Mein geliebter Vater ist nach kurzer, schrecklicher Krankheit unerwartet einfach gestorben

  • Ihr Lieben


    Ich lag schon im Bett, dachte, heute kann ich mal früh einschlafen, aber Fehlanzeige. Und so bin ich wieder hier, bei euch, wo wir uns alle verstehen, und ich meine Gedanken niederschreiben kann. Ich fange morgen wieder an zu arbeiten, deshalb auch der Versuch, genug Schlaf abzubekommen. Als ich das letzte Mal bei der Arbeit war, war mein Vater zwar schon im Krankenhaus, aber noch am Leben und wir waren noch voller Hoffnung, dass er es schafft. Und jetzt wieder dahin zu gehen, wühlt alles wieder auf. Und so bin ich schlaflos im Bett liegend mal wieder Tag für Tag die Ereignisse gedanklich durchgegangen. Und noch immer suche ich nach Ansatzpunkten, wo wir etwas hätten anders machen müssen, damit mein Vater überlebt hätte. Noch immer, hört das denn nie auf. Es ist so sinnlos und so quälend.


    Heute vor drei Wochen ist mein Vater gestorben. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Und doch so kurz erst. Gerade war er noch da.


    Ohne Vater zu sein ist so schwer. Mein Leben fühlt sich nicht mehr richtig an, nicht mehr vollständig. Meine Familie ist nicht mehr vollständig, mein Vater fehlt und kommt nie mehr zurück. Ich schüttle den Kopf beim Schreiben, so sehr widerstrebt mir diese Tatsache. Es kann einfach nicht sein.


    Seit dem Tod meines geliebten Vaters ist mir klar geworden, wie fragil das Leben ist, und wie kurz. Wie wenig Zeit wir haben. Memento mori. Alles ist so vergänglich. Und am Ende müssen wir alles hier zurücklassen.


    Ich habe immer wieder Phasen, wo mir diese Gedanken kommen und ich tief in meinem Herzen einen schneidenden Schmerz spüre, weil die Vorstellung so ungeheuerlich ist.

    Das sind Momente tiefster Einsamkeit, die ich auch nicht mit meinem Mann teilen kann.

    Liebe Kerstin, genau so geht es mir auch. Diese Momente kommen bei mir häufig vor, dieser schneidende Schmerz, manchmal dumpf, manchmal stechend, und so ein Druck auf der Brust. So eine Last. Wenn ich daran denke, wie leicht und unbelastet mein Leben vorher war. Und ich hab es nicht einmal bemerkt. Und ich kann nie mehr in diese Leichtigkeit zurück, denn die Zeit mit meinem Vater ist vorbei hier auf Erden. Wenn ich nur noch ein einziges Mal mit ihm reden könnte, denke ich oft. Aber auch das würde nicht helfen, denn danach wäre er ja auch wieder weg. Nein, es gibt keine Lösung. Es ist einfach vorbei. Ich kann nichts mehr tun, nichts mehr wiedergutmachen, mich nie mehr vollständig fühlen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, jemals wieder unbeschwert so wie früher durchs Leben zu gehen. Denn auch bei mir ist dieser Gedanke ständig, und ich meine wirklich immer, jede wache Sekunde, präsent: Mein Papa ist tot. Das muss doch einmal aufhören, wie soll ich so je wieder ein normales Leben führen? Auf der anderen Seit denke ich, dass ich diesen Gedanken brauche, um meinen Vater in meinen Erinnerungen lebendig zu behalten. So paradox das klingt.


    Ich denke, dein Papa hat dich auf der Astralebene besucht - was dafür spricht ist diese ungeheure Realität und auch, dass er dir in jünger erschienen ist

    Ja, ich hab mich gefragt, was dieser Traum mir sagen will. Dass mein Vater da ist, auf einer anderen Ebene. Er war jünger, so wie er in seinen Sechzigern war, voller Kraft und Ideen. Es war einfach so schön, ihn zu sehen.



    hasi

    Liebe Helga, das stimmt, die Corona-Situation macht alles sehr schwierig. Nicht nur für meinen Partner, sondern auch allgemein für den Umgang miteinander. So sind Umarmungen oder eine Hand auf die Schulter legen selbst bei uns in der Familie schwierig. Meine Mutter ist ja auch 71 und damit Risikogruppe, und natürlich wollen wir auf keinen Fall, dass sie sich ansteckt. Also müssen wir uns zurückhalten und können nicht den natürlichen Regungen folgen.



    Im Moment belastet mich zusätzlich zu meiner riesigen Trauer auch noch die Sorge, dass meiner Mutter etwas passieren könnte. Diese Fragilität des Lebens, die ich weiter oben angesprochen habe, führt dazu, dass ich denke, es könnte jederzeit wieder jemand sterben. Einfach so, unvorbereitet. Oder meine Tochter. Nicht auszumalen, dieser Schmerz.


    Es tut so weh. Alles. Ich ertrinke in meinem Schmerz. Es ist so unfair. Ich will es nicht wahrhaben. Ich möchte hoffen, dass ich ihn wiedersehe, aber ich zweifle. Diese Sehnsucht, dass er zurückkommt, ist jeden Tag stärker. Und gleichzeitig gehen Erinnerungen verloren.


    Seid alle lieb umarmt, die mit mir bis hierher gelesen haben.

  • Denn auch bei mir ist dieser Gedanke ständig, und ich meine wirklich immer, jede wache Sekunde, präsent: Mein Papa ist tot. Das muss doch einmal aufhören, wie soll ich so je wieder ein normales Leben führen?

    Liebe Silvia,


    ich frage mich auch, ob das einmal aufhört. Meine Mutter ist ist jetzt zwei Jahre nicht mehr bei mir, in meinen Gedanken ist sie jedoch ständig.

    Eine kleine Besserung gibt es aber doch: In den ersten eineinhalb Jahren bin ich jeden Morgen mit dem quälenden Gedanken, dass sie tot ist, aufgewacht. Kaum die Augen auf, gleich die schreckliche Erkenntnis als allerersten Gedanken im Kopf und sogleich den Schmerz im Bauch gefühlt.

    Das hat sich inzwischen deutlich abgemildert!


    Deine Lebensangst ist mir auch nicht fremd. Zeitweise habe ich Angst, so krank zu werden, wie es meine Mutter war. Sie hat wirklich viel durchmachen müssen.

    Die Leichtigkeit des Seins ist mir verlorengegangen, und ich arbeite hart daran, mir wieder so etwas wie Normalität in meine Einstellung zu den Dingen zurückzuerobern.

