Liebe Annie,
Du brauchst Dich nicht zu entschuldigen weil Du in meinem Wohnzimmer schreibst. Hier ist jeder willkommen. Glaub mir, ich kann Deine Gemütsverfassung sehr gut verstehen. Auch ich fühle nicht nur Schmerz, sondern manchmal eine gehörige Portion Wut weil mein Andreas viel zu früh gehen mußte. Und diese Wut richtet sich durchaus auch gegen Gott. Ich sage es auch ganz ehrlich daß ich auf Menschen die ihren Partner noch haben dürfen neidisch bin. Es tut einfach nur weh andere Paare zu sehen, und ich vermeide das nach Möglichkeit. Immer geht das natürlich nicht, aber da ich sehr zurückgezogen lebe muß ich es wenigstens nicht so oft sehen.
Mein Mann hat aus erster Ehe zwei Töchter. Die vermissen ihren Papa natürlich sehr und haben auch um ihn getrauert. Aber ihr Leben mit ihren Partnern geht trotzdem ganz normal weiter. Sie haben nach wie vor jemanden mit dem sie ihr Leben teilen können. Das gönne ich ihnen auch von ganzem Herzen, aber es tut eben auch weh, wenn man das selbst nicht mehr hat. Wie es Deiner Mama geht kann ich aus erster Hand nachempfinden. Es geht ihr gar nicht gut, um es mal vorsichtig auszudrücken. Trauer ist auch kein Schönmacher und kein Weichzeichner. Trauer wird sehr sichtbar. Auch das kennen wir hier alle.
Ob die Wut nur eine Phase ist weiß ich leider auch nicht. Wenn, dann ist sie bei mir noch nicht beendet. Ich hasse nicht die ganze Welt, denn die kann ja nichts dafür. Aber ich bin traurig über manche Gedankenlosigkeit von nahestehenden Menschen, auch wenn die nicht beabsichtigt ist. Meine beste Freundin hat mich beim letzten Telefonat in fröhlichem Ton gefragt, und geht`s Dir gut? Hallo??? Ich habe gesagt, was willst Du denn jetzt von mir hören? Da war sie für einen Moment erst mal still. Sie hatte das nicht böse gemeint, aber offensichtlich ist es für viele Menschen doch schwer nachzuempfinden was der Verlust eines geliebten Menschen bedeutet. Bei manchen habe ich sogar das Gefühl sie halten es für selbstverständlich und ihnen zustehend mit dem Partner alt werden zu dürfen. Und dann hadere ich auch mit Gott und bin wütend, weil Andreas und mir das nicht vergönnt war.
Die Welt dreht sich weiter und das hasse ich. Ich hasse es, wenn Menschen helfen wollen und ich hasse es, wenn sie es nicht tun.
kann ich sehr gut verstehen, daß Du mit Deinen Gefühlen nicht weißt wohin, und Deine Wut wegen dem Verlust Deines Papas ist auch normal. Die entstandene Leere ist zerstörerisch. Das kann jeder bestätigen der geliebt hat. Für Deine Kinder ist das auch schlimm. Je nach Alter verstehen sie nicht warum der geliebte Opa auf einmal nicht mehr da ist. Und vielleicht haben sie sogar Angst Dich auch noch zu verlieren.
Leider habe ich auch nach fast 3jähriger Trauerzeit kein Patentrezept. Ich weiß nur daß es gut tut mit wirklich verständnisvollen Menschen reden zu können, und sich verstanden zu fühlen. Das ist hier im Forum der Fall, und sollte auch in der realen Welt gegeben sein, hat nur leider nicht jeder. Aber im Forum ist immer jemand da mit dem man sich austauschen kann. Und wenn es Dir in meinem Wohnzimmer gefällt bist Du herzlich eingeladen. Bleib einfach solange Du möchtest.
Die Welt ist für mich zum Jammertal geworden, und ich bin manchmal sehr wütend auf Gott. Aber ich habe trotzdem die feste Überzeugung daß hier nicht das Ende ist, sondern daß Gott am Ende alles für uns gut machen wird. Auch wenn das im Hier und Jetzt kaum vorstellbar ist.
und liebe Grüße
Lilifee