Tod meiner Mutter

  • Hallo zusammen,


    Meine Mama ist am 23.11.2018 gestorben. Sie hatte Krebs...

    Bereits im Sommer 2011 bekam sie die Diagnose Blasenkrebs. Sie war schon damals so unglaublich tapfer. Ihr wurde die Blase entnommen und sie hat ein Urostoma bekommen. Es waren nach der OP keine Tumorzellen nachweisbar und bis zum Januar 2018 waren alle Nachsorge Untersuchungen ohne Befund. Ende Januar 2018 wurde im linken Lungenflügel eine 10 cm große Metastase entdeckt. Das war für uns alle ein riesen Schock, wobei ich mir schon seit Ende November 17 um meine Mum Sorgen gemacht habe. Sie hatte an Gewicht verloren und nächtliche Schweißausbrüche. Ich hab sie oft darauf angesprochen aber sie hat mich immer beruhigt und meinte das sei schon nix Wildes.

    Bei der Biopsie hat man festgestellt, dass es sich um eine Metastase vom Blasenkarzinom handelt und das obwohl die Blase und das Karzinom schon 2011 entfernt wurden. Die Ärzte haben uns gleich zu Anfang gesagt, dass man aufgrund der Lage und der Größe der Metastase diese nicht entnehmen könne und das eine palliative Therapie nur noch Sinn mache. Eine Chemo kam auch nicht in Frage, da Mama nur eine Niere hatte und man diese durch die Chemo nicht unnötig belasten wollte. Es folgten daraufhin Bestrahlungen der Lunge; die ganze Zeit war sie so positiv, hat nie gejammert und war so überzeugt, noch genügend Lebenszeit geschenkt zu bekommen. Mein Papa hat sie die ganze Zeit immer unterstützt, zu den ganzen Arzt Terminen bin aber mmer ich mit. Ich wollte sie in ihrem Kampf begleiten, ihr eine Stütze sein und das war ich für sie auch. So hat sie das oft zu mir gesagt....


    Ab Juni 18 kam dann eine Horrordiagnose nach dem anderen... Knochenmetastasen im Schädel die teilweise operativ entfernt werden konnten... weitere Bestrahlungen.... im August zwei Wirbelsäulenmetastasen und Ende Oktober 18 dann die Mitteilung das sich mehrere Metastasen im Kleinhirn gebildet haben. Ab da wurden keine weiteren Bestrahlungen mehr gemacht und ihre letzte Hoffnung -die Immuntherapie- wurde auch beendet. Ihr ging es zu diesem Zeitpunkt total schlecht, ihr war dermaßen übel und schwindelig, zudem wurde sie immer weniger; wog zum Schluss nur noch 46 kg. Sie hatte so einen enormen Überlebenswillen und sie hat es doch noch geschafft, dass sie wieder nach Hause durfte. Wir, mein Papa und ich, haben ihr versprochen sie Zuhause auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Und so kam es auch. Am 19.11.2018 hat sich dann ihr Zustand total verschlechtert. Sie konnte nicht mehr laufen und war nur noch bettlägerig. Die Metastasen im Gehirn haben Sie immer schläfriger werden lassen... am 23.11.18 um 21 Uhr 30 ist sie dann friedlich eingeschlafen.


    Ich sage mir immer wieder welches Glück wir eigentlich hatten, uns langsam von ihr verabschieden zu können. Zumindest sagt das mein Kopf... mein Bauch sagt mir etwas anderes. Ich kann es noch nicht begreifen, dass sie nicht mehr da sein soll.

    Wir hatten ein sehr inniges Verhältnis. Sie war mein Seelenmensch, meine beste Freundin. So oft kam es vor, dass sie an mich gedacht hat und ich sie keine Minute später angerufen habe. Da haben wir immer gelacht und gemeint wir hätten einen unsichtbaren Draht zueinander..... Meine Eltern und ich wohnen in der gleichen Stadt, keine 200 Meter voneinander weg. Ich habe noch zwei Töchter im Alter von 12 und 14 Jahren und bin verheiratet. Unter der Woche haben wir jeden Tag zusammen gegessen, sind zusammen in den Urlaub gefahren...Eigentlich gab es keinen Tag an dem ich sie nicht gesehen habe....