    Das ist tatsächlich ein aktiver Vorgang, von selbst passiert das nicht.


    Liebe Silvia, ich glaube, dir wird das Buch von der Megan Devine guttun. Du wirst dich darin wiederfinden und dich verstanden fühlen in deiner Trauer. Ich selbst besitze dieses Buch erst wenige Monate, es hatte für mich aber trotzdem noch jede Menge Aha-Effekte.

    Mein "Bücherweg" durch die Trauer war/ist eher spiritueller Natur bzw. befasst sich mit der Erforschung von Nachtodkontakten usw. Mir hat das sehr geholfen, weil ich offen dafür bin.

    Jeder geht eben seinen ganz eigenen Weg, und leider muss jeder diesen Weg alleine finden und gehen. Niemand kann dir deine Trauer abnehmen:(Sie ist das Gegenstück zu deiner großen Liebe für deinen Vater.


    Interessant in der Trauerliteratur finde ich, wie so mancher Autor vom Saulus zum Paulus wurde.

    Megan Devine war Psychotherapeutin und dachte, über die menschlichen Gefühle Bescheid zu wissen, bis die Trauer sie umgeworfen hat.


    Roland Kachler, ebenfalls studierter Psychotherapeut, dachte auch, die Trauernden müssten ihre Verstorbenen einfach nur loslassen, dann ginge es ihnen wieder gut.

    Dann starb sein Sohn, und seine Welt brach zusammen. In seinem Buch "meine Trauer wird dich finden" beschreibt er seinen langen, langen Weg heraus aus der Trauer.



    "Urteile nie über einen anderen, bevor Du nicht einen Mond lang in seinen Mokassins gelaufen bist!"
    Der Indianer in Nordamerika


    Ich wünsche dir, dass morgen dein Tag nicht zu hart wird!

    <3

  • Ich bin auch neu hier.

    Liebe Kleene,

    Mein Mitgefühl zu deinem Verlust und willkommen hier im Forum <3 auch wenn es ein trauriger Anlass ist.


    Hast du schon einen eigenen Thread? Hier kannst du einen eigenen Beitrag machen, wo dich auch die anderen Gleichgesinnten "besuchen" können. Unter Verlust der Eltern, kannst du auf neuen Beitrag klicken.

    Ich hoffe das Schreiben hier hilft dir ein wenig alles zu verarbeiten. Wenn du Fragen hast, meld dich jederzeit.


    Alles Liebe,

    Isabel

  • Kleene-3

    Liebe Kleene, es tut mir so leid, was du durchmachen musst. Ich kann gut nachfühlen, wie es dir geht. Dass du kämpfen musstest, um deine Mama gehen zu lassen, war bestimmt unglaublich anstrengend. Zu all den Gefühlen, dass ihre Zeit gekommen ist, dass sie so hat leiden müssen, hast du noch kämpfen müssen für einen würdigen Tod. Und dass du keine Familie mehr hast, die mit dir mit-trauert, das macht den Verlust noch schwerer und ist so einsam.


    Ich hatte beim Tod meines Vaters eher das Gefühl, dass ich noch mehr hätte machen müssen, um ihn zu retten. Denn anders als bei deiner Mama hatte ich den Eindruck, dass er noch leben wollte, dass er noch nicht bereit war zu sterben. Ich habe mich schon so oft gefragt, ob wir nicht hätten insistieren sollen, dass er an die Beatmungsmaschine kommt, vielleicht hätte so sein Leben gerettet werden können. Ist also genau die gegenteilige Situation. Du musstest dafür kämpfen, dass die lebensverlängernden Massnahmen beendet wurden, und ich mache mir Vorwürfe, dass ich nicht darum gekämpft habe, dass mein Vater solche bekommt. Die Ärzte meinten, dass er so schwach sei, dass er an der Intubierung sterben könnte. Aber vielleicht... Es ist so schwer. Egal wie die Umstände waren, der über alles geliebte Mensch ist weg, und wir bleiben zurück in der Trauer und der Leere und den Gedanken, was noch alles hätte sein können.

  • Liebe Kerstin


    Ich bin in deinem Beitrag ganz unten hängen geblieben am Buchtitel von Roland Kachler "Meine Trauer wird dich finden". Und ich habe es auch schnell gefunden bei amazon.de, wo es eine kurze Vorschau zum Lesen gibt. So viele Sätze haben mich gleich sofort angesprochen, und ich hab gedacht: Genau so ist es.


    Ich will nämlich meinen Vater auch nicht loslassen, er bleibt für mich der geliebte Papa, der er immer war all die Jahre. Ich will ihm einen Platz in meinem Leben geben, ich will meine Beziehung zu ihm, meine Liebe zu ihm weiterhin spüren. Und Roland Kachler schreibt dazu, dass diese Liebe nicht ins Leere läuft, sondern dass unsere Liebe transformiert wird während der langen Trauer. Die Seele will weiterlieben. Ja!


    Und weiter sagt er, dass die Trauer Ausdruck der Liebe sei, dass wir auch über den Tod hinaus mit unseren lieben Verstorbenen in Verbindung bleiben wollen. Ja! Unbedingt. Er schreibt: "Bildlich gesprochen, ist jede Träne, jedes Seufzen, jeder traurige Gedanke, jeder Teil ihrer Trauer wie eine unendlich wertvolle Perle, die Sie Ihrem geliebten Menschen aus Liebe schenken wollen." Das klingt so schön und gibt der Trauer einen Sinn in all der sonst empfundenen Sinnlosigkeit.


    Und weiter lese ich: "Wenn ich alleine zu Hause bin, ist seine Abwesenheit in der Leere des Hauses mit Händen zu greifen. Zugleich war mir mein Sohn noch nie so nahe." Genau so geht es mir auch. Noch nie war mein Vater so lebendig in mir, so präsent, habe ich so viel über sein Wesen, seine Werte, sein Schaffen nachgedacht. "Er ist da- so intensiv wie nie." Ja!


