Sich selbst neu erfinden

Wie ihr alle wisst, sind viele meiner Lieben schon auf der anderen Seite. Sicher spüre ich sie noch, aber irgendwie ist das im realen Leben nicht hilfreich, eher isolierend, ich lebe praktisch mit meinen Toten und Erinnerungen.Langsam glaube ich, dass ich mehr mit ihnen spreche als mit lebendigen Leuten. Ich bin so verhaftet in der Vergangenheit, dass ich mir eine lebenswerte glückliche Zukunft (außer mit kleinen Lichtblicken ) nicht vorstellen kann.

Im Fitnessstudio reden sie immer von der Transformation, der Challenge des Körpers durch Training. Deshalb gehe ich auch so gerne hin, trainieren, mit keinem reden müssen und wirklich Monat für Monat merken, dass sich der Körper verändert.Das ist das Schöne und beruhigende am Training: man hat alles unter Kontrolle,macht nur soviel, wie man schafft, überfordert sich nicht. Und man hat das Gefühl, dass man sich neu erschafft. Das ist ein Upgrade vom System Angie 2015- zur neuen Version Angie 2017.

Wäre es nicht toll, wenn es für das Leben auch so eine Transformation gäbe? Ohne geliebten Partner ist es eher wie ein verlorernes Spiel mit der Weisung "Zurück an den Start!"
Wenn ich mir vorstelle, mich wieder auf jemanden einzulassen, den kennenzulernen, Vertrauen aufzubauen, Enttäuschungen zu erleben, Hochs und Tiefs - ich glaub dafür reicht meine Energie einfach nicht mehr.

Vielleicht sollte ich nicht nur meine Muskeln sondern auch "Leben" trainieren , jeden Tag ein bißchen mehr....

Liebe Amitola, danke für das Superwowkompliment (verlegen bin gg) . Das Foto haben wir gestern nach unserem Fitnessstudiobesuch gemacht, war mit Bianca und ihrer Freundin dort, so richtig Frauenpower ;).

Muss zugeben, dass ich stolz bin, wie ich es geschafft habe, meinen kraftlosen Körper zu verändern - das alles ist gewachsen aus der Angst, jetzt mit der Krankheit und dem Leben alleine zurechtkommen zu müssen. Mein Rudy wäre beeindruckt gewesen, denn so hat er mich nicht gekannt, da war ich eher das schutzbedürftige Wesen, das sich gerne angelehnt hat.

Nur Fitness und Körper sind nicht das eigentliche Leben-immerhin ist es schon, wenn man sich um seinen Körper kümmert (egal aus welchen Motiven, bei mir war es halt die Überlebensangst), eine Bejahung des Lebens, das ist sicher.
Für mich ist es eine große Herausforderung, die mir sehr viel abverlangt-nach jedem Training schlafe ich 10-12 Stunden, weil ich dann so ko bin.

Mir gibt es das gute Gefühl, dass ich wenigstens irgendetwas in meinem Leben beeinflussen kann, und sei es nur mein Krankheitsverlauf oder die Erhaltung meiner Selbstständigkeit.

Trotzdem fehlt es mir die Freude teilen zu können und die Geborgenheit, das Gemeinsame-einfach die Liebe. Das tut nach wie vor wahnsinnig weh :13: .

Midsomma weiß ich noch nicht, kommt halt darauf an, wie das mit dem Erbe weitergeht, weil ich nicht weiss , ob gerade dann irgendwelche behördlichen Termine anstehen. Sonst würde ich gerne kommen, kommt halt auch auf die Finanzen an. Bianca kann eher nicht, denn die hat immer nur August und Dezember Urlaub, weil sich ihr Urlaub nach der Auftragslage der Firma richtet. Liebe Grüße an Katharina und genießt eure gemeinsame Zeit und das tolle Werk, das ihr gemeinsam geschaffen habt.Ich bin so froh, dass du wieder gesund bist! :24: :8:

In letzter Zeit stelle ich fest, dass ich ruhiger und gelassener geworden bin. Irgendwie nehme ich alles nicht mehr so wichtig und sehe das Leben und alle Probleme objektiver. Gestern hatten wir Notartermin in der Stadt, wo ich aufgewachsen bin, da hatte ich Flashbacks von bösen Erinnerungen und dann "hörte" ich meinen Rudy : das alles ist vorbei, das kann dir nicht mehr wehtun. Es zählt nur, was und wer du jetzt bist und dass du dich mit dir im Einklang befindest.
Und gleich fühlte ich mich gut, frei und sehr unabhängig und selbtbewußt.

Mein Rudy war so ein ausgeglichener Mensch, so gar nicht an Materiellem hängend, so lebensintensiv den Augenblick genießend, ich glaube, dass ich einiges von seinem Charakter verinnerlicht habe. Mein Geliebter hatte das schönste Lächeln ,so ein richtiges warmes Lächeln, das auch die Augen erreichte, und irgendwie habe ich in letzter Zeit das Gefühl, dass ich manchmal , wenn ich an ihn denke, innerlich lächle (äußerlich gelingt mir das noch nicht so oft).
Ich spüre seine Gegenwart und wenn ich Probleme habe, seinen beruhigenden Einfluss. Ein Wahnsinn, wieviel von einem geliebten Menschen dableibt, wenn man es (obwohl das manchmal sehr schmerzhaft ist :13: ) zuläßt.

