Sein Leben wurde viel zu früh beendet

  • Manchmal kommt, ich wage es kaum aufzuschreiben, Wut gegen ihn hoch.
    Weil er mich "verlassen" hat.

    Hat er aber gar nicht. Er wurde mir ja genommen. Es war nicht seine Entscheidung.

    Das sage ich mir dann immer.

    Ich lebe nach wie vor ein Stück weit hinter einem Schutzwall und kann nur allmählich um ihn als Menschen trauern.

    Das fällt mir schwerer als wütend zu sein.

    Wut auf meine Situation, den Unfallverursacher oder auch auf den Verlust - das ist aktuell wesentlich leichter.

    Das andere tut einfach sehr weh.

  • Liebe Sora,

    auch ich kenne diese vorher nicht gekannte Wut, die sich unkontrollierbar

    auf alles und jeden richten kann. Auch auf meinen Geliebten.

    Das ist entsetzlich und gleichzeitig, manchmal einfacher zu ertragen als diese uferlose Traurigkeit.

    Das was Dir passiert ist, ist für die Psyche der absolute Kontrollverlust ....

    Ich fühle mit Dir,

    ganz herzlich,

    Tereschkowa

  • Heute bin ich zumindest etwas trauriger... das fühlt sich auch schlimm an, wird ihm aber gerechter...

    Das Aufwachen war heute einfach nur ekelhaft.

    "Mein Schatz ist tot." - der erste Gedanke

    Der zweite Gedanke gilt dem Unfallhergang.

    Der dritte Gedanke gilt ihm und seiner Fröhlichkeit.


    Ich möchte gern ein wenig über die Persönlichkeit meines Schatzes schreiben.

    Er trug die Sonne im Herzen. Manche würden sagen, er war ein Sonnenkind.

    Das klingt abgedroschen, es war aber so: Er war von Grund auf fröhlich und gutherzig.

    Schon beim Kennenlernen habe ich gespürt, dass er authentisch ist und keine Hintergedanken hat. Er war gar nicht der Typ dafür.

    Sowas ist so verdammt selten!

    Er wollte immer, dass andere sich in seiner Gegenwart wohlfühlen.

    Schlechte Laune gab es bei ihm nicht... und doch war das nicht erzwungen, sondern bei ihm sehr natürlich.

    Mit ihm zusammen konnte man nicht lange über irgendetwas traurig sein. Er hat immer einen Weg gefunden, einen zum Lachen zu bringen.

    Dazu war er auch noch sehr klug. Jedes Gespräch mit ihm war eine Bereicherung, weil er immer neue Blickwinkel miteinbringen konnte und viel Wissen besaß.

    Fast jeden Abend haben wir nach dem Essen noch lange Gespräche über Gott und die Welt geführt. Das war schön.

    Allgemein ist das eher etwas Seltenes: Klugheit gepaart mit viel Empathie, Witz und guten kommunikativen Fähigkeiten. Er hatte all diese Eigenschaften.

    Nach seinem Tod erreichten mich von überall Nachrichten. Sei es von seinen aktuellen Kollegen und Freunden oder von Wegbegleitern, die ihn während der Schulzeit, des Studiums oder sogar nur zu einer einzigen Gelegenheit kennenlernen durften.

    ALLE waren tief bestürzt und ALLE hatten sie schöne Erinnerungen an ihn.

    Auf seiner Beerdigung waren hunderte von Menschen. Sein Grab war ein Berg von Blumen. Er hat all diese Menschen berührt. Er war jemand ganz Besonderes.

    Vielleicht war er auch ein Engel, das denke ich jetzt manchmal...

  • Der schreckliche Unfall und er mit seiner fröhlichen, warmherzigen Art - das passt einfach nicht zusammen.
    Er hätte NIE gewollt, dass wir, seine Liebsten, so verstört und traurig sind...

    Dieses Ende hat er auch überhaupt nicht verdient.

    Wie viel Pech kann so ein guter Mensch haben?

  • Ich stelle gerade fest, dass ich in den letzten Monaten, als es um den Aufbau unseres neuen Lebens ging (Umzug, Einrichtung der neuen Wohnung, meine Jobsuche..) oft beruhigende Musik gehört habe.

    Das hat mir Frieden und Zuversicht gegeben.

    Außerdem hatte ich allgemein das Gefühl, dass mein Leben nun zur Ruhe kommt. Dass ich "ankomme".