    Die ersten Tage waren wie im Nebel, die Eindrücke der letzten Tage und Stunden waren noch so präsent. Ich fühle für mich, dass wir alles richtig gemacht haben... wir waren alle da bei ihr, bis zuletzt. Das gibt mir auch ein gutes Gefühl. So langsam beginne ich aber zu begreifen was passiert ist und die Sehnsucht nach ihr gewinnt irgendwie die Oberhand. Ich versuche für meinen Papa da zu sein- sie waren schließlich 50 Jahre mit einander verheiratet-, ich versuche meine Töchter zu trösten, kurzum ich versuche zu funktionieren. Aber das alles finde ich so anstrengend. Viele meiner Freund und Bekannten meinen, es sei für sie eine Erlösung gewesen. Das mag es am Schluss auch gewesen sein, rational betrachtet. Ich habe jetzt einfach das Gefühl, dass die ganze Angst und Anspannung der letzten Wochen und Monate auf mich einprasselt, ich glaube ich habe viel an Gefühle wie Angst oder so versucht zu verdrängen. Da sind wir uns ziemlich ähnlich- meine Mum und ich-. Ich bin wie meine Mama ein kleiner" Kontrollfreak", nach außen wirke ich stark und gefasst, auch auf der Arbeit. Mir fällt es immer sehr schwer, meine Gefühle zu zeigen.

    Das ist nun auch der Grund, weshalb ich mir hier in diesem Forum angemeldet habe. Ich habe hier schon vor ein paar Tagen still mitgelesen und mich nun getraut mich anzumelden. Ich glaube es hilft vielleicht, die eigene Trauer mit anderen Teilen zu können und vor allem darüber zu sprechen, bzw. schreiben zu können.


    Danke für´s Zuhören. Ich freue mich auf den Austausch mit Euch.


    Liebe Grüße


    Ute

  • Liebe Ute,


    willkommen. Es ist so schön, wie du von deiner Mama schreibst, so herzlich. Und gleichzeitig spürt man in deinen Zeilen deinen Schmerz. Mein herzliches Beileid zu deinem großen Verlust. Es ist alles sehr viel im Moment, und alles gerade erst passiert, es braucht viel Zeit das zu realisieren, auch den ganzen Stress, die Angst und den Druck aus der Zeit wo deine Mama so krank war, ist bestimmt noch da.


    Für mich war und ist das "funktionieren" auch oft eine große Hilfe in Zeiten, wo ich einfach nicht ganz tief eintauchen könnte in die Trauer. Abgelenkt sein durch Kinder, die versorgt werden müssen, Arbeit, die erledigt werden muss. Wenn das alles erledigt war, war auch wieder Platz zum weinen.


    Darf ich fragen, wie alt deine Mama war? Und gibt es Geschwister oder nähere Verwandte, mit denen du dich austauschen kannst?


    Ich wünsche dir, dass du auch Zeit findest für dich und deine Trauer, und du neben deinen Kindern und deinem Papa auch dich gut umsorgt.


    Alles Liebe

  • Liebe Ute.


    Mein herzliches Beileid! Schön, dass ihr so ein tolles Verhältnis zueinander hattet und so traurig wenn man einen solchen wichtigen Menschen verliert ?.

    Ich wünsche dir, dass du Zeit für dich hast um dich zu erinnern und in dem Maße zu trauern wie es für dich passt.

  • Liebe Ute,

    ich kann dich gut verstehen. Ich habe mich hier angemeldet, obwohl meine Mutter noch lebt, aber sie leidet an einer tödlichen Nervenkrankheit und ich kann schon seit mittlerweile mehr als 3 Jahren nicht mehr mir ihr sprechen, sie kann mich nicht umarmen oder auch nur meine Hand halten, weil ihre gesamten Muskeln gelähmt sind. Ich nehme seit 4 Jahren Abschied und trauere um meine Mutter, die es so, wie sie war, nicht mehr gibt. Das ist ein Schwebezustand, der nicht vorgesehen ist. Entweder man hofft und kämpft noch, oder man trauert um jemanden, der gestorben ist. Jemanden 4 Jahre im langsamen, grausamen Sterbeprozess zu begleiten und zu trauern, sich aber nicht verabschieden zu können, das gibt es nicht.

    Meine Mutter war auch immer meine beste Freundin und es tut mir so weh, dies in der Vergangenheit zu schreiben, denn es gibt sie ja noch. Und natürlich bin ich für jeden Moment mit ihr dankbar. Ich trauere trotzdem, denn so viel von ihr ist schon nicht mehr da. Ich hänge mit meiner Trauer zwischen den Welten, Ich darf offiziell nicht trauern, sie ist ja noch nicht tot und doch ist genau das, was du beschreibst, was so wundervoll war an unserer Beziehung, nicht mehr da. Ich kann sie nicht mehr anrufen, ich kann ihr nicht mehr von meinen Sorgen erzählen, ich kann nicht mir ihr über meine Kinder reden, die Kinder können ihre Oma nicht mehr kennen lernen, so wie sie war. Mein Kinder sind noch so klein, dass sie sich an meine Mutter im gesunden Zustand nicht erinnern, ich kann nicht mit ihnen gemeinsam trauern, wir können uns nicht gemeinsam an sie erinnern.

