Liebe Olga,
ja es liest sich gut, wie Du mit allem umgehst. Max ist Dir nah und du bist ihm nah. Da muss man wirklich nicht täglich zum Friedhof. Aber auch sein Zimmer war doch nur ein gelungener Ort.
Wir hängen an den Dingen, die wir sehen und anfassen können. Begreifen. Doch was wir erlebt haben, ist eine andere Welt. Das passiert zwar oft und täglich, aber vor einem Jahr würden wir betroffen, angeschossen und kämpfen schon seit dem ein Leben zu führen, trotzdem den Halt und den Sinn nicht zu verlieren. Manch einer sieht vielleicht gar keinen Sinn, weil er vll alleine ist und alles sinnlos erscheint. Aber es ist nicht zu Ende, bevor auch wir gehen. Du hast noch eine Familie und Max ist jetzt woanders. Wir wurden überrannt und das Leben hat sein Eigenes getan. Warum wissen wir nicht.
Bei mir ist es jetzt auch ein Jahr her. Ich habe eine 2 Ebene eröffnet.Wir gehen abwechselnd oft zum Friedhof, damit nie die Kerzen dort ausgehen. Es ist unsere Art weiter zu umsorgen. Wir brauchen diesen kleinen Ort und bringen unsere Liebe dort hin. Aber auch im Tag täglichen bleibe ich mit Louis in Verbindung. Manchmal hat es schon was Traumähnliches. Manchmal mache ich mir auch Schuldgefühle, aber dann passe ich auf, denn ich habe ihm soviel Halt geben wollen, soviel Unterstützung. Was er daraus gemacht hat und wie er über die Dinge dachte hat er alleine getan.
Er war wie er war. Die Welt ist wie sie ist. Wir haben nicht alles in unserer Macht. Reinhard Mey sagte in einem Song, " die Kreuzwege des Lebens geht man immer ganz allein". Und es ist in uns zu entscheiden, wie wir weiter gehen, egal was passiert ist und ob wir weiter gehen. Ich will weitergehen, und bei Dir fühlt es sich gerade genauso an. Louis wäre am 27.11. 21 Jahre jung geworden. Max erst 18. Keiner von Beiden ist alleine vorgegangen. Es passiert täglich und in grosser Zahl. Eine Mutter begreift das nicht, aber wir müssen es akzeptieren. Solange wie unser Mutterherz schlägt, werden wir unseren Sohn spüren und ehren , ihn mit Liebe bedecken und aufhören gegen das zu kämpfen, wogegen wir eh keine Macht haben.
Ich sende Dir Licht und Kraft, weiterzugehen. Ich mache es auch. Anja