    Der Weg war vorgezeichnet. Zusammen mit ihm gestalte ich meine Zukunft.

    Wir werden einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt haben und uns im Alltag immer unterstützen.


    Ja, so dachte ich.

    Die Realität trifft einen so hart und man bleibt fassungslos zurück.

  • Liebe Sora,

    du hast dich schon ein bisschen "eingelebt" bei uns und wurdest aufgenommen.

    Auch von mir ein herzliches Willkommen.


    Die Wut auf deinen Schatz schmerzt dich am meisten? Und doch darfst du auch auf ihn wütend sein. Auch wenn er keine reale Schuld trägt war er zur falschen Sekunde am falschen Ort. Und darauf darfst du wütend sein. Zum Beispiel, warum er nicht 2 Minuten früher losgefahren ist oder eine Minute später. Warum er nicht auf der anderen Spur gefahren ist. Was auch immer. Lass deine Wut raus. Damit sie nicht mehr so schmerzt.


    Vielleicht magst du ihm einen Brief schreiben, in dem du deine Wut auf ihn ausdrückst. Auch darüber, dass er eure Vereinbarung: "Wir sehen uns am Abend" nicht eingehalten hat. Ja, er konnte nicht und doch ist da Wut. Und Wut muss RAUS. Vielleicht schreist du sie ihm auch entgegen.


    Wenn du deine Wut raus lässt, dann kannst du Platz machen, für die Traurigkeit. Denn die Wut kommt sonst immer wieder und immer stärker. Deine Gefühle sind, wie sie sind. Sie gehörten zu dir und zu dieser Zeit.


    Ich sende dir liebe Grüße.

    Astrid.

  • liebe Sora,


    was für ein allumfassend liebevoller und fröhlicher Mensch dein Freund war !


    Es hat mich an "unsere" ersten Jahre unseres Zusammenseins erinnert...

    Lebensfreude und lebhafte Diskussionen pur :)).


    Schön, dass sooo viele Menschen sich von ihm verabschiedeten und sich bei dir melden.

    Ja, er scheint ein Engel in Menschenform gewesen zu sein.

    So wie du ihn beschreibst.


    Er hat euch "seinen Auftrag" mitgegeben. Und durfte nun wieder heim gehen.



    Jaaa, so fühlte ich mich auch, damals ...

    Als nach dem Schock über Mikle's plötzlichen Tod vor gut 1 Jahr , auch immer mehr und mehr die Trauer , schon beim Aufwachen morgens bei mir "ankam", weinte ich auch 2 Wochen, jeden Morgen beim Aufwachen um ihn.

    Der erste nicht mal offizielle gedachte Gedanke war er.

    Das war einfach so.

    Redete mit ihm ...


    Vll kannst du mit meinen Worten (und meinen dazugehörigen Gedanken) etwas anfangen ?!


    Ich umarme dich liebevoll

    Stille Perle

  • Hallo Astrid. ,

    danke für das liebe "Willkommen".

    Du hast Recht, das Gefühl der Wut muss raus. Sonst erstickt man daran.
    Allerdings möchte ich auf keinen Fall auf meinen Schatz wütend sein. Das wäre so ungerecht. Er hat es sich selbst nicht ausgesucht.
    Er ist auch immer vorbildlich gefahren. Er hat mit seinem Heimweg nichts "Risikobehaftetes" angestellt.

    Das Schlimme an dem Ganzen ist ja: Es hätte jedem von uns genauso passieren können. Mir ja auch.

    Auf dem ganz normalen Arbeitsweg, bei ganz normaler Fahrweise.

    Es braucht im Straßenverkehr nur die Unachtsamkeit/die Dummheit eines anderen, schon wird uns das Licht ausgeknipst.

    Wir selbst können vieles oder alles richtig gemacht haben. Wenn ein anderer, dazu noch "stärkerer" Verkehrsteilnehmer auf gut Deutsch gesagt "pennt", dann tragen wir den Schaden davon.

    Keiner möchte darüber ernsthaft nachdenken, sonst würde niemand mehr in ein Auto steigen.

    Leider leben wir aber alle mit dieser Gefahr im Hintergrund. Es gibt Verkehrsteilnehmer, die der Verantwortung einfach nicht gerecht werden und das kann tödlich enden für vollkommen Unschuldige.


