Allein mit meiner Trauer um meinen lieben Papa

  • Hallo in die Runde,


    als ich in einer der letzten Nächte so verzweifelt war, dass ich einfach nicht mehr weiter wusste, habe ich nach einem Trauerforum gegoogelt und bin hier gelandet. Viele eurer Geschichten haben mich sehr berührt und besonders die Art und Weise, wie liebevoll und wertschätzend ihr hier miteinander umgeht. Drum dachte ich, ich kann es wagen, euch von meiner Geschichte zu erzählen und hoffe, dass mir das hilft.


    Weil ich so ein großes Bedürfnis habe, über alles zu sprechen, verliere ich mich oft in Details, ich werde mir aber Mühe geben, mich kurz zu fassen, obwohl meine Geschichte eine sehr lange ist. Die vielen Krankenhausdetails bitte ich zu entschuldigen.

    Mein Papa bekam vor etwas mehr als vier Jahren im Alter von 61 Jahren die Diagnose Darmkrebs mit Lebermetastasen. Die Diagnose wurde "zufällig" gestellt, als er einen kompletten Darmverschluss hatte mit allem drum und dran und deshalb am Abend notoperiert werden musste. Ich war bei ihm, als der Arzt kam und ihm das alles gesagt hat. Mama und ich haben die ganze Nacht gezittert. ob er es überlebt. Es wurde gesagt, dass wir danach einen Anruf bekommen, es kam aber keiner. So haben Mama und ich die ganze Nacht "Wache gehalten" bis wir es morgens nicht mehr ausgehalten haben und uns gesagt wurde, alles sei gut verlaufen.

    Das war der Beginn einer langen Leidenszeit. Papa musste in diesen vier Jahren immer und immer wieder operiert werden, es gab viele Komplikationen und lange Krankenhausaufenthalte. Manchmal war er so schwach, ich habe ihn dann gewaschen, umgezogen oder beim rasieren geholfen. Es tat mir so weh, ihn so schwach zu sehen, er war doch immer das starke Famliienoberhaupt. Aber er hat sich immer wieder aufgerappelt. Er machte eine Chemo, die die Lebermetastasen plattmachte und Papa offiziell für tumorfrei erklärt wurde, ein Wunder, wir waren so erleichtert! Ein ganzes Jahr war Ruhe, keine weiteren Hiobsbotschaften. Dennoch hatte er so abgebaut, die vielen Tage im Krankenhaus und die Krankheit hatten ihn sehr gezeichnet, es gab für ihn fast nur noch die Krankheit, von der er einfach geheilt sein wollte. Ich arbeite selbst im medizinischen Bereich und habe die ganze Zeit geahnt, dass das noch viel dickere Ende irgendwann nachkommt. Letztes Jahr dann war der Krebs zurück, nach einer erneuten Bauch-OP teilte man ihm mit, dass man das auffällige Gewebe nicht entfernen konnte, er solle eventuell nochmals eine Chemo machen. Die Probe des Gewebes, das entnommen worden war, erwies sich allerdings als unauffällig, so dass keine weitere Therapie empfohlen wurde. Es war ein ewiges Hin und Her und schließlich sagte der Onkologe, wenn da nix nachweisbar ist, dann machen wir auch nix. Im Nachhinein denke ich, das war die richtige Entscheidung, denn so hatten Papa und Mama noch zwei schöne Urlaube miteinander und ich hatte auch die Gelegenheit, nochmal viel Zeit außerhalb des Krankenhauses mit ihm zu verbringen.

