Liebe Wolfstaenzerin,
Deine Gefühle, die mit dem Treffen zu tun haben, sind sehr nachvollziehbar.
Warum hat mich das so umgehauen was sie gesagt hat?
Du hast damit nicht gerechnet. Deshalb war es wie ein "den Halt verlieren", denke ich. Er war, als er nach drüben ging, ja auch noch wirklich sehr jung. Auch mit über 30 ist mein Großer noch mein Kind und als Mama möchte ich glauben, dass ich ihn kenne wie sonst niemand auf der Welt. An meinem Feechen war ich wegen ihrer Krankheit sehr dicht dran und wusste trotzdem vieles nicht. Allerdings wusste ich am Schluss bereits, dass ich nicht alles mitbekommen hatte. Eben weil sie mich schützen wollte. Diese Erkenntnis konnte mich also nicht umhauen.
Dann hat sie mir aber einiges über Sebastian gesagt, was mich sehr erschreckt hat.
Dieser Satz tut mir richtig weh. Er weckt Erinnerungen. Es ist sehr grausam hinterher Sachen zu erfahren, die nichts können, außer die Seele zusätzlich terrorisieren. Es wird Zeit brauchen und jetzt ist es auch wohl kaum möglich, aber ich glaube, dass du lernen wirst alles einzuordnen. Deinem Sebastian sein eigenständiges Sein zuzugestehen und auch wenn es schlimme oder dir fremd vorkommende Sachen waren, die man dir erzählt hat: der Sebastian, den du kennst, der ist real! Der ist wirklich der, den du kennst!
Wir alle sind für unterschiedliche Menschen jemand anderes. Das ist dir natürlich auch klar. Nur hier geht es um dein vor dir verstorbenes Kind. Das hebelt erstmal alle Gesetzmäßigkeiten komplett aus. Die Nachbeben können lange dauern und auch immer mal wieder kommen, nachdem man sich schon wieder einigermaßen aufrecht zu stehen traut.
Wenn ich ihr glaube, hab ich das Gefühl, ich hätte meinen Sohn nicht gekannt, das kann nicht sein, das glaub ich einfach nicht
Das sollst du auch gar nicht glauben. Dein Bub hat dich so lieb gehabt (und tut es noch immer), dass er dir keine Sorgen zusätzlich machen wollte. Wenn man jung ist muss man seinen Weg erst suchen und macht manchmal Umwege durch dunkle Gassen und verschlungene Pfade. Man lernt sich selbst erst kennen. Und gerade Eltern will man da nicht im Weg haben. Nicht zu unterschätzen ist die Welt und ihre derzeitige Atmosphäre die unsere jungen sensiblen (zu sensiblen?) Menschen vor Herausforderungen stellt, wie wir sie zu unserer Zeit gar nicht hatten.
er hat so oft gesagt, er sei glücklich und es sei alles gut.
Und bei dir war er das ja wohl auch. Gleichzeitig wusste er, dass er nicht ewig Kind im Elternhaus bleiben kann/soll/möchte.
Du hast ihn nicht NICHT gekannt. Du hast ihn so gekannt, wir er von dir gekannt werden wollte. Und das war sein gutes Recht als eigenständiger Mensch.
Von Mama zu Mama: sie sind unsere Kinder. Doch sie gehören uns nicht. Wir lieben sie einfach, bis in alle Ewigkeit. Und sie uns. Immer noch.