    Meine Mutter wusste genau wie ich denke, wenn es mir schlecht ging, genau was ich brauche, um mich besser zu fühlen. SIe hatte immer den passenden Rat, war all die Zeit, die sie gesund war, ein positiver Mensch, der mir immer Mut gemacht hat. Ich habe sie immer sehr bewundert in ihrer ganzen Art. All das war auf einen Schlag weg, nachdem sie die Diagnose, ihr Todesurteil, erhalten hatte. Ich wünschte so sehr, sie hätte noch ein paar gesunde Jahre mit meinen Kindern gehabt, dass ich sie in meiner Rolle als Mutter noch mehr als Unterstützung als Mutter hätte haben können.

    Das hilft dir vielleicht alles nicht viel, ich möchte dir nur sagen, du bist nicht allein darin, ohne deine Mutter unglaublich einsam zu sein. Das wird auch vermutlich nie ganz weggehen, aber du wirst dich ganz langsam an das neue Leben ohne sie anpassen. Trauer, das ist meine Erfahrung, kommt in Wellen. Sie haut einen an manchen Tagen komplett um, und man kann gar nichts mehr, selbst das Ein- und Ausatmen, scheint nicht möglich vor Schmerz. Heute habe ich wieder so einen Tag. Aber die Abstände zwischen diesen Tagen werden nach und nach größer und man erholt sich schneller von ihnen. Erinnere dich gemeinsam mit deinen Töchtern an deine Mutter. Und wenn du das tust, denke ein bisschen an mich und wie sehr ich wünschte, meine Kinder hätten eigene Erinnerungen und nicht nur Geschichten darüber, wie Oma einmal war, als sie gesund war. Ich habe mit der Krankheit meiner Mutter auch meinen Vater emotional weitgehend verloren. Ich wünsche dir, dass du aus der Beziehung zu deinem Papa Kraft schöpfen kannst und ihr gemeinsam trauern könnt. Eines Tages werden deine Töchter um dich trauern. Tu jetzt das für dich, was du dir dann für deine Töchter wünschen würdest.

  • Mein Mitgefühl, liebe Ute und auch für dich, liebe Nordlys!

    Jede von euch hat ein unglaublich schweres Schicksal, bei mir war alles ganz anders, aber ich kann euren Schmerz trotzdem sehr gut nachvollziehen, auch aus dem Grund, weil ich auch schon liebe Menschen an Krebs verloren habe und meinen eigenen Mutter 2 Jahre lang bettlägrig und der Tod letztendlich eine Erlösung für sie war.

    Das Schreiben hilft sehr, euch selbst und auch mir als Leserin, man weiß dann, dass man nicht alleine ist mit diesen Gefühlen der Trauer und Ohnmacht und das gibt Halt in dieser Zeit der Trauer.

  • Liebe Ute, liebe Nordlys,

    ein herzliches Willkommen hier bei uns.

    Eure Geschichten sind schwer, wie so viele hier und so wünsche ich euch, dass das Stück Weg, das wir miteinander gehen können, ein bisschen Erleichterung

    schaffen kann.

    Lg. Astrid.

  • Hallo Ihr Lieben,


    vielen herzlichen Dank für die einfühlsame Aufnahme hier. Es tut gut zu wissen, dass man nicht alleine mit seiner Trauer sein muss und das ich mich hier mit Euch austauschen kann.

    Liebe Vilja, meine Mama war 72 Jahre alt, Geschwister habe ich leider keine. Meine Mama hat mir vor ihrem Tod erzählt, dass ich eigentlich zwei Geschwister hätte. Sie hat leider beide Kinder bereits in der frühen Schwangerschaft verloren. All die Jahre konnte, bzw. wollte sie nicht darüber reden. Zum Schluss war es ihr aber wichtig, dass ich Bescheid weiß. Für sie und meinen Papa war meine Geburt ein Geschenk, sozusagen ein kleines Wunder, so hat sie sich ausgedrückt. Nun weiß ich auch warum, auch die Schwangerschaft mit mir lief nicht komplikationslos und ich kam ziemlich untergewichtig auf die Welt.


