Meine Mutter ist gegangen

  • Liebes Forum,


    als stille Leserin habe ich mich nun angemeldet.

    Es tut so gut eure Worte zu lesen und alle die ebenso jemanden betrauern verstehe ich so gut.;(

    Meine Mama ist vor 3 Monaten gestorben und meine Welt steht Kopf. Sie hatte Krebs und obwohl wir wussten er ist nicht mehr heilbar, es traf mich wie ein Schlag als sie starb. Sie starb einige Stunden bevor ich sie besuchte, wir wohnen 100km entfernt. Ich hätte sie so gern noch einmal gesehen, ich habe das Gefühl mich nicht verabschiedet zu haben.

    Oh Gott wie sehr vermisse ich sie! :13:

    Sie ist einfach fort und kommt nie mehr wieder. Alles Ungesagte bleibt ungesagt, nie mehr wieder ihre Stimme hören oder ihr lachen, keine gemeinsame Zeit mehr. Das alles ist so unbegreiflich und irgendwie will es nicht in meinen Kopf rein, diese Entgültigkeit, sie ist fort für immer!

    Ich habe Angst zu vergessen wie ihre Stimme klang, wie sie roch, wie sich ihre Hand anfühlte. Ich bin einfach nur unendlich traurig und kann mir im Moment nicht vorstellen dass es jemals besser werden kann.


    Die Welt da draußen, sie dreht sich weiter als wäre nichts geschehen. Ich funktioniere wenn ich muss, gehe arbeiten, kümmere mich um meine Kinder die noch klein sind. Aber wenn ich für mich alleine bin oder abends alle schlafen, dann kommt sie raus die Traurigkeit und packt mich ganz fest.


    Niemand in meinem Umfeld versteht mich wirklich, jeder hat noch beide Elternteile bei sich und ich finde, die Gesellschaft akzeptiert Trauer nur für kurze Zeit, gefühlt ein paar Wochen, danach muss alles weitergehen, längere Trauer ist pathologisch. So habe ich es bisher erlebt.


    Ich freue mich hier zu schreiben und zu lesen, auch wenn ich es nicht immer schaffe online zu sein.


    Einen (unbekannten) Gruß an alle Mitlesenden und Trauernden,


    Vilja

  • Liebe Vilja,

    erst mal ein herzliches Willkommen hier bei uns.


    Du wirst erkennen, dass hier niemand von pathologischer Trauer spricht - vor allem nicht nach drei Monaten.

    Deine Mama war dein Leben lang da - und jetzt ist sie nicht mehr da. Das tut weh und es wäre seltsam, wenn alles nach so kurzer Zeit wieder normal wäre. Es wird auch nie wieder wie vorher werden. Der Verlust, das Leben ohne deine Mama, das Fehlen und auch der Weg durch die Trauer verändert dein Leben und verändert dich.


    Das Ungesagte muss nicht unbedingt ungesagt bleiben. Auch wenn es nicht mehr so gesagt werden kann, wie du es dir wahrscheinlich wünschst. Du kannst einen Brief schreiben und ihr ans Grab bringen oder zu ihrem Bild legen. Du kannst in Gedanken mit ihr reden. Du kennst sie ja so gut und weißt, wie sie auf was reagieren würde. Was sind es denn für Dinge, die in deinen Augen ungesagt bleiben?


    Wie alt sind deine Kinder? Wie gehen sie mit dem Verlust der Oma um?


    Die Menschen in deiner Umgebung - wenn sie selber keine Erfahrung mit schweren Verlusten haben, dann können sie es einfach nicht nachvollziehen. Denk daran, wie du vielleicht früher mal gedacht hast, es ist sicher wunderschön Kinder zu haben. Das Gefühl, das du für deine Kinder hast, hättest du damals vielleicht auch nicht erahnen können. Und so geht es Menschen mit der Trauer. Das bedeutet nicht, dass du nicht mit ihnen reden kannst. Du musst sie vielleicht ein bisschen aufklären. Ihnen erzählen von deinem Schmerz, deinen Gefühlen, dem Vermissen und dem Ungesagten. Vielleicht hat jemand dann den Mut, sich ein bisschen einzulassen auf das, was du zu sagen hast. Die meisten haben Angst. Angst, dass dieser Schmerz auch einmal ihr eigener sein könnte.