    Letzten Dezember ging es Papa dann plötzlich viel schlechter. Er nahm stark ab, hatte tierische Schmerzen. Er wollte nicht ins Krankenhaus, um jeden Preis hat er versucht, mit starken Schmerzmitteln hinzukommen. der Onkologe sagte, die Laborwerte sprechen für ein starkes Tumorwachstum, auch die Niere war auf einmal schwer angeschlagen. Weihnachten war ich bei meinen Eltern über Nacht zuhause und habe mitgekommen, wie er nachts jämmerlich gewimmert hat vor Schmerzen (nachts war es immer am schlimmsten). Er wollte aber unbedingt daheim bleiben. Am 30.12. ist er dann ins Krankenhaus, weil es einfach nicht mehr ging. Dort wurde uns gesagt, dass der Tumor in die Wirbelsäule gewachsen war und das ihm vermutlich die starken Schmerzen bereitet hat. Nach langem Kampf gelang es uns, Papa auf die dortige Palliativstation verlegen zu lassen, wo er endlich ausreichend Schmerzmittel bekam, dass er wieder entspannen konnte. Die Menschen dort haben sich wirklich rührend um ihn gekümmert, wir haben dort als Familie noch einmal schöne gemeinsame Momente verbringen können, auch wenn es eine so traurige Zeit war. Der Plan war eigentlich, dass er dort Schmerzmittel technisch eingestellt wird, damit wir ihn wieder nach Hause holen können. Ich hatte ab Mitte Januar Prüfungen in der Uni und Papa wollte nicht, dass ich wegen ihm irgendwas absage, also bin ich zu meinen Prüfungen und danach ins Krankenhaus. Er hat sich immer so gefreut, wenn ich wieder eine weitere Klausur bestanden hatte. Ich habe mich dabei aber schlecht gefühlt, als würde ich ihn alleine lassen oder meine Belange über seine stellen.

    In der letzten Januarwoche hatte ich vier Klausuren, eine sehr schwere war am Mittwoch, dann wieder eine am Freitag. Deshalb habe ich gesagt, ich lerne und komme dann Montag und Mittwoch zum Besuchen, dann am Freitag wieder, um dazwischen noch lernen zu können. Mittwoch war eine sehr schwere Prüfung, vor der ich die größte Angst hatte. Als ich danach auf dem Weg zum KH war, habe ich am Telefon schon gemerkt, dass Mama komisch drauf war. Ich hatte irgendwie ein mulmiges Gefühl. Dann sagte Mama, als ich da war vor dem Zimmer zu mir: "Es geht nicht mehr lang, gestern hat eine Ärztin mit mir gesprochen. Die Nieren haben aufgehört zu arbeiten. Ich wollte es dir nicht sagen, weil ich nicht wollte, dass du deshalb daheim bleibst von der Prüfung. Das würde er auch nicht wollen." Das war das letzte Mal dass ich Papa gesehen habe. Er war schon so schwach, hat mehr geschlafen als dass er wach war. Aber er hat noch mitbekommen, wie ich die Nachricht bekommen habe, dass ich bestanden hatte. Er hat sich mit mir gefreut, das habe ich ihm angesehen. Auch wenn ich nicht ganz verstanden habe, was er gesagt hat, ich hab es aber einfach gespürt. Ich hab dann ein bisschen erzählt, was mir draußen so lustiges passiert ist und er hat vom Urlaub erzählt, teilweise konnte man es verstehen, teilweise nicht. Er war ein begeisterter Urlauber, er hat die Urlaube mit Mama geliebt und eigentlich immer grad einen geplant, wenn ich ihn gefragt habe. Er hat vom guten Rotwein in Spanien geschwärmt und von einem Boot erzählt und einem Lokal in dem Urlaubsort, in dem meine Eltern immer waren. Da hat er auch gegrinst. Unsere Fragen nach Schmerzen hat er immer verneint, da bin ich sehr froh. Als Mama und ich am Abend gegangen sind, hat er ganz deutlich gesagt: Danke für alles. Das war so seine Art, er wollte nie jemand zur Last fallen. Ich habe ihn noch einmal auf die Wange geküsst, wie ich es immer gemacht habe. In der Früh ist er dann ganz friedlich eingeschlafen, ein Pfleger dort war dabei. Was mich sehr beschäftigt ist, dass ich am Tag drauf nicht nochmal hin gefahren bin. Ich konnte und wollte ihn einfach nicht so leblos sehen. Ich wollte ihn lebend in Erinnerung behalten. Ich hatte mir das vorher gut überlegt. Aber doch habe ich ein schlechtes Gewissen deshalb. Mit Mama gemeinsam habe ich die Beerdigung organisiert, so wie er es sich gewünscht hätte.

    Morgen ist sein Todestag drei Monate her. Es ist so wahnsinnig schwer. Ich vermisse ihn so sehr. So viele Bilder gehen mir durch den Kopf, zuerst die schrecklichen, als er sich so verändert hatte und so gelitten hat, jetzt auch immer mehr die schönen Momente, das ist aber fast noch schwerer zu ertragen, weil es mir zeigt, wie glücklich es mich macht, an meine Erinnerungen mit ihm zu denken und dann vermisse ich ihn noch mehr.

