Liebe Linchen, ich verstehe dich trotz aller Unterschiede gut. Denn meine beste, leider schon vor 3 Jahren verstorbene Freundin Bettina hat mir auch immer von solch einer nahen Mutter-Tochter-Beziehung erzählt, wo kein Blatt dazwischen passte und es keinen Tag gab, wo an sich nicht traf und trotzdem noch telefonierte.
Und eine besondere Nähe zwischen der Mutter, die einen ja geboren hat, 9 Monate in sich getragen hat und dann in den ersten Lebensjahren so eng bei sich hielt und trotzdem das Selbständigwerden unterstützte, da, wo sie erlebt wurde, schafft sie von Natur aus eine Liebesnähe zwischen Mutter und Kind, auf der dann auch die Trauer liegt, wenn die Mutter geht. Das ist eine ganz pure und junge und ungetrübte Liebe.
Und ich wäre hier nicht im Forum, wenn wir das nicht unendlich kostbar und wichtig wäre, auch wenn mit dem Heranwachsen und dem Erwachsensein unsere Beziehung leider so überlastet und gestört wurde, dass ich mir das nicht mehr leisten konnte, im Umgang mit meiner Mutter von dieser puren Liebesebene aus zu handeln, die zwischen dir und deiner Mutter immer lebbar war, so nah, wie ihr euch standet.
In meiner Familie sind durch das Kriegskindheitstrauma meiner Mutter, das sie nie verarbeitet und überwunden hat und die daraus resultierenden Folgen in ihrem (psychisch manchmal kranken) Verhalten gravierende Zerstörungen in den Familienbeziehungen passiert. Jahrzehntelang verstand ich das natürlich gar nicht, wie meine Mutter selber und meine Geschwister auch nicht. Und als wir es verstanden, (bzw. verstehen es eine meiner Geschwister bis heute noch nicht und spielen die Psychospiele als Realität anstatt als kranke Kompensation weiter) waren wir bereits selber so psychisch belastet, dass wir auf gesunde Distanz gehen m u s s t e n.
Viele viele Familien auch meiner FreundInnen, wie ich beobachtete, erfuhren in ihrer Jugend wie ich auch teils verrohte, teils abwesende oder gefühlskalte Großeltern und Eltern, die durch ein oder sogar zwei Weltkriege nur so überleben konnten, aber nicht gesund.
Aber meine Mutter war a u c h die gesunde, liebevolle und nahe Mutter, besonders, als wir noch klein waren. Je älter wir wurden und je mehr sich offenbar ihre psychisch kranken Anteile der übersteigerten kindlichen Verlustangst in ihr durch unsere Selbständigkeit bedroht fühlte, desto mehr zerstörerische Kommunikationen entstanden, die sich aber immer im Kreise drehten und nichts verbesserten.
Je jünger ich damit noch war, desto weniger konnte ich mir selber psychisch leisten, diese widersprüchliche und wechselvolle Mutter offen zu lieben, das hätte mein Herz viel zu offen liegen lassen, wenn meine Mutter wieder verletzend wurde.
So schwankte auch bei mir die Haltung gegenüber meiner Mutter immer zwischen Liebe und Kampf wie bei meiner Mutter auch. Aber wir wussten trotzdem, dass wir uns im Ernstfall immer aufeinander verlassen konnten, was bei meinen Schwestern anders war, bei meinem Bruder nicht, aber der hatte auch eine ganz andere Mutti erlebt, weil er selber nicht ganz gesund ist und wir alles Harte von ihm immer alle fernhielten.
Und als ich dann jetzt in späteren Lebenszeiten es hinkriegte, dass mein Herz ruhig wurde, indem ich die Situation mit genug Abstand so nahm wie sie war, eine Distanz zu meiner Mutter notgedrungen lebte, mir aber innerlich immer erlaubte, sie zu lieben, da ging es mir selber nach verarbeiteten Psychomacken immer besser, denn ich brauchte ja auch meine Kraft für meinen Alltag.
Darum hatten meine Mutter auch in ihren letzten 5 Monaten, als sie zu schwach war für all ihre früheren verbalen Giftpfeile, wieder wie als Kind eine offene zärtliche Liebe zueinander und es musste nichts mehr geklärt werden. Da bin ich so dankbar für.
Darum ist es jetzt so, dass ich überhaupt trauern kann. Als meine Großeltern starben, konnte ich das noch gar nicht. Das war offenbar zu erstickt in mir von allem Gestörten und Zerstörten.
Wie zerstört meine Herkunftsfamilie ist, sehe ich ja eben auch im Nachhinein daran, dass niemand meiner 3 Geschwister zu Muttis Beerdigung kam oder mir bei den Vorbereitungen half. Gut, dass ich da zwei ganz enge Freundinnen meiner Mutter und nun auch von mir an meiner Seite hatte und meinen Vater, der aber mit seinen fast 100 Jahren keine Unterstützung sein konnte, aber Nähe, Innigkeit und Liebe.
Jetzt e n d l i c h darf, kann und will ich mir erlauben, in der Liebe zu meiner Mutter zu schwelgen ohne Gefahren wie zuvor. Jetzt will, kann und darf ich trauern.
Und ich merke zwar, dass die erwachsene mayatochter ein Leben ohne Mutter gelebt hat, notgedrungen, aber dass das bei weitem nicht alles war. Da passe ich auf, dass ich nicht in die Schiene rutsche mit meiner Trauer, weil das weder Mutti noch mir und unserer Liebe zueinander gerecht wird.
Darum lese ich auch gerne hier im Forum, wie nahe und gute Beziehungen waren.
Ist das zu verstehen?
Liebe Grüße! mayatochter