• Ein paar Zeilen von mir nach dem Wochenende...


    Insgesamt war es recht fein. Sommerlich-sonnig. Am Samstag waren Rudi und ich auf dem Markt, das tut uns immer gut. Am Sonntag dann häusliche Tätigkeiten und abends zum Tennis.


    Und das war dann eigentlich das Schwierige: ich habe gesehen, wie sehr es mit Rudi "bergab" geht. Er ist einfach so ganz, ganz anders als früher. Bewegt sich so langsam, manchmal habe ich den Eindruck fast mit Mühe.

    Nur dass hier kein falsches Bild entsteht: ich werfe ihm das nicht vor, ich freue mich, dass wir dort gemeinsam hingehen und dass er mir die Bälle zuspielt. Aber es wird halt so deutlich, wie anders er mittlerweile ist. Es ist so schmerzhaft, das so drastisch gezeigt zu bekommen.


    Am Samstag war es auch schwierig - da hatte er nach dem Aufstehen so starke Schmerzen. Es ist so, dass er seine Schmerzmittel erst nehmen darf, wenn er zuvor etwas gegessen hat. Also hatte er eben Schmerzen bis nach dem Frühstück. Ich hatte dann die Idee, doch neben das Bett eine Packung Kekse zu stellen. Da kann er ein paar essen, dann die Schmerztablette nehmen, dann muss er nicht bis nach dem Frühstück leiden. Am Sontag hat das dann, soweit ich das gesehen habe, gut funktioniert.


    Was ich mit all dem sagen will: es ist so schmerzhaft mitzuverfolgen, wie die Krankheit ihr destruktives Werk voran treibt, wie gnadenlos und unerbittlich.


    Dann ist da noch etwas, das mich sehr irritiert: Rudi hat rechts, etwa auf Höhe der Niere, so eine Aubuchtung seitlich. Wie nennt man diese Körperregion? Flanke? Egal...

    Ich meine: so genau will ich dann auch nicht hinstarren, aber ich habe deutlich den Eindruck, dass das auf der linken Seite nicht ist, diese Ausbuchtung. Gestern habe ich ihn umarmt und dabei unabsichtlich diesen Bereich berührt - und es hat sich ganz hart angefühlt. Also nicht wie ein Fettpölsterchen. Für mich war das so erschreckend. Der Gedanke dahinter natürlich: ist das Tumorgewebe? Wenn ja, dann wäre das riesengroß...


    Habe dann wieder unruhig geträumt. Von einem Haus, das eine negative Strahlung hat, und Menschen, die sich dort (zu) lange aufgehalten haben, haben Krebs bekommen. Ein vor Jahren an Leukämie verstorbener Kollege kam auch in dem Traum vor. Er ist im Spätsommer gestorben, ich konnte nicht zum Begräbnis, weil ich zu dem Zeitpunkt auf Urlaub war.

    Ich Traum habe ich mich noch gewundert, wie plastisch ich ihn noch vor Augen habe, wo er doch schon so lang tot ist. Das war mit also auch im Traum bewusst...


    Den heutigen Abend werde ich allein verbringen, Rudi bleibt in seiner Wohnung. Ich habe mir vorgenommen, ins Kino zu gehen, mir was fröhliches anzusehen.

    Morgen kommen dann die Leute vom Hospizteam. Ich hoffe, dass ich da ein bisschen zum Reden komme, auch über die Belastung, die das für mich bedeutet. Vielleicht ist mir dann ja leichter.


    Es ist einfach so eine Scheißsituation!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

  • Liebe StillCrazy!


    Ich denke, wäre ich wäre in deiner Situation gewesen, hätte ich diese Ohnmacht auch als ganz was Schlimmes empfunden.

    Man ist so oft im Leben planend unterwegs und hat das (natürlich unrichtige) Gefühl, man hätte "alles" im Griff.


    Und dann gibt es Situationen, da merkt man, man ist nur ein kleines Würmchen auf der Welt, das sich dem Schicksal unterzuordnen hat.

    So ist es eben jetzt die grauenhafte Krebserkrankung.

    So wird es später sein, wenn er gehen muss.


    Ich habe es jetzt schon ein wenig besser im Griff (aber keineswegs wirklich gut), dass ich dem Leben ein wenig vertraue und mir denke: Wird schon wissen was es mit mir vor hat. Ich nehme was ich kriege und mache das Beste daraus.

    Aber schwer ist es.