    Gibt es in deiner Nähe eine Trauergruppe? Oder ein Trauercafé?


    Ich freue mich, dass du da bist und es ist nicht nötig, immer online zu sein. Nur dann, wenn du das Bedürfnis danach hast.


    Sei ganz lieb gegrüßt. (noch unbekannt - doch mit der Zeit immer vertrauter)

    Astrid

  • Liebe Vilja!


    Auch von mir ein Willkommen an dich.

    Hier hast du einen guten Ort für deine Trauer gefunden, hier kannst du alles ansprechen, was dich bewegt.

    Es tut mir sehr leid, dass du deine Mutter verloren hast. Ich fände es pathologisch, wenn wir Trauernden so einfach zur Tagesordnung übergehen könnten ohne etwas zu verspüren. Das fände ich viel bedenklicher!


    Alles Liebe für dich!

    Hedi

  • Liebe Vilja

    Erst mal von mir auch ein Herzliches willkommen und mein Beileid.


    Ich fühle so mit dir meine Mama ist auch an Krebs gestorben im 4 stadium es war nichts mehr zu machen.

    Und es schmerzt so schlimm ich vermisse sie so sehr.

    Keiner versteht mich wie es mir geht weil sie ja alle noch ihre Mama haben sie wissen nicht wie ich mich fühle.


    Ich weine jeden Abend sobald mein Baby am schlafen ist Ich schreibe meiner Mama jeden abend in das Tagebuch was ich mir gekauft habe so als ob ich ihr es erzählen würde.


    Ich drück dich lg

  • Liebe Vilja,


    ich freue mich, dass Du den Weg zu uns gefunden hast! Ich glaube, die Mutter zu verlieren, das gehört zum schlimmsten, das einem im Leben passieren kann. Ich selber war 18 als meine Mama an Krebs gestorben ist. Ich kann Deine Trauer also gut nachvollziehen und möchte Dir mein Mitgefühl ausdrücken.


    Für mich war das damals auch so unbegreiflich - dass wir alle in einer Welt lebten, meine Klassenkameraden, meine Nachbarn, meine Bekannten, und doch war diese Welt für sie ganz normal und für mich einfach nur dunkel und düster und traurig.


    Menschen, die echtes Interesse haben, die diese Erfahrung mit Dir teilen oder sich ehrlich darauf einlassen, Dir zuzuhören, gibt es durchaus. Die Sache ist halt, wie und wo man sie findet.

    Da heißt es durchaus, aufmerksam sein, die Antennen ausfahren - vielleicht entdeckst Du jemanden in Deinem Umfeld, dem Du das gar nicht zugegrraut hättest.

    Und eben auf der anderen Seite aktiv nach Möglichkeiten suchen, Menschen zu finden: in einem Trauercafé, in einer Selbsthilfegruppe oder so.

    Gibt es in Deiner Umgebung eine Krebshilfe? Hier bei uns haben die auch Trauergruppen. Das wäre vielleicht auch interessant...


    Ich wünsche Dir auf jeden Fall viel Kraft und freue mich, hier weiterhin von Dir zu lesen!

  • Liebe Vilja,

    auch von mir willkommen hier...hier bist du mit deiner Trauer und deinen Gedanken gewiss gut aufgehoben...ich habe hier auch die Möglichkeit mir Sorgen und Seelen-schmerz einfach abzuschreiben...:13::13:....


    Wenn du wieder kannst dann schreibe hier deine Sorgen und Nöte auf... vielleicht sind Antworten das was du jetzt brauchst



    Kraft für

  • Liebe Vilja,

    herzlich willkommen auch von mir hier bei uns!

    Die Angst zu vergessen, das ist für viele Trauernde belastend. Gibt es denn Videos, auf denen die Stimme deiner Mutter Stimme zu hören ist?