Egal was kommen mag, wir sind forever together-ich glaube, dass ist die Wandlung, die ich erreichen muss, einfach nach unseren gemeinsamen Überzeugungen zu handeln, zu leben, wenn möglich auch eines Tages wieder zu lieben...er lebt in mir weiter, in der Veränderung, die er durch sein Sein, seine Liebe zu mir, bewirkt hat, er lebt in meinem Selbstwertgefühl (das ich endlich habe).

Irgendwie sind wir eins.....

Gestern im Fitnessstudio im Kursraum ( da darf nur rein, wer gerade den Kurs macht), kommt so ein Bürschlein daher und fängt an, neben mir Gewichte zu stemmen (dafür ist der Raum eigentlich nicht gedacht). Alle schauen ihn genervt an, aber er merkt es nicht (das irritiert nämlich, wenn man sich auf seine Übungen konzentrieren will und daneben einer laut stöhnend was anderes macht).

Ich lieg am Boden, mach meine Bauchmuskelübungen und habe immer Angst (weil der sehr wackelig und ungeübt wirkt), dass mir ein Gewicht am Kopf fällt. Aggression steigt in mir auf (war immer sehr cholerisch, wenn jemand meine Kreise stört, besonders bei Leuten, die glauben, dass für sie keine Regeln gelten), will den Typen anschreien, niedermachen - kurz einatmen, an Rudy denken (der sagte:zuerst reden, hinhauen kann man immer noch!).
Stehe auf, verschränke die Arme (Körpersprache: das passt mir nicht!) , sage zu dem Typen: "Entschuldige, ich fühle mich nicht sicher, wenn du das neben mir machst. Kannst du dir bitte einen andern Platz dafür suchen?"
Der Typ sieht mich an, im Raum ist es total still, alle sehen her- und geht in eine andere Ecke, wobei seine schlecht befestigten Gewichte wirklich runterrutschen. Alle lachen und da geht er raus, auch lächeld.
Bianca meinte , sie sei sehr stolz auf mich, weil ich mich beherrscht habe (im Gegensatz zu früher) und deeskalierend gewirkt habe.
Ja das ist seit Neuestem der Rudy in mir, nicht gleich losbrüllen, obwohl man im Recht ist, nein sich den Tag nicht verderben lassen und nur bestimmt und klar seine Meinung sagen. Wie gesagt, er hat mich verändert und tut das immer noch-

Liebe Maki, ja es ist ein neuer und ungewollter Weg, den wir gehen müssen, doch das birgt auch Chancen.
Nach dem Tod meines Rudys habe ich mich selber nicht mehr erkannt, ich glaube, dass uns das allen so geht, weil eben die Trauer die Persönlichkeit und den Blick auf die Welt total ändert. Und wir haben nur eine Chance weiterzuleben, wenn wir nicht in der Trauer stehenbleiben , sondern sie als bleibenden Teil unseres Lebens akzeptieren. Sie ist da, man kann sie nicht leugnen ,aber man muss sich arrangieren. Und nur wenn wir weiterleben, leben auch unsere Verstorbenen weiter, in unseren Gedanken, in unseren Handlungen und in unserer Weiterentwicklung. Meine Mutter sagte immer, dass Egoismus Sünde sei - finde ich nicht, ein gesunder Egoismus ist wichtig.
Kinder, denen man alles abnimmt, werden unselbstständig und man ist nicht nur Mutter, sondern auch Frau mit Bedürfnissen. Daher finde ich deinen neuen Weg gut!

Die neue Angie ist anscheinend sehr gefragt .

Hatte diesmal kein einsames Wochenende mehr.
Freitag war ich auf einer Veranstaltung eingeladen, wollte eigentlich nicht hingehen (bin immer grantig, wenn ich außer Haus gehen soll, weil ich mich viel lieber daheim einigle), ging nur weil ich es versprochen hatte. Dort traf ich einige nette Leute, die mich überredeten , mit ihnen auf ein Fest zu gehen, dort wieder nette neue Leute getroffen, dann noch zu einem Absacker ins Café - wie in guter alter Zeit, bevor mein Leben zerbrochen ist. Samstag war ich mit meiner Tochter auf einem Charityfest für ein Tierheim, war auch supertoll und heute mit einem guten Freund Filme geschaut und opulent gegessen.

Jetzt freue ich mich aber wieder auf stille Stunden und innere Einkehr und natürlich auch auf mein Fitnesstraining, das ich jetzt 3 Tage vernachlässigt habe.
War zwar sehr schön, aber zuviel menschliche Gesellschaft auf einmal. Das muss sich bei mir immer die Waage halten, weil es mich trotz Interesse und Freude emotional sehr anstrengt, neue Leute kennenzulernen. Aber immerhin habe ich es geschafft, wie andere Leute ein normales , geselliges Wochenende zu verbringen, bin ganz stolz und habe das Gefühl, dass Rudy leise lächelt und mit mir zufrieden ist. .