    Allein mit der Trauer steht im Betreff, weil ich jetzt in die Phase komme, wo ich darüber sprechen kann und will, meine Freunde (und teilweise meine Mutter) aber nicht darüber sprechen wollen. Ich spüre wie sich Menschen von mir abwenden, sobald ich das Thema nur kurz anschneide. Es ist schwer, so zu trauern und sich gleichzeitig weggestoßen zu fühlen. Vielleicht geht es manchen von euch ja ähnlich. Ich will ja wieder weiterleben und Spaß haben und unbeschwert sein in dem einen oder anderen Moment. Aber ich kann und will jetzt nicht alles verdrängen, was mich manchmal traurig oder nachdenklich macht.

    Es tut mir Leid, das war so viel und es gäbe noch so viel mehr zu schreiben. Aber ich denke, das Wichtigste, was ich sagen wollte, ist gesagt.

    Ich danke euch sehr fürs Zuhören!

  • Liebe Cosma,


    du schriebst als letztes ." ich danke euch sehr fürs Zuhören!"

    und ich schreibe jetzt :" ich danke dir sehr für das mit-TEILEN deiner Gedanken und Gefühle...

    und

    natürlich auch für das erzählen eures LEIDENSWEGES der aber auch von Zeiten des Ausruhens und dadurch zwei Urlaube machen können unterbrochen war...

    Gefüllt mit Freude und des geniessen des bewussten Zusammenseins,,,


    Vielleicht kannst du dir bald deine jetzige Zeit deines TRAUERWEGES ähnlich mit der Zeit vorstellen...


    Du hast meinem Gefühl nach als Profilbild das Meer mit einer Sanddüne und einem Boot? oder einen kleinen Insel gewählt? Das Meer ist auf diesem Bild ruhig...

    aber wir wissen ALLE hier das das Trauermeer der Gefühle grosse Wellen haben kann und tiefe Wellentäler wo wir absolut kein Land in Sicht sehen... dennoch

    die See und überhaupt die Elemente der Natur wechseln...

    So ist für mich auch unser aller Leben...


    Das du in der STILLE der Nacht deine Trauergedanken und Gefühle geschrieben hast kommt meiner Meinung nach daher, das viele Gedanken und Gefühle erst in grosser , begreiflicher Intensität auftauchen wenn der Tag mit all seinen Pflichten vorbei ist...

    und man endlich am Abend oder in der Nacht die Zeit hat seine Gefühle zu betrachten und dann wie du hier sie niederzuschreiben.



    Durch das genaue schildern des Krankheitsverlaufes deines geliebten Papas hast du dir dennoch schon ein ganz klein wenig die Möglichkeit erschaffen... auch durch vielleicht immer wieder einmal noch und noch schreiben...

    dieses druchaus traumatisch, schmerzliche Erlebniss in ein nach längerer , individueller Trauerzeit zu wandeln In liebevolle sanfte und ja immerwährende Trauer,

    die aber auch wie du es ja auch beschrieben hast, selbst in der Krankheit schöne , intensive Lebenszeiten in sich barg und auch in deinem jetzigen Leben vorhanden sein wird....

    wenn der erste begreiflich wilde Schmerz sich etwas beruhigt hat..


    Viele hier Trauernde kennen diesen Krankheitsweg eines Menschen der an Krebs erkrankte und dann starb... Auch ich bei meinem Seelenpartner und vielen Freunden und Freundinnen...


    Ganz wichtig für mich ist es dir auch zu schreiben, das du dich meiner Meinung nach sehr bewusst von deinem Papa verabschiedet hast ... Ich habe es durch deine Schilderung so gefühlt...auch dein Papa hat sich so auf seine Art von dir verabschiedet...

    Eltern sterben häufiger alleine, wenn ihre Kinder nicht da sind... Es ist für mich ein letzter Liebesdienst an uns Kinder...

    Auch wenn wir bei dem Tode dabei sind... der letzte "Schritt" ist ja ein anderer wie unserer ... wir Leben hier auf diesem Planeten...


