Mein Mann ist mit dem Flugzeug abgestürzt, seitdem ist alles anders.

  • Liebe Tigerlily,

    ich möchte dich nicht irgendwie belehren, doch diese Auf und Abs sind ganz normal.

    Und trotzdem tun sie weh und zermürben. Es ist schön, dass du dir Hilfe suchst und verschiedenstes ausprobierst.

    Auch der Wunsch nach dem Kümmern um das Innenleben ist sicher hilfreich. Ich möchte dir nur schreiben:

    übernimm dich nicht. Gib dir immer wieder mal solche Tage, von denen du geschrieben hast, ganz besinnlich zu Hause

    zu sein. Liebe Tigerlily, ich wünsche dir, dass du die Aufs genießen kannst, dich daran freust und dann die Kraft mit in

    die Abs nehmen kannst.


    Sei lieb gegrüßt

    Astrid.

  • Hallo tigerlily,


    Guten Morgen.


    Ja,diese Aufs und Abs sind zermürbend. Heute morgen bin ich wieder in einem Tief, mag mich fast nicht bewegen, nachdem das Wochenende eigentlich ganz gut verlief, was meine Gefühlswelt angeht. Jetzt muss ich mal wieder kämpfen, überhaupt etwas zu erledigen, könnte nur weinen.Manchmal werde ich regelrecht sauer darauf, dass mir ausgerechnet dann einhundertausend alte Bilder, Geschichten, Geräusche durch den Kopf gehen, auch wenn es ja das Normalste der Welt ist.

    Jetzt werde ich mal wieder Ämter anrufen, vielleicht bekomme ich wenigstens das geschafft..



    Lg Julia

  • Liebe Astrid, ja es scheint so, dass das alles ganz normal ist und es scheint so zu sein, dass es manchen auch noch Jahre später nicht gut geht und das sind keine schönen Aussichten.

    Mit dem Genießen habe ich so mein Problem und das Schwierige daran ist, dass es auch vor Hannes Tod schon mein Problem war, dass ich nie wirklich gerne gelebt habe.

    Meine kleine Familie war sozusagen die letzte Bastion vorm Abgrund und jetzt habe ich schwer daran zu kauen, mir Motivation zum Weiterleben zu holen, denn wenn ich in mein Inneres schaue ist da immer noch der Wunsch, dass dieses anstrengende Leben doch endlich vorbei sein möge, jetzt wo sowieso niemand mehr da ist, für den ich stark sein muss und der mich braucht.


    Angeblich sieht es ja so aus, dass es für mich noch viele Aufgaben geben wird und dass ich sehr wohl noch irgendwann mal gebraucht werde, aber das sind halt Durchsagen aus der geistigen Welt und auch wenn es sehr, sehr überzeugend rüberkam und auch wenn ich mich durch Hannes daheim beschützt fühle, so habe ich doch auch meine Zweifel und muss immer wieder dagegen ankämpfen, vor allem weil ich mir selber nicht vetraue, weil ich mir immer denke, ich muss es schaffen, ich darf meine Lieben da drüben nicht enttäuschen, wenn sowieso alle bei mir sind, um mir zu helfen und mir andererseits denke, ich schaff das sowieso nicht, ich bin einfach zu negativ und ich kann mir schon gar nicht mehr vorstellen, wie Lebensfreude aussehen soll. Die Aufforderungen, dass man sich eben an kleinen Dingen erfreuen soll, oder dass man sich Aufgaben suchen soll, um sich gebraucht zu fühlen, oder das Allerbeste: Dass ich jetzt mal für MICH da sein soll, machen es mir dann noch schwerer als sowieso schon ist, weil mir das so gar nicht gelingen will.

    Das ist ja das Schlimme an der Sache, das es nichts mit Wollen und Bemühen zu tun hat, denn in Wollen und Bemühen und Überwinden bin ich ganz groß, ich habe mein ganzes Leben nichts anderes gemacht, aber leider funktioniert das jetzt nicht mehr und diejenigen die sich jetzt noch um mich bemühen und mir helfen wollen, sind es mir nicht wert, mich dafür nochmal so anzustrengen, wie ich es mein ganzes Leben für meine Familie getan habe. Irgendwie ist der Saft raus, ich könnte ja einige Menschen glücklich machen, wenn ihre Bemühungen, mir zu helfen von Erfolg gekrönt werden, aber es ist mir gelinde gesagt vollkommen egal, die zählen alle nicht und ich kann nicht mal mehr ein gepflegtes Schuldgefühl darin investieren.

    Es ist ja auch irgendwie seltsam, dass ich mich meinen Lieben auf der anderen Seite sehr wohl verpflichtet fühle und auch aus Angst, alles noch schlimmer zu machen, wenn ich von selber gehe, am Leben bleiben möchte.