    Meine Güte, und ich finde noch mehr, wo sich sogleich denke: Ja! Ja! Ja! Zum Beispiel schreibt Roland Kachler über die oft unbeachteten "Schwestern der Trauer". In der Vorschau sehe ich nur zwei: das Mitgefühl und die Liebe. Und beide Abschnitte sprechen mir so aus dem Herzen. Ich möchte gerne noch ein paar Sätze davon teilen, was beim Mitgefühl dazusteht: "Weil wir den Vestorbenen liebten, fühlen wir mit seinem Schicksal. Er musste vielleicht lange leiden, er darf nicht mehr leben - er, den wir so sehr liebten. Das ist so, als hätte ich gelitten, als dürfte ich nicht mehr leben. Das rührt mein Herz, das bekümmert mich, das schmerzt mich. Viele Trauernde fühlen sich so intensiv in den Verstorbenen ein, dass sie ihm mit allen Mitteln unbedingt seinen Tod erspart hätten..." So ist es bei mir. Dieses Bedauern, dass mein Vater so hat leiden müssen während seiner letzten Tage, ist so tief und so gross und so schwer auszuhalten. Deshalb auch meine ständige Suche nach Möglichkeiten, wie ich ihm seinen Tod hätte ersparen können. Diese quälenden Gedanken, wie er seine letzten Stunden hat verbringen müssen. Wie unglaublich anstrengend das für ihn gewesen sein muss. Das quält mich.


    Das Buch ist nun auch bestellt. Vielen Dank, liebe Kerstin, für die Erwähnung dieses Buchs. Ich spüre, dass ich durch das Lesen dieser Bücher ein vertiefteres Verständnis für meine eigene Trauer bekomme, dass es tatsächlich normal ist, was da alles in mir vorgeht, was mit mit mir passiert. Und dass mir das einen Weg eröffnet in eine Welt, in der mein Vater zwar physisch nicht mehr da ist, er aber doch weiterhin einen wichtigen Platz in meinem Leben einnimmt und auch einnehmen darf. Danach sehnt sich meine Seele. Ja, ich spüre im Moment so etwas wie Hoffnung, dass es wirklich möglich ist.


    Mein erster Arbeitstag nach dem Tod meines Vaters war bis jetzt ganz ok. Aber ich begegne auch fast niemanden wegen der Corona-Massnahmen. So ist es doch ein sanfter Einstieg zurück in die Arbeitswelt, wo ich noch viel Zeit für mich allein habe und mir meine Zeit frei einteilen kann. Das tut gut und fordert noch nicht meine ganze Präsenz.


    Und jetzt kommt der Nachmittag, das ist die Zeit im Tag, wo es mir am wenigstens schlecht geht, wo ich gedanklich ein bisschen zur Ruhe kommen kann und Atem schöpfen kann für die emotionalen Abend- und Nachtstunden.


    <3<3<3 an alle

  • Liebe Silvia,


    es freut mich sehr, dass ich dir ein wenig behilflich sein konnte und auch, dass dein erster Arbeitstag erträglich war.

    "Viele Trauernde fühlen sich so intensiv in den Verstorbenen ein, dass sie ihm mit allen Mitteln unbedingt seinen Tod erspart hätten..."

    Den Satz kann ich voll und ganz unterschreiben. Für meine Mutter hätte ich alles getan, ich habe mitgelitten ohne Ende.

    Drei Jahre voller Einsatz im Kampf gegen den Krebs. Immer wieder Phasen, wo wir beide dachten, er wäre besiegt, und dann kam schon wieder die nächste Hiobsbotschaft, wieder eine OP und wieder und wieder ...

    Das hat mich traumatisiert, diese Bilder verfolgen mich, daran knabbere ich heute noch.

    Es war ein enormer Stress, ich weiß gar nicht, wie ich das überstanden habe.

    Aber paradoxerweise sind es vor allem die schönen Bilder, die mich verfolgen: Die Erinnerung an die Phasen, wo wir dachten, alles sei gut, als die Normalität sich wieder einstellte. Wenn ich an diese Phasen zurückdenke, könnte ich nur heulen. Bis heute schaffe ich es (noch) nicht, dankbar zu sein, dass wir diese Zeit überhaupt hatten. Vielmehr empfinde ich Bitterkeit.

    Meine Mutter, die immerhin schon über achtzig war, musste sich im Laufe der Zeit 5 schweren OPs unterziehen. Alles umsonst. Letztendlich. So sehe ich das. Immer noch.

    Ich hoffe, ich kann es irgendwann einmal anders sehen, aber im Moment, in diesem Aspekt scheine ich in meinem Trauerweg noch am Beginn zu stehen, klappt das nicht:(


    <3

  • Liebe Kerstin


    Ja, es ist so schrecklich mitansehen zu müssen, wie jemand, den wir so sehr lieben, leiden muss. Das ist fast nicht zu ertragen. Ich hätte auch alles getan, um meinem Vater zu helfen, aber niemand konnte ihm mehr helfen, keine Ärzte, keine Medikamente, keine Maschinen, keine Gebete. Und am Ende hatte ich das Gefühl, sie lassen ihn einfach so sterben. Mir steigen sofort die Tränen in die Augen, wenn ich daran denke, wie er einsam mit seiner Sauerstoffmaske schwer atmend da lag. Bei mir waren es nur ein paar Tage, bei dir Jahre. Ich kann mir nicht ausmalen, wie unglaublich anstrengend und schwer und unerträglich diese Jahre waren.


    Wir hatten gestern Abend noch Besuch vom Hausarzt unseres Vaters. Er hat den Todesfallbericht vom Krankenhaus, den wir angefordert hatten, persönlich vorbeigebracht. Er war selber auch total schockiert und wollte unsere Fragen zum Bericht so gut er konnte beantworten. Es war ein gutes, offenes Gespräch. Aber es hat bei mir wieder so vieles aufgewühlt. Und obwohl er unsere Fragen beantwortet hat, tauchen immer wieder neue Fragen auf. Es hört einfach nie auf. Schon wieder Stoff, über den ich nachdenken muss. Mein Gehirn lässt mich nicht in Ruhe, ich will alles wissen, alle Möglichkeiten noch einmal durchgehen. Was wäre gewesen, wenn... Ich komme gedanklich gar nicht mehr zur Ruhe. Ich habe später den Bericht dann noch selber gelesen, und das hätte ich besser nicht tun sollen. Schwarz auf weiss in medizinischer Fachsprache zu lesen: Exitus letalis (tödlicher Ausgang einer Krankheit) am 30.03.2020. Das war einfach zuviel für mich.


    Hatte ich gestern noch einen kleinen Hoffnungsschimmer verspürt, dass diese unendliche Trauer, dieser ständige Schmerz sich vielleicht doch eines fernen Tages in etwas Erträgliches wandeln könnte, so stehe ich heute Abend wieder weinend vor einem Scherbenhaufen. Alles macht mich traurig. Warum nur musste alles so kommen? Warum konnte das Wunder nicht geschehen, um das ich Gott angefleht habe? Ich drehe mich im Kreis. Ich kann keinen Frieden finden.


