Mein geliebter Vater ist nach kurzer, schrecklicher Krankheit unerwartet einfach gestorben

  • Liebe Helga, liebe Kerstin


    Ich danke euch für eure positive Bestärkung, dass mir der Urlaub gut tun wird. Ich erinnere mich, als wir vor einem Jahr weggefahren sind: Wie schön es war, welch unbeschwerte Tage wir verbracht haben, wie ich mehrere Male mit meinen Eltern telefoniert habe und einfach alles noch gut war. Und jetzt umgibt mich diesere düstere Trauer und macht alles so schwer. Ich würde wirklich am liebsten zu Hause bleiben.

    Dass es zwiespältig ist, liegt auf der Hand, und doch ist es gut, aus seinem Trott herauszukommen. Du wirst gute Momente im Urlaub haben, dich an der Freude deiner Kleinen erfreuen und dadurch einen Sinn erspüren; einen Sinn, trotz allem auch glücklich sein zu dürfen.

    Ja. Der Sinn ist mir im Moment ein wenig abhanden gekommen. Alle müssen wir sterben; alles, was wir tun, macht im grossen Ganzen gar keinen Unterschied. Dem Universum ist das egal. Bitte entschuldigt diese nihilistische Einstellung. Ich denke einfach immer daran, wieviel mein Vater in seinem Leben erlebt und wirklich Bleibendes geschaffen hat, sowohl materiell als auch geistig - und trotzdem wird er von der Welt so schnell vergessen. Als ob es ihn nie gegeben hätte. Das ist schwer zu ertragen. Ich möchte gerne wieder glücklich und unbeschwert sein, trotz allem, was passiert ist. Und vielleicht hilft es mir tatsächlich, aus meinem Alltag hier herauszukommen, wo mich alles an meinen Vater erinnert, auch wenn es nur für 10 Tage ist. Ich werde mich auf jeden Fall jetzt einfach darauf einlassen und mit offenem Herzen morgen loszufahren.


    Ich bin so froh, dass es euch alle gibt und ihr mich ein Stückchen begleitet auf meinem Weg. Ich wäre mit meinen Gedanken sonst so alleine. So sehe ich immer wieder kleine Hoffnungsschimmer am Horizont und die tragen mich dann wieder ein Stückchen weiter.


    Ganz liebe Grüsse und eine gute, erholsame und ruhige Nacht

    <3 Silvia

  • Guten Abend ihr Lieben


    Ich bin zurück vom Urlaub, wieder zu Hause. Es fühlt sich so gut an, wieder daheim zu sein. Hierher gehöre ich, das habe ich im Urlaub ganz klar gespürt. Ich hatte manchmal den Gedanken, dass ich es inmitten all der Erinnerungen hier an meinen lieben Vater schwer habe, aus der Trauer rauszukommen und dass es vielleicht eine Erleichterung wäre, woanders zu leben, wo nicht jeden Tag wieder alles auf mich einstürzt, was ich verloren habe, wo mich nicht alles an den Alltag erinnert, als mein Vater noch unter uns war und unseren Tag bereichert hat. Aber nein, ich habe mich richtig danach gesehnt, wieder einzutauchen in all die Erinnerungen, so kann ich meinen Vater auch wieder lebendiger in meinem Herzen spüren. So fühle ich mich ihm nahe und kann mich an so viele Einzelheiten erinnern, mit immer wieder neuen Details. Und das tut mir gut. Ich weiss ja, dass er nie mehr zurück kommt, aber so habe ich wenigstens noch seine Spuren, die er hinterlassen hat und kann ihnen nachgehen. Das gibt mir ein Stück Geborgenheit. Ich kann jetzt genau verstehen, was für ein wertvoller Schatz all diese Erinnerungen sind, und dieser Schatz liegt hier vor mir ausgebreitet wie ein roter Teppich, über den ich jederzeit gehen kann. Jetzt verwünsche ich diese Erinnerungen nicht mehr und will ihnen nicht mehr aus dem Weg gehen wie noch vor wenigen Wochen, da sie einfach zu schmerzhaft waren. Sondern ich suche sie geradezu.


    Der Abstand zu allem im Urlaub hat mir auch gut getan. Ich konnte einmal anderen Gedanken den Vorrang lassen und ich hatte Tage, da habe ich mich fast wieder normal gefühlt, da ich einfach nicht mehr so unmittelbar immer im Kopf hatte, dass mein Vater nicht mehr da ist oder dass ich ihn nie mehr wiedersehe. Vielleicht hat dieser Abstand dazu beigetragen, dass ich mit einem anderen Bewusstsein wieder nach Hause kommen konnte in die Geborgenheit und Vertrautheit der Erinnerungen.