    Die Schuld trifft allein den Unfallverursacher. "Leider" (vielleicht aber auch besser so...) ist er für mich ein völlig Unbekannter.

    Ich hoffe, er hat mindestens schlaflose Nächte.

    Die Traurigkeit ist bei mir auf jeden Fall nun auch wieder da, sie wird nicht blockiert.

    Ich möchte auch gar nicht mehr so viel gerade über den Unfall reden.


    Stille Perle

    Ja, das verstehe ich sehr gut.
    Und es tut mir Leid, dass du auch mit so einem schlimmen Schock umgehen musstest...

    Manchmal denke ich auch, wäre sein Tod leichter zu ertragen gewesen, wenn man sich darauf hätte vorbereiten können? Aber wann ist man schon "bereit" das Liebste gehen zu lassen? Dazu ist man doch eigentlich eh nie in der Lage, es sei denn, der Herzensmensch leidet so sehr, dass man ihn loslassen möchte. Aber das wünscht man sich ja auch nicht...

    Ich rede auch in Gedanken mit meinem Schatz morgens und schreibe ihm ab und zu "Briefe".

  • Liebe Sora,


    der Tod ist nicht leichter zu ertragen, wenn mann sich vorbereiten kann. Selbst als der Arzt in der Uniklinik das Adrenalin abstellte, und mir sagte, ich solle

    meinen Mann jetzt ganz fest drücken, mit ihm sprechen , ihn lieb haben, hatte ich noch Hoffnung, dass er es schafft. ( Laut den Ärzten, war sein Herz ja

    gesund )

    Als ich dann seinen letzten Herzschlag spürte, war mein Schock so groß, dass meine Begleiterinnen mich von ihm wegziehen mußten.Ich

    war wie im Trance, und wollte auch nicht mehr leben. Man hat immer Hoffnung , egal was die Ärzte sagen.

    Was du schreibst ist richtig , man ist nie in der Lage, sich auf den Tod vorzubereiten. Man kämpft und hofft bis zuletzt.


    Alles Liebe Maike

  • liebe sora,


    wut ist eine emotion genauso wie die trauer, und wenn du wut empfindest dann lasse sie raus. ich selbst hatte auch zwischendurch solche wut. nicht nur auf die ärzte sondern auch auf meinen geliebten mann, der doch am wenigsten zu allem konnte. aber ich weiss, er hätte meine wut sehr gut verstanden im leben und hat sie auch in seiner neuen welt gut verstanden. er ist immer noch bei mir, um mich, steht mir irgendwie bei. das fühlt jeder für sich auf seine eigene art und weise. für mich ist es immer noch wichtig mit ihm zu reden. und ich weiss, er hört mir zu, würde mir gerne helfen, ich weiss das mein geliebter schatz mich nicht alleine lässt solange ich ihn brauche. das ist ein kleiner trost in meiner sonst trostlosen welt.


    liebe umarmung von Bine

  • Liebe Sora,

    ich wollte keineswegs eine Schuldfrage aufwerfen. Und auch nicht neugierig nach dem Unfall wirken.

    Es tut mir leid, wenn das so angekommen ist.


    Vielmehr wollte ich betonen, dass die Wut - auch auf deinen geliebten Menschen - ganz normal ist. Auch wenn er KEINE Schuld trägt.

    Es sind eben die kleinen Details, eine Minute später oder früher wegfahren und es wäre vielleicht nicht geschehen.


    Das Versprechen sich am Abend zu treffen, das hat er gebrochen (auch wenn wir wissen, dass er es nicht wollte!)


    Was ich dir sagen will ist nochmal: Sei wütend AUCH auf ihn. Schluck es nicht runter oder verschiebe die Wut, die zu ihm gehört auf andere.

    Er ist nicht mehr bei dir - und das macht wütend. Er hat dich allein gelassen - und das macht wütend.

    (Auch wenn wir wissen, dass er es nicht wollte) er hat es getan!

    Er ist gestorben!

    Und das tut DIR weh!

    Und das verletzt DICH!

    Und darüber darfst du wütend sein! Dass ER GESTORBEN IST und DICH ALLEINE LÄSST!


    Die Traurigkeit wird immer ihren Platz finden und die Wut darf neben der all umfassenden Liebe bestehen und sein.

    All deine Gefühle dürfen sein.