    Gibt es denn wirklich nichts, was diesen Schmerz stillen kann? Nein, es kann nichts geben. Wie denn auch. Der geliebte Papa kommt nie mehr zurück. NIE MEHR. Die Ereignisse waren, wie sie waren. Ich habe überhaupt nichts in der Hand, um irgendetwas verändern zu können. Ich bin gezwungen, mich darin zu schicken und weiterzuleben in einer Welt, die nie mehr die gleiche ist. Und doch ertappe ich mich immer wieder dabei, gedankenverloren davon zu träumen, dass er überlebt hat und wie dann alles wäre. Wie ich Zeit mit ihm verbringen würde, wie wir reden würden über Gott und die Welt, wie er mir seine neuesten Bilder zeigen würde, oder wie wir einfach gemütlich zusammen mit meiner Tochter draussen im Garten auf der Lounge sitzen und die Aussicht geniessen würden. Stattdessen besuche ich ihn auf dem Friedhof, spiele ihm seine Lieblingsmusik vor und versuche irgendwie, eine Verbindung zu ihm aufzubauen. Immer wieder kommen mir die Bilder des Sarges in den Sinn, wie er da unten liegt und wie er jetzt wohl aussieht. Ich will es nicht wissen. Und doch taucht der Gedanke an seinen sich langsam zersetzenden Körper immer noch regelmässig auf. Dass es nur diese Hülle ist, die von einem geliebten Menschen übrig bleibt, wird für mich je länger je mehr unvorstellbar. Es muss sie doch geben, die unsterbliche Seele. Ja, ich wünsche es mir so sehr, dass es sie gibt. Das ist im Moment das einzige, was mich ein bisschen zu trösten vermag. Dass er nicht ganz weg ist, dass es ihn in seiner Essenz noch gibt. Irgendwo. Dass es ihm gut geht dort, wo er jetzt ist. Und dass wir uns wiedersehen.

  • Liebe Silvia,


    aus deinen Worten lese ich heraus, wie stark dich heute deine Trauer niederdrückt!

    Das Lesen eines Todesberichts ist schmerzhaft;( Ich kenne das nur allzu gut. Noch viele Monate nach dem Tod meiner Mutter kamen immer wieder Rechnungen vom Krankenhaus, die ich dann bei der Krankenkasse einreichen musste; natürlich steht da alles haarklein aufgelistet, von der Spritze über die Medikation bis hin zum Todestag: Exitus letalis ... Das TUT WEH ...

    Denn da steht schwarz auf weiß, ganz knallhart und ohne jeden Schnörkel, dass sie tot ist.


    Was dir heute passiert ist, diese erneute Konfrontation, ist also nur ein Stein auf dem steinigen Weg irgendwann heraus aus der schlimmsten Trauer.

    Gibt es denn wirklich nichts, was diesen Schmerz stillen kann?

    Du verlangst von dir zu viel, liebe Silvia. Dein ganzes Leben ist durch den Tod deines Papas auf den Kopf gestellt, nichts ist mehr so wie zuvor. Sich an die neue Situation zu gewöhnen, benötigt unglaublich viel Zeit.

    Die musst du dir, deinem Körper und deinem Geist gönnen.

    Ich möchte dir ein kleines Beispiel geben:

    Stell dir vor, du hättest irgendeine schlechte Angewohnheit, die du dir unbedingt abgewöhnen willst; du nimmst dir also vor, dich an deine selbst aufgestellten Regeln zu halten. Preisfrage: Schaffst du das ohne große Anstrengung, oder kostet es dich mehr Mühe, als du angenommen hattest? Ich denke mal, eher Letzteres.

    Ich möchte damit sagen, dass alle Gewohnheiten, und dazu gehört auch, dass dein Vater ein Bestandteil deines Lebens war, Bahnen, also Vernetzungen (Gedächtnis!) in deinem Gehirn hinterlassen haben. Und diese Vernetzungen sind quasi wie einzementiert. So viele Dinge hast du alltäglich mit ihm geteilt, ob du nun regelmäßig mit ihm spazieren gegangen bist, oder jeden Morgen Kaffee mit ihm zusammen getrunken hast und, und, und ... das sind alles Datenbahnen, die nun ins Leere laufen.

    Jetzt aber MUSST du ein anderes Leben leben, eines ohne deinen physisch präsenten Vater.

    Vom Verstand (Gehirn) her weißt du, dass er tot ist, dein Gedächtnis aber weigert sich, dies als Realität zu akzeptieren, weil es an anderes gewöhnt war. Dieser Prozess nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Sehr viel Zeit. Außerdem hast du dich ja nicht aus freien Stücken entschlossen, ein Leben ohne deinen Papa zu führen, diese Situation ist dir aufgezwungen worden!

    Glaube mir, dein Gehirn muss jetzt Schwerstarbeit leisten! Wir Trauernden müssen lernen, alte Gewohnheiten abzulegen und uns neue zulegen, damit wir irgendwann ein zumindest erträgliches (neues) Leben führen können,

    Sei geduldig mit dir. Ich weiß, das ist schrecklich schwer:(

    Mir hat immer geholfen, die winzig kleinen Momente, in denen ich mich eine Spur besser gefühlt habe, ganz bewusst zu genießen, damit sich mein Körper erholen konnte. Ich habe mich dann auch immer selbst gelobt, dass ich imstande war, mich besser zu fühlen und nicht immer nur schlecht. Ich habe es als Fortschritt gewertet.


    Dein kleiner Hoffnungsschimmer, den du , wenn auch nur kurz, gehabt hast, zeigt, dass es einen Weg heraus aus der schwärzesten Trauer gibt <3

  • Liebe Silvia ,

    Ich kann deine Worte und Emotionen , diese Machtlosigkeit, das begreifen dieser Endgültigkeit, die man nicht verstehen kann so nachvollziehen.
    Man hat den Drang noch etwas zu tun, in der Hoffnung / oder im Unterbewusstsein, dass es sich doch noch ändert , dass es ein gutes Ende nimmt, doch dann bekommt man die Wucht des „nicht ändern „ können mit aller Kraft zu spüren und man ist fassungslos .jeden Tag aufs Neue . Meine Mutter ist am 03.12.2019 nach einem Herzinfarkt mit nur 51 Jahren völlig unerwartet gestorben. Habe dazu auch einen Beitrag. Ich Trauer bald fast 5 Monate . Ich begreife es bis heute nicht . Egal was man macht , man nimmt was in die Hand , überall stecken die Erinnerungen, und Gedanken an die Zukunft schnüren einen zu. Man kann sich das weitere Leben so nicht vorstellen, mit dem Wissen , dass es einfach so bleibt . Ich will dir sagen, dass ich deine Worte eins zu eins verstehe. Und das auszuhalten , diese Gedanken und Gefühle ist nicht zu beschreiben. Manchmal würde man einfach nur gern weg laufen, aber die Gefühle und Gedanken , Fragen sind ja mit an Bord . Es ist fürchterlich.
    ich wünsche dir viel Kraft !!!

