Liebe Alle,
ich habe bisher nur still mitgelesen und so manchen Trost aus Euren Konversationen gezogen. Jetzt will ich versuchen doch auch einmal meine Geschichte aufzuschreiben.
Ich bin nicht mehr ganz so jung (56 Jahre) aber ich habe letztes Jahr meine beiden Eltern verloren - die Umstände waren nicht schön.
Zuerst hat mein Vater aus heiterem Himmel in 2019 die Diagnose Schilddrüsenkrebs mit Lungenmetastasen in einem unheilbaren Stadium erhalten. An meinem Geburtstag habe ich mit dem Arzt ein Telefonat geführt in dem er mir eröffnet hat, dass mein Vater angeblich nur noch wenige Wochen zu leben hat und er ersticken und verhungern würde. Ich habe ihn gefragt ob das schon gesichert sei - er sagte das Ergebnis der Biopsie sei noch nicht zurück. Daraufhin habe ich ihn gebeten, meinem Vater das nicht so zu sagen sondern das Ergebnis der Biopsie abzuwarten - dass er Krebs hat das wusste er ja schon aus dem Krankenhaus. Im Endeffekt ergab die Biopsie dann einen nicht zu behandelnden Schilddrüsenkrebs aber eine Variante mit der er noch einige Zeit leben kann.
Er wurde operiert und dann hat man ihn nur beobachtet, alle 6 Monate eine CT und ein Gespräch mit dem Arzt. Von der Operation hat er sich recht gut erholt und hatte dann eineinhalb recht gute Jahre. Dann aber hatte er plötzlich eine Schwellung am Kiefer und unter dem Kinn - natürlich war der Krebs zurück und auch die Lungenmetastasen sind rapide gewachsen. Er bekam dann eine Chemo in Tablettenform, die er zwei Wochen lang recht gut vertrug aber dann ging es los. Seine Haut am ganzen Körper war wie eine Elefantenhaut, er konnte nichts mehr essen und kaum noch aufstehen. Zu Nikolaus 2022 bekam er dann wohl eine Lungenembolie und musste ins Krankenhaus. Jeder, der zu Coronazeiten einen Menschen in ein Universitätskrankenhaus begleiten musste kann verstehen wie das war. Er kam in die Notaufnahme und wir saßen dort über 10 Stunden, danach wurde ich heimgeschickt und er musste in der Notaufnahme bleiben. Erst am Morgen wurde er auf die Station verlegt. Dort musste er zwei Wochen bleiben, war an Sauerstoff angeschlossen und konnte nichts essen, kaum einmal kurz aufstehen - er wurde jeden Tag weniger. Der Arzt hat ihn dann am 22.12.2022 entlassen und sagte zu mir: das ist sein letztes Weihnachten. Ich konnte das meinen Eltern nicht sagen......Ich habe noch schnell alles für zu Hause organisiert - er brauchte ja 24 Stunden Sauerstoff und dann habe ich nur noch gehofft und gebetet, dass über die Feiertage nichts zusätzlich passiert - es hätte uns wohl keiner geholfen.
Meine Mutter war vollkommen am Ende ihrer Nerven - sie hatte große Angst um ihn. Weihnachten ging vorbei und er erholte sich ein klein wenig. Die Ärzte hatten eine neue Therapie mit Antikörpern beantragt und er schöpfte Hoffnung - Mama und ich auch. Ich war fast nur noch bei Ihnen, habe mein Leben komplett aufgegeben und das gerne. Ich konnte von zu Hause aus arbeiten und habe das von ihrer Küche aus gemacht. Ich habe mich während der ganzen zwei Jahre in denen mein Vater mit dem Krebs kämpfte immer alles für sie organisiert. Die Arzttermine, die Ergebnisbesprechungen - der Arzt hat nur mit mir gesprochen und ich musste meinem Vater und meiner Mutter alles erklären und für sie verständlich machen. Das habe ich von Herzen gerne gemacht aber es macht etwas mit einem wenn man seinen Eltern immer wieder erklären muss, dass der Krebs tödlich sein wird und fortschreitet. Ich hätte mir so oft gewünscht, dass das die Ärzte gemacht hätten. Während dieser Zeit war ja auch Corona - ich habe also meine beiden Eltern zuhause gehabt und habe für sie alles eingekauft und nach Hause gebracht. Gekocht hat meine Mama und sich um das leibliche Wohl meines Vaters gekümmert.