    Wer denkt sich all die Sch...... für uns aus? Das fragt man sich dann doch hin und wieder!


    Sei lieb umarmt und hab es heute gut!

    Hedi

  • Ich frage mich schon den ganzen Abend, warum es mir heute so schlecht geht. Jetzt ist es mir klar: morgem kommen die Leute vom Hospizteam.

    Im Kopf weiß ich, dass das gut und wichtig ist. Aber im Herzen ist es etwas, das sehr traurig stimmt.

    Ich meine: Krebshilfe, Onko-Ambulanz - alles ok. Das bedeutet nicht automatisch, dass es in Richtung Sterben geht. Aber Hospizteam.... Das hat etwas so Endgültiges. Das tut schon weh!!!!!!!!!

  • Das hat was End-Gültiges


    ein schweres Wort mit einer schweren Bedeutung. Das tut weh und macht traurig.


    Spüre sanft meine Hand in deinem Rücken

    lass die Tränen laufen,

    die Schreie raus

    die Verzweiflung, die Angst, die Traurigkeit - all das darf jetzt seinen Platz haben.


    Und auch die Liebe, die sich so bedroht fühlt (?)


    Ich bin da.

    Lg. Astrid.

  • Liebe Hedi,


    das ist sehr lieb, dass Du nachfragst :):):)


    Der Termin mit denen ist supergut gelaufen! Hatte ich, ehrlich gesagt, auch nicht anders erwartet. Aber natürlich kann man sich mit solchen Prognosen auch manchmal täuschen. Das Schwierige war eben im Vorfeld, dass ein besuch des Hospizteams schon etwas sehr Eindeutiges bedeutet. Das war eigentlich das schwerste dran.

    Sie sind am frühen Nachmittag gekommen. Meine Chefin hatte mir erlaubt, an diesem Tag von zu Hause aus zu arbeiten, was ich ihr hoch anrechne.


    Und dann ist es im wesentlichen um Befunde gegangen und um Medikamente. Es hat sich herausgestellt, dass Rudis Schmerzmedikation nicht optimal ist. Dass er mit anderen Mitteln wohl mit weniger Wirkstoff mehr Schmerzfreiheit erreichen kann. Was natürlich gut ist, weil das weniger Belastung für den Organismus bedeutet.

    Dann war auch noch die Rede davon, ob er einmal auf Kur fahren möchte (wird in solchen Fällen in der Regel bewilligt, heißt es). Wir haben über unsere Urlaubspläe gesprochen. Die Ärztin hat gesagt, momentan spreche nichts dagegen, aber wir sollen die neuesten Befunde abwarten (die kommen Anfang August). Und - was ich nicht gewusst hatte - manche Medikamente dürfen in manche Länder nicht so einfach eingeführt werden (Morphine wären das in Rudis Fall - die Schmerzmittel). D. h. man muss sich im Vorfeld erkundigen und eventuell eine Bestätigung mitführen (die sie auch ausstellen würden). Interessant, nicht?

    Und dann ist es noch um seine Psyche gegangen. Die Krankenschwester hat sich da voll auf meine Argumentationsschiene gestellt und bestätigt, dass hormonelles Ungleichgewicht (das ja bei Rudi zur Eindämmung des Tumorwachstums künstlich hergestellt wird) sich ganz deutlich auf die Stimmung auswirken kann. Er hat dann gesagt, er merkt sowas bei sich nicht. Und die Krankenschwester hat gesagt, das kriegt man selber oft gar nicht mit, aber die Umgebung sehr wohl.

    Bin natürlich ur froh, dass das von einer Expertin thematisiert wurde. Rudi hat das dann auch gut nehmen können. Er hat das Gespräch gut gefunden und mir auch gedankt, dass ich das organisiert habe.


    So, das war jetzt eine ausführliche Beschreibung. Ich wollte einfach zeigen, wie ganzheitlich die arbeiten, wofür sie alles zutsändig und kompetent sind. Wirklich großartig!


    Ich hatte dann gestern auch noch ein sehr ausführliches Gespräch mit dem Mann einer Freundin. Der ist Coach und als solcher eigentlich eher für berufsbezogene Thematiken zuständig. Aber er hat gesagt, dass da immer auch private Sachen besprochen werden. Klar - die spielen ja in den beruflichen Bereich stark mit hinein.

    Was ganz toll ist: für Freunde macht er das gratis. Ich meine, nicht, dass ich es mir nicht leisten könnte - das ist nicht der Punkt. Aber es tut einfach so gut, sowas geschenkt zu bekommen, weil ich eine freundin bin, weil mir jemand einfach etwas Gutes tun will.