  • Ihr Lieben


    Ich danke euch für eure mitfühlenden Kommentare. Heute ist wieder ein schwerer Tag. Denn heute hätte mein Vater Geburtstag gehabt, er wäre 72 Jahre alt geworden. Und heute vor drei Wochen war seine Beerdigung. Ich sitze da und die Tränen laufen über mein Gesicht. Es wäre so ein schöner Tag zum Feiern gewesen, die Sonne scheint, alles ist ruhig und friedlich. Stattdessen ist es für mich ein Tag der tiefen Trauer. Wieder einer, aber heute ist es besonders hart.



    Julia W.

    Liebe Julia. Dieser Drang, noch irgendetwas tun zu wollen, um den Lauf der Dinge zu verändern, ist bei mir sehr stark. Mir ist voll bewusst, dass es nichts zu ändern gibt, dass die Ereignisse waren, wie sie waren, und dass alles umsonst ist, was ich mir so ausdenke. Und doch komme ich nicht dagegen an. Es ist wie ein Strohhalm, an dem ich mich festhalte, in der Hoffnung, dass es wider besseres Wissen vielleicht doch noch anders kommt. Es ist absurd.

    Es tut mir so leid, dass deine Mutter so jung und so unerwartet sterben musste. Ich hoffe einfach, dass wir eines Tages mit diesem riesigen, unersetzbaren und extremen Verlust irgendwie wieder Frieden finden können in unserem Leben, das weitergeht, als ob nichts gewesen wäre.


    Nelo

    Liebe Kerstin. Es ist wahrlich Schwerstarbeit. Du hast Recht, im Gehirn muss sich so vieles umstellen. Und da mein Gehirn im Moment die Realität noch nicht annehmen kann, weil die alten Datenbahnen einfach noch alle da sind (da sie ja auch über viele, viele Jahre regelmässig, jeden Tag gefüttert wurden), bin ich gefangen in diesem Niemandsland. Die alten Gewohnheiten sind noch da und wollen gelebt werden, aber die äusseren Umstände in der Realität lassen es nicht mehr zu. Der bewusste Teil im Gehirn versteht, was passiert ist, im unbewussten Teil jedoch ist die Realität noch nicht so richtig angekommen. Kein Wunder, bin ich innerlich zerrissen.

  • Ich stehe heute wirklich ein wenig neben mir. Ich möchte gerne so vieles schreiben, aber ich finde keine Worte mehr. Ich habe den Eindruck, ich wiederhole mich ständig. Immer nur die gleichen, bedrückenden Gedanken, die gleichen schweren Gefühle. In der getrübten, dunklen Welt, in der ich momentan lebe. Im Moment habe ich auch keine Tränen mehr. Es kommt mir gerade wieder einmal alles sinnlos und leer vor. Und das, obwohl ich eine so liebe, kleine Tochter habe, die ich über alles liebe. Obwohl ich noch meine Geschwister und meine Mutter habe und meinen Partner, die ich auch alle sehr, sehr lieb habe. Und liebe Freunde. Ich glaube daran, dass es irgendwann wieder besser und leichter wird. Nur momentan geht es nicht. Eines Tages wird wieder ein bisschen Frieden in mein Herz einziehen und ein bisschen Luft und Leichtigkeit und vielleicht sogar Dankbarkeit. Aber noch ist es nicht soweit. Noch muss ich durch dieses dunkle Tal, und ich habe keine Ahnung, wie lang es noch ist.

  • Ihr Lieben


    Heute hat es wirklich in sich. Zu all den widersprüchlichen Gefühlen vom Nachmittag kam heute Abend noch eine richtig schlimme Wut in mir auf. Eine kaum im Zaum zu haltende Wut. Die in mir brodelte. Ich musste mich extrem beherrschen, sie nicht an meiner Tochter auszulassen, und trotzdem ist es passiert, dass ich ungeduldig und laut mit ihr war und von ihr weggehen und auf die Matratze hauen musste, damit ich mich wieder einigermassen beruhigen konnte. Natürlich ist sie erschrocken. Ich fühle mich hundeelend. So eine Wut kenne ich gar nicht von mir. Ich bin nicht sicher, woher die auf einmal herkommt. Hat sie etwas mit meiner Trauer zu tun? Ist es die Wut auf das Schicksal, das mir meinen Vater viel zu früh genommen hat? Ich kann sie gerade nicht richtig zuordnen. Oder hat sich einfach allgemein zu viel Druck in mir aufgebaut?


    Das alles ist so anstrengend. So unvorhersehbar.


    Dann jetzt wieder die Tränen. So eine Sehnsucht nach ihm, ihn noch einmal zu sehen, mit ihm zu reden. Ihn einfach nur anzuschauen. Ihn noch einmal hier zu haben. Ihm zu sagen, wie leid es mir tut, dass ihm niemand helfen konnte, dass ich die letzten Wochen vor seinem Tod so wenig Zeit mit ihm verbracht hatte, obwohl ich ihn fast täglich gesehen habe. Was gäbe ich, das ungeschehen zu machen. Ich kann es nie mehr wiedergutmachen. Ich möchte, dass unsere Familie wieder vollständig ist, aber es geht nicht. Die Vergeblichkeit meiner Gedanken ist mir so sehr bewusst. Ein richtiges Loch im Herz, eine schreckliche Leere tut sich auf.


    Ich habe heute im Auto das Hörbuch "Sara und die Eule" gehört. Ich habe es ein paar Tage nach dem Tod meines Vaters von einem Freund geschenkt bekommen. Es geht in etwas darum, in eine Geschichte verpackt, wie man möglichst immer in der reinen, positiven Energie leben kann, und dass dies unser Geburtsrecht ist. Obwohl ich das nicht glaube und mir das viel zu einseitig ist, habe ich doch reingehört, naja, so nebenbei, eigentlich war ich gedanklich woanders. Und trotzdem ist ein Satz hängengeblieben, der in etwa so lautet: Trotz allem halte ich mein Herz offen. Irgendwie hat mir das gefallen. Dieses "trotz allem". Trotz allem, was passiert ist, habe ich doch noch die Wahl, ob ich mein Herz öffne oder verschliesse. Mit offenem Herzen trauern ist es, was ich möchte. Dann wird das Herz gross und die Liebe kann fliessen. Und dann wird diese Leere wieder ein wenig aufgefüllt. Das spüre ich auch. Die Liebe zu meinem Vater spüre ich so gross und stark wie nie. Und so denke ich an diese Liebe, die ohne Zweifel da ist und die für immer in mir lebendig sein wird und mein Herz wird wirklich offen, trotz all der Trauer und dem Schmerz und den Schuldgefühlen und der Wut.