    Wichtige Gerüche vergisst man nicht! Unser Geruchsspeicher im Gehirn ist ein sehr alter, instinktiver und zuerverlässiger Bereich: Gerüche werden hier gespeichert und sind - im Vergleich zu anderen Wahrnehmungen und Erinnerungen am wenigsten gefährdet vergessen zu werden. Gerüche geraten direkt ins Gehirn- in den Riechkolben - der durch seine Nähe zum limbischen System (Zentrum für primäre Gefühle) einen Geruch mit Gefühlen verbindet und die Aufgabe hat, dass wir gute und schlechte Gerüche abspeichern, um sie dann sofort bewerten zu können, wenn sie wieder wahrgenommen werden. Evolutionär ist das wichtig, weil wir so Gefahren unmittelbar und instinktiv erkennen können und unterscheiden können, was gut oder schlecht für uns ist. Also, keine Angst, den Geruch deiner Mama wirst du nicht vergessen, denn der war von klein auf für dich wichtig und ist emotional stark gebunden! Wenn du ihn aber aktiv riechen möchtest: Hast du ein Kleidungsstück von ihr, das nach ihr riecht? Kleidung behält den Geruch sehr, sehr lange, vor allem wenn man sie in eine Plastiktüte verpackt.

    Unser Gehirn vergisst, das stimmt, weil wir nicht alles auf Dauer speichern können, aber das Wichtige bleibt unvergessen! Hab also keine Angst!

    AL Christine

  • Ihr Lieben,

    ich danke euch allen sehr für das herzliche Willkommen, die tröstenden und wertschätzenden Worte!

    Es tut mir leid dass ich erst jetzt antworte, gelesen habe ich eure Worte schon früher.


    In meiner Nähe gibt es eine Trauergruppe aber ich war noch nicht dort. Ich war für ein paar Gespräche bei einer Therapeutin bei der ich vor vielen Jahren einmal war.


    Meine Jungs sind 4 und 6 Jahre alt. Zu meiner Mutter hatten sie keine enge Beziehung leider. Ich will versuchen hier zu schreiben ohne dass ich meine Anonymität aufgebe, denn jeder kann hier lesen, deshalb schreibe ich nicht zu detailliert. Ich selber hatte auch keine sehr gute Beziehung zu meiner Mutter und 3 Jahre gar keinen Kontakt. Im Alter von 1-5 Jahren war ich bei meinen Großeltern untergebracht weil meine Mutter nicht für mich sorgen konnte, danach war ich wieder bei ihr und meinem Vater. Dies war unter anderem auch ein Grund weswegen ich als Erwachsene eine Therapie machte. Sie hatte nicht sehr viel an Liebe übrig für mich fürchte ich und so war sie auch zu meinen Jungs - sehr distanziert. Meine Kinder haben den Tod der Oma gut verarbeitet, sie fragen nicht mal mehr nach ihr. Das finde ich auch sehr traurig aber verständlich.


    Für mich ist deshalb so vieles ungesagt und gleichzeitig weiß ich dass wir ohnehin wohl vieles nicht mehr besprechen hätten können.

    Für mich ist es einerseits so dass ich um meine Mutter trauere und gleichzeitig um die Mutter die ich nie hatte und nach der ich immer große Sehnsucht hatte. Beides zu betrauern macht für mich gerade den großen Schmerz aus. Vielleicht wisst ihr was ich meine.

    Ich werfe ihr nichts vor und versuche die Dinge zu nehmen wie sie waren, ich konnte und kann nichts mehr daran ändern.

    1 Jahr bevor sie die Diagnose bekam haben wir uns etwas angenähert, dann wurde sie krank und sie hielt jeden Menschen auf Distanz. Sie hat fast nie mit jemandem über ihre Krankheit gesprochen oder den Tod, nur sehr selten angeblich mit meinem Vater. Ich weiß nicht was sie gefühlt hat, wie sie mit dieser schweren Diagnose zurechtkam. Bei jedem Besuch war es ihr wichtig den "Schein" zu wahren und so zu tun als wäre alles in Ordnung. Als man ihre Erkrankung auch äußerlich sah, durfte niemand sie mehr besuchen, auch mein Bruder und ich nur selten. Es tat mir so leid für sie dass sie trotz dem Wissen, nicht mehr lange zu leben, Beziehungen nicht zulassen könnte.