    Liebe Nordlys, Deine Geschichte hat mich sehr ergriffen. Es muss absolut grausam sein, die eigene Mama, den Herzensmensch 4 lange Jahre beim Sterbeprozess zu begleiten. Ich hatte ja wenigstens das Glück, mit meiner Mama bis kurz vor ihrem Ende noch kommunizieren zu können.

    Im September nach der Diagnose mit den Wirbelsäulenmetastasen wurde mir klar, dass wir vielleicht tatsächlich nicht mehr viel Zeit miteinander haben werden. Mir wurde schmerzlich bewusst, dass dieser heiße Sommer wahrscheinlich der letzte Sommer war, den sie erlebt hat. Ich wollte diese Gedanken zurückdrängen aber sie kamen immer wieder. Und auch meine Mama hatte ähnliche Gedanken, hat es aber sehr selten durchblicken lassen. Ich habe all die Monate schon eine gewisse Art Trauer verspürt über das, was Einmal war, was nie mehr zurückkommen wird. Da war ich dann richtig wütend auf mich und auf meine Gedanken. Ich habe aber irgendwo im Internet einen interessanten Artikel gelesen, dass Trauer schon vor dem Tod beginnen kann. Durch eine Krankheit wie Krebs oder beispielsweise der Nervenkrankheit, an der Deine Mutter leidet, verliert der Betroffene ja auch immer mehr Lebensqualität und muss sich mit immer mehr Einschränkungen im Tagesablauf abfinden. Der Betroffene selbst bekommt das mit und auch wir, die Angehörigen. Das hat mir dann ein bisschen geholfen. Ich habe ein bisschen begriffen, dass ich meine Mama durch diese Gefühle ja nicht aufgegeben habe sondern einfach nur traurig bin, über das was jetzt gerade passiert.

    Das ich noch meinen Papa habe und wir uns gegenseitig trösten und Halt geben können macht mir glücklich. Es tut mir unheimlich leid für Dich, dass es bei Euch nicht so ist. Mein Papa ist sehr sensibel, er hat es aber nie gelernt, Gefühle offen zu zeigen. Ich habe ihn bisher auch noch nie weinen sehen. Zu weinen, über seinen Verlust zu sprechen traut er sich jetzt auf einmal vor mir und das hat mich auch tief berührt.


    Morgen ist ihre Beerdigung. Davor habe ich Angst. Ich kann die Angst gar nicht genau beschreiben. Viele Freunde haben mir gesagt, nach der Beerdigung wird es noch schlimmer und man falle in ein tiefes Loch. Ich habe davor Angst, dass der Schmerz noch größer wird und ich mich vielleicht selbst nicht mehr aufrappeln kann. Ich muss dazu sagen, dass ich vor einigen Jahren mal eine depressive Episode hatte. Ich habe mich damals beruflich total ausgebrannt gefühlt und war auch sonst körperlich ziemlich fertig. ( ich habe von Geburt an eine schwere Wirbelsäulenverkrümmung und die WS wurde zu großen Teilen in einer OP versteift; jetzt habe ich mit Spätfolgen der Versteifung zu kämpfen und bin leider auch nie wirklich schmerzfrei). Ich war damals so froh, als ich wieder aus diesem Loch rausgekommen bin, deshalb habe ich jetzt Angst wieder in dieses Loch zu fallen. Wisst Ihr wie ich meine?


    Liebe Grüße


    Ute

  • Liebe Ute,

    ich wünsche dir für heute einen würdigen Abschied für deine Mama.

    Und dir all die Kraft, die du dazu brauchst.


    Ich kann deine Angst nachvollziehen. Und Trauer fühlt sich oft auch depressiv an.

    Trauer ist aber nicht Depression.

    Du wirst Wellen spüren, Wellen die Bewegung sind, die in einer Depression nicht da sind.

    Wir gehen hier ein Stück miteinander und wir werden sehen, wie es dir geht.

    Immer wieder davon schreiben und reden, dem was ist, Ausdruck geben,...

    das kann ein bisschen Schutz vor der Depression sein.


    Ich bin heute in Gedanken bei dir.

    Lg. Astrid.

  • Hallo Ihr Lieben,


    nun sind schon ein paar Tage seit der Beerdigung in´s Land gegangen.

    Ich danke Euch, dass Ihr an uns gedacht habt.

    Ich hatte Angst vor diesem Tag. Aber jetzt kann ich sagen, es war eine schöne Trauerfeier. Mama wollte keine große Beerdigung, so waren nur mein Papa, mein Mann, unsere Kiddies und mein Schwiegervater da, um Abschied zu nehmen. Meine Schwägerin konnte aus beruflichen Gründen nicht und meiner Schwiegermama geht es gesundheitlich auch nicht wirklich gut. Ich war aber ganz froh, dass wir so Wenige waren.