    Viele , wie schon geschrieben, können sich durch die Krankheitsschilderung weil ihr geliebter Mensch auch an Krebs erkrankte und starb villeicht dadurch tief mit dir verbunden fühlen...

    dennoch

    TRAUERN in allen Facetten der TRAUER ist unser gemeinsames Gefühl hier in dem Forum... Ich wünsche dir Zeiten des Geborgenfühlens in diesem hilfreichen Forums


    verbindende Trauergefühle sende ich dir <3

    deine Sverja

  • Liebe Cosma! Sei herzlich Willkommen hier, du bist genau richtig hier! Mein tiefes Mitgefühl zu deinem großen Verlust! :30:

    Dein Papa hatte einen langen Leidensweg, ich finde es aber schön, dass er noch 2 Urlaube mit deiner Mama verbringen konnte und auch noch schöne Momente hatte! Ich glaube, schreiben hilft immer beim Verarbeiten! Ich schicke dir eine liebe Trostumarmung! :30:

    LG Andrea

  • Liebe Cosma,

    Mein Mitgefühl zu deinem Verlust. Deine Überschrift lautet "Allein mit meiner Trauer"- da ist es gut das du unser Forum gefunden hast. Der Austausch, vorallem das Erzählen der Geschichte und aussprechen von Belastendem ist sehr hilfreich beim verarbeiten.


    Ihr seid einen langen Weg gegangen, und jetzt ist da so viel Leere. Du hast allen Grund zu trauern, und es nicht zu verdrängen ist ganz bestimmt die richtige Entscheidung- den in der Trauer gibt es keine Abkürzungen. Es würde dich irgendwann wieder einholen. Nicht jeder kann gut über Trauer reden, und du wirst hier viele Beiträge finden von Gleichgesinnten die dasselbe Gefühl haben von allein gelassen, und unverständnis der Umwelt.


    Schreib uns hier jederzeit und fühl dich willkommen <3

    Isabel

  • Liebe Sverja ,

    Vielen lieben Dank für diese herzlichen Worte, die mir sehr gut tun. Ja du hast Recht, nachts kommen ganz viele Gefühle hoch, tagsüber ist man mit diesem und jenem beschäftigt, aber nachts ist es ganz still und dann schlagen die Wogen besonders hoch und die Tränen finden ihren Weg. Ich spüre aber, dass mir das gut tut, wenn ich endlich einmal so richtig weinen kann aus tiefster Seele.

    Das Foto habe ich selbst einmal gemacht, als ich in Spanien war. Spanien war Papas Lieblingsreiseland und er hat das Meer auch so geliebt. Es ist in Alicante entstanden, es zeigt den Blick aufs Meer von der großen Piratenfestung dort.

    Es ist auch schön zu hören dass es anscheinend oft so ist, dass die Eltern mit dem entgültigen Hinübergehen warten, bis die Kinder gegangen sind. Es hätte auch so zu meinem Vater gepasst. Er hat mich immer von allem Schlechten und Bösen beschützen wollen, auch noch, als ich schon längst erwachsen war. Oft war es ihm sehr arg, was ich alles mitansehen musste bei ihm, auch wenn ich viele Dinge ganz bewusst für ihn getan habe, in dem Bewusstsein, dass es jetzt an der Zeit ist, dass ich ihm etwas von seiner Liebe zurückgebe, ihm zeige, wie schrecklich dankbar ich bin für die behütete Kindheit die ich genießen durfte. Ich bin in seinen letzten Jahren zu seiner engsten Vertrauten geworden und wir haben einen ganz neuen, innigsten Zugang zueinander gefunden durch die Krankheit.

  • Auch an Sonne10 und Isabel L.K. möchte ich ein herzliches Dankeschön für ihre lieben Worte richten. Danke, dass ihr mich in meinem Trauerweg begleiten möchtet und dass ich bei euch einen sicheren Rahmen bekomme für alles. Es tut gut, "Verbündete" zu haben, die Verständnis für das Wechselbad der Gefühle haben, was ein solcher Trauerprozess mit sich bringt. Es ist Mal so Mal so. Manchmal denke ich, dass ich an unsere schönen Erinnerungen denken kann und es irgendwie schön ist, wie sehr ich das jetzt schätzen kann und dass ich vorher die Jahre immer nur Angst vor seinem Tod hatte, die ich jetzt nicht mehr haben brauche und er auch nicht. Er hat mich oft gefragt: was meinst du, wie lang hab ich noch? Das war so eine schwere Zeit für uns alle. Denn darauf wusste niemand eine Antwort aber jeder hatte Angst davor. Die brauchen wir nun nicht mehr haben.