    Ich bin einerseits so sehr traurig dass sie nicht mehr da ist und so vieles nicht mehr erleben kann. Und gleichzeitig bin ich auch wütend.

    Ich denke oft an die schönen Momente mit ihr die zwar sehr rar waren, aber doch gab es sie. Ich denke daran wie sie lachte und ihr Parfum gerochen hat. Und dann denke ich wieder daran warum sie mir gegenüber so distanziert war und meinen Bruder immer vorzog. Dann bin ich wieder wütend und traurig zugleich. Dies alles werde ich nie mehr mit ihr klären können. Ich würde ihr aber auch gerne sagen dass ich sie trotzdem geliebt habe, einfach weil sie meine Mutter war. Das habe ich nie getan zu ihren Lebzeiten.


    Ich möchte hier niemanden überfordern mit meiner Geschichte, ich weiss das alles geht über einen "normalen" Trauerprozess hinaus. Es mischt sich sehr viel von meiner Biografie hinein und es ist sehr vieles von dem ich mich verabschieden und neu ordnen muss.


    Ich danke euch sehr fürs lesen und zuhören und freue mich über eure Gedanken dazu. Vielleicht ist auch jemand hier der ähnliches erlebt hat.


    Lieben Gruß

    Vilja

  • Liebe Vilja,


    auch von mir ein herzliches Willkommen hier im Forum.


    Hier wirst Du immer liebe Menschen, die Dir gerne zuhören und die Dich vor allem verstehen.


    Ich will Dir viel Kraft wünschen für die ach so schwere Zeit.


    Liebe Grüße

    Josef

  • Liebe Vilja,

    zuerst einmal - es gibt keinen Trauerprozess in dem die Biographie und die Beziehung zur verstorbenen Person keine Rolle spielt. Also bist du schon genau richtig hier.

    Ich möchte hier ein paar Gedanken aufgreifen.


    Es blieb vieles ungesagt. Vielleicht magst du dann, wenn es Zeit dafür ist, einen Brief schreiben oder die Worte auch aussprechen, die ungesagt sind. Aussprechen mit dem Wissen, dass du sie sagst. Ob sie ankommen, das wissen wir nie - auch nicht wenn uns ein Mensch gegenüber sitzt.


    Es ist die Hoffnung, dass eure Beziehung sich noch ändern könnte mitgestorben. Das ist schwer und auch nicht änderbar. Weißt du, warum deine Mama dich nicht so lieben konnte, wie du es dir gewünscht hättest? Wurde sie von ihren Eltern geliebt? Wurde sie traumatisiert? Du merkst, ich frage nicht nach deiner Art mit deiner Mama umzugehen, sondern suche in ihrer Vergangenheit nach Gründen. Das mache ich, weil nie das Kind schuld an Liebesentzug hat, sondern der Grund in der Geschichte der Mutter/des Vaters liegt. Ist deine Mama ein Kriegskind? Wann wurde sie mit dir schwanger - war der Zeitpunkt, der Partner, ihre Lebenssituation so schwer, dass sie das auf dich projeziert haben könnte?

    Du musst hier keine Antwort schreiben, ich möchte nur meine Ideen schreiben - mit dem Wunsch, dass sie dir vielleicht helfen.


    Eva Terhorst schreibt in ihrem Buch, das ich dir empfehle, an einer Stelle das:

    "Es fordert viel Kraft, sich damit auseinanderzusetzen, wenn man nicht genau so geliebt wurde, wie man war. Doch es lohnt sich: Das Nachvollziehen und vielleicht verstehen der Gründe oder der Prägung der Eltern kann dazu beitragen, dass Sie wenigstens im Erwachsenenalter in Frieden mit sich selbst und Ihrer Vorgeschichte kommen können. Es hilft Ihnen auch dahin zu gelangen, sich selbst so zu lieben wie Sie sind." Das Buch heißt: "Trauern, wenn Mutter oder Vater stirbt - ich bewahre alles in meinem Herzen"


    https://www.herder.de/leben-sh…book-(epub)/c-28/p-11779/


    In diesem Buch geht sie eben auch auf die Situation ein, dass die Eltern-Kind-Beziehung auch schwer gewesen sein kann.


