Liebe Annemarie!
Mein aufrichtiges Mitgefühl. Ich verstehe Deine Wut auf all die anderen. Mein Mann hatte am 26. Februar 2012 eine Hirnblutung im Stammhirn und ist am 25. März 2012 mit auch nur 37 Jahren gestorben.
Auch von mir wurde nach nun nicht mal vier Monaten erwartet, dass ich wieder "normal" zu sein habe und das Leben weitergeht ....
Diese Menschen, die solch einen Seelenschmerz noch nie mitgemacht haben können sich das nicht vorstellen.
Man wird nie wieder "normal". Das verstehen sie einfach nicht. Das bisherige Leben ist mit unseren Liebsten mitgestorben. Ein Teil von uns selbst auch. Es gibt nur noch ein Leben "danach". Ein anderes Leben.
Ich sage immer: "Ich gehöre nicht mehr zu den Lebenden und auch nicht zu den Toten". Genauso fühle ich mich. Die "belanglosen" Probleme der anderen sind für mich einfach nicht mehr nachvollziehbar. Warum wird von uns einfach verlangt, dass wir uns deren "Schwachsinn" anhören müssen und wir sollen unseren Kummer und unsere Trauer in uns hineinfressen. Man versucht doch sowieso sein Bestes.
Das Traurige ist, dass man von seiner Umwelt kaum Halt und Verständnis bekommt.
Mein Schwager meinte letztens, als wir zu meiner Mutter auf Besuch fuhren, ich solle was erzählen. Ich sagte ihn, ich hätte nichts zu erzählen. Später sagte er es nochmals. Er meinte es nicht böse, aber sie verstehen es nicht. Man lebt von einem Tag zum anderen. Kann nie sagen, wie der morgige stimmungsmäßig werden wird.
Mein Leben verläuft momentan so ähnlich wie im Film "Und ewig grüßt das Murmeltier". Was soll es da zu erzählen geben?
Ich verstehe Dich wirklich all zu gut. In der letzten Zeit habe ich auch Wut auf die anderen. Man zieht sich zurück und ist noch einsamer.
Du schreibst, dass sich Dein Mann auch so komisch verhält. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Männer anders trauern. Ich erlebte es nach unserer ersten Fehlgeburt. Mir zeriss es das Herz und ich hatte den Eindruck meinem Mann ists egal. So war es nicht. Männer wurden erzogen, stark zu sein. Männer hören im Umkreis:" Du musst stark sein, stark für Deine Frau ...". Ich las auch erst in einem Buch darüber und sprach dann Andreas darauf an. Er sagte, dass er in der Arbeit, wenn er allein war, oft weinte und dass er sehr traurig sei. Er wollte stark sein ... stark für mich. Ich sagte damals, mir wäre es lieber, wenn wir gemeinsam weinen. Und das taten wir dann auch. Vielleicht ist es bei Deinem Mann auch so.
Zu Deinem Sohn fällt mir ein, dass er diese Aussagen aufgrund von Hilflosigkeit tätigte. Er sieht wie Du leidest, macht sich Sorgen und kann im Prinzip nicht helfen.
Leider müssen wir durch diesen Schmerz durch ... keiner kann uns diesen abnehmen.
Ich drücke Dich ganz fest, wünsche Dir weiterhin viel Kraft und hoffe, dass dieser extreme Schmerz bald nachlässt.
Liebe Grüße
Susanne