• Hallo.


    Ich bin ganz neu hier. Morgen ist Ulrich zwei Wochen tot.

    Die neun Jahre mit ihm waren die schönsten meines Lebens. Und auch seines Lebens, die schönsten neun Jahre mit mir.


    Wir waren gerade noch drei Wochen im Urlaub, durch Polen ins Baltikum, mit unserem selbstausgebauten Wohnmobil. Ein sehr auffälliges Wohnmobil, beklebt mit großen bunten Prilblumen und grasgrünen Felgen. Er hat es für uns beide ausgebaut, und wir haben es geliebt, jedes Wochenende und jeden Urlaub waren wir damit unterwegs, etwa 80 Nächte pro Jahr verbrachten wir im Wohnmobil. Während dieses Urlaubs hatte er seinen 60. Geburtstag, an diesem Tag war er ein bisschen nostalgisch und er sagte zu mir: "Versprich mir, dass ich vor dir sterbe". Ich versprach es nicht.


    Dann musste er wieder arbeiten, und ich hatte noch zehn Tage frei. Ich fuhr zu meiner Tochter, 260km entfernt, helfen mit den drei Enkeln und so.

    Einen Tag bevor ich sowieso wieder heimfahren wollte klingelte mein handy. Polizei. Ulrich liegt im künstlichen Koma auf der Intensivstation. Sie hatten wohl bei uns zu Hause an der Tür geklingelt, und dann meine Telefonnummer von den Nachbarn bekommen. Meine Tochter schmiss mein Gepäck in den Kofferraum, 10min nach Anruf saß ich im Auto und fuhr ab. Die Tochter rief mir noch hinterher: "Denk dran, ihr seid verheiratet".

    Wir sind nicht verheiratet, aber ohne diese Lüge hätte ich ihn ja nicht besuchen dürfen auf der Intensivstation und auch keine Informationen bekommen. Seine Söhne wohnen weiter weg und hätten sicher nicht so schnell kommen können. Von der Autobahn aus fuhr ich direkt zum Krankenhaus. Ich unterschrieb dass wir verheiratet sind und durfte zu ihm. Ich erfuhr, dass er umgekippt sei und 40 min reanimiert wurde. Die Ursache des Umfallens sei noch unklar, wahrscheinlich kein Herzinfarkt und kein Schlaganfall, er hat hohe Entzündungswerte, morgen gehts ins CT, davon verspricht man sich viel. Das CT war dann erst am übernächsten Tag, also Donnerstag. Seitdem ist meine Welt schwarz.


    Es lebt nur noch das Stammhirn. Es wird keinerlei Kontaktaufnahme nach außen mehr möglich sein. Morgen Abend großes Gespräch, Seelsorge wird dabei sein. Da wurde ich erstmal ohnmächtig.


    Die Söhne hatte ich natürlich längst informiert und sie kamen dann auch zu diesem Gespräch. Sie deckten meine Lüge als Ehefrau und lobten mich sogar dafür, ich habe alles richtig gemacht. Bei dem Gespräch wurde uns dann vermittelt, dass man Anfang der kommenden Woche die Geräte abstellen sollte. Dazu mussten wir Angehörigen gar keine Entscheidung treffen, es gab auch keine Patientenverfügung. Aber es gibt offenbar ein Gesetz: wenn ein Patient am Leben gehalten werden soll, muss dazu ein Ziel formulierbar sein. Was will man damit erreichen, was erhofft man sich damit? Bei Ulrich gab es einfach nichts was man da hätte formulieren können. Auch die Ethikkommission befürwortet das Abschalten. Ein weiteres Gespräch wurde für Montagabend vereinbart. Auch hierzu kamen die Söhne. Und dann ... überstürzte sich alles. "Wenn jetzt alle hier sind, worauf sollte man noch warten..." Ich war gottseidank gestützt von einer Freundin. Sie gab Ulrich den Abschiedssegen. Ich gab Ulrich das nachträgliche gewünschte Versprechen dass er vor mir sterben darf. Es war grauenvoll. Es hieß, der Sterbeprozess kann nach dem Abschalten bis zu einer Woche dauern. Ich durfte bei ihm bleiben. Er atmete selber noch ziemlich gut, da bekam ich sogar ein bisschen Angst dass er nun doch zu so einem Dauer- Komapatienten wird, das will ja keiner. Aber mir wurde erklärt, dass das nicht passieren kann, er bekommt keine Flüssigkeit und keine Nahrung mehr. Nur Morphium.

