Ihr Lieben
Ich lag schon im Bett, dachte, heute kann ich mal früh einschlafen, aber Fehlanzeige. Und so bin ich wieder hier, bei euch, wo wir uns alle verstehen, und ich meine Gedanken niederschreiben kann. Ich fange morgen wieder an zu arbeiten, deshalb auch der Versuch, genug Schlaf abzubekommen. Als ich das letzte Mal bei der Arbeit war, war mein Vater zwar schon im Krankenhaus, aber noch am Leben und wir waren noch voller Hoffnung, dass er es schafft. Und jetzt wieder dahin zu gehen, wühlt alles wieder auf. Und so bin ich schlaflos im Bett liegend mal wieder Tag für Tag die Ereignisse gedanklich durchgegangen. Und noch immer suche ich nach Ansatzpunkten, wo wir etwas hätten anders machen müssen, damit mein Vater überlebt hätte. Noch immer, hört das denn nie auf. Es ist so sinnlos und so quälend.
Heute vor drei Wochen ist mein Vater gestorben. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Und doch so kurz erst. Gerade war er noch da.
Ohne Vater zu sein ist so schwer. Mein Leben fühlt sich nicht mehr richtig an, nicht mehr vollständig. Meine Familie ist nicht mehr vollständig, mein Vater fehlt und kommt nie mehr zurück. Ich schüttle den Kopf beim Schreiben, so sehr widerstrebt mir diese Tatsache. Es kann einfach nicht sein.
Seit dem Tod meines geliebten Vaters ist mir klar geworden, wie fragil das Leben ist, und wie kurz. Wie wenig Zeit wir haben. Memento mori. Alles ist so vergänglich. Und am Ende müssen wir alles hier zurücklassen.
Ich habe immer wieder Phasen, wo mir diese Gedanken kommen und ich tief in meinem Herzen einen schneidenden Schmerz spüre, weil die Vorstellung so ungeheuerlich ist.
Das sind Momente tiefster Einsamkeit, die ich auch nicht mit meinem Mann teilen kann.
Liebe Kerstin, genau so geht es mir auch. Diese Momente kommen bei mir häufig vor, dieser schneidende Schmerz, manchmal dumpf, manchmal stechend, und so ein Druck auf der Brust. So eine Last. Wenn ich daran denke, wie leicht und unbelastet mein Leben vorher war. Und ich hab es nicht einmal bemerkt. Und ich kann nie mehr in diese Leichtigkeit zurück, denn die Zeit mit meinem Vater ist vorbei hier auf Erden. Wenn ich nur noch ein einziges Mal mit ihm reden könnte, denke ich oft. Aber auch das würde nicht helfen, denn danach wäre er ja auch wieder weg. Nein, es gibt keine Lösung. Es ist einfach vorbei. Ich kann nichts mehr tun, nichts mehr wiedergutmachen, mich nie mehr vollständig fühlen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, jemals wieder unbeschwert so wie früher durchs Leben zu gehen. Denn auch bei mir ist dieser Gedanke ständig, und ich meine wirklich immer, jede wache Sekunde, präsent: Mein Papa ist tot. Das muss doch einmal aufhören, wie soll ich so je wieder ein normales Leben führen? Auf der anderen Seit denke ich, dass ich diesen Gedanken brauche, um meinen Vater in meinen Erinnerungen lebendig zu behalten. So paradox das klingt.
Ich denke, dein Papa hat dich auf der Astralebene besucht - was dafür spricht ist diese ungeheure Realität und auch, dass er dir in jünger erschienen ist
Ja, ich hab mich gefragt, was dieser Traum mir sagen will. Dass mein Vater da ist, auf einer anderen Ebene. Er war jünger, so wie er in seinen Sechzigern war, voller Kraft und Ideen. Es war einfach so schön, ihn zu sehen.
Liebe Helga, das stimmt, die Corona-Situation macht alles sehr schwierig. Nicht nur für meinen Partner, sondern auch allgemein für den Umgang miteinander. So sind Umarmungen oder eine Hand auf die Schulter legen selbst bei uns in der Familie schwierig. Meine Mutter ist ja auch 71 und damit Risikogruppe, und natürlich wollen wir auf keinen Fall, dass sie sich ansteckt. Also müssen wir uns zurückhalten und können nicht den natürlichen Regungen folgen.
Im Moment belastet mich zusätzlich zu meiner riesigen Trauer auch noch die Sorge, dass meiner Mutter etwas passieren könnte. Diese Fragilität des Lebens, die ich weiter oben angesprochen habe, führt dazu, dass ich denke, es könnte jederzeit wieder jemand sterben. Einfach so, unvorbereitet. Oder meine Tochter. Nicht auszumalen, dieser Schmerz.
Es tut so weh. Alles. Ich ertrinke in meinem Schmerz. Es ist so unfair. Ich will es nicht wahrhaben. Ich möchte hoffen, dass ich ihn wiedersehe, aber ich zweifle. Diese Sehnsucht, dass er zurückkommt, ist jeden Tag stärker. Und gleichzeitig gehen Erinnerungen verloren.
Seid alle lieb umarmt, die mit mir bis hierher gelesen haben.