• Dann wünsche ich dir viel Energie beim Nachdenken. Das ist schon viel.

    Ein gutes Glas ...(?) und vielleicht ein Zettel oder Schreibbuch und einen Stift, einen lauen Sommerabenden


    Vielleicht kannst du das Nachdenken auch ein bisschen genießen ? Lg. Astrid

  • Liebe StillCrazy, ich habe die ganze Zeit mitgelesen und will mir nicht anmaßen, irgendwie zu werten oder zu urteilen.


    Ich will dir nur kurz was erzählen: als ich im Jahre 1998 meine Diagnose "Multiple Sklerose" bekam, war ich wie erschlagen. Das hat meinem damaligen Partner auch viel abverlangt,half er mir , war ich gereizt, weil ich mir bevormundet vorkam (Ich bin doch kein Krüppel!), half er mir nicht, fühlte ich mich in Stich gelassen (Siehst du nicht, dass ich Hilfe brauche?).

    Dein Mann muss mit der Diagnose erst zurecht kommen, dieses "Kopf in den Sand stecken" ist meiner Meinung nach ein typisches Anzeichen dafür, das habe ich damals fast ein Jahr gemacht, bevor ich mich den Tatsachen stellte.


    Kranke Menschen wollen ihre Eigenständigkeit bewahren, egal ob sie sinnvoll agieren oder nicht. Das ist sicher schmerzhaft für den Partner, der ja nur helfen will und der dabei zusehen muss, was der Kranke seiner Meinung nach falsch macht. Je heftiger der Partner drängt, dass man was machen soll, desto mehr regt sich der Trotz (zumindest bei mir war das so).


    Mein Rat: Schaue auf dich, schau dass du eine gewisse Lebensqualität behälst, damit du, wenn er dich dann von sich aus um Hilfe bittet, wirklich stark und präsent für ihn da sein kannst. :24:

  • Liebe Angie,


    vielen Dank für Deine Erfahrungen, die Du mir da beschreibst. Du kennst die andere Seite...


    Aber für mich ist es halt ein Problem, wenn er das alles so verleugnet. Weil es nämlich da ist, trotzdem. Außerdem hat er durch diese Haltung zuvor schon eine schwere Katadtrophe erlebt (Firmenpleite). Du darfst 3x raten, wessen Aufgabe es dann war, auf die Realität zu reagieren und den Schaden zu begrenzen.


    Ich habe ihn seit Ende Dezember 2016 bekniet, zum Arzt zu gehen, weil er ungewöhnlich oft aufs Klo musste. Im August 2017 ist er dann gegangen und hat Ende des Monats die Diagnose, sein Todesurteil, bekommen. Jetzt haben wir Ende Mai 2018. Es ist also doch schon etwas Zeit seither vergangen. Und es hat Krisen gegeben, die mich wirklich an meine Grenzen gebracht haben.

    Seit September gehe ich regelmässig in die Krebshilfe zur Beratung. Da geht es immer wieder darum, was ihm zuzumuten ist, was ich von ihm erwarten kann - und wo ich Rücksicht nehmen muss, mich umstellen muss und so. Die Beraterin selber hat mir empfohlen, organisatorische Dinge wie etwa die Medikamentenliste anzusprechen. Auch in seinem Sinne: wenn ein Notfall eintritt, ist es wichtig, dass die Ärzte seine Medikation kennen.


    Ich habe erlebt, wie meine Mutter, die ca. 12 Monate von ihrer Diagnose bis zu ihrem Tod gelebt hat, mit ihrer Krankheit umgegangen ist. Sie hatte damals durchaus einen Sensus dafür, dass es gilt, die Menschen in ihrem Umfeld im Auge zu behalten, trotz der Krankheit. So hat sie z. B. ihren Nachlass sehr verantwortungsbewusst geregelt.

    Da war nix mit Kopf in dem Sand ist normal.


    Aber was mich im Gespräch mit meiner Therapeutin so überrascht hat, war die Parallele in der Situation heute wie damals (wie mein Vater das gehandhabt hat). Dass von mir verlangt wurde/wird - aber dass meine Bedürfnisse (freundlich formuliert) im Hintergrund standen/stehen.

    Ich sage nicht, dass Rudi das aus bösem Willen oder sowas macht. Es geht nicht um eine Anklage sondern um eine Beschreibung.