    Es war das pure Grauen. Er hatte keinen Schluckreflex mehr, wurde zwar ständig abgesaugt, aber es hörte sich an wie im whirlpool, so laut! Ich glaube , man hatte erwartet, dass er bereits in der ersten Nacht stirbt. Als er am nächsten Morgen noch lebte, kamen wir in ein Zimmer auf Normalstation, ich im Zustellbett. Ich wollte unbedingt bei ihm bleiben, denn es gibt doch diese Berichte von Fast- Sterbenden, die zurückgeholt wurden und berichten, dass sie das Zimmer von oben gesehen haben, und falls das stimmt wollte ich, dass er dann sieht dass ich da bin. So ging es dann bis Donnerstag mittag. Da wurde es plötzlich still im Zimmer. Kein Gurgeln, kein Whirlpool. Ganz plötzlich.


    Gestern mittag bin ich ein bisschen gestolpert, eine Kollegin sagte "fall nicht". Da habe ich losgeheult. Oh doch, ich will fallen, ein gnädiger Sturz, eine Ohnmacht...

    Mir fließen jetzt schon wieder die Tränen. Wie ist es mir gelungen, gerade diesen Bericht zu schreiben? Ich halte das Leben gerade nicht aus. Freunde haben gestern Abend das Wohnmobil abgeholt. Stellen es bei sich vors Haus, damit ich es nicht immer sehen muss. So bunt und fröhlich mit den Prilblumen, für uns gebaut. Sie fahren es alle zwei Wochen, damit die Batterie sich nicht entlädt. Entscheidungen treffe ich später.

  • Liebe Greteline,


    zu Deinem schweren Verlust mein herzliches Beileid.


    Gut dass Du Beistand von den Kindern hast. Hier im Forum kannst Du schreiben was Du vom Herzen haben willst.

    Hier weiß jeder wie Du dich fühlst, jeder hier macht dasselbe durch wie Du.

    Liebe Greteline, willkommen im Trauerforum.


    Herzliche Grüße von Dieter

  • Liebe Greteline! Auch von mir einen kleinen Beitrag. Du wirst noch viele Nachrichten bekommen. Hier ist jeder für den anderen da. Auch mein Sohn wurde aus dem Leben gerissen ,ganz plötzlich während seiner Nachtschicht. Das Herz hatte aufgehört zu schlagen.Mein Sohn und ich waren ein Herz und eine Seele, 59 Jahre lang. Das ist nun 1 Jahr her. Die Zeit ist so schnell vergangen, man lebt wie hinter einem großen Vorhang.Ich wurde auch noch krank,bekam eine neues Hüftgelenk. Wenn du vielleicht mal im Forum liest, dann wirst du die unterschiedlichsten Beiträge finden. Der Tod hat viele Gesichter. Auch wie jeder von uns damit umgeht. Eins vereint uns alle. Es ist der Schmerz darüber, daß wir den geliebten Menschen nicht wiedersehen. Die Erinnerung ist ein schwacher Trost. Ich bin jetzt auf einem Weg angekommen , den ich im Laufe der Zeit gefunden habe, damit zu leben. Ich habe viel gelesen über das Sterben und den Tod. Ich glaube daran, daß irgendwie und irgendwo mein Sohn da ist,seine Seele, sein Geist. Das mag naiv klingen, aber es ist ein Glaube. Damit wird für mich das Leben ohne meinen Sohn leichter.Gestern war ein Schmetterling in mein Wohnzimmer geflogen. Das war wie ein Zeichen von ihm.Liebe Greteline. Ich will nichts schönreden , die ersten Wochen sind die schwersten.Menschen werden dir helfen , diese Zeit zu überleben ,so,wie es uns allen gegangen ist. Ganz liebe Grüße von Christine.

