Mit 36 sollte man noch nicht gehen müssen...

  • Hallo zusammen,


    meine Partnerin verstarb letztes Jahr im August im Alter von 36 Jahren an einer widerlichen Krebserkrankung. Von der Diagnose bis zu Ihrer Reise vergingen lediglich 1 1/4 Jahr. Ich habe sie während der gesamten Zeit begleitet und gepflegt, alles um sie herum geregelt und versucht, es ihr so schön wie möglich zu machen...bis sie starb.


    Die ersten Tage nach ihrem Ableben war alles dumpf, wie in Watte gepackt habe ich mich gefühlt. Unser Schlafzimmer konnte ich nicht mehr betreten. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, die Wohnung nie wieder zu betreten, wenn sie nicht mehr da ist. Aber auch da lehrte mich die Trauer etwas völlig anderes. Ich wohnte weiterhin 3 Monate lang in unserer gemeinsamen, liebevoll eingerichteten Wohnung, die ich nach wie vor unglaublich vermisse.


    Die Beerdigung war größtenteils gut durchgeplant, wir hatten leider viele Gespräche, wie alles denn ablaufen soll. Es war ein warmer Tag, an dem wir sie zu Grabe trugen. Sie liegt nun in einer Urne unter einem jungen Baum, mit welchem sie zusammen wachsen kann. Wir haben sie gebührend verabschiedet.


    Erst nach der Beerdigung habe ich so richtig realisiert, was ihr Ableben eigentlich für mich bedeutet. Nicht nur gefühlstechnisch, sondern auch was Tagesbläufe, Routinen etc. angeht. Es nagte jeden Tag an mir. Ich wachte über 3 Monate jede Nacht zu ihrer Todeszeit um 02:45 Uhr auf. Das war eine Qual, die ich keinem wünsche. Alles schien einfach nicht besser zu werden. Jeden Tag Tränen, die üblichen Trauerwellen wurden zu einem Sturm auf hoher See, flachten dann wieder ab, nur um wieder an Kraft zu gewinnen und wieder über mir herein zu brechen. Ich war schon seit der Mitte ihrer Erkrankung in Psychotherapie mit dem Wissen, dass ich es ohne Therapie so oder so nicht durchgehalten hätte. Die Therapie gab mir Halt, mehr aber auch nicht.


    Seitdem hat sich die Trauer-See ein wenig beruhigt. Dann und wann, eben so wie heute, überkommt mich der Gedanke "SIE IST TOT!" genau so, als wüßte ich es noch nicht. Für ein paar Sekunden unglaublicher Schmerz, der aber schnell wieder abflacht. Dann denke ich oft daran, was sie in ihren jungen Jahren alles mitmachen musste und wie tapfer sie alles ertragen hat, was man ihr auferlegte. Chemo, Krankenhausaufenthalte, die letzten Stunden vor ihrem Tod. Alles läuft im Schnelldurchgang vor meinem inneren Auge ab und zerreißt mir jedes Mal das Herz.


    Es sind nun 8 Monate vergangen und jeder sagt mir, dass ich mir Zeit geben soll. Ich bin ungeduldig und richte mich selbst sehr unfair. Zeit ist das, was sie nicht genug hatte.


    Nun sitze ich in der Isolation in vollem Bewusstsein, wie wundervoll diese Zeit mit ihr gewesen wäre, würde sie noch leben. Und dann kommen die dunklen Gedanken, dass ich mich frage, warum ich eigentlich noch hier bin und was ich hier eigentlich noch soll. Es sieht alles recht trostlos aus, ist doch der Mensch, der einen vervollständigte, gegangen und kommt nie wieder. Dieses fehlende Puzzleteil, als wäre meine Persönlichkeit nicht mehr vollständig. Womit füllen?! Ich habe keine Ahnung und werde das wohl auch nicht so schnell rausbekommen.

  • Lieber Edradour,

    herzlich willkommen im Forum derer, die hier nie sein wollten, du hast unglaublich viel getan, wir haben unsere Tochter, bevor

    sie an Leukämie starb, 3 Monate lang gepflegt, wie schnell einen das an Grenzen bringt, wir alle haben uns nichts vorzuwerfen,,

    36 ist kein Alter und 23 erst recht nicht, deine Zerrissenheit ist völlig normal, empfinden wir auch immer noch nach 13 Monaten,

    ich betrete ihr Zimmer immer noch mit mulmigem Gefühl, gibt es jemanden, der dich unterstützt?

    Magst du uns deine / eure Geschichte erzählen?


    Fühl dich hier verstanden, auf irgend eine Art sind wir alle havariert, sonst wären wir nicht hier, aber hier sind die mitfühlenden

    Seelen, trau dich , von der Seele schreiben hilft wirklich, es befreit,,,


    Dir einen erträglichen Abend

    LG Wolli

  • Hallo Edradour,


    36 Jahre sind kein Alter zu gehen, bei meiner Lebensgefährtin waren es 53 und auch das war kein Alter, einfach auf dem Bordstein mit

    Herzversagen liegenzubleiben.