    Und ich denke, dadurch dass diese Parallele einmal herausgearbeitet ist, kann ich besser erkennen, warum ich manches so desaströs erlebe: weil ich es in meiner Jugend schon so ähnlich erlebt habe (durchaus aus anderen Beweggründen) und es mich traumatisiert hat.

    Und mit diesem Ansatz werde ich weiter arbeiten.


    Ich sehe es so: entlarvte Dämonen sind weniger furchterregend. Deshalb ist es mir wichtig, Zusammenhänge wie diesen zu entdecken. Und dann vielleicht meine Gefühle etwas besser zu verstehen und ihnen nicht ganz so hilflos ausgeliefert zu sein.

  • Liebe StillCrazy!


    Ich finde es wirklich bewundernswert wie dich der ganzen Sache stellst, wie offen du reflektierst und wie du ehrlich zu deinen Gefühlen stehst.

    Ich bin ja der tiefsten Überzeugung, dass man nur dann halbwegs unbeschadet aus solchen schwierigen Situationen kommt.

    All diese "Lebensaufgaben" machen natürlich etwas mit einem, aber man hat dann doch nicht das Gefühl, nur ausgeliefert zu sein. Man gestaltet aktiv mit. Schwer ist es natürlich trotzdem.

    Ich wünsche dir weiterhin alles Gute!

    Hedi

  • Danke, liebe Hedi :love:

    Mir geht es in den letzten Tagen überraschend großartig :):):)

    Dabei hat sich an der Situation nicht das geringste geändert? Oder doch .....

    Uch habe ja vor kurzem einer Chorfreundin von Rudis Erkrankung erzählt. Am Monrag hat sie mich daheum abgeholt, um gemeinsam ein Bier zu trinken. Vorgestern war ich mit ihr und ihrem Mann radfahren, beim Heurigen (Weinbauern), kurt schwimmen und dann noch im Café. War ein toller Tag, wie im Urlaub. Wir waren auch auf der Wasserrutsche (als einzige Frauen ohne Kinder) ;)

    Rudi wollte nicht mit. Denke, er wollte den Tag zum Ausruhen nutzen.

    Gestern schien er mehr Schmerzen als sonst zu haben. Ich hab ihm zugesehen und richtig Magenschmerzen bekommen. Nicht zum ersten Mal in so einer Situation. Dann kam mir die Idee im Internet nachzusehen, welche Schüssler Salze bei nervösen Magenschmerzen helfen. Antwort ganz untweifelhaft: Nr. 5. Habe ich zum Glück daheim.

    Gleich ausprobiert, und seitdem fühle ich mich viel ausgeglichener. Und sollte es nur die Placebowirkung sein - völlig Schnuppe. Ich kann das schöne Wetter genießen, mich auf heute Abend freuen. Da ist im örtlichen Café ein Konzert mit Vernissage in der Pause. Vorhin hingebungsvoll & erfolgreuch den Kasten nach einem passenden Kleid durchsucht ;)

    Ich freue mich einfach so, dass es mir gutgeht!

  • Ich hoffe, dass dieses "Urlaubsfeeling" anhält - auch bei der Arbeit - vor allem aber gegenüber von Rudi. Schön, dass du mit Schüsslersalzen deinen Magen verwöhnt hast und nicht überlegt hast, wie du seinen Schmerzen beikommst. Sorge weiter so liebevoll für dich.


    Lg. Astrid.

  • Liebe Kiwi,


    schön von dir zu lesen :)

    Dem Magen geht es gut. Kleid hab ich gefunden (es hat auch rudi sehr gut gefallen, ein ziemelich neues, das er noch nicht oft an mir gesehen hat), und das Konzert war sehr fein. Alles in allem also ein sehr gelungener Abend.


    Am Sonntag war Rudi dann leider wieder ziemlich grummelig. Habe heute mit meiner Therapeutin darüber gesprochen. Sie meint, er ist depressiv (habe ich hier, glaube ich, schon öfters geschrieben).

    Außerdem dürfte er wieder stärkere Schmerzen gehabt haben.

    Es ist halt immer so ein Auf und Ab.


    Gegen Ende der heutigen Therapiestunde ist dann eine Frage aufgetaucht, die mich ziemlich beschäftigt: Darf es mir überhaupt gut gehen, wenn er so leiden muss? Und, auch dazu gehörend: durfte es mir überhaupt so gut gehen, als meine Mama so leiden musste (da hatte ich ja auch schöne Momente im Leben).