    Sind wichtig und wertvoll auf diesem Weg, den du doch nie gehen wolltest.

    Und sie sind schmerzhaft und manchmal kaum zu ertragen.


    Wir gehen hier diesen Weg mit dir und ich bemühe mich, heraus zu lesen, was gerade wichtig ist für dich. Vielleicht habe ich das

    mit der Wut auch überbewertet. Dann tut es mir leid und du musst auch nicht mehr darauf reagieren.


    Übrigens, das was ich hier schreibe, sind immer nur Gedanken und Ideen. Keine Ratschläge und kein "Wenn du dies und jenes machst, dann ist das gut oder schlecht!" Das ist nicht meine Art. Leider ist das hin und wieder missverständlich zu lesen. Deshalb:

    Nimm die Ideen, die dir gefallen oder dich ansprechen. Lass das, was du nicht brauchst einfach stehen.


    Ich wünsche dir für heute einen Moment der Freude.

    Und sei es auch nur ein kleiner Moment, so wünsche ich dir,

    dass du sie annehmen kannst.


    Lg. Astrid.

  • Liebe Sora,

    mein tiefes Mitgefühl für deinen Verlust. Wie Stille Perle bereits erwähnt hat habe ich vor 3 Jahren das selbe Schicksal wie du erfahren. Ich weiss wie du dich gerade fühlst. Gerade die abwechselnden Gefühle von Trauer, Wut, Verzweiflung und die Gedanken wie es nur weitergehen soll kann ich absolut nachvollziehen. Du stehst genau wie ich am Anfang deines Lebens und von jetzt auf gleich wurden deine Pläne zerstört. Den einzigen Tipp den ich dir in deiner Phase der Trauer geben kann ist rede darüber und vergrab dich nicht, halte die schönen Erinnerungen fest. Gerade jetzt sind Freunde und Familie das wichtigste. Lass die Trauer zu und vor allem lass dich nicht unter Druck setzen. Ich wünsche dir ganz viel Kraft und Energie in dieser schweren Zeit.

    Wenn du Redebedarf hast kannst du mir auch gerne hier schreiben.


    Liebe Grüße Mitan

  • Hallo zusammen,

    die Gefühle wechseln sich nach wie vor ständig ab und das ist kräftezehrend.

    Aber ich versuche, mir nicht zu viele Gedanken darum zu machen, sondern sie zu nehmen wie sie eben kommen.

    Ich habe den Eindruck, dass es morgens aktuell nicht mehr ganz so schlimm ist wie noch vor einer Woche.

    Etwas mehr hat nun auch die Realisierung eingesetzt, was natürlich auch hart war... aber letzten Endes versteht man ein Stückchen mehr...

    Wobei die ganze Sache an sich eigentlich immer noch unfassbar ist! Aber mein Herz versteht, nachdem mein Kopf es ja schon wusste, ein Stück weit mehr, dass mein Freund eben nicht mehr da ist und auch nicht mehr wiederkommen wird. Das tut sehr weh.

    Ich kapiere zwar immer noch nicht vollkommen wie man so ein verdammtes Pech haben kann, aber das steht auf einem anderen Blatt.

    Erstmal geht es ja darum, mit der derzeitigen Situation irgendwie umzugehen.


    Mitan

    Vielen Dank für deine Anteilnahme.

    Es tut gut zu wissen, dass du so ein schlimmes Unglück irgendwie überstehen konntest... Auch wenn der Weg nach wie vor kein leichter ist. Man geht auf jeden Fall verwundet daraus hervor und muss auch weiterhin noch auf die Wunden aufpassen.

    Ja, obwohl mich meine Gefühle selbst manchmal verwirren, nehme ich mir auch die Zeit, um an die schönen Momente zu denken.
    Es gab so viele davon. Im Grund war jeder Tag mit ihm toll, aber besonders schön war es natürlich, wenn wir uns bewusst Zeit füreinander genommen und schöne Dinge unternommen haben. Das gemeinsame Kochen war auch immer ein tägliches Highlight.

    Aber derzeit denke ich auch allgemein sehr viel an unsere letzten gemeinsamen Monate, in denen wir so viel für unsere Zukunft getan haben und uns dabei einfach überhaupt nicht hätten vorstellen können, dass wir "scheitern", weil einer von uns durch einen Unfall stirbt. Undenkbar.