  • Mein herzliches Beileid....wir hier wissen leider alle wie es dir momentan geht...das schreiben hier wird dich ein wenig erleichtern...ich wünsche dir von Herzen ganz viel Kraft für die kommenden Tage :24:

  • Liebe Greteline,


    mein Beileid von Herzen zu Deinem grausamen Verlust.


    Es ist ja noch ganz ganz frisch bei Dir, du bist ja noch in der absoluten Schockphase.

    Schreib wann immer Du möchtest wir sind hier und es wird immer jemand antworten.


    Fühl Dich hier aufgefangen und aufgehoben.

    Aus Deiner Erzählung sieht es so aus das Du Ihr auch im KH gut aufgefangen und informiert wurdet das ist schön zu hören.

    Bei allen schrecklichen Nachrichten und Gesprächen und natürlich der hoch Emotionalen Belastung die das mit sich bringt.

    Gut ist auch das es auch mit seinen Söhnen gut geklappt hat und es da keinerlei problematische Situation gab.


    Vlg. Linchen

  • Danke euch allen. Ja, es ist seltsam dass es einem hilft dass es anderen genau so geht. In einem Podcast habe ich gehört dass in Deutschland jedes Jahr 950.000 Menschen sterben, jeder hinterlässt ca 4 richtig Trauernde, das macht knapp 4 Millionen Trauernde pro Jahr... wir sind nicht allein. Der Tod gehört dazu. Grausam.


    Mein Kopf blendet konkrete Erinnerungen aus, wahrscheinlich um mich zu schützen. Ich sehe Ulrich nicht vor mir, ich sehe nur die Leere. Alles ist noch sehr abstrakt. Ich muss mir immer wieder laut die Worte vorsagen: "Uli ist tot", das muss ich dann hören und es klingt noch so unwirklich. In mir ist alles so durcheinander, ein strammgezogener Gurt liegt ums Herz, alles tut weh.


    Mein Umfeld ist sehr lieb zu mir, ich bekomme viel Zuwendung und Zuwendung tut mir gut, bringt mich aber sofort wieder zum Weinen. Ich war zwei Wochen krankgeschrieben, habe mich aber entschieden jetzt wieder arbeiten zu gehen. Jeden Tag zwei Stunden. Das ist nicht so lang und schafft ein bisschen Struktur im Tag. Die Alternative wäre ja alleine zu Hause zu sein, das bin ich auch so noch genug! Ich arbeite in einer Grundschul- Nachmittagsbetreuung. Die Kolleginnen schicken mich immer zur Essensaufsicht, denn da bekomme ich selber auch was zu essen. Sie sagen, ich soll doch auch was Warmes bekommen und ich koche mir ja zu Hause nichts. Und dann heule ich schon wieder weil ich das so lieb finde.


    Die ersten zehn Tage war ich nie allein, erst haben Freundinnen im Wechsel auf mich aufgepasst und bei mir geschlafen, dann kam meine Schwester. Seit Sonntagabend versuche ich aber alleine zurechtzukommen.

  • Liebe Greteline,


    ich hoffe das diese wertvolle Unterstützung weiter anhält.


    Das ist sehr wertvoll.


    Du stehst noch völlig unter Schock das dauert das zu realisieren.


    Nein wir sind nicht allein.

    Wir sind viele.

    Der Weg den wir gehen müssen ist unglaublich schwer und es dauert lange um überhaupt ein Gleichgewicht zu finden.


    Es ist gut das Du etwas isst wenn es auch nicht viel ist aber wenigstens etwas.