    Bei Dir liegen nun 8 Monate zurück und Du spürst den Trauerschmerz nur manchmal.


    Es tröstet Dich vielleicht nicht: Ich bin jetzt seit 11 Monaten und 3 Tagen ohne Partnerin und wache jeden Morgen genauso wie an jenem Unglückstag mit diesem Bild auf: Ein Blick in das tote Gesicht meiner Lebenspartnerin, mit der ich 24 Jahre zusammen war und dieses Jahr wollten wir silbern feiern.


    Betrachte das nicht als überheblich, aber hier gibt es noch schlimmere Geschichten als Deine und wie wache ich jeden morgen auf: trampelnd, schreiend, weinend immer mit dem Blick in ihr totes Gesicht vor Augen, was mir mein Gehirn einblendet.


    Hier wirst Du mit Deiner Trauer verstanden, einen Ausweg haben wir selbst noch nicht gefunden, den einzigen Tip, den ich Dir geben kann:


    Es gibt keinen Tod. Wir Menschen sind unsterbliche Wesen. Was stirbt, ist der Körper, den jede inkarnierte Seele auf einem Planeten wie dere Erde braucht. Wenn dieser Körper stirbt, begibt sich die dazugehörige Seele wieder zurück in ihre geistige Heimat (manche nennen es Jenseits). Du musst nur auf Zeichen achten: Elektrische Geräte, die sich wie von selbst ein-und ausschalten, kleine Gegenstände wie Parkscheine oder Spielfiguren, die plötzlich weg sind und woanders wieder auftauchen.


    Viele von uns haben solche Zeichen erhalten, aber eines muss man leider eben auch sagen: Diese Zeichen sind nur Trost, sie beweisen, dass es die Verstorbenen noch gibt. Der Grosse Nachteil: Du hast keine Chance, sie auf Erden wieder körperlich wahrzunehmen und daher kommt all unsere Trauer !


    Mein herzliches Beileid

    Matthias

  • Lieber Edradour,

    Mein Mitgefühl zu deinem Verlust.

    Du schreibst, jeder sagt dir, dass du dir Zeit geben sollst. Wenn man ungeduldig ist, und im Schmerz versinkt will man das natürlich nicht hören. Es ist aber das, was ich auch hier immer wieder schreibe.

    Trauer braucht ZEIT. All das zu verarbeiten braucht Zeit, der Schmerz, die Hilflosigkeit- all das geht nicht von einem Tag auf den anderen.


    Trauer kennt leider keine Abkürzungen. Aber Unterstützungen. Bist du noch bei der Psychotherapie?

    Du kannst hier jederzeit schreiben wenn dich etwas belastet. Du findest hier immer ein offenes Ohr.


    Fühl dich willkommen und ganz viel Kraft für diese Zeit <3

    Isabel

  • Lieber Edradour,

    willkommen im Club. Wie Wolli es so richtig geschrieben hat, niemand von uns wollte hier sein, aber es ist niemand danach gefragt worden. Wir alle verstehen Dich sehr gut und fühlen mit Dir. Wir wissen nur zu gut wie Dir zumute ist. Und das Wissen, nicht ganz alleine zu sein hilft schon. Ich habe in diesem Forum schon viel Trost und Unterstützung bekommen, und das wünsche ich Dir auch. Hier ist ein Miteinander, wie es in der realen Welt nicht immer gegeben ist. Ich wüßte überhaupt nicht mehr, was ich ohne dieses Forum mit seinen wunderbaren Mitgliedern machen würde. Und wie Wolli sage ich auch, schreib wann und was Du magst. Du findest hier alles Verständnis und irgendwelche offenen Ohren sind immer da.

    Ganz liebe Grüße und eine Umarmung :24:

    Lilifee

  • Hallo Edradour,

    auch von mir mein aufrichtiges Mitgefühl. Mein Lebensgefährte ist vor gut einem Jahr an Krebs gestorben. Wie alle hier weiß ich also, wie sich so ein schmerzlicher Verlust anfühlt - auch wenn die Trauerwege im Detail oft recht unterschiedlich sind.

    Wie ich Deine Zeilen so lese, hast Du doch auch schon ein gutes Stück hinter dich gebracht. Trotz allem habe ich das Gefühl, aus Deinen Worten spricht eine gewisse Abgeklärtheit (kann aber natürlich gut sein, dass ich mich täusche).

    Ich möchte Dir sagen: verlier den Mut nicht, geh weiter, Schritt für Schritt. So wie Du auch bisher diesen langen und so unendlich schwierigen Weg Schritt für Schritt gegangen bist.

    Auch wenn es unvorstellbar erscheint oft: es wird besser. Das ist zumindest meine Erfahrung.

    Alles Gute Dir!