Hallo Zusammen,
am 01.07.2020 ist etwas passiert, dass mein Leben komplett verändert hat. Mein Vater ist gestorben.
Er war 72 und ist nach einem langen Aufenhalt im Krankenhaus - verursacht durch einen Herzstillstand am 29.11.2019 ganz friedlich verstorben.
Papa war und ist für mich immer der Held gewesen, der größte Kämpfer den ich kannte, er hat vieles im Leben durchmachen müssen, aber hat nie aufgegeben.
Zudem war er neben meiner Mutter der liebevollste Mensch der Welt. Ich weiß auch nicht warum ich ich es hier schreibe, aber es steckt seitdem mein Vater tot ist so ein krasser Kloß in mir, den ich jeden Tag versuche zu unterdrücken. Es fühlt sich jeden Tag noch so an, als würde er gleich anrufen.
Wir hatten ein sehr enges Verhältnis und haben auch nur wenige Kilometer voneinader entfernt gewohnt. Ich bin 35 und er hat immer "Mein Junge" gesagt, das er so stolz auf mich ist. Und mich, meine Schwester und meine Mutter über alles liebt.
Einige Tage bevor mein Vater seinen Herzstillstand hatte, war ich abends noch zuhause bei meinen Eltern. Als ich gegangen bin, hat er mich ganz fest gedrückt und mich erst nach einer Minute wieder losgelassen. Er meinte es wäre das größte Geschenk, dass es mich und meine Schwester gibt und wir auf die Mami aufpassen sollen, wenn er nicht mehr da sei. Und wir sollen immer wissen das er uns über alles liebt. Das war irgendwie schön, solche Worte zu hören und gleichzeitig aber auch beängstigend, da man gespürt hat, dass der Tod vielleicht nicht mehr weit weg ist.
Während der Zeit im Krankenhaus (über 7 Monate) hat man schon gemerkt, dass er sich davon nicht mehr richtig erholt. Es war sein zweiter Herzstillstand (der erste war 2 Jahre zuvor) und von dem hatte er sich gut erholt. Er konnte wieder laufen, war klar im Kopf und man hat es ihm eigentlich garnicht angemerkt.
Diesesmal war alles anders...er lag nur im Bett, konnte sich nicht bewegen, wurde künstlich ernährt, hatte einen künstlichen Darmausgang und konnte noch nicht mal mehr sein Handy oder die Fernbedienung benutzen. Es war traurig ihn so zu sehen, aber denoch hat er jedesmal gelacht und sich gefreut, wenn wir da waren. Wegen dem Corona-Virus konnten wir ihn über 2 Monate lang nicht besuchen und das war eigentlich das schlimmste...nicht nur für uns, sondern auch für meinen Vater. Als wir ihn dann endlich wiedersehen konnten, hatte er richtig bitterlich tief geweint. Es war einfach nur schrecklich.
Am 30.06. 2020 kam ein Anruf von der Ärztin und es wurde uns mittgeteilt, dass mein Vater seinen 3. Herzstillstand gehabt hätte und sie Ihn wieder zurückgeholt hätten, aber nichts mehr für Ihn tun könnten. Er werde sterben..vielleicht heute noch oder morgen..Das hat mich komplett zerschmettert und ich wusste nicht was ich sagen sollte....
Wir waren im Krankenhaus und zwei Tage später, nachdem sein Zustand nicht besser wurde, haben meine Mutter, meine Schwester und ich entschieden, dass die Beatmungsmaschine abgestellt wird.
Das war die schwierigste und traurigste Entscheidung, die ich je treffen musste. Es hat sich angefühlt, als hätte ich meinen vater umgebracht. Meine Mutter wollte meinen Vater nicht mehr leiden sehen. Sie sagte, dass ein Mensch Würde verdient hat und auch mit Würde gehen soll.
Wir saßen über 8 Stunden bei meinem Vater im Zimmer. Um 12 Uhr wurde die Beatmungsmaschien ausgestellt und er hat ganz friedlich dagelegen (er hatte ein leichtes Narkosemittelbekommen, daher hatte er auch die ganze Zeit seine Augen zu). Wir haben mit Ihm gelacht, haben viele Geschichten erzählt von Ihm, über uns, was wir alles zusamen erlebt haben. Wir wollten nicht das er Angst hat, wenn er geht. Um Punkt 20 Uhr hat er nocheinmal meine Hand gedrückt und dann seinen letzten Atemzug genommen... es war irgendwie ein magischer Moment. Halltet mich nicht für verrückt, aber in dem Augenblick hatte ich das Gefühl hier passiert etwas. Auf einmal waren die Vorhänge am wehen (okay..wir hatten auch das Fesnter auf..es war sehr warm an dem Tag), aber dennoch hatte ich das Gefühl als wenn Papa gerade durch das Fenster nach draussen geflogen ist. Meine Mutter hatte mir das spät nachts auch noch geschildert...
Wir waren trotzdem sehr froh, dass wir dabei sein konnten, wie er gegangen ist. Meinen Papa dabei zu begleiten war mich das größte Geschenk, dass ich jemals bekommen habe. Wir sind noch über 3 Stunden bei ihm im Zimmer geblieben als er schon tot war, aber dennoch war es so als würde er nur schlafen. Es hat uns sehr geholfen, aber dennoch ist die diese Leere nicht auszuhalten.
Seitdem mein Vater gestorben ist alles anders. Es macht vieles einfach keinen Spaß mehr, nichts ist mehr so wie früher. Wenn ich bei meiner Mutter bin fühlt es sich nicht nach zuhause an. Als wäre ich woanders, aber nicht in dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin.
Es gibt Tage da ist nichts mit mir anzufangen... ich sitze nur rum, bin traurig ohne Ende...kann nicht schlafen und denke darüber nach, was mein Vater gespürt hat in seinen letzten Stunden, wo er jetzt ist..ob er dennoch irgendwie an uns denken kann, obwohl er tot ist. Ich erwische mich oft, wie ich mit Ihm Rede...nur kommt dann keine Antwort und das macht mich traurig. Ich würde Ihn so gerne nochmal drücken..mit ihm reden. Einfach nur neben ihm sitzen und mir seine Geschichten anhören. Das fehlt mir so sehr.
Heute ist wieder so ein Tag, an dem ich meinen Vater unglaublich vermisse. Ich denke in letzter zeit oft darüber nach, ob es richtig war die Beatmungsmaschine auszustellen. Meine Schwester hat vor wenigen Wochen davon geträumt wie unser Papa ihr gesagt hätte warum wir die Maschine abgestellt haben. Er hätte doch noch so gerne gelebt.... seitdem denke ich Non-Stop nur noch darüber nach.
Und auch das er einfach nicht mehr da ist....für den Rest meines Lebens ist einfach schrecklich. Er war immer für mich da..egal was war.
Machs gut mein lieber Papi, wir lieben Dich für Immer! Danke für die wunderbare Zeit mit Dir!
Dein Junge.