    Wenn man die Möglichkeit hat wirklich so arbeiten zu gehen für weiß ich nicht 2- 3 Stunden ist das natürlich gut wenn man das kann.


    Genau wie Du sagst nur zu Hause alleine sitzen und das Kopfkino läuft auf vollen Touren ist auch quälend.


    Vlg. Linchen

  • Einen Weg zu finden damit umzugehen ist auch nicht sehr leicht.

    Es gibt so viele Möglichkeiten einer davon ist das Forum, um den Druck etwas abzubauen.


    Den unbeschreiblichen Schmerz kann einen niemand nehmen.

    Der ist einfach da.


    Es gibt noch viele andere Möglichkeiten ein Trauertagebuch, Trauerbegleitung und und und man muss ein bisschen suchen was einem gut tut.

    Das geht aber am Anfang noch nicht in dieser ersten Phase.


    Vlg. Linchen

  • Ich bin es nochmal. Ich möchte noch etwas zum Weinen sagen. Tränen sind dazu da,daß sie geweint werden. Die Natur hat das so eingerichtet. Es ist im Moment eine Erleichterung. Es soll Menschen geben, die können nicht mehr weinen.Das ist schlimm.Dass du so viele gute Menschen an deiner Seite hast,ist ein Geschenk. Ich kenne aus dem Forum eine Frau, die hat ihre Tochter verloren und ihr Mann kann ihr nicht helfen.Sie hat es schwer. Sie hat sonst niemanden. Apropos Grundschule und Nachmittagsbetreuung.Ich bin Lehrerin,jetzt schon länger Rentner. Ich habe auch Nachmittagsbetreuung gemacht. Bei uns in der DDR hieß das Schulhort. Essenaufsicht kenne ich auch gut. Ich finde es sehr gut, daß du ein paar Stunden arbeitest. Liebe Grüße von Christine.

  • Danke, ihr Lieben. Es ist so schwierig in mich reinzuhören was ich brauche, was mir gut tut. Einerseits versuche ich möglichst ausgefüllte Zeit zu haben. Andererseits ist alles schlagartig zu viel. Ich kam heute gegen 15:30 Uhr von der Arbeit zurück, just in dem Moment wollte eine Nachbarin und Freundin loslaufen zum Rathaus um etwas zu erledigen. Sie fragte mich ob ich mitlaufen möchte. Da bin ich gleich mitgegangen. Immerhin insgesamt 7km. Dann fragte sie, ob ich noch in ein Cafe möchte. Da habe ich nur noch losgeheult. Das war einfach zu viel. Ich will halt so gerne am Abend müde und erschöpft sein- das bin ich zwar sowieso, Trauer ist purer Stress! Aber dennoch habe ich so einen Druck in mir dass ich denke ich muss mich komplett verausgaben, in der Hoffnung dass der Schlaf nachts dann besser wird. Ich schlafe so schlecht. Der Arzt hat mir Tavor gegeben, aber nur 20 Tabletten, und mit Vorsicht einzunehmen, macht süchtig. Ich versuche so wenig wie möglich davon zu nehmen, halbiere diese winzigen Tabletten sogar und die beiden letzten Nächte habe ich es nur mit Melatonin versucht, klappt aber nicht. Das Tavor muss aber reichen bis zum 21. September, denn da ist Ulrichs Abschiedsfeier, das halte ich ohne Tavor nicht durch.

  • Liebe Greteline. Ich möchte keine "klugen Ratschläge " geben, nur einen kleinen Hinweis. Ich kenne mich aus mit Tavor.Das kann man im Notfall nehmen ,dafür ist es da. Leider habe ich es vor langer Zeit auch mal nehmen müssen, aber dann habe ich die Kontrolle verloren. Das war dann nicht einfach ,davon wieder loszukommen.Wie gesagt, das ist nur ein Hinweis .Nochmals liebe Grüße von Christine.