    Als wir in die Trauerhalle gekommen sind, hat mich der Anblick von Mamas Urne erst mal nur unendlich traurig gemacht. Ich wollte eigentlich stark sein und nicht weinen, aber ich hab´s nicht geschafft. Papa ging es auch so. Alles in Allem war die Trauerfeier wunderschön, die Lieder die wir uns ausgesucht hatten, die Trauerrede... alles hat gepasst. Und ich hab mich irgendwie so gefreut, dass wir für sie eine so schöne Urne gefunden haben. Sie ist viereckig, aus Kiefernholz mit einem Herz aus lauter kleinen Ästen auf der Vorderseite. Das waren so die letzten kleinen Liebesbeweise, die wir ihr mitgeben konnten.

    Seit der Beerdigung waren wir fast jeden Tag an ihrem Grab. Es ist ein wunderschöner Waldfriedhof.... so friedlich alles. Es tut mir/uns gut. Ich merke, wie sich die Trauer bewegt, sich verändert.... es stimmt; die Beerdigung ist nochmal ein ganz wichtiger Schritt um allmählich zu begreifen das sie nie wieder kommt.


    Seit Donnerstag arbeite ich wieder, es ging besser als erwartet. Es lenkt mich auch ab. Wenn der Abend kommt, dann wird es schlimm. Diese Sehnsucht, die tut so unglaublich weh. Ich fühle mich auch so unglaublich müde, ich gehe immer schon recht früh ins Bett. Ich mag nicht lesen, nicht fernsehen, ich mag einfach nur schlafen. Geht es Euch auch so? Schlafen kann ich gut, aber das liegt auch daran, dass meine Medikamente gegen meine Nervenschmerzen sowieso müde machen. Mir graust es schon vor Weihnachten. Ich muss viel an das Letzte Jahr um diese Zeit denken. Mama und ich sind zusammen einkaufen gegangen und haben es genossen, Geschenke auszusuchen....

    Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, dass die Sehnsucht nach meiner Mama irgendwann weniger wird, bzw. nicht mehr so weh tut. Ich weiß, ich muss mir und meiner Trauer Zeit lassen. Jetzt sind es erst zwei Wochen her und doch kommt es mir schon wie eine kleine Ewigkeit vor.

    Ich würde so gerne wieder ihre Stimme hören.... Tonaufnahmen habe ich leider keine. Ich hab Angst, zu vergessen, wie ihre Stimme geklungen hat...

    Ich weiß, Ihr versteht mich, es geht Euch allen so. Zu wissen, dass man ist mit seiner Trauer nicht alleine ist hilft mir unheimlich.


    Liebe Grüße Ute

  • Liebe Ute,

    auch wir haben für meinen Vater eine Urne aus Holz ausgesucht. Er hat viel gewerkelt und den Wald geliebt. Ich war irgendwie beruhigt, das er diese Urne bekommt.

    Mir fehlt im Moment auch die innere Ruhe, um zu lesen oder ähnliches. Ausser hier im Forum, da lese ich sehr viel.

    Nur im Wald bin ich einigermaßen ich selbst. Die Natur begeistert mich und ich entdecke viel. Ich fotografiere gern und viel. Neuerdings sehe ich mehr als früher, ich sehe kleine Dinge oder bleibe stehen um zu beobachten. Die Liebe meines Vaters zur Natur lebt in mir weiter. Das ist ein schönes Gefühl, auch wenn er mir unendlich fehlt.

    Seine Spinnereien, seine Witze, seine Ernsthaftigkeit, seine Ratschläge. Es fehlt mir.

    Ich denke, das die Trauer immer bleiben wird. Unsere Eltern sind unsere Wurzeln. Wenn ein Baum einen Teil seiner Wurzeln verliert, kommt er ins Wanken oder. Es dauert, bis sich neue bilden. Ein weiter Weg liegt vor uns. Vielleicht ein Weg ohne Ende, aber mit Veränderungen.

    Ich wünsche Dir sehr sehr viel Kraft für die nächste Zeit. Ich wünsche Dir Menschen, die Dich lieben und Dich unterstützen. Und viel Sonne für die Seele :30:

    Liebe Grüße Ros

  • Liebe Ros,


    das mit den "Wurzeln", das hast Du sehr schön geschrieben. Genau so fühle ich mich, aber der Gedanke ist irgendwie tröstlich, das sich neue Wurzeln bilden werden. Der Baum der bleibt, nur ein Teil davon ist verloren.....