    In dem Gespräch ist es auch drum gegangen, wieviele Krisen ich schon bewältigt habe (erstaunlich viele und komplexe, das war mir so in der Form gar nicht ganz bewusst). Es war irgendwie wie ein beobachten des bisherigen Lebens aus der Vogelperspektive. Ich habe da tatsächlich so etwas wie Hochachtung mir selbst gegenüber entwickelt: was ich alles bewältigt habe, wie gut die "Ergebnisse" sind, die ich erzielt habe, wie ich es doch immer wieder geschafft habe (trotz widriger Umstände) mir Hilfe zu holen. Vielleicht habe ich da sowas wie eine Begabung :)

    Es hat auf jeden Fall sensationell gut getan. Nächste Woche gehe ich wieder hin. Habe mir unter "ressourcenorientiertem Arbeiten" bisher nicht viel vorstellen können. So wie er das macht, finde ich es aber echt gut - es ist eine tolle Ergänzung zu dem, was ich sonst so an Begleitung habe. Ich freue mich sehr über das, was sich da aufgetan hat.


    Vielleicht schaffe ich es ja, mein Selbstbild in diese Richtung auszuweiten: dass ich kompetent darin bin, mir Hilfe zu holen. Dass ich viele Ressourcen habe, auf die ich mich verlassen kann: die Freude an meinem Job, den ich so liebe, die Freude am Singen und generell am künstlerischen und kreativen Gestalten, meine Neugier bzw. meinen Entdeckergeist (durch den ich mich auch in schwierigen Phasen für Dinge begeistern kann).

    Wenn ich das präsenter habe, wenn es mir gewissermassen selbstverständlich wird, in Fleisch und Blut übergeht, dass ich so viele Ressourcen habe - ich denke, dann werde ich mir leichter tun.

    Bisher habe ich ja vorrangig darauf geblickt, was ich NICHT habe (z. B. keinen familiären Hintergrund, der mich stützt). Die Defizite vor Augen zu haben ist ja auch wichtig, weil man dann klar sieht, wo es eine "Ergänzung" braucht.

    Aber es besteht halt die Gefahr, darüber die Ressourcen aus den Augen zu verlieren. Und das ist nicht gut, weil es eiegtnlich zu einer Schwächung der eigenen Person führt.


    So, jetzt habe ich viel geschrieben...

    Danke für's Lesen. Und Euch allen einen so-gut-wie-möglichen Tag :):):)

  • Liebe StillCrazy!


    Das klingt ja wirklich gut! Beide Termine klingen gut!

    Dass Rudi das vom Hospizteam so nehmen konnte ist auch eine Freude zu hören.


    Also mir kamst du immer schon sehr stark vor - ich nahm an, dass du viele Ressourcen hast!

    Denn für mich gehören auch schwach sein ab und zu und das Ansprechen dieses Gefühls zu Stärke.


    Ich finde es gut, wie du die Dinge beim Namen nennen kannst, dabei auf dich schaust.

    Vor allem hast du für mich immer gewirkt, als hättest du im Grunde nie auf deine Ressourcen vergessen. Du hast bis jetzt hier nach jeder Ratlosigkeit ziemlich schnell wieder einen Plan gehabt, was du machen könntest.

    Gut, wenn es dir jetzt von außen auch noch einmal klar gemacht wird:

    Du schaffst das!


    :24: Alles Liebe!

    Hedi

  • Ein update von meiner Seite: es ist bei mir gut weiter gegangen. Gestern hatten wir ein (ziemlich anstrengendes) Treffen zur Vorbereitung eines Kulturabends. Wir sind 4 Frauen, 3 von uns quasi im selben Alter, die vierte ein paar Jahre jünger als wir, mit recht kleinen Kindern noch - die hat sie spät bekommen.

    Ich schreibe das jetzt so genau, weil es mir irgendwie wichtig erscheint. Es ist so ein schwesterlicher Geist, und so ein gutes Gefühl, gemeinsam etwas zu machen. Witzig, ein bisschen frech, auch ein (kleines) bisschen sexy zu sein - wie es uns eben entspricht. Wir haben sowas schon einmal gemacht, und es hat ganz großartig funktioniert! Ende September ist es wieder soweit!


