Lieber Christoph,
deine Antwort hat mich sehr berührt, die Tiefe und Intensität mir der du dich auf deine Fragen einlässt, auf das Leben, auf die Beziehung zu deiner Frau, aber auch zu dir selbst finde ich bewegend.
Hm, das 2. Trauerjahr...also ich bin einfach froh bezüglich der Termine das 1. Jahr überstanden zu haben. Im 1. Jahr fühlte ich mich einfach bei jedem Termin nur überfordert und insuffizient. Dieses Jahr kann ich eine gewisse Kraft zusammenkratzen um dann eine Art Normalität zu haben, also z.B. einen Osterstrauch aufzustellen.
Mir hat sicherlich geholfen dass mein Kind auf die Welt kam, ohne mein Kind hätte ich eventuell auch solche Gedanken wie du, die nachvollziehbar sind. (Was ich kenne ist einfach auch Entlastung bei dem Gedanken, quasi einen Moment "nicht da zu sein").
2 Jahre - also das ist ein Marathon aus Hoffnung und Angst, aus Gefühlen. Die Chance, sich so lange zu verabschieden, war für mich gut und richtig, ich habe das gebraucht, auch um die Komplexität der Beziehung zu "würdigen" ein anderes Wort fällt mir nicht ein. Sagen wir so, ich konnte es akzeptieren, und es war stimmig für mich. Es hat aber extrem viel Kraft und Willen gekostet, allen Beteiligten. Wie war das für dich, Christoph? Es klingt so als hättest du diesen Schock auch noch nicht ganz überwunden, ich hatte bereits bei der Diagnose eine recht klare Gewissheit, dass ich wenn nur die Zeit nutzen kann, die noch bleibt, auch wenn ich das dann weg geschoben habe, das Wissen war immer da. Dieser Moment, wo man das begreift, ist sehr sehr einschneidend.
Es ist auch etwas anderes wenn der Partner geht, wenn ich mir es jetzt vorstelle, denn bei Eltern geht man und gehen die Eltern davon aus, zuerst zu gehen. Beim Partner hat es noch einmal eine andere Qualität. Man weiß ja nicht wer zuerst sterben wird, nur so viel...ich sah diese Serie "Top of the Lake" und an einem Punkt sagt so eine Art Schamanin zu der krebskranken sterbenden Mutter "sie werden ja nicht mehr da sein, ihre Tochter muss es aushalten, dass sie sterben" oder so. Das hat mich sehr berührt und ich denke, das hat auch etwas Wahres, es auszuhalten, wie ein geliebter Mensch stirbt, was kann man denn noch mehr tun als genau das? Und eben wie du sagst, danach noch da zu sein?
Dieses Gefühl, auch ihr nachfolgen zu wollen...ich empfinde das auch als ... darf ich das so sagen...Hilflosigkeit der Zukunft gegenüber? Wie du schreibst hast du noch keinen Plan und ja, dass das so ist, nach 16 Jahren, nach so schweren 2 letzten Jahren, nach so viel an nicht gelebtem Leben, dass ihr ja schon fix geplant hattet, und jetzt noch dein innerlicher Trümmerhaufen, das klingt plausibel.
Ich finde deine Sehnsucht, deinen ja, Willen
es einmal anders zu sehen großartig
den Lebensmut
Van Gogh sagt , so lese ich in dem rosa Buch
"was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren?
du riskierst eine Menge Fragen
(wie ich bei meinem Thread schrieb, mich beschäftigte und beschäftigt die Yalomsche Frage wie kann ich leben, um nicht -zu viel- zu bedauern...bedauern anzuhäufen, bzw. was könnte ich bedauern, in 5 Jahren...was bedauere ich nicht? Ich bedauere nicht, meine Mutter begleitet zu haben...)
Aber, und das Gefühl kenne ich auch nur zu gut, manchmal hat man nicht, noch nicht, die Kraft für solche Fragen oder sie ergeben grad keinen Sinn. Dann ist das Hier und Jetzt ein guter Anfang,
ich sehe es so wenn ich sagen darf
Yalom sagt ja als Schlussfolgerung zu der Isolations-Überlegung
dass Beistand das Größte ist, was man einem Menschen geben kann der Todesangst hat, und der mit dem Tod konfrontiert ist...und das sehe ich so bei dir und Andrea, wie du sagst es war sinnvoll, es war großartig sie zu pflegen du bist über dich hinaus gewachsen
und du hast wirklich, wirklich eine Belohnung dafür verdient
dass du so tapfer warst, für diesen wahren Liebesdienst.
Darf ich das so sagen?
Und ich hoffe also, dass du jetzt die Ausdauer hast
so wie bei deinem Sport
um genau diese obige Frage anzugehen
und alle Bälle zu nehmen, die dir das Leben so zuspielt
und manche Bälle gehen aber auch über die Linie, sind im Aus
und die kann man dann auch lassen.
Was denkst du?
Sei lieb gegrüßt,
einen sanften und schönen Tag dir
und eine gute Therapiestunde
MLena