    Ich habe auch gerade das Gefühl, die Dinge anders zu sehen als früher. Ich habe mir tatsächlich überlegt, meine Kamera wieder auszugraben und wieder zu fotografieren. Heute war ich wieder auf dem Friedhof. Die Dämmerung kam, aber das restliche Tageslicht hat noch die Gräber angeleuchtet. Wir haben hier einen "Waldfriedhof" er ist also nicht so steril wie manch andere Friedhöfe. Ich fand die Stimmung unheimlich tröstlich (ich muss dazu sagen, dass ich Friedhöfe noch nie gruselig fand, sondern sie immer recht schön fand).


    Ich muss noch was loswerden, was mich heute auf der Arbeit total traurig gemacht hat. Es ging um die Weihnachtsferien. Ein ganz lieber Kollege, mit dem ich mich auch super austauschen kann hat mir im Vertrauen gesagt, dass mehrere Arbeitskolleginnen doch tatsächlich der Meinung waren, dass ich dieses Jahr über Weihnachten wohl eh nicht frei nehmen werde, da ich ja erst vor kurzem "frei hatte". Ich war zwei Wochen von meiner Hausärztin krank geschrieben. In der ersten Woche habe ich meine Mama beim Sterben begleitet und in der zweiten Woche die Beerdigung und alles drumrum organisiert. Ich hab mich heute gefragt, ob das einfach nur Gedankenlosigkeit war, oder ob manche Menschen wirklich so kaltschnäuzig unterwegs sind. Vielleicht sollte ich es mir nicht so zu Herzen nehmen, aber ich bin so dünnhäutig zur Zeit. Bei mir hat sich aber keiner so direkt geäußert. Im Gegenteil, ich solle mir die Zeit nehmen die ich brauche... und so weiter und so fort. Da war ich jetzt echt enttäuscht und auch verunsichert, ob die ganzen Beileidsbezeugungen auch wirklich ernst gemeint sind.


    Liebe Grüße


    Ute

  • Ach Ute, das tut mir leid dass du dich mit sowas rumschlagen musst, so eine Frechheit von diesen Kollegen aber auch!


    Versuch es dir nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen, vielleicht war es nur ein "Missverständnis", manchmal werden Infos ja etwas gefärbt weitererzählt.

    Man ist definitiv dünnhäutiger, umso wichtiger dass du jetzt gut auf dich achtest.

    Habe auch die Erfahrung gemacht, dass viele mit Sterben und Tod nicht umgehen können und sich teilweise wirklich daneben benehmen. Irgendwann werden auch sie leider selber diese Erfahrungen machen müssen, dass ein näher Angehöriger stirbt, vielleicht denken Sie dann über ihr Verhalten nach.

    Aber wie auch immer, versuch dich zu schützen, zu distanzieren, nicht darauf eingehen, sonder gut auf dich und deine Energie zu achten!

    Alles Liebe

  • Liebe Ute,

    fotografieren ist immer gut und Balsam für die Seele. Schön wenn Du die Freude daran wieder entdeckst.

    Zu den Kollegen: Ich gebe Vilja Recht, das manches anders weiter gegeben wird. Ich hatte vor kurzem eine ähnliche Situation, habe reagiert wie ein Dampfhammer. Hinterher habe ich einen Kollegen angesprochen und es stellte sich als Missverständniss heraus.

    Allerdings, das ist die andere Seite, gibt es nur ganz ganz wenige ehrliche Menschen. Ich kenne zb meine Kollegen genau und weiß , wessen Beileid ehrlich war. Die anderen haben es eben gesagt, weil man es sagt. Darüber zerbreche ich mir nicht den Kopf. Sie sind Kollegen, keine Freunde.

    Es ist für Dich natürlich eine unangenehme Situation, weil Du es ja eigentlich nicht wissen solltest und es ja auch irgendqie schmerzt. ABER Du hast jetzt andere Dinge, die wichtig sind. Deine Trauer, Dein Wohlergehen, vielleicht noch einige Dinge regeln. Dafür brauchst Du Deine ganze Kraft.

    Und davon wünsche ich Dir ganz viel. Es werden auch Situationen kommen, die Dich für den Moment mit Freude erfüllen. Davon wünsche ich Dir auch ganz viele.