Flashdance hat mir sehr gefallen-diese Frau hatte einen Plan und setzte ihn durch (und die war auch viel schöner und jünger als ich gg, aber Danke für das Kompliment :2: ) .
Ich hingegen gehe halt nur trainieren, um meine Krankheit im Zaum zu halten.
Lebensplan und Ziel habe ich leider noch nicht, und mein Tag ist noch immer nicht gut strukturiert (schlafe noch immer zuviel und zu lange).
Aber immerhin schaffe ich es jetzt schon, ab und zu in menschlicher Gesellschaft zu sein, ohne dass es mich runterzieht.
Leider ist meine Wohnung so heiss, dass ich lieber überall anders bin als daheim . Schwimmbad, Fitnessstudio oder bei Bekannten.
Hab eine Linderung entdeckt: Duschen mit Mentholzusatz, das hilft ein bißchen.
Dieses Wochenende waren Bianca ich bei einem von Rudys Stiefsöhnen zum Grillen eingeladen, war sehr nett und unterhaltsam.
Es wurde nicht viel über Rudy gesprochen , doch als wir einen Toast auf ihn ausbrachten und alle in den Himmel schauten, meinte ich:
Nicht da raufschauen-er ist immer bei uns.
Und das meine ich auch so,weil wir eben mental mit unserer Seelenfamilie verbunden sind.Wie du sagst Malena, sie sind uns immer nahe.

Lieb von dir, Indian summer, aber ich fürchte, dass mein Budget die Stromrechnung nicht verkraften würde. Heute Unwetter in Wien und a bisserl Abkühlung .

Danke dir, liebe Malena . Die Hitze hat nachgelassen, die MS nervt wegen Wetterumschwung mit tierischem Kopfweh.
Ja bei Flashdance hat mir eben die klare Zielsetzung gefallen, bei mir ist es leider nur das Ziel, den Staus quo bei meiner Krankheit zu erhalten. Ich hätte gerne ein schöneres, wichtigeres Lebensziel, aber leider fällt mir noch immer nichts ein, was ich für diese Welt leisten kann.

Ja den Rudy habe ich immer im Herzen, egal was ich mache. Ich lebe quasi mit meinem verstorbenen Geliebten , fühle mich eins mit ihm. Körperlich vermisse ich ihn sehr, aber ich sehe sein Gesicht noch in jeder Einzelheit vor mir.

Meiner Katze geht es momentan wieder gut, muss aber wieder zum TA zur Kontrolle- schiebe das aber immer auf, weil ich nicht will, dass die Katze wieder Angst hat und gestresst ist. Na innerhalb der nächsten 14 Tage werde ich das erledigen, mache mir halt Sorgen, will nicht, dass ihr alle verbleibenden Zähne gezogen werden müssen. Sie hat FORL-tückische Zahnerkrankung bei Katzen. Hätte so gerne noch eine 2te Katze, aber wenn meine von Zahnweh geplagt ist, kann ich ihr das nicht antun.

Sich selbst neu erfinden-das zeigt auch, dass man irgendwie keine Vergangenheit hat, oder positiv gesehen, keine Altlasten mit sich rumschleppt.

Manchmal fühle ich mich alleine, verlassen, fast ohne Menschen, die irgendeine frühere Erinnerung mit mir teilen-wurzellos.

So wie in meinem neuen Lieblingslied:

Andererseits -wenn man nicht verwurzelt ist, bedeutet das auch Freiheit.

Eine Freiheit, die ich zwar nie gewollt habe, die aber auch ein interessantes Erlebnis werden kann... obwohl in mir die Sehnsucht ist, irgendwann einmal irgendwo endgültig anzukommen.

Liebe Malena, ja Luftwurzeln ist ein schönes Wort und so tröstlich, ich danke dir für diese wunderschöne Wortkreation.

Ja alles Vergangene ist so fern, einfach unvorstellbar-ich habe bis auf meine Tochter eigentlich niemanden mehr, der meine Erinnerungen teilt-so als ob mein Leben mit Rudy nie stattgefunden hätte. Und Kindheitserinnerungen , da kaum Kontakt zu den Geschwistern (weil wir uns nicht nahe sind, weder innerlich noch räumlich) , gehören mir ganz alleine.

Manchmal denke ich darüber nach, einfach wegzuziehen und woanders neu anzufangen - doch irgendwie schaffe ich es noch nicht, habe immer das Gefühl, dass ich damit die letzten Gemeinsamkeiten aus meiner Zeit mit meinem Liebsten aufgebe.

Ausserdem hänge ich in Wien noch wegen Bianca und Wuffelpuff fest, ertappe mich aber immer öfters, wie ich im Internet Wohnungen im Burgenland oder Niederösterreich suche und ansehe. Oder vielelicht am Stadtrand von Wien, weg von der Betonwüste...

Immerhin erfreulich, dass ich wieder Wünsche und Träume habe.