  • Liebe Greteline,

    mein aufrichtiges Beileid zu deinem, so unbarmherzigen frühen Verlust.

    Schreibe, was du schreiben möchtest. Hier hört dir immer jemand zu.

    Viel Kraft, du wirst die brauchen.

    Und...Dränge dich nicht zu irgendwas. Hör auf dich. Nur auf dich.

    Liebe Grüße Billi 🌻

  • Liebe Greteline,


    Tavor würde ich persönlich gar nicht nehmen.

    Es gibt andere Mittel die auch wirken und nicht süchtig machen.


    Er hat Dir da was ziemlich heftiges verschrieben.

    Alternativ kannst Du natürlich auch andere Mittel ausprobieren z.B Lavendel man muss nur rausfinden was anschlägt.

    Lavendel Öle oder Kissen zum Einreiben oder Tee also bei mir war es Lavendel Kissen.


    Jetzt ist es natürlich noch sehr sehr frisch um überhaupt zu sagen was könnte helfen.


    Die Trauerfeier ohh ja das ist immer ein großes Thema.

    Eigentlich ist die Feier selber nicht das grose Problem, es ist das davor und danach.


    Für die meisten ist das Thema damit abgeschlossen aber nicht für denjenigen der Trauert der nicht weiß wohin mit sich.


    Der ja erst einmal überhaupt einen Weg finden muss.


    Natürlich wird es dann irgendwo zu viel, klar das war natürlich lieb gemeint aber das ist dann einfach zu viel des Guten.


    Vlg. Linchen

  • Ich bin gerade nach Hause gekommen. Ich gehe eigentlich in eine Theatergruppe, am kommenden Wochenende ist Aufführung, und heute Abend wird die Bühne aufgebaut. Direkt als der Mist mit Ulrich losging, habe ich meine Rolle abgegeben und es wurde noch Ersatz gefunden (man hätte die Rolle auch streichen können, sie war sehr klein). Meine Theaterfreunde sind auch sehr sehr lieb zu mir, ich gehe jetzt manchmal zu den Proben, einfach nur zum zugucken und Nichtalleinesein, muss aber gar nichts machen. Um mich herum wurden Dinge geschleppt, Stühle gestellt, Luftballons aufgeblasen etc, aber ich durfte einfach da sitzen und ein paar Chips essen, die mir gereicht wurden. Dort trauern auch alle um Ulrich. Er wollte zwar nicht selber auf die Bühne, aber er mochte die Leute und die Atmosphäre dort so gerne, dass er einen Trick gefunden hatte um dazuzugehören: er hat bei Aufführungen für alle gekocht. Beim ersten Mal gab es aufgebackenem Fleischkäse mit Baguette, dann Nudelauflauf in drei Variationen und dann selbstgemachte Linsensuppe für 60 Leute. Und alle haben das Essen gelobt und er hat sich so gefreut, dass es den Leuten schmeckte. Und auch sonst hat er hinter der Bühne so viel geholfen, unser Theaterleiter hat mal gesagt : "Vor den Aufführungen bin ich immer total im Stress, aber wenn ich sehe dass Ulrich kommt, fällt alles von mir ab denn dann weiß ich: alles wird gut."


    Auf der Abschiedsfeier wird es auch wieder Ulrichs geliebten Fleischkäsbrötchen geben, außerdem Kartoffeln mit Salzkruste und Kräuterquark. Ein typisches Uli- Essen. Mich graut es so vor dieser Feier. Die Söhne haben den ganzen Kram mit der Pietät übernommen, da spätestens wäre ja aufgeflogen dass wir gar nicht verheiratet sind. Aber sie haben gesagt, alles soll genau so gemacht werden wie ich es will. Und so gibt es also zwei Termine vor denen mir graut. Am 12. September ist Urnenbestattung im Friedwald, dort wo seine Söhne wohnen. Das ist ca 180km von hier entfernt. Und am 21. September ist hier eine Abschiedsfeier.