    Aber an manchen Tagen bin ich dann plötzlich total übermannt von unendlicher Trauer und Verzweifung, ich denke dann: wieso darf ich meinem Papa nicht mehr haben? Wieso darf er nicht mehr miterleben falls ich mal heiraten sollte, Kinder bekomme oder meine anderen Erfolge feiere? Er war doch viel zu jung und bis zu seiner Diagnose immer kerngesund. Zu seinem 60. habe ich ihm ein Gedicht geschrieben, ein Absatz handelte davon, dass wenn er so weiter

    mache, er noch 100 werden würde. Zwei Jahre später dann die Diagnose. Das ist wie verhext.

  • Aber an manchen Tagen bin ich dann plötzlich total übermannt von unendlicher Trauer und Verzweifung, ich denke dann: wieso darf ich meinem Papa nicht mehr haben?

    Liebe Cosma,

    Das ist ganz natürlich und normal. Es gibt diese "besseren" Tage- aber auch die anderen, in denen wir reglerecht von Trauer überrollt werden. Du wirst Strategien entwickeln wie du mit diesen Phasen umgehst und diese Tage überstehst. Jeder hat da unterschiedliche Methoden- wie das Schreiben, Bewegung, die Natur, Gespräche,... Du wirst auch das finden was dir hilft durch diese "Trauerlöcher" zu gehen.


    Hab einen möglichst angenehmen Tag <3

    Isabel

  • hallo Cosma,

    :30:


    ich hätte mir SO SEHR gewünscht, ich hätte mich "vorbereiten und vollständig Abschied nehmen können"

    andererseits bin ich froh, dass meine Lebensgefährtin NICHT leiden musste, einfach tot umgefallen ist.

    Wenn ich Deine Geschichte so lese - wie froh bin ich, dass das keine/r von uns mitmachen musste.

    es ist so wurscht, wie schnell oder langsam - der Verlust eines geliebten Menschen ist schlichtweg SCH.....

    wie auch schon in anderen Themen auf dieser Plattform: wirklich vorbereiten kann man sich nicht weil man zu dieser Zeit garnicht weiß, was Trauer bedeutet, mit einem macht! Man weiß, DASS es passieren wird - früher oder später und steht hilflos daneben, muss mit ansehen, wie die Person leidet, leidet mit weil man nicht helfen kann, macht sich Vorwürfe weil man nicht helfen kann und fragt sich anschließend, was man DOCH hätte tun können/sollen oder auch nicht hätte tun können/sollen.

    Es gibt wohl keinen richtigen Weg, denn sonst würde nicht so ziemlich jede/r hier sich diesen (eigenen) Vorwürfen ausgesetzt sehen.

    Ja, der Tod ist ein heikles Thema für Lebende und wird immer weggeschoben, als würde es einen nicht betreffen, bis er dann erbarmungslos zuschlägt.

    Jede/r muss seinen eigenen Weg finden und gehen, damit umzugehen, damit irgendwie fertig zu werden - die Einen schweigen alles in sich hinein, die Anderen wollen darüber reden und es wird nicht zugehört oder man wird ausgebremst, zum Schweigen verurteilt!

    Es gibt hier ein "Umgang mit Trauernden", darauf können/sollen auch Außenstehende zugreifen, damit sie sich informieren können, wie man sich (nicht) verhalten sollte ...

    Jedenfalls bist Du hier IMMER herzlichst willkommen:!:

    HIER BIST DU NIEMALS ALLEIN:!:

  • Heute hätte mein Papa Geburtstag gehabt. 66 Jahre alt wäre er heute geworden.

    Ich bin gleich mit meiner Mutter, meinem Freund und meinem Onkel zum Abendessen verabredet, im selben Lokal, wo wir letztes Jahr noch alle zusammen waren. Das war gar keine Absicht, es hat sich irgendwie einfach so ergeben. Erst im Nachhinein wurde mir klar, dass wir wieder dasselbe Lokal ausgesucht hatten.

    Vor ein paar Nächten hatte ich einen sehr schönen Traum. Ich stand mit meinem Vater zuhause vor unserer Haustüre und er hat mich ganz herzlich und fest in den Arm genommen. Ich war wieder ein kleines Kind und es hat sich sehr behaglich und gut angefühlt. Ich denke mir, vielleicht hat mir mein Vater so eine Nachricht senden wollen, ein "Ich hab dich so lieb" aus dem Jenseits.