    Herzlichst Ros

  • Ich erlebe auch immer wieder, dass die Trauer einen körperlich komplett außer Gefecht setzen kann. Es ist schwer zu erklären und zu beschreiben, aber an schlechten Tagen fühle ich mich auch körperlich wie durch den Fleischwolf gedreht und bin so müde, dass es kaum auszuhalten ist und ich kaum etwas machen kann. Meinen drei kleinen Kindern an diesen Tagen gerecht zu werden ist sehr schwer. Ich stelle auch immer wieder fest, dass ich dann sehr vergesslich werde, das hat manchmal auch unschöne Konsequenzen auf der Arbeit, weil man da ja einfach nichts vergessen darf und wenn es mir passiert, dann bin ich oft unglaublich wütend, weil ich normalerweise alles andere als ein vergesslicher Mensch bin, weil es so deutlich zeigt wie überfordert ich oft bin und weil es mich erinnert, wie allein ich da stehe und das ich kaum zur Entschuldigung sagen kann: "Ich trauere, seit vier Jahren, um meine Mutter, die noch lebt! Das ist unglaublich anstrengend und nimmt manchmal den ganzen Raum in meinem Kopf ein!" So was versteht keiner und will auch keiner hören.

    Zum Sommer werde ich meine Stunden reduzieren - zum Glück können wir uns das jetzt leisten - auch, um mehr Zeit für mich zu haben. Ich brauche die Zeit allein zu Hause, in der ich auf dem Küchefußboden sitzen und laut weinen kann und niemand etwas von mir will oder meint, mir Tipps geben zu müssen. Ich merke, dass ich den Rest besser schaffe, wenn ich dieser Trauer Raum und Zeit geben kann und mich nicht rechtfertigen muss.

  • Liebe Nordlys,

    hast Du einen eigenen Thread hier ? Habe nichts gefunden.

    Ich antworte deshalb mal hier.

    Du hast eine große Last auf Deinen Schultern zu tragen. Das tut mir sehr leid. Die Vergesslichkeit ist nur zu gut nachzufühlen. Auch mir geht das momentan so. Es ist ein Tribut an die Trauer und die Sorgen. Meine Chefs haben zum Glück Verständnis, ich sage auch immer das ich oft bei meinem Vater bin. Das verstehen sie. Bis jetzt gab's noch keinen Ärger.

    Hast Du Freunde, die Dir mal ein paar Stunden Freizeit frei schaufeln ? Auch kannst Du Dich zb. bei Caritas oder ähnlichen Institutionen beraten lassen. Vielleicht eine Kur. Oder eine Haushaltshilfe.

    Außerdem hast Du geschrieben, das Deine Mama sich sehr verändert hat. Aus eigener Erfahrung schreibe ich Dir folgendes: vor drei Jahren war ich sehr krank. Meine Tochter hat sich jede freie Minute um mich gekümmert. Trotzdem war mir das zu wenig. Ich habe mich ernsthaft gefragt, warum sie so selten kommt. Erst einige Zeit später habe ich begriffen, was ich unmögliches verlangt habe. Und mich selbst nicht mehr verstanden. Ich hatte das Glück, mit meiner Tochter darüber zu sprechen. Sie war über mein Denken erstaunt, aber hat es verstanden. Will damit sagen, Krankheiten können eben verändern und der Kranke bemerkt es nicht. Oder will es nicht bemerken. Nun kannst Du mit Deiner Mama nicht mehr reden. Ich verstehe, das Du ihr aus Rücksicht den Brief nicht geben möchtest. Aber Du bist das Kind. Du brauchst Schutz. Ich weiss nicht, ob sie Dich hören kann. Ich würde es ihr sagen. Nicht so hauruck, sondern behutsam. Auch wenn sie krank ist, sie bleibt Deine Mutter und sollte Dich auch beschützen.

    Das ist meine Meinung. Ich hoffe, Du findest einen Weg für Dich. Alles Liebe wünsche ich Dir, fühle Dich umarmt von mir, herzlichst Ros

  • Liebe Ute,

    ich hoffe das es Dir soweit gut geht. Kannst Du die Weihnachtszeit genießen? Bei mir klappt das nicht so richtig. Unseren Baum habe ich nicht direkt geschmückt, eher alles drauf geworfen. Geschenke habe ich auch nur für meine kleine Stieftochter. Mir fehlte einfach die sonst vorhandene diebische Vorfreude, jemandem einen Wunsch erfüllen zu können. Du hast ja auch Mädchen in dem Alter, für sie muss man irgendwie funktionieren oder. Bin aber froh das die Kleine nach Weihnachten zu einer Freundin fährt für einige Tage. Möchte dann auf mein Sofa mit viel Schokolade, und Kuscheldecke, und mit meiner Mama telefonieren. Keine weihnachtlichen Verpflichtungen. Doch ein Essen mit meiner großen Tochter und Freund, und dessen Eltern. Habe sie schon gewarnt, mich bloß nicht auf das Thema anzusprechen. Haben sie bis jetzt nicht geschafft.