    Es war trotz der ganzen Anstrengungen eine schöne Zeit und oft genug haben wir auch kleine Pausen eingelegt und Ausflüge gemacht oder etwas für uns getan. Dann gab es wieder die Phasen, wo wir beide unter ziemlichem Druck standen und uns zum Glück kaum deswegen angemault haben. Sondern eher geschaut haben, wie wir einander trotzdem unterstützen können.
    Unterm Strich waren wir einfach so ein eingespieltes Team und jeden Tag haben wir eine neue Hürde geschafft und uns gefreut.

    Wir dachten, es fehlt nicht mehr viel und wir sind "angekommen".

    Dann plötzlich vom einen auf den anderen Moment hier alleine zu stehen ist so erschütternd und grausam.

    Das "akzeptieren" zu können...das ist unglaublich viel verlangt. Aber leugnen kann ich es ja auch nicht.

  • Aber ich versuche, mir nicht zu viele Gedanken darum zu machen, sondern sie zu nehmen wie sie eben kommen.

    Das ist eine so passende Einstellung um diesen schweren Weg zu gehen. Manchmal hat mir das Bild geholfen, dass die Gefühle Wegstücke sind. Manchmal ist ein Teil des Weges überflutet oder ein Teil ist voller riesiger Steine oder glitschig oder es steht mal eine Bank an der Seite ....

    Alles gehört dazu und ich kann nur weiter gehen, wenn ich die passende "Ausrüstung" habe, Mut und Kraft und Ausdauer, Menschen, die mich manchmal an der Hand nehmen und mich dann auch ein Stück alleine gehen lassen, etwas, das mir Seil sein kann, feste Schuhe, genug zu trinken und zu essen, um mich zu stärken und ein offenes Auge, damit ich die Bank oder die schöne Blume am Wegrand nicht übersehe.

    All das wünsche ich dir in der Welt deiner Gefühle - auf dem Weg durch deine Trauer.

    Und vielleicht kann ich dir mal Seil oder Weggefährtin sein.


    Einen erholsamen Schlaf für die morgige Wegstrecke wünscht dir

    Astrid.

  • Hallo Astrid,


    vielen Dank, das hast du sehr schön gesagt.

    Es kommt wirklich sehr auf die Ausrüstung an. Dann kann man schon einiges schaffen.

    Was ich auch gelernt habe bis jetzt: Ich muss die Hilfe der anderen auch annehmen können. Oder allgemeine Hilfsangebote konkretisieren.

    Ich war nie der Typ, der gern andere um Hilfe bittet oder sagt "Ich brauche...", "Mir hilft es jetzt, wenn...".

    Aber ich kann diesen Weg nicht allein beschreiten...wie auch? Wie kann man so etwas allein bewältigen? Das geht nicht.
    Also spreche ich die Dinge an. Oder nehme eben auch Hilfe an, auch wenn mir sowas früher eher unangenehm war.

  • Liebe Sora

    Du hast auch für mich treffend ausgedrückt, dass der Verlust des geliebten Menschen das eigene Dasein so stark verändert, dass man sein Verhalten in der einen oder andern Hinsicht überdenken und anpassen muss.

    Für mich ist auch die Beteiligung im Trauerforum einer dieser Mosaiksteine. Ein weiterer besteht im Beizug einer Trauerbegleiterin, die auf naturheilkundlicher Basis therapiert. Andere Personen direkt um Hilfe zu bitten, fällt mir nach wie vor schwer.

    Die Trauerbegleiterin sagte mir heute, vielleicht würde ich mich nie mehr gleich am Leben freuen können, wie dies in der Zeit mit Daliah gewesen war.

    Ich kann diese Aussage akzeptieren. Es bleibt mir in diesem Dasein ja nicht viel anderes übrig, als dem in dieser Weise nie gewünschten Leben, eine Chance zu geben.

    Ich wünsche auch dir viel Kraft auf dem nicht leichten Weg.

    Liebe Grüsse

    Nelson_180916

  • Lieber Nelson,

    vielen Dank für deinen Beitrag.

    Ich stimme dir vollkommen zu, das eigene Dasein verändert sich nach so einem Schicksalsschlag, ob man will oder nicht, und das eigene Verhalten muss leider auch neu überdacht werden. Es ist eine Ausnahmesituation, die man überleben muss... Denn man lebt nunmal noch und der Verstorbene würde sich ja auch für einen wünschen, dass man das irgendwie bewältigt bekommt. Sich nicht komplett aufgibt...