    Gestern vor 17 Wochen ist mein Vater gestorben. Ich schaue gerade sein Foto an und er schaut mir direkt in die Augen, als ob er mir sagen wollte: Du schaffst es, ich bin immer bei dir.

  • Liebe Silvia!

    Es ist schön,das dir der Urlaub so gut getan hat,das brauchtest du auch.Ja natürlich freut man sich

    wieder auf sein vertrautes zuhause.Vielleicht hätte er benau das gesagt und hat die ein Lächeln geschickt.

    Jetzt ruh dich erst mal aus,denn auch zuhause gibt es erst mal etwas zu tun,fängt schon mit der Wäsche an.

    Aber alles ganz in Ruhe.Liebe Grüße Helga

  • Liebe Helga


    Ja, da hast du Recht, dass es nach dem Urlaub erstmal viel zu tun gibt. Alles auspacken, sortieren, waschen, wieder einräumen etc. Das habe ich zum Glück gestern und heute gleich angepackt und so habe ich das alles schon geschafft. Ich bin jemand, der das gerne gleich erledigt, sonst liegt es mir ständig im Nacken und ich komme sowieso nicht zur Ruhe. Dann mach ich es lieber gleich und kann danach wieder entspannen.


    Beim Trauern geht das eben nicht. Die Trauer lässt sich nicht erledigen oder abarbeiten oder irgendwie vorantreiben, sondern sie hat ihren eigenen Rhythmus. Und so bleibt mir nichts anderes übrig, als sie zuzulassen, jeden Tag neu.

  • Vielleicht hat dieser Abstand dazu beigetragen, dass ich mit einem anderen Bewusstsein wieder nach Hause kommen konnte in die Geborgenheit und Vertrautheit der Erinnerungen.

    Liebe Silvia,

    Das ist ja ein schönes "Mitbringsel" aus dem Urlaub. Ich freu mich für dich und hoffe dieses Gefühl wird dich lange tragen <3

  • Ihr Lieben


    Heute am ersten August feiern wir in der Schweiz unseren Nationalfeiertag. Wieder ein Fest, das das erste Mal ohne meinen Vater stattfindet. Wir fuhren jeweils immer zusammen zu meiner Schwester und haben dort gefeiert. Das war auch heute so, jedoch wurde mir bei der Autofahrt wieder so bewusst, dass mein Vater nicht mehr dabei sein kann. Immer, wenn er in meinem Auto mitgefahren ist, hat er das Auto gelobt, da es sehr geräumig und gut ausgestattet ist. Wenn ich nur wieder einmal seine Stimme hören könnte, sein herzliches Lachen oder seine klugen Bemerkungen.


    Heute ist wieder ein schwerer Tag. Ich vermisse ihn einfach so sehr. Ich möchte noch einmal mit ihm reden, unbedingt. Es gibt so viele Fragen. Ich möchte ihm wieder an seinen Lieblingsplätzen im Garten begegnen. Ich möchte mit ihm Brombeeren pflücken gehen und dann die frischen Beeren mit Vanille-Eis essen, wie wir das jeden Jahr immer gemacht haben. Ich möchte mit ihm über alte Zeiten sprechen, zum Beispiel als wir gemeinsam regelmässig zu einer spirituellen Meditationsgruppe gefahren sind oder als er zur Präsentation meiner Bachelorarbeit extra nach Zürich gefahren ist. Oder als wir auf seinem Boot Ausflüge gemacht haben. Oder als wir gemeinsam über Gott und die Welt geredet haben. Oder als er mir bei der Krankheit meines Partner beigestanden ist. Oder, oder, oder. Die Liste ginge endlos weiter.


    An Tagen wie diesen möchte ich einfach nur das Schicksal verwünschen, das mir meinen Vater genommen hat. Wieso er? Wieso so früh? Wieso so unerwartet? Und das tue ich auch, aber es hilft ja nichts.


    Wir sind früh von meiner Schwester zurückgekommen, meine Tochter war auch sehr müde. Draussen knallt es schon die ganze Zeit und wenn es eindunkelt wird dann das Feuerwerk losgehen. Mir ist alles andere als nach Feiern zumute, aber ich muss ausharren, bis es dann wohl um Mitternacht wieder langsam stiller wird.

