Meine über alles geliebte Frau ist am 4.7.2018 um 14:50 Uhr, im Alter von nur 55 Jahren, viel zu früh gestorben. An diesem Tag hat es mir das Herz herausgerissen und meine Welt ist zusammengebrochen. Obwohl bereits 83 Tage vergangen sind, ist nichts besser geworden. Manchmal kommt es mir sogar noch schlimmer vor. Wie viele andere hier, kann ich mit Standardsprüchen wie “Die Zeit heilt alle Wunden“ und Ähnlichem wenig anfangen, ganz im Gegenteil. Es macht mich nur zornig.
Sie ist für mich nicht nur die großartigste Ehefrau der Welt, sondern auch der beste Mensch, den ich je kennen gelernt habe. Sie war unglaublich bescheiden und hat sich bis zuletzt als erstes um andere gesorgt und jede Sorge um sich selbst zurückgewiesen. Das hat auch dazu geführt, dass kaum jemand wusste, wie schlecht es ihr wirklich ging.
Wir waren fast 35 Jahre verheiratet und sie war in dieser Zeit nicht nur meine Liebes- und Lebenspartnerin, meine beste Freundin, sondern auch meine Arbeitskollegin und Geschäftspartnerin. Wir haben also einen großen Teil dieser 35 Jahre 24 Stunden am Tag zusammen verbracht. Wir haben sehr viel zusammen erlebt, möglicherweise mehr als viele andere in einem ganzen, oder auch mehreren, Leben. Aber trotzdem niemals genug.
Meine geliebte Maus war nicht nur unglaublich tapfer, sondern auch unfassbar stark. Sie hat fast 10 Jahre gegen den verdammten Krebs gekämpft, obwohl dieser bereits zu Beginn der Diagnose gestreut hatte (leider ist es von Anfang an auch immer wieder zu Problemen mit Ärzten gekommen).
Trotz Knochenmetastasen, Lebermetastasen (nicht operierbar, da zu nahe an der Aorta) und Gehirnmetastasen kam ihr Tod letztlich überraschend. Schließlich hatte Sie alle Prognosen der Ärzte, nach OP, mehreren Strahlentherapien und zahlreichen Chemoserien lange überlebt. Die Strahlentherapie ihres Gehirns, gemeinsam mit der nachfolgenden schweren Cortisonbehandlung und einer Tumorkachexie, waren letztlich, zusammen mit einer schlechten Spitalsbetreung, dann doch auch für sie zu viel.
Ein total verpatzter “Krankentransport“ hat dann noch für den “passenden“ Abschluss gesorgt. Sie ist, nachdem man sie zu Hause “abgeladen“ hatte in eine Art Koma verfallen und 2 1/2 Tage später verstorben. Das einzig tröstliche war, dass wir sie, wenn auch zu spät, aus dem Spital herausgeholt haben. So ist sie, wie von ihr gewollt, wenigstens zu Hause gestorben. Im Kreis ihrer Liebsten (neben mir waren auch ihr 31-jähriger Sohn, ihre Mutter und ihre Lieblingstante anwesend).
Ihr Sohn hat ihre restliche Zeit zu Hause bei ihr im Bett schlafend verbracht, während ich die meiste Zeit bei ihr gesessen bin. Wir haben ihren Mund befeuchtet, sie mit Morphiumpflastern und der bestmöglichen Hausbetreuung versorgt, so gut wir konnten.
Kurz nachdem ich ihr versichert habe, dass wir einige neue Behandlungsideen haben und sie mit allem unterstützen würden, es aber auch verstehen würden, wenn sie keine Kraft mehr hat und sie in diesem Fall gehen lassen würden, hat sie ein letztes mal die Augen geöffnet. Während sie ihren Sohn und mich angesehen hat, sind ihr einige Tränen aus den Augenwinkeln gelaufen und sie hat ihren letzten Atemzug getan. So schmerzhaft und schrecklich dieser Moment war, möchte ich ihn um nichts auf der Welt verpasst haben.
Neben dem bürokratischen Wahnsinn, den wir alle viel zu gut kennen, habe ich seitdem vor allem viel gelesen. Unsere Firma ist im Laufe der Zeit ohnehin schon den Bach hinunter gegangen und ich bin seit einiger Zeit nach dem Supergau im Krankenstand. Ich muss gestehen, mir fehlt auch jegliche Motivation, etwas zu tun.
Hatte ich mich früher beim Lesen neben Unterhaltung vor allem für IT, Politik und Sport interessiert, habe ich in den ersten Wochen danach vor allem über Krebs, dessen Behandlungsmethoden und Strategien der Pharmakonzerne gelesen. Ergänzt mit Recherchen im Internet und persönlichen Gesprächen mit Insidern frage ich mich seitdem immer wieder, ob wir nicht noch viel mehr hätten tun können, um meiner Frau das Weiterleben zu ermöglichen. Klar, dass dadurch meine Schuldgefühle, die schon schlimm genug waren, weil ich meine Frau, obwohl sie fast darum gebettelt hatte, nicht früher aus dem Krankenhaus heim geholt hatte, noch gesteigert wurden.
Parallel dazu und in letzter Zeit noch verstärkt, habe ich Unmengen über Sterbebettvisionen, Nah- und Nachtoderfahrungen, sowie über das Jenseits und ein mögliches Leben nach dem Tod ganz allgemein, gelesen. Obwohl ich natürlich realisiert habe, dass meine geliebte Maus unwiederbringlich tod ist, und nichts, das ich tun könnte, sie wieder zurückbringen wird, kann ich es einfach nicht akzeptieren.
Damit gibt es nur eine Möglichkeit, bald wieder bei meiner geliebten Frau zu sein, die scheinbar auch einige andere hier bereits in Erwägung gezogen hatten. Das Hauptproblem dabei ist unser großartiger Sohn, der nach allgemeinem Konsens die größten Probleme damit hätte, jetzt auch noch diesen zusätzlichen Schicksalsschlag zu verkraften. Seine Sorge um mich hat ihn auch dazu gebracht, mich vor kurzem zu einem Kriseninterventinsteam zu schleppen, von dem ich derzeit betreut werde.
Häufige Friedhofsbesuche, abendlicher Alkoholkonsum (nachdem ich jahrzehntelang so gut wie nichts getrunken habe) und endlose Nachdenkphasen in jeder freien Minute, gepaart mit wenig Schlaf und immer wieder auftretenden Weinkrämpfen, bestimmen derzeit meinen Tagesablauf. Von meinem bisherigen Optimismus, der mich mein Leben lang begleitet und auch zur Selbstständigkeit gebracht hatte, ist nichts mehr übrig, nachdem ich das Licht meines Lebens verloren habe. Den Menschen, der meine ganzen verrückten Ideen und Aktivitäten immer unterstützt und mich gleichzeitig immer in der Spur gehalten hat.