    Dass es aber auf der Erde, da wo ich lebe, da wo ich alles genießen sollte und mich für mich selbst und die Lebenden verantwortlich fühlen sollte, nichts gibt was mich halten kann, worauf ich mich freuen und wofür ich Pläne machen könnte.


    Das macht es extrem schwierig, an den Abs nicht zu verzweifeln, verleiht auch den Aufs einen sehr faden Beigeschmack und macht es auch schwierig immer wieder so etwas wie Hoffnung aufkeimen zu lassen, um wieder aktiv zu werden und weiterzumachen.

  • Liebe Tigerlily,

    Jetzt ist die Zeit, jeden Moment, jede Minute, jede Stunde, jeden Tag zu überstehen.


    Ich denke nicht, dass es dir nach Jahren noch genau so geht, wie jetzt - auch wenn der Schmerz und die Trauer nicht abgeschlossen sind - es wird sich verändert haben. Aber nicht weil du dich dafür so anstrengst, sondern weil jeder überstandene Moment des Schmerzes dich mehr aus der Trauer hinaus führt. Eine Hebamme nannte die Trauer mal eine umgekehrte Geburt. Es fängt heftig an, mit schnell aufeinander folgenden Trauerwellen, die dir den Boden unter den Füßen wegziehen. Und um so mehr du diese Wellen annimmst, um so mehr können sie sich verändern. Und sie werden sanfter - und hin und wieder kommt eine, die dir den Boden wegzieht - und sie werden sanfter und du kennst sie und du weißt, du kannst es überleben und sie werden sanfter und kommen weniger häufig und du weißt sie gehen vorüber und sie werden sanfter und du spürst ein Hauch von neuem Leben. Du wirst nicht sagen, dass es gut ist - denn dein Mann wird immer noch fehlen. Du wirst vielleicht sagen, dass es wieder lebenswert ist oder dass da etwas Platz hat, in deinem Leben, was du bisher noch nicht vermisst hast und es doch auch fein ist, es jetzt zu haben. Und irgendwann, dann wirst du sagen können, dass du das so nie gewollt hast. Dass die Wellen des Schmerzes dich vielleicht das Leben neu gelehrt haben und dass dein Mann fehlt und immer fehlen wird, dass er einen Platz in deinem Herzen hat, aus dem ihn nichts vertreiben kann. Denn er bleibt bei dir, bis auch du gehen wirst. Und auch wenn du das jetzt vielleicht nicht gerne liest - ich wünsche dir, dass du nach den Wehen der Trauer ein noch langes und schönes Leben haben wirst, damit du deinem Mann beim Wiedersehen allerhand zu erzählen hast.


    Ich denke nicht, dass du es durch Bemühung, durch Überwindung, durch Anstrengung schaffen kannst.


    Es ist ein Annehmen, Hinnehmen, Mitnehmen und ganz viel Aushalten. Und um nochmal zum Vergleich mit der Geburt zu kommen, immer gut atmen und auf die eigene Bequemlichkeit, Komfort und Bedürfnisse achten.


    Und so möchte ich dir hier noch schreiben:

    Sei achtsam mit dir selber - die Zeit der Trauer ist nicht die Zeit anderen Gutes zu tun und auch nicht die Zeit für sich selber. Die Trauer ist die Zeit für den Verstorbenen und dich - die Zeit in der eure Beziehung einen neuen Sinn bekommt, eine Zeit in der du dir das Leben langsam, sehr, sehr sehr, sehr langsam neu einrichtest, es ist die Zeit des Schmerzes und der Heilung (bei der immer Narben und Wunden bleiben werden) und es ist die Zeit die Anstrengung, Mut, Liebe, Ausdauer und Kraft beansprucht, bis an den Rand des Aushaltbaren. Darum nimm dir nicht zu viel vor - (über)Lebe es. Und dafür braucht es eben die Achtsamkeit mit dir selber.


    Sei lieb zu dir - ich möchte dir etwas Gutes tun, wie wäre es mit einem warmen Tee - Ingwer und Zitrone mit einem Löffel Honig?


    Gruß Astrid.

  • Sei achtsam mit dir selber - die Zeit der Trauer ist nicht die Zeit anderen Gutes zu tun und auch nicht die Zeit für sich selber. Die Trauer ist die Zeit für den Verstorbenen und dich - die Zeit in der eure Beziehung einen neuen Sinn bekommt, eine Zeit in der du dir das Leben langsam, sehr, sehr sehr, sehr langsam neu einrichtest, es ist die Zeit des Schmerzes und der Heilung (bei der immer Narben und Wunden bleiben werden) und es ist die Zeit die Anstrengung, Mut, Liebe, Ausdauer und Kraft beansprucht, bis an den Rand des Aushaltbaren. Darum nimm dir nicht zu viel vor - (über)Lebe es. Und dafür braucht es eben die Achtsamkeit mit dir selber.

    liebe Astrid,


    diese worte sind einfach wunderschön und haben mir gerade sehr geholfen, DANKE!!!