  • Liebe Silvia,


    wie geht es dir?

    Die Trauer ist ja nun einmal ein ewiges Auf und Ab:(

    An Tagen wie diesen möchte ich einfach nur das Schicksal verwünschen,

    So einen Tag hatte ich heute. Ich weiß auch nicht warum, aber heute war es schlimm. Bin richtig erschöpft von so viel Trauer und diesem widerlichen Gefühl, ein Waisenkind zu sein ...

    Ich schaue mir mein Elternhaus an, unsere Terrasse, auf der ich so oft mit meiner Mutter gesessen habe ... und es kommt mir so unwirklich vor!

    Immer noch! Nach 28 Monaten!

    Ne, also heute ist es echt schlimm:33: und ich frage mich, wie lange das noch so weitergehen soll (?!)

    Aber diese Frage ist selbstredend rhetorisch gemeint; ich weiß ja, dass die Trauer ihre Zeit verlangt und unerbittlich einfordert. Und dass es so sein muss.

    Irgendwie ist heute meine Vergangenheit über mich hereingebrochen und hat mich überschwemmt mit Erinnerungen und Gefühlen.

    Oder als wir auf seinem Boot Ausflüge gemacht haben.

    Kommt mir bekannt vor ... als mein Vater noch lebte, hatten wir ein Yacht und all unserer Sommerurlaube darauf verbracht.

    Überhaupt war mein Vater ein ganz besonderer Mensch:)


    Liebe Silvia, ich wünsche dir eine gute Nacht<3

  • Liebe Kerstin


    Ich danke dir für deine liebe Nachfrage. Ja, dieses Auf und Ab, so kräftezehrend. Mir geht es heute ein wenig besser, das heisst, ich kann wieder ein wenig durchatmen. Die letzten Tage hatte ich viel geweint und mit allem so gehadert. Immer mal wieder überfallen mich die Bilder der schrecklichen Krankenhauswoche und der Tage danach. Ich kann nicht mehr nachvollziehen, wie ich diese Tage überstanden habe. Es war einfach nur schlimm. Dann wieder überkommt mich dieses Gefühl der Unwirklichkeit, so wie du das auch beschrieben hast. Dann stehe ich fassungslos da und kann einfach nicht glauben, dass ich meinen lieben Papa nicht mehr habe, dass ich nun für den Rest meines irdischen Lebens ohne ihn auskommen muss.


    Ich habe heute wieder einen seiner Weisheitskrümel gelesen. Da stand sinngemäss:


    Niemand kann ewig an deiner Seite sein.

    Behalte die Erinnerung und du hast ihn immer im Herzen.


    Auf den ersten Blick erschien mir das wie eine fade Plattitüde. Jedoch blieb ich dann am ersten Teil hängen: Niemand kann ewig an deiner Seite sein. Genau so ist es. Niemand. Nicht einmal der über alle geliebte Papa, der immer da war, immer Rat wusste, immer für alles Lösungen gefunden hat, nie aufgegeben hat und so stark und eben unsterblich war für mich. Dass er so früh sterben könnte, war überhaupt nicht in meinem Bewusstsein. Ich habe es verdrängt, dass er nicht ewig an meiner Seite sein würde. Und jetzt rückblickend kann ich es nicht mehr verstehen, dass ich so unachtsam mit unserer gemeinsamen Zeit umgegangen bin.


    Liebe Kerstin, ich hoffe, dass es dir heute besser ging und du dich wieder ein wenig leichter fühlst.


    Alles Liebe von mir und eine ruhige, erholsame Nacht <3

    Silvia

  • Liebe Silvia,


    wieder hast du so schöne Worte gefunden für das was auch ich empfinde.


    Mein Papa ist jetzt genau zwei Monate nicht mehr da und mein Zeitgefühl ist total durcheinander. Auch mich begleitet ein Gefühl der Unwirklichkeit. Papa ist immer in meinem Kopf, ich denke immer noch dass er zurückkommen wird. Dann werde ich ihm erzählen was in den letzten Wochen passiert ist und wir werden am Ende herzhaft darüber lachen und ich kann gar nicht mehr verstehen, wie ich glauben konnte dass jemand wie er einfach so stirbt.


    Heute habe ich ständig seine Stimme im Kopf, er sagte oft "Alles ist immer nur für eine bestimmte Zeit". Nun ist für mich die unendlich lange Zeit ohne ihn angebrochen und nichts lässt sich daran mehr ändern.