    Der Kopf sagt natürlich: ja, gar kein Problem. Freude ist wichtig.

    Aber ich glaube, meine Seele sieht das etwas anders. Ich glaube, irgendwo in mir drin ist auch ein schlechtes Gewissen: wie kannst du nur etwas genießen, wenn es ihm so schlecht geht - du bist egoistisch und herzlos.

    Irgendwie muss ich an der Sache dran bleiben. Vielleicht öffnet sich da ja ein Knoten, und ich komme besser mit diesem Dilemma zurecht. Mir war ja bis eben gar nicht klar, dass ich diesen Konflikt überhaupt habe. Eben weil die Sache auf der Verstandesebene so eindeutig ist.


    Schon spannend, irgendwie - was da unter der Oberfläche dahingärt. Ich hätte wirklich und wahrhaftig nicht gedacht (emanzipiert wie ich bin) dass sich für mich diese Frage stellt.

    Wie geht es Euch damit????????

  • Liebe Still crazy,

    Es ist nachvollziehbar dass du ein schlechtes Gewissen hast, aber :

    Ich möchte dich da etwas beruhigen.

    Du machst ja gerade genug mit.

    Krebskranker Partner, der eigentlich sich gar nicht so verhält wie du es dir vorstellst.

    Dann die Sorgen wie es weitergeht, genug Frust und Not.


    Da gibt's doch ein schönes Wort :

    Selbstfürsorge. Und das machst du bitteschön.

    Es ist doch eh alles schlimm genug, da muss man es nicht noch schlimmer machen, sondern für sich einen Weg finden, bei dem man die innere Balance behalten kann und seiner Seele immer wieder Auszeiten gönnt.

    So seh ich das.

    Liebe Grüße! :30:

  • Ich verstehe das, liebe Still crazy. Ich persönlich hätte auch ein schlechtes Gewissen, wenn ich unterwegs wäre, meinen kranken Partner alleine lassen würde und mich amüsieren würde, liegt vermutlich in der Erziehung, die uns Frauen eingeredet hat, dass man sich aufopfern soll.


    Andererseits stellt sich die Frage, ob der Partner permanent bemuttert und betüdelt und bevormundet werden will oder ob er lieber seine Ruhe hätte:/.


    Das ist eine Gratwanderung , die sicher nicht leicht ist. Du kennst deinen Partner, nur du kannst entschieden, was er braucht und will und natürlich was du brauchst, um diese Situation auszuhalten.


    Vielleicht hat es ja auch etwas Gutes (außer dass es dich ablenkt und dir ein paar Stunden Entspannung schenkt), wenn du ihm damit ein bißchen Leben durch deine Erzählungen vom Erlebten heimbringst. Vielleicht bekommt er dann auch wieder Lust auf´s Erleben (zumindest auf das, was er mit seiner Krankheit ohne größere Anstrengungen noch unternehmen kann) und ist nicht mehr so passiv.

  • Liebe StillCrazy!

    Was soll ich da noch schreiben?

    Du weißt es ja selbst: Natürlich darf es dir gut gehen!

    Dass das schlechte Gewissen manchmal nagt, kann ich gut nachvollziehen.

    Aber du hast dir diese Rolle auch nicht wirklich ausgesucht, das Schicksal hat sie dir aufgezwungen.

    Was hätte dein Partner davon, wenn du mit ihm dauerhaft depressiv und verzweifelt bist?

    Ich glaube mit deiner Selbstfürsorge und deiner positiven Kämpfernatur bist du genau richtig - für dich und für ihn!

    :24: Hedi

  • Liebe StillCrazy,

    du hast dir die Antwort ja schon selbst gegeben:


    Der Kopf sagt, das ist voll in Ordnung

    und die Seele hat ein schlechtes Gewissen.


    Vielleicht ist dein Kopf schon weiter - so wie der Indianer, der aus dem Auto aussteigen musst, damit die Seele nach kommt.


    Natürlich ist es wichtig, dass du für dich sorgst!!!:28::28::28::28:


    Doch nimm auch das schlechte Gewissen wahr und überlege dir, wie es verwandelt werden kann.

    Vielleicht musst du zu Anfang mit dem schlechten Gewissen einen Kompromiss aushandeln:

    Wir hatten es so schön im Konzert.