  • Ihr Lieben


    Gestern war ein seltsamer Tag. Ein Gefühls-Chaos sondergleichen. Hin- und her gerissen zwischen tiefer Trauer, Sehnsucht, Bedauern, Wut und Liebe. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass dies möglich ist, so ein Leiden, so ein Schmerz, den ich nicht nur seelisch fühle, sondern wirklich körperlich spüre. Diese Anfälle von solcher Sehnsucht, meinen Vater zurückzuhaben, dass ich nicht weiss, wie ich das aushalten soll. Diese unbändige Wut, die ich gestern das erste Mal in mir erlebt habe, hat mich total durcheinander gebracht. Damit konnte ich gar nicht gut umgehen. Die anderen Gefühle lasse ich einfach zu und gebe mich ihnen hin, wenn es die Situation erlaubt, aber mit der Wut weiss ich nicht so recht etwas anzufangen.


    Heute ging es meiner Mutter gar nicht gut. Es wurde ihr so richtig bewusst, dass sie nicht einmal mehr mit ihrem geliebten Mann reden konnte, bevor er starb, dass sie ihn nicht einmal mehr umarmen oder küssen konnte. Sie macht sich Vorwürfe, dass sie nicht insistiert hat, dass sie ihn hätte besuchen können, als es ihm noch besser ging. Wegen Corona war dies ja alles nicht möglich, und niemand hat am Anfang des Krankenhausaufenthalts geahnt, dass er sterben würde, und dann noch so schnell. Sie hat sehr geweint, und natürlich musste ich dann auch weinen. Mir geht es ja gleich. Tröstende Worte gibt es einfach nicht. Es gibt einfach nichts, was diesen Schmerz lindern kann.


    Bevor ich hier heute Abend zu schreiben angefangen habe, hat sich draussen in der Nacht eine ganz schmale Mondsichel gezeigt. Ich erinnere mich noch ganz genau, dass ich vor einem Monat den gleichen schmalen Mond zusammen mit meiner Tochter angeschaut habe. Da hat mein Vater noch gelebt, war aber bereits im Krankenhaus, wir hatten aber noch keine Ahnung vom Ernst der Lage. Als er dann ein paar Tage später gestorben ist, habe ich jede Nacht zum Mond hoch geschaut, der immer am Himmel stand, und immer mehr zunahm, und habe diesen wunderschönen Mond angeweint. Zerrissen vor Schmerz und unter Schock. Der Schmerz ist immer noch gleich gross, der Schock lässt langsam nach, auch wenn es für mich immer noch unfassbar ist, dass mein Vater nicht mehr bei uns ist, und nie mehr nach Hause kommt.


    Ich fühle mich einfach nicht mehr vollständig, seit mein Vater gestorben ist. Es wird nie mehr so sein wie vorher. Ich fühle mich so unsicher, wie ein Blatt im Wind. Ich merke erst jetzt, welche Stütze mein Vater mir war im Leben. Wie sein Dasein, seine ruhige Präsenz mir Stabilität und Stärke geschenkt hat, und die Gewissheit, dass es für alles eine Lösung gibt. Mein Grundvertrauen ins Leben ist total erschüttert. Einfach so, unerwartet und nichtsahnend wird einem der liebe Papa entrissen. Für immer. Wenn ich nur rüber gehen könnte in mein Elternhaus und er würde wie immer auf seinem Platz auf dem Sofa sitzen und mit meiner Mutter zusammen fernsehen. Das wäre so schön. So unglaublich schön. Ein Erwachen aus diesem Alptraum, der momentan mein Leben ist. Es war so schön, und jetzt ist es einfach nur schwer.


    Schlaft alle gut, ihr lieben Menschen. Ich muss darauf vertrauen, dass es irgendwann ein bisschen leichter wird.

  • Liebe Silvia!

    Es wird irgendwann besser,aber es wird lange dauern.Auch eine Bekannte von mir hat jetzt ihre Mutter

    verloren und die hat ihr am Telefon Vorwürfe gemacht,warum sie nicht bei ihr ist,wo es ihr so schlecht geht,

    ja sie ist etwas dement,aber das waren die letzten Worte die sie von ihr gehört hat und sie durfte ja auch nicht

    hin,selbst als sie am Telefon gehört hat,das es bald zu ende geht haben die vom KH gesagt,wohin

    sollen wir sie verlegen auf die Palliativstation und ein paar Stunden später riefen sie an ,das sie ganz schnell

    kommen sollte.Ja in dieser Corona Zeit ist es sehr schlimm.Ich habe auch sehr an meinen Eltern gehangen

    und hatte lange damit zu kämpfen aber es war eben eine andere Trauer,als mein Mann verstorben ist.

    Dasmerkt deine Mutter ja auch,wenn man solange mit jemandem zusammen war,alles geteilt hat

    und viel zusammen gemacht hat durcjh Höhen und Tiefen gegangen ist,dann schmerzt das sehr und