    Alles Liebe für dich

  • Liebe Stella


    Wir vermissen unsere Papas so sehr. Heute habe ich auch wieder sehr weinen müssen. Ich empfinde es genau wie du, dass ich nicht verstehen kann, wie jemand wie mein Vater einfach so sterben kann, mitten aus dem Leben heraus. Und wir können gar nichts daran ändern. Dieses Ausgeliefertsein macht es für mich oft so schwer. Ich würde so gerne etwas tun, damit die Situation besser wird, aber es geht nicht. Der Tod ist unumkehrbar.


    Ich finde viel Wahrheit in dem Satz, den dein Vater oft gesagt hat: "Alles ist immer nur für eine bestimmte Zeit." Mein Vater sagte etwas ganz Ähnliches, nämlich: "Alles geht vorbei." Gerade wenn es mir nicht gut geht, denke ich daran, dass es irgendwann wieder vorbei geht und wieder leichter wird. Und so ist es halt auch mit den guten Zeiten, auch die gehen vorbei und sind nur für eine bestimmte Zeit. Ja, dankbar sein für die guten Zeiten, bewusst diese Dankbarkeit empfinden. Und so möchte ich auch für all die guten Zeiten, die ich mit meinem Vater hatte, dankbar sein und für all die Erinnerungen, die mich heute mal wieder überschwemmen. Auch wenn sie noch immer schmerzhaft sind, sind mir unterdessen sehr lieb und teuer.


    Ich habe gestern erfahren, dass eine Jugendfreundin von mir nach kurzem Krebsleiden ganz plötzlich verstorben ist. Ich hatte seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu ihr. Und doch hat mich die Nachricht sehr aufgewühlt und betroffen gemacht. All die Erinnerungen an unsere gemeinsamen Jahre als Freundinnen tauchen auf und ich denke daran, wie unendlich schwer es für Ihre Familie sein muss. Auch sie hat der Tod brutal aus dem Leben gerissen.


    Ganz liebe Grüsse

    Silvia

  • Ihr Lieben


    Heute Abend ist wieder der Himmel so intensiv orange über dem See. Und ich denke an all die Abende zurück als dies ebenso war und ich so abgrundtief traurig war und dieser Himmel mir ein wenig Hoffnung gab, dass mein Vater irgendwo da draussen ist und weiterhin für mich da ist und auf mich aufpasst. Es ist wie eine Zeitreise und auch heute spüre ich wieder diese tiefe Verbundenheit zu ihm.


    Auch der Tod meiner Jugendfreundin hat vieles wieder aufgewühlt. Ich bin von neuem erschüttert über die Plötzlichkeit, mit der der Tod über uns alle hereinbrechen kann. Ich fühle mich manchmal regelrecht bedroht vom Tod und der Vorstellung, dass ich meine Tochter eines Tages hier zurücklassen muss. Dieser Gedanke ist so unerträglich für mich, so unfassbar schmerzhaft, dass ich nicht weiss, wie ich damit umgehen soll. Und dann stirbt meine Jugendfreundin im gleichen Alter wie ich es jetzt bin, 45 Jahre, und ich denke nur daran, es hätte auch mich treffen können. Solche Gedanken hatte ich früher nie, niemals habe in dieser Weise über den Tod und meine Endlichkeit nachgedacht, es war alles so weit weg. Und jetzt ist der Tod auf einmal hier, so nah.

  • Liebe Silvia,

    Da hast du Recht- wir denken so oft, der Tod ist so weit weg. Trauer betrifft nur die anderen. Und dann ist man mitten drin. Das löst natürlich Ängste aus.

    Es ist gut das du dich mit diesen Gedanken beschäftigst und ich wünsche dir, dass du ein wenig Frieden mit deiner eigenen Endlichkeit finden kannst.


    Ich wünsch dir einen guten Tag <3

    Isabel

  • Liebe Silvia

    Ich weiß wie du dich fühlst. Mir ging es ebenso. Bis letztes Jahr war mein Vater ein Lebensfroher Mensch bis alles anfing und nicht mal 1 jahr später waren 2 schrecklichen Wochen , und die letzte Woche war noch die schlimmste ihm beim Sterben zuzusehen. Ich weine jeden Tag bin am Boden zerstört und zur Zeit kommen alle Erinnerungen von meiner Kindheit bis jetzt hoch. Die Bilder die ich sehe, träume fühlen sich so echt an das ich manchmal nicht weiß war es ein Traum.