    Heute ist er so grummelig, ich glaube er mag lieber allein sein - ich frag ihn mal - und wenn er ja sagt,

    gehe ich auf ein Eis in die Eisdiele.

    Wenn er nein sagt, dann soll er mir sagen, was ich ihm tun kann. Vielleicht mag er ja mit auf ein Eis.


    So könnte ich mir eine innere Zwiesprache mit dem schlechten Gewissen vorstellen.


    Ich denke immer, dass Gefühle und Zustände einfach da sind - ob wir wollen oder nicht.

    Schlussendlich bringt es nicht viel zu sagen: "Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben"

    (auch wenn ich überzeugt davon bin, dass du es nicht bräuchtest und nicht egoistisch sondern selbstfürsorgend bist :) )

    Sondern es muss ein Umwandeln, ein ernst nehmen dieses Zustands oder des Gefühls geben.

    Nur dann kann sich in dir auch etwas verändern. Manchmal geschieht das auch ganz von alleine,

    nur weil man bemerkt - "Hey du, du bist auch grad in mir?"

    Manchmal braucht es Taktik - wie ich dir hier vorgeschlagen habe -

    und manchmal braucht es ganz einfach (und doch so schwer) Annahme.


    Es interessiert mich, wie es mit euch zwei weiter geht - mit dir und deinem schlechten Gewissen.


    Lg. Astrid.

  • Du bist eine sehr kluge Frau!

    Ich denke auch manchmal über "später" nach. Denke, ich werde Gitarrenunterricht nehmen.

    Bin ziemlich mies drauf gerade. Habe die Werte meiner Vorsorgeuntersuchung bekommen. Blutdruck: zu hoch. Cholesterin: zu hoch. Zucker: an der Grenze.

    Der Typ macht mir Vorhaltungen & schickt mich zur Ernährungsberatung (obwohl ich seit dem Vorjahr 2 kg angenommen habe - wahrscheinlich, weil ich so fett esse).

    Ich hab dann gegoogelt und - ja - nur auf den seriösen Seiten nachgesehen. Fazit: Langzeitstress hat genau auf die 3 Faktoren einen negativen Einfluß.

    Der Arzt ist nur lapidar über meine Einwände hinweg gegangen: alles hängt mit allem zusammen. Fein. Soviel zum Thema Psychosomatik.

    Er hat mir sogar mit Herzinfarkt gedroht - eine wahre Zierde seiner Zunft.

    Also: Termin für 5. 7. bei meiner Internistin ausgemacht. Der vertraue ich.

    Ich werde Rudi jetzt auch sagen, er soll mit mir vorsichtig(er) umgehen. Weil mir Stress schadet.

    Morgen bin ich bei der Krebshilfe. Da kann ich diese grenzwertige Erfahrung ein wenig verarbeiten. Da kommt mir eine Idee: die haben dort auch einen Komplementärmediziner. Vielleicht kriege ich da einmal einen Termin. Der müsste mit den Leiden von Angehörigen ja auch vertraut sein...

    Es ist einfach nichts schlimmer, als wenn man sich von einem Arzt Unterstützung erwartet - und man bekommt Vorwürfe. Oida!

    Der soll Pathologe werden, da muss er nicht mit Menschen sprechen X(X(X(

  • Liebe StillCrazy!

    Der Arzt ist wirklich ein grober Kerl.

    Aber ich muss dir gestehen, dass ich, obwohl ich deine Sorge natürlich ernst nehme und vollkommen verstehe, jetzt direkt lachen musste. Ich glaube wir haben eine Art von Humor, Galgenhumor inkludiert. Das" Oida" und der Pathologe - da muss man echt lachen!

    Es gibt sicher Ärzte die den ganzen Menschen sehen, nicht nur den Körper.

    Du findest sicher einen!


    Alles Liebe für dich!

    Hedi

  • Entschuldige, jetzt musste ich lachen - der soll Pathologe werden und Oida -

    Ich kann deine Wut absolut nachvollziehen und finde die Idee den Komplimentärmediziner zu kontaktieren - gerade auch weil er bei der Krebshilfe arbeitet - sehr gut. Ich drücke dir die Daumen, dass du dort einen Termin bekommst. Bist du bei ihm oder der Internistin deines Vertrauens den Termin hast, wünsche ich dir, dass du mit diesem Pathologen :evil: (vielleicht wollte er einfach keine Facharzt machen?) :Pnichts mehr zu tun haben musst.


    Lg. Astrid.