  • Am Samstag habe ich ein Tagesseminar mit dem Thema "Cycling" von Dr. William Bengston besucht. Die Methode ist irgendwie mühsam, aber auch ansprechend, weil sie einem dazu zwingt sich mit sich selber und den eigenen Wünschen auseinander zu setzen.

    Die Vortragende war in meinen Augen eher zweifelhaft, besonders gestört hat mich, dass sie einerseits immer betont hat, man solle sich von negativen Gedanken fernhalten, dann aber bei jeder sich bietenden Gelegenheit über die Schulmedizin hergezogen ist. Gegen Ende des Tages habe ich das Thema dann angesprochen und die Dame hat zwar nicht die Contenance verloren, aber ihre Körpersprache verriet den Vulkan, der sich da unter der friedvollen Oberfläche verbarg. Für mich hat das den ganzen Workshop verdorben, weil ich fühlte, dass sie nicht ehrlich war und ich ihre enthusiastischen Schilderungen des Systems dann auch nicht mehr für bare Münze nehmen konnte. Ein paar meiner Fangfragen konnte sie auch nicht zufriedenstellend für mich beantworten, sodass ich dieser Frau, die sich Mentaltrainerin nennt, unmöglich mein Vertrauen schenken kann.

    liebe Tigerlily

    Ich finde es schade,dass Du die Erfahrung machen musstest.Ich habe so etwas ähnliches grade bei einer Theologin erlebt.Vorne herum gesülze und hintenherum Verletzungen und Beschimpfungen anderer Menschen ohne jegliche Selbstreflektion.

    Ich finde es schade,da ich mich in eine Verteidigungsrolle von Religion begeben muss und auch erklären muss,dass das Verhalten eines einzelnen nicht Rückschlüsse auf das Christentum zulassen darf.Wie heisst es so schön:" an ihren Taten sollt ihr sie erkennen.

    Ich glaube ,dass auch deine Kursleiterin nicht authentisch lebt.Es hat nichts mit dir zu tun.Es ist ihrs.In dem Sinn nicht aufregen,sondern verzeihen

    Alles Liebe

  • Die Menschen haben eine Seele, die noch lebt,

    nachdem der Körper zu Erde geworden ist;

    sie steigt durch die klare Luft empor,

    hinauf zu all den glänzenden Sternen.

    Hans Christian Andersen

  • Vielen Dank für eure lieben Worte, ich war jetzt ein paar Tag kaum online und habe stattdessen anderweitig mehr unternommen.

    An der Lage an sich hat sich kaum etwas verändert.

    Irgendwie fühlt es sich an wie das Warten auf einen Zahnarzttermin, nur ohne die Erleichterung, wenn es endlich vorbei ist, weil vorbei wird es nie wieder sein.

    Ich ertappe mich auch öfter, dass ich denke, so ein Abreisskalender wäre gut, wie ich ihn in der Schulzeit hatte, 1 Monat vor Ferienbeginn, jeden Tag einen Zettel abreißen und wieder einen Tag dem Lebensende näher ...

  • So ein Abreisskalender wäre gut.

    Vielleicht in Verbindung mit einem Wochenzettel, auf den du die schweren und leichten Momente aufschreibst.

    Und irgendwann wird der Abreisskalender nicht mehr die Tage zum Lebensende weniger machen, sondern vor allem

    die Tage des Schmerzes und die Tage der Ohnmacht - und die Tage bis ....

    und manchmal wird er wieder die Tage bis zum Lebensende repräsentieren.


    Liebe Tigerlily, heute einen feinen und leichten Tag wünscht dir

    Astrid.

  • Diese Woche war echt sehr durchwachsen.

    Obwohl ich mir mantraartig immer vorsagen, warum alles in Ordnung ist, so wie es ist und ich einfach Geduld haben muss, gehts mir einfach nur schlecht und ich kriege irgendwie kein Bein auf die Erde.

    Meine komplette Umgebung hat inzwischen wieder auf Alltagsmodus geschaltet, ist mit sich selbst beschäftigt und ich bin irgendwie übrig geblieben.

    Entweder ich bin todtraurig oder mir ist langweilig in meinem öden Alltag.

    Außerdem gehen mir langsam die Ideen aus, wie ich mich selbst motivieren könnte und die Frage, die ich in den letzten Wochen erfolgreich zur Seite legen konnte, kehrt mit unerbittlicher Gewissheit wieder.

    Warum ich?

    Warum muss ich unbedingt weiterleben, wo doch mein Leben eigentlich schon zu Ende ist?