    Und das macht die Trauer nicht leichter. Ich freue mich, dass du so offen bist. Um deine Privatsphäre zu schützen kannst du hier Synonyme für Namen und Orte verwenden. Du kannst z.B. statt in Fußach in Berlin leben, du kannst deinen Kindern und anderen Menschen neue Namen geben. Du kannst Krankheiten anders benennen,.... das ist alles erlaubt. Solange du das schreibst, was für dich wichtig war und was du mitTEiLEN möchtest.


    Ich wünsche dir für heute einen erträglichen Tag und möchte noch einen ganz WICHTIGEN Satz anfügen:

    Der Grund für die mangelnde Liebe liegt in der Geschichte deiner Mama. DU BIST LIEBENSWERT!

    Das schreibe ich aus voller Überzeugung, auch wenn ich dich nicht kenne. Denn du bist sicher liebenswert - frag deine Kinder ;)


    LG. Astrid.

  • Hallo lieber Josef, liebe Astrid und alle sieben anderen hier!


    Eigentlich wollte ich erst vor wenigen Tagen hier schreiben, dass es mir jetzt ganz gut geht. Ich habe nicht mehr so oft an meine Mutter gedacht und hatte Momente wo ich richtig fröhlich war.

    Und plötzlich - ist sie wieder da, die Traurigkeit, dass sie tot ist und nie wieder kommt. Und wir nie wieder Zeit verbringen werden miteinander.


    Und dann ist da auch die Wut, warum ist das alles so gekommen, warum war sie mir gegenüber immer so negativ. Schon als kleines Kind kann ich mich erinnern, wie wütend sie oft war auf mich und schimpfte, dass ich "genau wie mein Vater bin..." Ich wusste nicht was sie damit meinte, war sie doch bis zu ihrem Tod mit ihm verheiratet.


    Danke für den tollen Buchtipp, Astrid, ich habe es schon bestellt. Im Moment sauge ich alles auf, was ich zu lesen in die Finger bekomme.


    Dieses Wirrwarr an Gefühlen ist sehr anstrengend, die Trauer, die Wut. Und auch die Enttäuschung. Ich habe mich immer bemüht für meine Eltern da zu sein, habe meinen jüngeren Bruder versorgt weil meine Mutter es oft nicht konnte. Es war immer selbstverständlich, so wurde es mir vermittelt. Auch jetzt wo sie starb wurde vieles an mich übertragen, niemand von meiner Herkunftsfamilie fragte jemals mich wie es MIR damit geht.


    Mein Vater und mein Bruder haben das Gefühl sie sind die einzigen die trauern. Und ich schaffe es nicht mehr mich um sie zu kümmern. Sie waren immer so unendlich egoistisch und das wird mir erst jetzt alles bewusst.

    Mir tut es im Moment gut mich zu distanzieren und für mich zu trauern. In meiner nun eigenen Familie zu sein, mit meinen Freunden. Mein Vater versteht es leider überhaupt nicht, er findet es wäre meine Aufgabe als Tochter ihn abzulenken und da zu sein. Früher dachte ich auch so, aber wann war er denn für mich da? Auch meine Mutter und mein Bruder nicht, das zu sehen tut sehr weh.


    Ach ich weiss das ist alles sehr viel. Ich hoffe ich bekomme bald Ordnung in mein Gefühlschaos. Jedenfalls hilft mir die Distanz. Ich habe das Gefühl durch den Tod meiner Mutter ist ein riesiges familiäres Problem so richtig an die Oberfläche getreten, manche können es sehen und andere schauen weg. Und durch die noch so große Trauer ist es gerade nicht möglich, dieses Problem irgendwie anzugehen.

    Ich hoffe es ist die Zeit, die Wunden heilt.

    Und ich wünschte ich würde um eine liebevolle Mutter trauern. Leider war sie das nie.

    Ich hoffe, ich trete niemandem zu nahe, der wirklich um seine Geliebte Mutter trauert. Ich möchte nicht undankbar sein, sie hat mir das Leben geschenkt. Aber sie war mir gegenüber meist sehr ungerecht und distanziert. Mein Vater findet sie war eine liebende Mutter, das sagte er bei der Grabesrede. Es war wir ein Stich in mein Herz.