    Habe heute ein neues Kleid angezogen (voriges Jahr im Ausverkauf erworben und noch nie angehabt, weil relativ elegant) - und schon zwei Komplimente dafür bekommen :):):)

    Ich freue mich über den Sonnenschein heute. Am Nachmittag gehe ich zum meiner Krebshilfe-Beraterin. Die hat zwar derzeit Urlaub, aber einen Tag für Menschen mit dringendem Gesprächsbedarf eingerichtet - und dieser Tag ist heute.

    ich meine, ich bin ja absolut nicht in Katastrophenstimmung (das habe ich ihr auch gesagt) - aber ich habe doch den Eindruck, dass es mit Rudi in den letzten Wochen sichtbar bergab gegangen ist (er ist müder, hat stärkere Schmerzen). Das möchte ich mit ihr besprechen. Und so wie ich sie kenne, wird mir das sicher gut tun,


    So weit von mir. Ich wünsche Euch allen einen so-schön-wie-möglichen Tag :):):)

  • Liebe StillCrazy,

    wieder einmal nur einen Glückwunsch, wie sehr du für dich - und somit für Rudi - sorgst.

    Es freut mich, dass er den Einwand der Hopizmitarbeiterin, dass Betroffene die Stimmungsschwankungen nicht so spüren, sondern eher das Umfeld, auf jeden Fall einmal hören konnte. Es wird wahrscheinlich noch mehr brauchen, bis er es auch wirklich wahr nehmen wird. Der erste Schritt jedoch, der ist getan.


    Warum wundert dich, dass in manche Länder (und ich nehme an, in fast alle) die Einfuhr von Morphinen nur mit Bestätigung des Arztes gestattet ist? Drogenschmuggel, Medikamentenschmuggel,...

    Natürlich ist der Gedanke, dass jemand Medikamente nimmt, die eben auf diesen Listen stehen, wahrscheinlich nicht so naheliegend, wenn es ein geliebter Mensch ist und nicht, wie von mir, nur von außen betrachtet wird.


    Was mir noch einfällt, es gibt Kuren zu denen können Paare miteinander gehen, besonders wenn es darum geht zu lernen, was der Kranken Person wohl tut und was für die Begleitende Person wichtig ist => möchte bei dir noch nicht von pflegender Person schreiben, auch wenn du schon viel davon übernimmst - auch Organisation und Information hat mit Pflege der Bedürfnissen zu tun.



    Der anstehende Kulturabend, das Zusammensein mit den Frauen und ein (warum nur klein) bisschen sexy sein; Der Termin mit den Hospizleuten; Der Termin mit dem befreundeten Coach; Der Termin mit deiner Krebshilfe-Beraterin; Die Frage nach Urlaub; WOW - irgendwie kommt eine Freude auf - ich hoffe, es ist eine Freude "mit" dir. Und wenn nicht, dann ist die Freude eben "für" dich.


    Sei ganz lieb gegrüßt

    Astrid.

  • Liebe Still Crazy,


    ich denke das mit dem Palliativteam war ein großer, und gar nicht einfacher Schritt...ich freue mich sehr mit dir und euch, dass er gelungen und überwunden ist und ihr nun in guten Händen seid.

    In den dunkelsten Stunden des Lebens gibt es doch immer wieder Begebenheiten und Menschen, finde ich, die Licht bringen, Hoffnung und Zuversicht bzw. man diese dann auch wieder selbst entwickeln kann.

    Das wünsche ich dir und euch weiter von ganzem Herzen!


    <3

    Die Wahrheit triumphiert nie, nur ihre Gegner sterben aus (Max Planck)


    rilke.de/briefe/160703.htm


    VORÜBUNG FÜR EIN WUNDER


    Vor dem leeren Baugrund
    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)

  • Ich danke Euch, Ihr Lieben!

    Ja, es war auf jeden Fall gut und richtig, den Kontakt dorthin zu suchen.

    Rudi wirkt in den letzten Tagen recht ausgeglichen. Ich denke, es tut ihm sehr gut, dass sich da Leute um ihn Gedanken machen, dass ihm da jemand etwas Gutes will. Auch wenn er (noch) nicht über psychische Befindlichkeiten spricht - aber die Fürsorge tut ihm gut und er kann sie auch zulassen. So ist es für uns gerade etwas leichter.

    Ich hoffe, dass aus medizinischer Sicht nichts gegen einen Urlaub sprechen wird. Ich freue mich sehr darauf - und Rudi auch.

    Haltet uns bitte die Daumen! ;)