    Ich glaube, erst wenn dieser ganze Spuk vorbei ist, werde ich erst begreifen müssen was überhaupt passiert ist. Mir geht es jetzt schon richtig schlecht, aber danach wird es bestimmt noch schlimmer. Heute ist mir bewusst geworden, dass ich selber wahrscheinlich noch ca 30 Jahre leben werde. Ich MUSS mir ein neues Leben aufbauen, ich kann doch nicht 30 Jahre nur trauern und auf den eigenen Tod hoffen! Ein schönes Leben- oder auch nur ein lebenswertes Leben ohne Ulrich scheint mir unvorstellbar. Und dann komme ich mir so undankbar vor. Ich hatte 9 tolle Jahre! Ich bin gesund, ich lebe in keinem Katastrophengebiet, ich habe Freunde, ich habe keine existentiellen Probleme und heule hier rum. So viel Durcheinander im Kopf und im Herzen. Es tut einfach nur weh.


    Liebe Christine, wie lange hast du denn das Tavor genommen? Und was genau war das Problem als du damit aufhören wolltest? Heute Abend versuche ich es mit Magnesium und Melatonin. Mal gucken ob's wirkt.


  • Liebe Greteline,


    deine Welt ist gerade erst zusammen gebrochen.


    Das ist doch kein rumheulen das ist völlig normal.

    Das braucht Zeit wieviel Zeit kommt darauf an das ist individuell so wie wir Menschen eben sind.


    Es ist noch viel zu früh für irgendwelche Pläne jetzt heißt es erstmal überleben irgendwie von einem auf den anderen Tag Schritt für Schritt.


    Dieser Schmerz hält nicht ewig so stark an es kommen gute Tage aber auch weniger gute und sehr schlechte Tage.

    Man übersteht sie und geht weiter.


    All das braucht seine Zeit.


    Vlg. Linchen

  • Liebe Greteline. Ich bin mal wieder sehr früh aufgewacht .Ich habe deinen Bericht gelesen. Ich muss ehrlich sagen, daß mir gefällt, wie du schreibst. Ich glaube, du hast ein tolles Umfeld. Das ist so sehr wichtig. Und daß es dir sonst gutgeht,wie du schreibst, ist noch wichtiger. Ich denke auch so wie du. Ich habe meinen Sohn verloren, das ist sehr schmerzhaft und schwer zu begreifen. Ich bin schon älter und denke aber,dass ich die letzten Jahre meines Lebens noch im Frieden mit mir selbst verbringen möchte. Das mache ich auch für meinen Sohn.Er hat mich sehr geliebt und wäre sehr unglücklich, wenn ich mich jetzt aufgeben würde. Ich bin auch dankbar, daß ich ein zufriedenes Leben leben darf, ohne Not und Elend.Nun noch zu Tavor.Das ist en Suchtmittel, wie du bestimmt weißt. Ich spreche jetzt nur für mich. Ich habe Valium genommen, dass ist ähnlich. Es ist jetzt einige Jahre her. Ich hatte einmal eine sehr schlimme Zeit durchzustehen. Meine Ärztin verschrieb mir das Mittel .Damit konnte ich besser durch diese Zeit kommen. Ich gebe dir einen Rat. 4 Wochen und dann langsam ausschleichen.Besprich das mit deinem Arzt. Es ist menschlich, daß man es nimmt, weil es eben sehr wirksam ist. Es macht auch ruhig. Dafür ist es auch erfunden worden. Alle Mittel ,die in der Medizin helfen, haben dieses Suchtpotiential.Es gibt Krankheiten, die sind vorübergehend nur mit solchen Mitteln zu behandeln. Ich kenne mich da ein bisschen aus. Ich betone nochmals, das ist meine Meinung ,du entscheidest..Ich denke, du wirst das Richtige machen. Deine Einstellung zu dem ganzen hilft dir dabei. Du bist so um die 60 stimmts? 30 Jahre ,von denen du schreibst, ist eine lange Zeit. Das Leben ist kostbar. Ich habe nicht mehr soviel Zeit. Aber dafür ist bei mir um so mehr jeder einzelne Tag kostbar geworden. Nun drehe ich mich nochmal um. Vielleicht kann ich noch ein wenig schlummern. Ganz liebe Grüße von Christine.

