Ihr Lieben,
eure Beiträge haben mich immer so ermuntert, dass ich mich noch einmal an euch wenden mag.
Es ist nun etwas Zeit vergangen, es sind Schulferien und ich kann etwas zur Ruhe kommen.
Eine Sache beschäftigt mich jedoch noch enorm - diese quälende Einsamkeit, die Gewissheit, dass kaum einer meiner Freunde mein Schicksal auch nur annähernd nachempfinden kann, das Gefühl, es alleine aushalten zu müssen.
Ich war gestern bei einer Freundin, die ich vor 2-3 Monaten das letzte Mal gesehen habe. Sie ist im Freundeskreis schon dafür bekannt, super beschäftigt zu sein, nur sie hat viel Stress, man muss sich terminlich immer nach ihr richten etc.
Ich saß also bei ihr in der Wohnung, wir unterhielten uns lange über ihr Praktikum (sie ist in den Endzügen ihres Arztstudiums und hat meinen Papa 1 Woche vor seinem Tod im Krankenhaus sogar noch gesehen). Sie wurde dann relativ einsilbig, als ich anfing, zu erzählen. Auf die Frage hin, ob ihr das unangenehm ist, reagierte sie sehr distanziert und meinte, dass wir uns darüber unterhalten können, aber doch bitte nicht den ganzen Abend, sie braucht ihren Feierabend zum Abschalten und könne das dann schlecht.
Ich war so vor den Kopf gestoßen, das ist mir bislang wirklich noch nie passiert. Ich würde sogar meinen, dass ich mich eigentlich sehr zurückhalte, ich nerve meine Freunde nicht, mache viel mit mir aus (weil ich sie eben nicht mit Themen wie Obduktion, offener Sarg, rechtsmedizinisches Gutachten, Embolie etc. nerven und belasten will). Da sie aber auch Medizinerin ist, konnte ich mich mit sowas immer an sie wenden.
Es folgte dann ein etwas heftiger Schlagabtausch, so ganz wollte sie es nicht einsehen - ihr ginge das ja auch alles nahe (wir kennen uns seit 30 Jahren und sie kennt meinen Papa auch), sie habe sich auch viel mit ihrer Mama darüber unterhalten ... nur, das bringt mir doch nichts?!
Ich habe dann versucht es diplomatisch zu lösen - es sei ein Kommunikationsproblem, ich dachte, sie wäre interessiert daran was passiert ist etc. Sei sie auch, es tut ihr auch leid, aber sie muss sich jetzt selbst schützen.
Ich weiß nicht, ob ich zu viel erwarte, aber ich war so vor den Kopf gestoßen, so verletzt, dass ich dann in Tränen ausgebrochen bin. Ich dachte, dass genau das eine Freundschaft ausmacht. Ich bin immer für Freunde da, auch nachts um 3 und wenn selbst bei mir alles bis "Oberkante" steht. Ich glaube so einsam wie in diesem Moment habe ich mich lange nicht mehr gefühlt. Und gleichzeitig habe ich meinen Papa in diesem Moment so schmerzlich vermisst ...
Ist es jemandem von euch mal ähnlich ergangen? Bin ich von meiner Trauer zu sehr eingenommen, sollte ich mich mehr zurückhalten, in Gesellschaft eine Maske aufsetzen und mir bloß nichts anmerken lassen (was ich eigentlich eh schon zu oft mache) ... ? Ist das die Überforderung mit dem Tod? Ich meine, wenn sie nicht darüber sprechen mag, weil sie sich schützen möchte, wie wird es dann wohl mir gehen - wo ich es tatsächlich durchlebe und noch nicht mal die Möglichkeit erhalten, meiner Trauer Raum zu geben und die Gefühle vor Freunden zu benennen?
Es war ein komischer Abend.