    Ich Danke allen die sich Zeit nehmen und lesen. Das schreiben tut mir gut!


    Lieben Gruß

    Vilja

  • Liebe Hayat,


    so - jetzt komme ich dazu, ein paar Zeilen zu schreiben...


    Als mein Vater (mit dem ich es nicht leicht hatte) vor vielen Jahren gestorben ist, da habe ich es durch eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter erfahren. Meine Stiefmutter hatte sie mir frühmorgens hinterlassen. Sein Tod kam plötzlich und unerwartet, für alle überraschend. Er ist im Schlaf gestorben.


    Das war zuerst natürlich ein Schock. Er war erst 64, kein hohes Alter - und eben nicht krank. Beim Begräbnis habe ich viel geweint, aber eher um meine Mutter (die ja schon lang im selben Grab lag) als um ihn.

    Danach habe ich mich schon traurig gefühlt, aber längst nicht so tief betroffen wie nach dem Tod meiner Mutter.

    Das schlimmste war, dass es nun nicht mehr "gut" werden konnte, die Bücher waren geschlossen, eine Annäherung nicht mehr möglich. Was mich auch sehr geschmerzt hat war, dass er seinen Nachlass nicht geregelt hatte. Er war ja, wie gesagt, ein überraschender Tod. Seine Frau, meine Stiefmutter (die wirklich böse zu meinem Bruder und mir war / ist), hat er großartig abgesichert. An uns hat er nicht gedacht. Es gab/gibt Geld und Wertpapiere in Bankdepots. Keiner hatte Unterlagen, keiner wusste wo und was. Wenn Dokumente aufgetaucht sind... wir haben jedenfalls nie davon erfahren.


    Einerseits ist es unfair, dass wir so um einen Teil (vielleicht einen Großteil) unseres Erbes gekommen sind. Andererseits - und das tat mehr weh - war es schmerzhaft so gezeigt zu bekommen, dass er auf uns genau Null geschaut hat. Dass ihm sein Geld in einem Bankdepot lieber war als in den Händen seiner Kinder.

    ich meine, wenn er alles dem Roten Kreuz vermacht hätte, das hätte ich besser nehmen können. Aber diese Gleichgültigkeit...


    Tja! Aber insgesamt war der Schmerz einfach nicht so groß. Wohl auch, weil ich wusste, dass ich alles versucht hatte. Ich hatte ein paar Wochen vor seinem Tod das Gefühl gehabt, ich sollte ihn anrufen. Das habe ich auch getan. Seine Frau hat abgehoben und gesagt, er sei müde - er werde zurückrufen. Das hat er nie getan.


    Nicht sehr lang nach seinem Tod habe ich meine kleine Villa Kunterbunt gekauft (mit eigenem Geld bzw. Kredit). Das war ein wichtiger Schritt. Hier habe ich dann neue Wurzeln geschlagen. Hier gehöre ich hin. Und das ist gut so.


    Kurz nach dem Tod meines Vaters habe ich mit einer Seelsorgerin telefoniert. Ich habe ihr recht emotionslos erzählt, dass mein Vater gestorben ist und einiges über die Umstände. Ich habe dann gesagt: ich hoffe, ich wirke nicht gleichgültig oder gefühllos. Und sie hat gesagt: gar nichts von dem. Du wirkst ehrlich.

    Das hat mir unglaublich gut getan.


    Ich sehe es so wie Christine: nicht zu allen Menschenhaben wir eine gleich tiefe emotionale Bindung. Deshalb ist auch die Trauer nicht immer gleich groß. Ich denke, zu einem großen Teil war mein Vater für mich schon "gestorben" solang er nich gelebt hat.


    Das sind meine ganz persönlichen Erfahrungen.


    Was Du schreibst über Verlust der Wurzeln und so - das kann ich gut nachvollziehen.

    Ich denke, Deine Gefühle sind wie sie sind. Wenn Du gut auf sie hörst (und den Eindruck habe ich) kannst Du Dich auf sie verlassen. Es gibt beim Trauern keine Normen.


    ich wünsche Dir viel Kraft und alles, alles Gute :):):)

  • Liebe Vilja,

    sorry, jetzt hab ich die Antwort an Hayat irrtümlich auf Deine Seite geschrieben. Tut mir Leid.