    Die Nächte sind etwas leichter geworden, mir geisterten schon Gedanken herum wie: "Du bist vielleicht eine Tochter, schon nach vier Monaten hast du deinen Vater wieder vergessen.". Dabei stimmt das gar nicht. Es kamen auch wieder Nächte, wo es mich einfach überrannt hat, wie eine riesige Welle der Verzweiflung.

    Ich hatte diese Woche wieder Prüfungen, es war sehr anstrengend. Und zum ersten Mal kann ich ihm nicht davon erzählen. Es war immer so schön zu hören, dass er stolz auf mich war. Er hat sich immer so mit mir gefreut. Wir hätten bestimmt heute nochmal drauf angestoßen und auf seinen Geburtstag und er hätte sicher seine Späße gemacht wegen der Schnapszahl 66 und wir hätten garantiert noch einen Kurzen getrunken und ich versuche heute einfach, ganz fest an ihn zu denken und mir vorzustellen, was er gesagt haben könnte oder wie es mit ihm gewesen wäre, meinen Erfolg und seinen Geburtstag zu feiern.

    Schon vor ein paar Tagen kam deshalb alles wieder hoch und traf mich sehr unvorbereitet. Wieder die stressige Prüfungszeit, wie vor einem halben Jahr, die letzten Tage mit meinem Vater. Als die Prüfungen vorbei waren, war die Beerdigung. Diesmal folgt auf die Prüfungen sein Geburtstag. Das macht mich alles sehr nachdenklich.

  • Liebe Cosma,


    ich bin so gerührt und berührt von deiner Geschichte. Man kann es so doll spüren, dieses Band, das dich für immer mit deinem Papa verbindet. Man spürt bei deinen Worten, dass ihr eine ganz besondere Beziehung hattet... und wohl auch immer haben werdet. So wie ich und meine Mama.

    Ja, so schmerzhaft ist es, dass wir all die Dinge, die wir sonst immer sofort erzählt haben, nicht mehr sagen können. Dass wir es einfach nicht mehr miteinander teilen können.

    Ich schreibe meiner Mama in einem Trauertagebuch Briefe. Vielleicht wäre das auch etwas für dich.

    Ich fühle mich auch oft alleine mit meiner Trauer....

    Ich sende dir viele mitfühlende Trauergrüße.

  • liebe Cosma<3


    jetzt wollte ich dir eine Geschichte erzählen , die eine Seminarleiterin uns erzählt hat... natürlich jetzt mit meinen Worten und Gefühlen...


    Da ist das sogenannte Trauerloch...


    Es ist gross und wir kommen nicht mit einem Sprung hinüber auf die andere Seite

    ABER

    es gibt da eine Leiter ...

    Diese lehnt an der Wand des tiefen Trauerlochs .

    Wir können auf diese Leiter steigen und langsam und vorsichtig hinabsteigen...

    Ja mit Angst ob wir jede Leitersprosse gut hinunterkommen , oder ob wir mal straucheln aber ja die Hände noch fest an der Leiter haben....


    Wir sind in der TIEFE des Trauerloches angekommen...und sehen nach oben ins LICHTE ...

    Sehen aber auch die hohen Wände des Trauerloches ...

    und wollen unbedingt auf die sogenannte ANDERE Seite des Trauerloches...

    vielleicht kann man es sogar als ein grosses Tal betrachten was sich in die Unendlichkeit erstreckt...

    Alles bleibt unseren Gefühlen überlassen ...

    und unserer KRAFT...


    Es gibt viele Möglichkeiten,,,

    Du schulterst die Leiter und lehnst sie an die sogenannte andere Wand an ...

    und steigt Leiterstufe für Leiterstufe nach oben... bis du die andere Seite betrittst,,,


    und sie ist gar nicht so viel anders in ihrer Beschaffenheit wie die Gegenüberliegende ...


    aber du bist eine ANDERE geworden... weil du in die TIEFE gegangen bist...


    auch wenn du NICHT in die Tiefe gehst , sondern die Leiter :!:über :!: dieses Trauerloch legst

    und auf dieser Leiter bewusst balancierst

    welch eine Herausforderung dies zu schaffen...

    du siehst ja auch die Tiefe dieses Trauerloches...

    und du erreichst genauso die andere Seite ...


    und du bist genauso durch diese Wegbeschreitung an der gleichen Stelle angelangt wie auf dem anderen Weg <3


    Ich wage sogar zu behaupten , das , wenn man einfach auf der einen Seite bleibt und in die TIEFE blickt UND auf die andere SEITE BLICKT,,,

    dann sind wir auch schon in unserer Trauer ANDERS geworden...