  • Liebe Tigerlilly,


    danke für deine Worte, ja es ist einfach nur traurig, das man über den Menschen der einem das wichtigste war, nicht mehr offen reden zu können. Auch ich mache das nur noch bei ganz bestimmten Personen.

    Oft habe ich das Gefühl, das es wahrscheinlich das Beste wäre alles mit sich abzumachen, gelingt aber nicht immer. Als Mick noch lebte hat er es immer verstanden mich mit seinem rabenschwarzen Humor aufzumuntern, bis zum Schluss , weil er seine lachende Bibo sehen wollte und nicht die zutiefst traurige, das ist jetzt für immer vorbei, ohne ihn, das ist meine Zukunft, ich denke oft warum überhaupt weiter gehen, wir haben keine Kinder. Wenn meine über alles geliebte Mutter nicht wäre, die mich noch braucht....Ganz liebe Grüße und einen nicht verzweifelten Tag wünsche ich dir Bibo

  • Liebe Tigerlily,

    auch ich nehme dich liebevoll in meinen Arm.


    Hier kannst du immer wieder von deinen Erinnerungen erzählen, vielleicht schreibst du auch ein bisschen davon, was euer Leben so ausgemacht hat.

    Und du darfst auch immer schreiben, wie es dir geht.

    Wir lesen dich hier und fühlen uns verbunden.


    Hast du eine Idee, wie du der Langeweile und dem öden Alltag ein bisschen entgegentreten könntest?

    Magst du Kino oder Konzerte oder lange Spaziergänge? Besondere Filme im Fernsehen? Etwas basteln oder stricken? Lesen oder Hörbücher hören?


    Auf jeden Fall, lass dich halten - sanft eine Hand im Rücken oder in einer sanften Umarmung.

    Denn du bist wertvoll und ich bin froh, dass du hier bist.


    Sei lieb gegrüßt

    Astrid.

  • Dies war ein Wochenende voller Erinnerungen und Gespräche über Hannes und das hat mir sehr gut getan, obwohl heute morgen wieder sehr traurige Erinnerungen kamen und das große Vermissen mich daran erinnert hat, dass bei weitem nicht alles gut ist.

    Ich habe jetzt eine Vermutung warum ich mich für so gar nichts im Außen interessiere - ich denke mal das kommt daher, weil ich mich jetzt intensiv mit meinem Innenleben beschäftigen muss.

    Es gibt so gar keine Bedienungsanleitung für dieses Leben, speziell jetzt wo alle Fixpunkte verschwunden und die neuen selbstgemachten mehr oder weniger nur eine provisorische Notlösung sind.

    Das macht mir tatsächlich Angst, mit Vertrauen und so ist es bei mir nicht allzuweit her, leider. :-(

  • liebe Gabi,

    es gibt wohl tatsächlich keine bedienungsanleitung für dieses leben -

    die müssen wir selber schreiben.

    eine neue lebensaufgabe, meine ich.


    ich schreibe an meiner-

    und scheitere schon an den ersten wörtern.


    die reise in dein innenleben -

    ich wünsche dir entdeckungen, die dich freuen -

    und die dich -irgendwann- begeistern können!


    noch ist längst nicht alles erforscht,

    und es gibt schätze zu entdecken!


    GUTE REISE!

    wünscht dir

    Bea

  • Liebe Gabi,


    ich möchte Dir nur kurz für den Tipp mit dem screenshot danken, werde mich die Tage mal bemühen das hinzukriegen.Mir macht auch Angst, das mein ganzes weiteres Leben eine Notlösung wird, wenn ich darüber mit meinem Arzt spreche sagt er aber auch, ich müsse mich jetzt neu entdecken langsam aber stetig, mich vom alten Leben emanzipieren . Bin mir noch nicht sicher ob das klappt, denn das Leben mit Mick war ja das was ich wollte und nun ist ein Teil von mir mit ihm

    verschwunden. Wir alle hier müssen uns in Teilen neu entdecken,neu erfinden??


    Wünsche Dir Glück und eine Woche die man aushalten kann, irgendwie.Bibo

  • Da wünsche ich euch ganz viel Entdeckerlust und auch die Funken von Freude, wenn ihr etwas entdeckt habt.


    In der Trauer sprechen Fachleute oft vom Verschütteten Schatz. In euch allen ist ein großer Schatz mit vielen Fähigkeiten,

    Ressourcen, Eigenschaften,.... und dieser Schatz ist durch die Trauer und das Schreckliche verschüttet. Trauerbegleiter

    haben die Aufgabe, euch diesen Schatz wieder entdecken und langsam öffnen zu lassen.


    Und so freue ich mich, dass ihr euch auf die "Schatzsuche" machen wollt. Ich bin gerne dabei.


    Seid lieb gegrüßt

    Astrid.