    Ich drücke dich ganz lieb

  • Ihr Lieben


    Ich war ein Weilchen nicht mehr hier. Ich habe aber sehr oft an euch alle gedacht. An euren Schmerz, der meinem so sehr gleicht. Bei euren Beiträgen nicke ich oft einfach nur, weil es mir ganz genau so geht. Die gleichen Gefühle, das Ausgeliefertsein, das Ertragenmüssen, das Vermissen, das Heimweh. Mein Vater ist am 30. März gestorben, ist also jetzt bald 5 Monate tot, 20 Wochen und 5 Tage. Es waren die allerschlimmsten und schwersten und traurigsten Wochen meines Lebens. Noch immer stehe ich manchmal in völliger Fassungslosigkeit vor seinem Grab und komme einfach nicht mir der Realität klar, dass ich ihn nie mehr wiedersehe. Nie mehr. Seine lieben Augen schauen mich auf den Fotos jeden Tag an, aber seine echten Augen gibt es nicht mehr. Nichts kann mich trösten.


    Mein Leben geht im Aussen unterdessen wieder ganz normal weiter. Wie viele von euch bin ich entsetzt, wie schnell die anfängliche Anteilnahme und das Verständnis des Umfelds verschwindet. Selbst nahe Freunde fragen nicht mehr nach und gehen davon aus, dass die Trauerzeit nun vorbei ist und dass ich nun wieder bin wie vorher. Nur bin ich nicht mehr wie vorher. Ich kann es gar nicht mehr sein. Wie soll ich mir je wieder Sorgen machen über meine Frisur oder mein Auto, welchen Salat ich essen soll? Es ist mir egal. Das ist mir einfach nicht mehr wichtig. Vieles kommt mir einfach nur sinnlos vor, was mir vorher wichtig war.


    Ich habe gute Tage, an denen ich mich wieder ein wenig unbeschwerter fühle und ganz tief die Dankbarkeit in mir spüre, dass ich den Papa hatte, den ich hatte und der mir so viel mit auf den Weg gegeben hat. Aber ich habe auch die anderen Tage, an denen mich die Trauer wieder einholt. Dann durchlebe ich wieder und wieder diese Woche, in der mein Vater im Krankenhaus lag und jeden Tag schwächer wurde und schliesslich an einem Montagabend nach einem Besuch von seiner engsten Familie starb. Und die Tage danach. Vor allem die. Jeder einzelne ist in mein Gedächtnis eingebrannt, mit allen Details.


    Abends im Bett tauchen Erinnerungen auf. Manchmal solche, an die ich schon ganz lange nicht mehr gedacht hatte. Und das ist schön. Und manchmal denke, mein Vater schickt sie mir. Daran will ich glauben.


    Euch allen eine gute Nacht und liebe Grüsse

  • Liebe Silvia!

    Schön mal wieder etwas von dir zu lesen.Ja ich denke,das dein Vater die Erinnerungen,die plötzlich

    auftauchen geschickt hat.Er wollte dich lächeln sehen und dir sagen wie schön es damals war.

    Glaube weiter daran,das wird dir gut tun und sicher wird dein Vater dir noch viele Erinnerungen schicken.

    Ich wünsche dir alles Gute.Liebe Grüße Helga

  • Liebe Silvia,

    ja man muss irgendwie damit zurecht kommen, dass die Menschen meinen, man trauert kurz und alles ist wie immer....

    Es tut unbeschreiblich weh einen geliebten Menschen zu verlieren!

    Wenn man wirklich liebt oder geliebt hat, sollte das doch nicht schwer nachzuvollziehen sein...

    Ich drücke dich und weiß wie du dich fühlst 😞

  • Hallo liebe Silvia,


    auch ich freue mich, wieder von dir zu hören:)


    Selbst nahe Freunde fragen nicht mehr nach und gehen davon aus, dass die Trauerzeit nun vorbei ist und dass ich nun wieder bin wie vorher. Nur bin ich nicht mehr wie vorher.

    Schmerzhaft, einfach nur schmerzhaft.

    Daran wird sich meiner Erfahrung nach auch nichts mehr ändern.

    Wir sind nicht mehr die, die wir vorher waren, und die Außenstehenden, selbst nahe Freunde, sind einfach nur froh, sich nicht mehr mit der Trauer anderer auseinandersetzen zu müssen; zu sehr macht ihnen unser Leid ihre eigene Endlichkeit und Verletzlichkeit bewusst.