    dieser Schmerz wird nie vergehen.Liebe Grüße Helga

  • Liebe Helga


    Du hast Recht, für meine Mutter muss die Trauer anders sein, noch intensiver. Über 50 Jahre haben sich meine Eltern gekannt und ein sehr bewegtes Leben zusammen gelebt, sind zusammen durch Dick und Dünn gegangen, durch viele Höhen, aber auch einige Tiefen. Mein Vater hatte den Kopf voller Ideen, war ein sehr kreativer Mensch mit einer unglaublichen Schaffenskraft, dazu sehr reflektiert und philosophisch und spirituell höchst interessiert. Es war ein intensives Leben mit ihm. Die letzten Jahre ist er ruhiger geworden, immer noch voller Pläne, aber das Alltagsleben verlief doch in ruhigen, vorhersehbaren Bahnen. Meine Eltern hatte ihre täglichen Rituale und meine Mutter genoss dies sehr. Und jetzt auf einmal allein zu sein muss ganz, ganz schrecklich sein. Leben zu müssen mit der Vorstellung, allein alt zu werden. Die letzten Jahre allein durchs Leben zu gehen. Nie mehr auch nur ein Wort mit dem geliebten Mann sprechen zu können, ihn nie mehr zu umarmen, ihm nie mehr sagen können, wie gern man ihn hat, dass er die Liebe ihres Lebens war. Jeden Abend ins leere Bett zu steigen und allein aufzustehen. Ich habe neben meiner eigenen Trauer auch diese immense Mitgefühl mit meiner Mutter. Ich sehe, wie sie tapfer ihr Leben weiterlebt und ihren Tagesablauf so gut es geht aufrecht erhält. Und ich kann nichts anderes tun, als für sie da zu sein und mit ihr traurig zu sein. Ich finde es so ungerecht, sie hätte nach diesem bewegten Leben einen ruhigen, geregelten Lebensabend mit meinem Vater mehr als verdient. Und das macht mir auch alles zu schaffen. Dass das für sie nun nicht mehr möglich ist. Dass sie leiden muss. Und dass ich ihr nicht helfen kann. Denn auch ihr Schmerz wird nie mehr vergehen. Und das plagt mich gerade die letzten Tage manchmal mehr als meine eigene Trauer. Die Einheit meiner Eltern ist nicht mehr da, sie haben sich gegenseitig Halt gegeben und damit auch mir. Und nun ist meine Mutter auf sich allein gestellt und muss allein durchs Leben und das tut mir so unendlich leid für sie. Mein Gott, wie sehr ich sie liebe, und wie sehr hätte ich ihr diese ruhigen gemeinsamen Jahre gewünscht.


    Mein Leben verläuft wie zweigeteilt. Innerlich bin ich unglaublich traurig, voller Sehnsucht nach meinem Vater und meinem alten Leben, äusserlich lebe ich einfach weiter, kümmere mich wieder um fast alles wie vorher. Es gab ein Leben vor dem Tod meines geliebten Papas, und es gibt das Leben jetzt. Das ist nicht zu vergleichen. Es sieht jedoch sehr ähnlich aus von aussen. Aber mein Lebensgefühl ist ein total anderes. War ich vorher unbeschwert und grundsätzlich guten Mutes und zufrieden, so bin ich jetzt unsicher und schwankend und voller dunkler, schwerer Gedanken. Alles in mir schreit: Komm zurück, bitte komm zurück. Immer noch. Jeden Tag. Aber in meinem normalen Alltag ist mir das nicht anzusehen. Das kommt mir seltsam vor. Zum Glück kann ich hier diese Schwere und Dunkelheit in mir drin mit euch teilen. Das brauche ich im Moment sehr. Und deshalb bin ich hier. Und ich danke allen, die hier mitlesen und sich mit mir austauschen. Von Herzen Danke. Es hilft ein wenig, das alles ein kleines Bisschen besser auszuhalten. Und so komme ich durch die Tage. Durch diese endlosen Tage. Morgen ist mein Vater vier Wochen tot. Erst vier Wochen, aber mir kommt es vor wie eine Ewigkeit. Alles ist zäh.

  • Liebe Silvia!

    Die Mutter von meinem Mann ist ja im Januar vor ihm verstorben und meinen Schwiegervater hat es auch

    mitgenommen,aber es war ihm kaum anzumerken und er ist gut damit klar gekommen.Mich hatte es sehr

    mitgenommen.Aber als sein Sohn dann im Dezember starb,das hat ihn sehr mitgenommen,mehr als der

    Tod seiner Frau und es bedrückt ihn sehr und meinen Schwager auch,denn sie waren zweieiige Zwillinge.

    E s ist schön,das man sich hier im Forum so gut austauschen kann,Liebe Grüße Helga

  • Liebe Silvia,


    die letzten Tage hatte ich mit Migräne zu tun, sodass ich mich erst jetzt zurückmelde.

    Mein Leben verläuft wie zweigeteilt. Innerlich bin ich unglaublich traurig, voller Sehnsucht nach meinem Vater und meinem alten Leben, äusserlich lebe ich einfach weiter, kümmere mich wieder um fast alles wie vorher.

    So ergeht es mir auch. Auch heute, nach zwei Jahren. Wann das mal besser wird, wer weiß?

    Ich führe ein privates Tagebuch, in das ich jeden Tag meine Gefühlslage und meine Aktivitäten und was ich so erlebe aufschreibe. Auch besitze ich ein Kartenlegeset mit Botschaften aus der geistigen Welt. Diese Karten benutze ich immer wieder mal, nicht jeden Tag, sondern eher nach Gefühlslage.

    Jedenfalls hatte ich vor ein paar Monaten eine besonders schlechte Phase; ich war extrem unzufrieden und deprimiert und trauerte auch wieder verstärkt (also um einiges mehr als üblich).

    An jenem Abend habe ich geweint und verzweifelt in mein Tagebuch geschrieben: "Ich bin nicht ich!!!"

    Dann hatte ich den Impuls, eine Karte zu ziehen. Auf der Karte stand: "Sei du selbst."

    Für mich eine klare Antwort aus der geistigen Welt;) Jedenfalls passte die Antwort wie die berühmte Faust aufs Auge ...

    Und ich kann nichts anderes tun, als für sie da zu sein und mit ihr traurig zu sein.

    Das ist eine Menge, was du da für deine Mutter leistest.

    Der Schmerz ist immer noch gleich gross, der Schock lässt langsam nach, auch wenn es für mich immer noch unfassbar ist, dass mein Vater nicht mehr bei uns ist, und nie mehr nach Hause kommt.

    Der Schmerz selbst hat sich bei mir auch noch nicht groß verändert, ich habe nur gelernt, besser mit ihm umzugehen. Es gibt Tage, an denen mich die Trauer ganz unerwartet überfällt, wie ein Tiger, der mich von hinten anspringt. Und dann tut es richtig, richtig weh. Das hinterhältige dabei ist, dass es wirklich total unvermittelt passiert; eben noch einigermaßen guter Stimmung, und dann tieftraurig.

    Aber so ist die Trauer, man muss es akzeptieren und zulassen.

    Auch die Wut, die du angesprochen hast und dich verunsichert. Sie ist ein Teil der Trauerarbeit und darf gelebt werden. Lass sie heraus aus deinem Körper, alles andere würde dich auf Dauer nur vergiften.

    Manch einer greift zum Kopfkissen und schlägt mit der Faust darauf ein, wieder andere schreien laut.

    Glaube mir, diese Gefühle sind normal und legitim.

