Liebe Andrea
Auch von mir mein aufrichtiges Beileid und Mitgefühl. Ich kann alles genau nachfühlen, wie es dir geht. Die Unfassbarkeit, die Ohnmacht und Hilflosigkeit, das Vermissen, die Sehnsucht und das Heimweh. Dann noch die bohrenden Fragen, ob man es hätte verhindern können. Schuldgefühle. Es ist so viel, womit die Psyche konfrontiert ist, und alles so plötzlich und ohne jede Vorbereitung. Es ist so schwer, nach einem solchen Verlust weiterzuleben. Es tut so weh, jede Sekunde; und jede Minute, die verstreicht, ist eine Minute mehr ohne den über alles geliebten Menschen. Das auszuhalten ist mehr als man denkt, verkraften zu können. Und doch hält man es aus, muss man irgendwie durch die Tage kommen.
Bei mir ist es seit gestern 11 Wochen her, seit mein über alles geliebter Vater gestorben ist. Wir hatten auch ein sehr enges Verhältnis, ich habe ihn jeden Tag gesehen und wir haben Tür an Tür gewohnt. Ich weiss nicht mehr, wie ich die ersten zwei Wochen überstanden habe, da hatte ich dieses Forum noch nicht gefunden. Ich vermute, dass ich im Schockzustand war und erst nach und nach wirklich realisieren konnte, was passiert ist und vor allem, was es bedeutet, ohne meinen Papa leben zu müssen. Und dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen, mein Herz ist so schwer vor Trauer, aber auch meine Liebe wächst von Tag zu Tag. Und das tröstet mich immer wieder ein wenig.
Was mir hilft ist das Schreiben über meinen Schmerz. Das Weinen. Das bringt ein wenig Erleichterung, wenn auch nur kurzfristig, aber immerhin. Und das Gefühl, verstanden und ernst genommen zu werden. Das finde ich ich hier im Forum. In der realen Welt ist es oft schwer, echtes Verständnis zu finden, bzw. irgendwann wird es den Menschen um uns herum zu viel mit unserer Trauer und sie wissen nicht mehr, was sie sagen oder tun sollen. Für mich aber ist es das wichtigste Thema überhaupt und ich brauche einen Ort, wo ich das leben kann, wo ich erzählen kann über meinen Vater, darüber, was passiert ist, wie es mir geht, auch wenn es sich wiederholt. (Und das tut es.) Und auch das finde ich hier.
Ich habe mir auch Bücher über das Trauern gekauft, die mir vor allem in der ersten Zeit ein wenig Trost gespendet haben und Verständnis für mich selber und meine Situation. So ein Verlust ist purer Stress für unsere Seele, und damit umzugehen, verlangt uns so viel ab. Auch hier im Forum lese ich immer wieder, dass Trauern Schwerstarbeit ist für Körper und Seele. Und das empfinde ich genau so. Das ganze Leben ist auf den Kopf gestellt, und doch muss man irgendwie weitermachen.
Gerade an schönen, ruhigen Abenden wie heute, bin ich besonders traurig, weil ich dann immer daran denken muss, dass mein Vater nie mehr diese Ruhe und Milde des Abends spüren kann, nie mehr die frische, laue Abendluft tief einatmen kann und nie mehr das Auge schweifen lassen kann über See und Berge. Manchmal, ganz sachte, spüre ich aber dann auf einmal eine tiefe Verbundenheit mit meinem Papa und spüre ihn ganz nah. Und in solchen Momenten wird mir ein wenig leichter ums Herz und ich habe Hoffnung, dass ich es schaffe, irgendwann wieder ein wenig Frieden zu finden.
Liebe Andrea, alles Liebe von mir und ganz liebe Grüsse
Silvia