    Unser Dasein ist ein sehr fragiles Gebilde. Wir sollten nichts als selbstverständlich sehen.

    Ich finde es schön, dass du bereits Dankbarkeit empfinden kannst, diesen Vater gehabt zu haben! Das ist gut für deinen Weg durch die Trauer.

    Ich habe weitaus länger gebraucht, bis ich die ersten Gefühle in dieser Art empfinden konnte.

    Mein Verlustschmerz hat in der ersten Zeit (ein Jahr etwa) alles überdeckt und zugeschüttet.


    Aber eines hat mich immer getröstet: Zwischen meiner Mutter und mir blieb nichts ungesagt, wir waren stets im Dialog, sie wusste, was sie an mir hatte, und ich wusste, was ich an ihr hatte.

    Das Gefühl, irgendetwas versäumt zu haben, habe ich nicht.

    Wir haben auch viel über meinen früh verstorbenen Vater gesprochen, sodass ich sehr viel über unsere Familiengeschichte weiß.

    5 Monate tot, 20 Wochen und 5 Tage

    Ja, die Zeit vergeht. Und trotzdem: Was sind schon 20 Wochen???

    Doch nur ein Bruchteil jener Zeit, die wir mit unserem lieben Menschen geteilt haben.

    Die Wellen der Trauer werden uns noch oft überrollen, liebe Silvia, und wenn ich wirklich eines gelernt habe, dann ist es das: Ich werde meine Mami immer zutiefst vermissen, und ich fühle mich amputiert.

    Das lässt sich nicht reparieren, nur ertragen.

    Für mich ist es ein Akzeptieren einer unumkehrbaren Realität geworden, die immer wieder zutiefst schmerzt.

    Die letzte Zeit war es für mich recht schwer, die Trauer war wieder sehr präsent.


    Ich wünsche dir eine gute Nacht!<3


    Kerstin

  • Liebe Kerstin


    Es tut mir leid, dass du auch wieder sehr traurig warst und bist.

    Es ist eben alles so ein Auf und Ab. Diese Wellen, manchmal innerhalb eines Tages, manchmal auch längere Phasen. Du hast Recht, die Dankbarkeit hilft wirklich durch die Trauer, aber erst jetzt, wo ich sie auch wirklich echt empfinden kann. Vorher kamen mir all diese Trauersprüche mit der Dankbarkeit einfach nur verlogen vor. Ich konnte mir nicht vorstellen, jemals Dankbarkeit empfinden zu können, da jede einzelne Erinnerung einfach nur schmerzhaft war. Und das ist auch jetzt noch häufig so. Aber nicht mehr immer.


    Und auch mit den 20 Wochen hast du Recht. Was sind schon 20 Wochen gegenüber 45 Jahren? Nur kommen mir diese 20 Wochen wie eine Ewigkeit vor. 20 Wochen ohne ihn. 20 lange, lange Wochen. In meinem Kopf hat eine neue Zeitrechnung angefangen, die Wochenanzahl ist mir stets präsent.


    Dass unser Dasein ein sehr fragiles ist, beschäftigt mich zur Zeit enorm. Vor allem macht mir meine eigene Endlichkeit zu schaffen. Jetzt, wo ich weiss, was es bedeutet, ein Elternteil zu verlieren, habe ich Angst, zu früh sterben zu müssen und meine Tochter hier ohne mich zurückzulassen. Ich bin schon fast zum Hypochonder geworden. Bei jedem kleinen Unwohlsein denke ich daran, das könnte ein Vorbote einer schlimmen, unheilbaren Krankheit sein. Und dann weiss ich natürlich, dass ich den gleichen Schmerz noch einmal durchmachen muss, wenn meine Mutter dann eines Tages auch ihre Augen für immer schliesst. Nur, dass dann der Schmerz noch schlimmer sein muss, da ich dann niemanden mehr habe und ich meiner Mutter noch näher stehe als meinem Vater. Wie ist das nur zu ertragen?


    Es ist halt nicht nur diese abgrundtiefe Trauer und all die damit einhergehenden Gefühle, sondern eben auch all die Gedanken, die dadurch ausgelöst werden. Die überrollen mich einfach und damit muss ich dann auch noch klarkommen.


    Eins ist sicher, dieses Jahr 2020 wird für immer als Wendepunkt in meinem Leben in meinem Gedächtnis fest verankert sein.


    Auch dir eine gute Nacht und liebe, <3-liche Grüsse