    Ich bin sehr berührt von dem, was Du da schilderst. Ich habe auch die Erinnerung, väterlicherseits sehr ungerecht behandelt worden zu sein.

    Ich wünsche Dir viel Kraft! Und: Du klingst nicht undankbar. Du klingst wie jemand, der es sehr schwer hatte, und der sehr mutig damit umgeht.

  • Hallo Still Crazy,

    Danke sehr für deine Worte.

    Ich dachte irgendwie schon dass du dich im Thema vertan hast. In gewisser Weise passen deine Worte aber doch auch zu meiner Geschichte!

    Es tut mir sehr leid was du alles mitmachen musstest. Und ich bewundere sehr wie stark du durch diese schwere Zeit gegangen bist und trotz allem so positiv und lebensfroh bist! So wirkt es auf mich.

    Lieben Gruß

  • Hallo,


    im Moment geht es mir ganz gut.

    So gut es einem eben in dieser Situation gehen kann.

    Ich war auch für 2 Tage auf Kurzurlaub mit meiner Familie, es war sehr schön und ich konnte wieder einmal richtig herzlich lachen.

    Meistens wenn ich sage es geht mir gut kommt wieder die nächste Trauer"welle" - es fühlt sich so an wie eine Welle, man stubst sie mich sanft, dann wieder so heftig dass es mich fast umhaut.


    Im Moment bin ich zu meiner Herkunftsfamilie auf Distanz gegangen, ich schaffe es derzeit nicht mich auch noch um die anderen zu kümmern, ich habe selber viel um die Ohren.


    Wenn ich an meine Mama denke, so fühlt sich alles an wie hinter einem Vorhang. Ich kann es nicht besser beschreiben. Wenn ich an mein Leben mit ihr denke, die Zeit als sie krank war und starb, die Beerdigung. Alles scheint mir weit weg wie hinter einem Schleier verhüllt. So fühlt es sich an und ich weiß nicht ob das "normal" ist.


    Ich lese hier oft mit aber ich schaffe es nicht, den anderen zu schreiben. Noch nicht. Ich weiß nicht wie es sich anfühlt eine Mutter zu haben die immer für einen da ist. Und sie dann zu verlieren. Ich fühle nicht so, deshalb fühle ich mich dann etwas fehl am Platz wenn ich bei anderen schreibe. Aber irgendwie ist das auch wieder Blödsinn so zu denken...ach sorry ich bin verwirrt:rolleyes:


    Ich wünsche allen die das lesen einen möglichst guten Tag!

  • Liebe Vilja,

    Du bist hier bestimmt nicht fehl am Platz! Ich finde Deine Geschichte ist etwas Besonderes und gerade deshalb so wertvoll. Sie zeigt, dass es im Leben mehr gibt als ein "Modell". Beziehungen sind vielgestaltig, Trauer ist vielgestaltig, das Leben ist vielgestaltig.

    Ich freue mich zu lesen, dass es Dir im Kurzurlaub so gut gegangen ist :)

  • Liebe Vilja!


    Es ist nicht Voraussetzung bei anderen zu schreiben damit man selbst gelesen wird, die Leute antworten, die was dazu sagen möchten.

    Mach es einfach so, wie es für dich stimmig ist.

    Schreiben erleichtert dich, man kann dabei seine Gedanken ordnen und es wird dir wahrscheinlich gut tun.

    Vor allem wenn so viel Ungesagtes zwischen deiner Mutter und dir war.


    Trauer ist nicht zu werten. Du trauerst um deine Mutter, für uns ist es gleichgültig wie sie war. Für dich natürlich nicht. Aber wie gesagt, niemand wird deine Trauer bewerten.

    Ich persönlich glaube ja, dass es bei schlechtem Verhältnis noch einmal schwieriger ist. Denn es ist viel Ungesagtes, viel was man nie leben konnte, so gerne gehabt hätte! Das sind noch mehr Gründe traurig zu sein!


    Herzliche Grüße

    Hedi