    Auch der Neid. Damit hatte ich viel zu tun. Ich war praktisch auf jeden, der in seiner Familie noch die alten Eltern hat, neidisch, sogar auf meinen Mann, der noch beide Eltern hat. Ich habe dieses Gefühl zugelassen, und irgendwann war es überwunden. Nur an wirklich ganz miesen Tagen steigt zuweilen noch einmal ein Hauch davon in mir hoch.

    Nie hätte ich mir vorstellen können, dass dies möglich ist, so ein Leiden, so ein Schmerz, den ich nicht nur seelisch fühle, sondern wirklich körperlich spüre

    Oh ja, wie oft denke ich dasselbe!

    Ich nannte und nenne Trauer eine körperliche und seelische Grausamkeit.


    Und nur derjenige, der sie erlebt hat, kann wirklich mitreden.


    <3

  • Ich möchte gerne so vieles schreiben, aber ich finde keine Worte mehr. Ich habe den Eindruck, ich wiederhole mich ständig. Immer nur die gleichen, bedrückenden Gedanken, die gleichen schweren Gefühle.

    Liebe Silvia,

    Schön das du deinen Gefühlen hier Ausdruck verleihen kannst. Auch wenn vieles ähnlich klingt, du wiederholst dich nie- deine Trauer zeigt sich immer in neuen Facetten, anderen Blickwinkeln und unterschiedlichen Emotionen.


    Ich hoffe du hast heute einen etwas besseren Tag <3

  • Ihr Lieben


    Vielen, vielen Dank für eure mitfühlenden Kommentare.


    Heute vor vier Wochen ist mein Vater gestorben. Ein ganzer Monat ist seit seinem Tod vergangen. 28 Tage. Und jeder einzelne Tag war schwer. Es gab sehr schwere Tage und auch weniger schwere Tag, aber schwer waren sie alle. Wirklich alle. Immer am Montag denke ich besonders intensiv an die Zeit vor seinem Tod, wo ich noch mit ihm zusammen war. Wie er in seinem Krankenhausbett lag, matt und total erschöpft, mit dieser Sauerstoffmaske auf dem Gesicht, die Augen geschlossen. Diese Bilder werde ich nie mehr vergessen, es war meine letzte Stunde mit ihm und sie ist mir unglaublich kostbar. Ich weiss nicht mehr genau, was ich ihm alles gesagt habe, ich habe viel geweint, ich habe ihm seine Lieblingsmusik vorgespielt, und ich war mit ihm da. Er konnte nicht mehr sprechen, aber er hat mich noch angeschaut, und auch diesen letzten Blick werde ich nie mehr vergessen. Ich empfinde so viel Respekt und Dankbarkeit, dass er durchgehalten hat, bis er uns alle noch einmal gesehen hat und wir uns alle von ihm verabschieden konnten. Das muss ihn unglaublich viel Kraft gekostet haben, aber er hatte schon immer einen sehr, sehr starken Willen, gegen alle Widerstände konnte er ruhig und beharrlich seinen Weg gehen. Aber gegen seinen kranken Körper konnte er schliesslich nichts mehr ausrichten, da musste er kapitulieren.


    Nelo

    Liebe Kerstin. So schön, dass du wieder da bist und dich gemeldet hast. Ich bin froh, dass es dir wieder besser geht.

    Diese Wut hat mich wirklich sehr verunsichert, da ich sie nicht zuordnen konnte, es gab keinen speziellen Auslöser dafür. Sie war einfach auf einmal da. Und dann gleich stark. Sie ist bis jetzt auch nicht wiedergekommen. Aber wahrscheinlich wird sie es. Du hast recht, ich muss versuchen, einen Weg zu finden, wie ich sie ausagieren kann, am besten alleine. Ich weiss nur noch nicht wie. Bis jetzt hatte ich mit Wut nicht viel zu tun und darum wenig Erfahrung im Umgang mit diesem Gefühl. Als du in deinem Beitrag den Neid angesprochen hast, ist mir klar geworden, dass ich auch Neid empfinde. Das war mir nicht richtig bewusst vorher. Neid, dass andere ihre beiden Eltern noch haben. Ganz genau. Dazu empfinde ich es geradezu als ungerecht, dass deren Eltern noch leben, sie es aber gar nicht richtig wertschätzen und einfach ahnungslos in den Tag hineinleben. Dabei war ich ja gleich. Auch mein Partner hat seine beiden Eltern noch. Und obwohl ich eindringlich mit ihm geredet habe, sehe ich nicht, dass sich an seiner Haltung etwas verändert hat.


    Ich bitte meinen Vater oft, mir doch bitte Zeichen zu schicken, dass er noch da ist. Dass es ihm gut geht. Dass ich nicht mehr zweifeln muss. Aber bis auf einige weisse Federn in den ersten Tag nach seinem Tod und diesem Traum, in dem er mir mitgeteilt hat, dass er wieder da ist, habe ich keine weiteren Zeichen mehr bekommen. Wenn ich in die Weite des nächtlichen Himmels schaue, überkommt mich ein Gefühl der Einsamkeit, da ich nicht weiss, wo ich ihn suchen soll da draussen. Er muss doch irgendwo sein. So gern hätte ich diese Gewissheit, dass er irgendwo ist. Aber so oft zweifle ich und denke: Und wenn doch einfach alles vorbei ist. Wenn doch alles umsonst war und wenn er doch weg ist für immer und ich ihn nie mehr wiedersehe. Das ist so trostlos. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es wirklich so ist, und doch fehlt mir eben diese tiefe, innere Gewissheit noch, dass es sie gibt, die unsterbliche Seele.


    Ich rede jeden Abend im Geiste mit meinem Vater. Meistens weinend. Ich muss ihm immer wieder sagen, wie leid es mir tut, dass er so leiden musste, dass ihm niemand helfen konnte. Ich sage ihm, wie sehr ich ihn vermisse. Wie sehr ich es bereue, dass ich nicht mehr Zeit mit ihm verbracht habe. Ich flehe ihn an, dass er mir bitte verzeihen möge. Ich sage ihm, wie gern ich ihn habe und wie dankbar ich bin, dass ich seine Tochter bin und er 45 Jahre an meiner Seite war und mich immer unterstützt hat und stolz auf mich war. Ich verspreche ihm, dass ich gut auf seine Frau, meine Mutter, aufpasse und für sie da bin.


    Das gibt mir ein bisschen Stabilität, dass ich denke, ich kann ihm wenigstens noch etwas sagen. Und vielleicht hört er es ja.


    Euch allen eine gute Nacht.