Am 23. Juli habe ich meine Mutter verloren - im Krankenhaus und dennoch unter überraschenden und letztlich noch ungeklärten Umständen in der Nacht. Wir gingen zusammen am 18. April in diese Klinik - ich habe sie stets begleitet - wir waren ein Team, Mutter - Tochter, beste Freundinnen, Seelen- und ja, was soll ich ein "Lebensteam". Die OP am Herzen lief wie geplant - danach folgte eine Odyssee an kleineren und mittleren Komplikationen mit Krankenhauskeim und dem Beginn einer Reha Ende Mai, danach einem Beinbruch und Rückführung ins Krankenhaus, Bein-OP, anderer Krankenhauskeim, Pet-CT, Krebsverdacht, jedoch bislang nicht verifiziert und identifiziert. In der Folge wurde meine Mutter stets als unheilbar krebskrank weiterbehandelt, Wassereinlagerungen konnten nicht behoben werden und eine schwere Blutung führte dann zu Blutverlust, Intensivstation und akutem Nierenversagen. Obwohl ich immer wieder den Drang zur Verlegung in eine andere Klinik hatte, sprachen rationale Überlegungen (Glauben an Mediziner, schwierige Verlegung etc.) zunächst für Weiterbehandlung vor Ort, auch deswegen weil ein Versterben gar nicht im Raum stand. Auf der Intensivstation war mir klar, das nach Überstehen dieser Phase wir auf jeden Fall uns in ein anderes Krankenhaus verlegen lassen würden. Nach 3-monatiger Odyssee war das Vertrauen in die Klinik dahin.
Die Stimmung auf der IS war aber optimistisch, zum ersten Mal die Aussicht, das Wasser herauszubekommen. Dann ereignete sich unter mysteriösen Umständen nachts der Tod. Mehr möchte ich zum Verlauf erstmal nicht sagen. Die Nachforschungen laufen.
Seitdem stehe ich neben mir: Zum einen der für mich nicht verwindbare Verlust, zum anderen die Angst, dass man ihr dort nicht hinreichend geholfen hat und Fehler passiert sind und letztlich, für mich kaum auszuhalten: Immer wieder die Frage "Warum habe ich nicht auf mein Bauchgefühl gehört? Warum habe ich nicht eine Verlegung früher eingeleitet? Warum habe ich nicht sogar noch von der Intensivstation verlegt? Warum konnte ich sie nicht retten?"
Rational waren alle Argumente zunächst logisch und das Ergebnis ja in keinster Weise absehbar - aber rückblickend vor dem Hintergrund der Konsequenz für mich nicht zu verwinden.
3 Monate habe ich darauf gewartet, gekämpft und gehofft, dass meine Mutter wieder nach Hause kommt. Wir haben Pläne gemacht, ich war Dauergast in der Klinik, oft ganze Tage, Nachmittage, Abende. An den anderen Tagen haben wir 2 oder sogar 3 Mal telefoniert. Mich ums Haus und meinen Vater in der Kurzzeitpflege gekümmert. Rotiert. Mit Ärzten gesprochen, recherchiert. Verzweifelt - erschöpft gewesen und dennoch nie ernsthaft mit einem so plötzlichen Ende rechnend. Unter Schock. Noch immer. Wahrscheinlich für immer.
Wir haben zusammen gewohnt mit meinem Vater (pflegebedürtfig) im Haus. Zusammen gefrühstückt, gegessen, eingekauft gelebt, gelacht, ja auch öfter gestritten, aber immer wissend, dass wir alles teilen, über alles reden und uns über alles lieben. Wir konnten über alles reden, wir haben mit der Brille des anderen geschaut, haben über ernste Themen in der Tiefe sprechen können, genauso wie Späße machen. Mit niemanden war das Leben so selbstverständlich, so unverstellt, so verdammt gut und leicht sich anfühlend. Wir teilen unsere Liebe zu schönen Dingen und Mode. Alles wurde sich sofort gegenseitig gezeigt. Wenn ich auf Reisen oder beruflich unterwegs war, dann wurde morgens und abends zumindest kurz gesprochen, wir hatten eine Standleitung. Niemand hat mich so unterstützt und bedingungslos geliebt. Und umgekehrt war mir meine Mama das Wichtigste. Ich sagte mal, "ohne Dich kann ich nicht leben" und was soll ich sagen, es ist genauso. Mein Leben ist sinnlos und ich fühle mich amputiert. Habe keine Struktur und alles tut weh. Die Rituale fehlen, der Einkauf zum Wochenende, der gemeinsame große Capuccino im Lieblingscafe Freitag- oder Samstagnachmittag. Das Wissen, das sie da ist. Das Gute Morgen, das gute Nacht. Ich sehe und vermisse sie jede Sekunde. Ich will es nicht wahrhaben, ich hoffe nur, sie kommt wieder. Alles andere ist nicht vorstellbar.
Sie ist fit und leichten Fußes in die OP gelaufen und ich wünschte, wir hätten das nie gemacht. Sie würde jetzt leben. Aber auch nach der Knochen-OP : ich hätte mit ihr gehen üben wollen und ich weiß es wäre wunderschön gewesen, es gemeinsam mit ihr zu erleben. Zu durchstehen, wieder aufzustehen. Sie ist (ich benutze bewusst Präsens) eine Kämpferin, die fantastischste Person in meiner Welt - ich kann nicht sein ohne sie. Ich vermisse sie jede Sekunde. Und ich sterbe spiegelbildlich zur wachsenden Sehnsucht.
Ich habe ein paar andere Threads gesehen, die mir aus der Seele sprechen - auch dort werde ich was reinschreiben. Danke, dass ich mich hier mitteilendarf!