhe und Zukunftsängsten.
Gefunden habe ich bisher nur die Erkenntnis, dass ich irgendwann nicht mehr konnte und etwas zur Ruhe kommen muss.
Da befinde ich mich immer noch, es erstaunt mich , wie ich die Tage mittlerweile ohne Panik erlebe, dafür sind die Nächte wieder mit Albträumen besetzt, mein Mann ist vor 11 Monaten gestorben und ich erlebe alles wieder wie gestern, aber jede Nacht geht auch wieder vorbei.
Das du wenig Familie hast, nie Oma wirst, und Angst hast, das du durch einen erneuten Verlust schon wieder so viel leiden müsstest, das sind Gedanken, ich auch kenne.
Alleine und einsam zu sein und wenn Partner ( oder Mutter), was ist wenn die auch wieder vor dir sterben..,
Ich habe auch einmal, nein öfters jetzt schon, gesagt „das will ich nie wieder erleben!“ und dabei bleibe ich auch zunächst.
Wie ich später darüber denke, wird die Zeit zeigen.
Für mich kann ich sagen, dass ich mich langsam aus dieser Verzweiflung zu befreien versuche aber ich bin älter als du, jetzt 73, da denkt man wahrscheinlich anders.
Ich möchte keinen Partner mehr aber alleine vereinsamen auch nicht.
Ich habe den Traum von einer Hausgemeinschaft, jeder eine eigene Wohnung, man achtet aufeinander und lebt Gemeinsamkeit, es gibt Projekte, nur leider dünn gesät.
Ich wünsche dir trotzdem sehr, dass du deinen Weg findest, vielleicht etwas Vertrauen in dich aufbauen kannst.
Der Weg durch deine Trauer fordert viel Kraft aber, daran glaube ich mittlerweile, er wird dir auch zeigen, was du willst und was nicht.
Liebe Anja , gestehe dir einfach deine Verzweiflung und Angst zu, das ist weder ein Grund sich klein zu machen noch etwas, was du bewusst herbeigeführt hast.
Das geschieht einfach mit dir.
In meinem Traumabuch steht, man solle ein „Beobachter „ sein, sich selbst beobachten, wenn es schlimm ist, z.B. habe ich gesagt „ das ist Elisabeth, sie hat heute große Angst und ist verzweifelt „
Das hat tatsächlich etwas geholfen und ich bin immer etwas mehr aus dieser Verzweiflung herausgetreten und konnte das annehmen, dass es natürlich ist, dass ich verzweifelt bin in dieser Lage.
So wurschtelt man weiter.
Du wirst dein Leben wiederfinden, liebe Anja, du weißt ja dass es anders sein wird, aber das heißt ja nicht, dass es nicht wieder schön sein kann.
Alles hat seine Zeit, an diesen Satz glaube ich felsenfest.
Sei umarmt und ich wünsche dir einen guten Abend und Start in die neue Woche.
Liebe Grüße aus der Vulkaneifel 😊
Elisabeth 🙋🏻♀️