    Noch ein paar Gedanken dazu:

    Ich habe in den letzten Tagen gemerkt, dass alle meine Lebensbereiche von dieser Katastrophe betroffen sind.

    Und ich mir fast alles neu aufbauen muss.

    An sich bin ich eher zurückhaltend und nicht so sehr darauf aus, mich mit vielen Menschen über Privates auszutauschen. Ich habe da meine engen Freunde, aber darüber hinaus fiel es mir immer schwer. Auch hasse ich Veränderungen.. ich habe gern immer die Kontrolle und auch Stabilität im Leben.

    Aber nach diesem Unglück ist alles anders, alles wurde durcheinander gewirbelt und somit nehme ich die ausgestreckten Hände an und strecke auch selbst die Hände nach allen Seiten aus.

    Wenn du ein Umfeld hast, das dir schon unkonkret Beistand angeboten hat... Oder auch zu dir meinte "Wenn du reden willst, dann meld dich..."...ich meine, es ist schwer in schwierigen Zeiten sich selbst zu melden. Aber ich habe das bei denen, von denen ich mir dachte, dass sie mich ein Stück weit verstehen können getan, um nicht allein in dieser Dunkelheit zu bleiben. Sowohl bei engen als auch entfernteren Freunden und Bekannten. Ich habe sie beim Wort genommen. Und dabei auch an mein "Überleben" gedacht. Das würde ich dir auch empfehlen. Ein Freund/Familienmitglied allein kann sowieso nicht all deine Trauer auffangen, das wäre zu viel, das muss sich ein Stück weit auf verschiedene Menschen verteilen... Nicht jeder wird letzten Endes den kompletten Weg mit dir gehen können, aber das muss auch nicht passieren, ein Stück des Weges reicht auch schon.

    Außerdem ist jeder Mensch anders. Die einen sind bereit, mit dir über deinen Herzensmenschen zu reden. Die anderen möchten eher praktische Dinge für dich tun, wie etwa spazieren gehen, Dinge zur Ablenkung unternehmen, kochen, Sachen sortieren... Du kannst es herausfinden. Du kannst den Menschen erzählen, was dich umtreibt und schauen, wie sie reagieren. Ich hoffe, dass du da einen Kreis aus Leuten/Bekannten hast, mit dem du einen Anfang machen kannst.
    Aber auch die Tatsache, dass du dir eine Trauerbegleitung gesucht hast und hier im Forum schreibst, ist ein toller Schritt und zeigt, dass du auch aktiv werden kannst und willst.

    Zu dem Thema "sich nie mehr gleich am Leben erfreuen"... Mir hat man gesagt, dass es nun "anders" wird. Ich finde diese Aussage auch in Ordnung.

    Mein Leben ohne meinen geliebten Schatz wird ein anderes sein, ganz klar.

    Aber da ich bereits jetzt schöne Momente als solche annehmen konnte, habe ich da Hoffnung, dass es ein "danach" geben kann. Ein anderes.

  • Liebe Sora


    Vielen Dank für deine differenzierten Ausführungen, die mir plausibel und zutreffend erscheinen. Ich weiss, dass ich noch mehr auf Bekannte und Freunde zugehen sollte. Mir fehlt ein wenig der Mut. Ich werde daran arbeiten. Auch in mir besteht eine Hoffnung auf ein "Danach".


    Mich haben die Klarheit deiner Gedanken und deine präzise Ausdruckweise angesichts deines Lebensalters beeindruckt.


    Liebe Grüsse

    Nelson_180916

  • Ihr habt das so klar und ungeschönt ausgedrückt und ich kann es für mich nur bestätigen.

    Auch mein Leben wird nie mehr so sein wie vorher und ich glaube auch nicht, dass es irgendwann wieder einmal so erfüllend wie vorher sein wird. Aber ich hoffe doch, dass ich soviel Zufriedenheit und Stärke zurückerlange, dass ich den Rest meines Lebens mit Würde und Dankbarkeit verbringen kann und dass es mir auch irgendwann einmal möglichsein wird, alles Gute, was mir im Leben geschehen ist, an andere Menschen weiterzugeben, dann hätte mein Dasein wieder einen Sinn