  • Liebe Greteline,


    Tavor kann in solch einer Situation ein Segen sein. Man darf allerdings das Suchtpotential nicht unterschätzen. Wenn Dein Arzt verantwortungsvoll ist, wird er Dir das Mittel sowieso nicht einfach so weiter

    verschreiben.

    Versuch mal nicht in Jahren voraus zu denken, sondern von Tag zu Tag. Das wird eine ganz schwere Zeit werden, jeder Tag muss überlebt werden.

    Vielleicht gibt es an Deinem Wohnort Trauerhilfe oder ehrenamtliche Trauerbegleiter. Diese Menschen waren für so manchen von uns große Hilfen.

    Liebe Greteline, ich wünsch' Dir dass Du gut über die nächste Zeit kommst.


    Liebe Grüße von Dieter

  • Guten Morgen euch allen,


    die Nacht ist vorbei. Magnesium mit Melatonin wirkt, wie soll ich sagen, besser als gar nichts.


    An dem Sonntag, der dem Abschalten vorausging, war ich vormittags mit meiner Schwester spazieren. Und plötzlich läuteten die Kirchenglocken. Und da spürte ich sofort den ganz starken Drang: jetzt ist doch irgendwann Gottesdienst! Wann genau? halb 10? halb 11? Ich wusste es nicht. Ich gehe nur selten zur Kirche, aber meine Theatergruppe ist der Gemeinde angeschlossen, deshalb kenne ich dort viele Leute. Ich wollte auch jetzt auf keinem Fall jetzt den Gottesdienst besuchen, aber beinahe rannte ich zur Kirche weil ich den Gedanken hatte, dass Ulrich unbedingt in den Fürbitten erwähnt werden muss. Hoffentlich finde ich schnell jemanden den ich darum bitten kann! Und ich war gerade beim Eingang angekommen, da sah ich schon Sonja, die den Kaffee für nach dem Gottesdienst vorbereitete. Sie zog mich sofort in einen Nachbarraum, ich erzählte ihr heulend was bei uns los ist, währenddessen stieß Edith (aus meiner Theatergruppe!) dazu und es stellte sich heraus, dass genau sie heute die Fürbitten spricht. Sie war sehr sehr erschüttert und versprach, die richtigen Worte zu finden, auch wenn sie selbst mit Sicherheit dabei anfangen werde zu weinen.

    Sonja war es dann auch, die mich am nächsten Abend zu diesem schrecklichen Gespräch begleitete, sie war beim Abschalten dabei und gab Ulrich den Abschiedssegen. Das kann sie. Es ist ein Wunder dass ich genau sie angetroffen hatte, als ich zur Kirche rannte.


    Trauerbegleitung ist auch so ein Thema. Ich weiß, dass keine 200m von mir entfernt eine Marlies wohnt, die im Hospizverein aktiv ist. Ich kenne sie ein bisschen, und irgendjemand sagte mir, Marlies leite eine Trauergruppe. Also rief ich Marlies an. Leider löst sich vielleicht der Verein bald auf, deshalb gibt es im Moment doch keine Gruppe, aber sie bietet mir Einzelbegleitung an.


    Meine Schwester hat mir mit der Post ein Mandala- Malbuch für Erwachsene geschickt und Filzstifte dazu.

    Und ich heule, heule, heule. Zuwendung tut mir so gut.


    Ja, Christine, ich bin "um die 60". Im kommenden Februar habe ich 60. Geburtstag.

  • Beitrag von CHRISTINE B ()

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