    Hast Du auch Freunde, die sich zurück gezogen haben ? Ich vermisse meine beste Freundin. Sie meldet sich nicht mehr. Ich verstehe das nicht.

    Jetzt habe ich so viel von mir geschrieben. Dabei möchte ich doch wissen, wie es dir geht.

    Falls wir uns nicht mehr lesen, wünsche ich Dir Frohe Weihnachten im Kreise Deiner Familie. Es wird für uns anders werden und traurig, ich werde dann an alle hier denken, die ein ähnliches Schicksal haben. Dann fühle ich mich nicht allein.

    Es grüßt Dich von Herzen Ros

  • Liebe Ros,


    Du hast überhaupt nicht zuviel von Dir geschrieben :-) mir tut es so gut, von Euch allen zu lesen um zu wissen, wie es Euch allen hier geht und wie ihr es schafft, gerade die Weihnachtsfeiertage irgendwie zu überstehen. Ich fühle mich hier bei Euch so unheimlich gut aufgehoben, irgendwie auch beschützt. Ich glaube ihr wisst, wie ich es meine.

    Die Weihnachtszeit kann ich nicht genießen. Alles ist anders als sonst. Morgen ist Mama einen Monat tot. Ihr Verlust kommt nun langsam so übermächtig über uns... gestern Abend haben meine größere Tochter (sie ist 14) und ich nur geweint....

    Aber es stimmt schon, man muss irgendwie für die Kinder funktionieren. Weihnachten ist für sie -trotz das sie schon 12 und 14 sind- einfach noch wichtig. Dazu kommt noch, dass ich am 26.12. Geburtstag habe. Ich habe tatsächlich Freunde eingeladen... aber nicht viele. Wir haben eh keinen so großen Freundes- und Bekanntenkreis. Aber ich habe auch festgestellt, dass sich zumindest ein Pärchen ziemlich zurück gezogen hat. Ich glaube sie haben Angst, dass ich über meine Trauer und die Krankheit von Mama reden will. Das passt nicht in ihr Konzept, und es ist anstrengend für sie, über "solche Themen" zu reden. Dabei betrifft es doch uns alle irgendwann- den einen früher oder später.

    Das Deine beste Freundin sich zurückgezogen hat tut mir sehr leid für Dich. Ich kann sowas auch nicht verstehen. Hast Du sie mal darauf angesprochen? Die Kraft hat man jetzt aber nicht wirklich, gell? Mir geht es gerade so. Ich versuche jeglichem Konflikt aus dem Weg zu gehen, ich habe einfach nicht die Kraft, mich auf Konflikte einzulassen. Ich habe Angst, dass es mich dann noch mehr herunterreißt.


    Wir haben Papa an Heiligabend eingeladen. Auch für ihn muss ich stark sein. Eigentlich halten wir uns gegenseitig. Ihm geht es gar nicht gut, die Wohnung ist so leer. Heute habe ich ihn gefragt, ob er denn gerne einen kleinen tierischen Freund hätte. Mit Hunden hat er es nicht so, aber Wellensittiche hat er gerne, sie füllen die Wohnung etwas mit Leben. Ich glaube ich werde da noch mal nachhaken, er klang nicht abgeneigt.


    Ich wünsche Dir liebe Ros und allen anderen hier viel Kraft für die kommenden Tage. Es wird nicht einfach für uns alle hier.


    Liebe Grüße


    Ute

  • Liebe Nordlys,


    ich wollte Dir doch auch noch etwas Liebes schreiben....

    Ich finde nicht, dass Du keine Berechtigung hast "offiziell" hier zu trauern. Du verlierst Deine Mama in vielen kleinen Schritten, Tag für Tag.... Woche für Woche.... Es ist ein Abschied in langen Etappen und Du trauerst auch..... um die vielen kleinen und großen Dinge, die Du mit Deiner Mama nicht mehr erleben kannst, einfach weil sie dazu nicht mehr der Lage ist. Ich finde es schön und richtig, dass Du Deine Trauer mit uns teilst und Du stehst mit Deinem Leid nicht abseits. Du trauerst, und dafür ist dieses Trauer Forum auch da, dass Du Dich mit uns austauschen kannst und Trost findest.


    Fühl Dich ganz fest gedrückt.


    Ute