    Es bleibt sich meinem Gefühl nach GLEICH

    solange wir uns sagen

    JA ,

    TRAUER IST

    LEBEN IST

    TOD IST

    und

    LIEBE ist IMMER<3


    lächel

    ich habe den Weg in die Tiefe gewählt weil ich Höhenangst habe:!: wirklich<3 und wandere auf das nächste Trauerloch immer wieder zu...


    Ich glaube wir alle " hier" wählen den einen oder andere Wege...

    und warten immer wieder auf die anderen Trauernden...

    um UNS und IHNEN Kraft und Zuspruch oder auch eine Hand und manchmal auch eine Schulter zum anlehnen zu geben...

    denn wir ALLE ERLEBEN unsere Trauer


    SHANTI <3 FRIEDE ( das ist wirklich immer mehr mein Gruss )

    deine<3 Sverja

  • Vielen lieben Dank Sverja für diese Geschichte!

    Es ist sehr tröstlich zu wissen, dass viele, bzw. alle Menschen durch dieses Trauerloch gehen (müssen). Und du hast vollkommen Recht, auf jeden Fall ist man hinterher verändert. Aber bestimmt auch im Positiven. Man hat vielleicht gelernt, dass man auch diese schrecklichen Momente im Leben überlebt, dass es dennoch so viel Schönes in der Welt gibt.

    Und dass das eigene Leben so wertvoll ist. Dass es sich lohnt, das Loch zu überwinden, weil auf der anderen Seite des Lochs das eigene Abenteuer weitergeht.


    Ich habe durch den Tod meines Vaters viel gelitten und viel gelernt. Ich werde ihn nie vergessen und immer bei mir behalten. Gestern habe ich es geschafft, sein Bild auf meinen Schreibtisch zu stellen, das hab ich bis jetzt nicht gekonnt. Ich schreibe ihm auch oder spreche mit ihm in Gedanken. Da ist er immer noch da. In meinen Träumen ist er besonders lebendig. Ich weiß aus dem was ich hier lese, dass viele Hinterbliebenen auf einen lebendigen Traum ihres Geliebten Menschen warten. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass mein Vater so lebendig ist in meinen Gedanken.

  • Liebe Cosma<3


    einen guten , ja einen guten Morgen wünsche ich dir<3:24::30:<3


    Deine inneren Erkenntnisse haben mir wieder einmal klar vor Augen geführt das Trauer durchaus die Chance hat unser Leben in eine positive , individuell ist der Weg ja sehr verschieden...

    aber eben halt das JETZT kommende Leben immer ein bisschen mehr als positiv anzusehen.

    eigentlich könnte ich auch ALL dein geschriebenes zitieren<3

    Man hat vielleicht gelernt, dass man auch diese schrecklichen Momente im Leben überlebt, dass es dennoch so viel Schönes in der Welt gibt.

    Dass es sich lohnt, das Loch zu überwinden, weil auf der anderen Seite des Lochs das eigene Abenteuer weitergeht.

    ich wage zu schreiben , das es mehr ist wie ein sich "lohnen" . Das Leben ist kostbar und wunderschön<3<3<3<3


    Deine HERZENSZEILEN , die du mit uns an deinem Gedenken zu deinem Papa teilst haben mich sehr berührt und ich kenne diese Gefühle und Empfindungen

    Ich wünsche dir sehr , das Du und deine Familie gut , ja GUT durch diesen Tag "wandern" könnt ... bei dir mit deinem Papa im Herzen, bei deiner Mami ihren Mann im Herzen und bei deinem Onkel , mit seinem Bruder im Herzen...


    Im HERZEN werden unsere geliebten Menschen für IMMER bleiben... Sie begleiten uns durch unser weiteres Leben<3<3

    ich schicke dir einmal

    <3Grüsse , wenn du dir das vorstellen kannst

    <3Sverja

  • Ein herzliches Hallo an alle hier Mitlesenden!


    Die letzten Tage waren etwas leichter. Ich finde wieder Zeit und Ruhe, zu meditieren und glaube, das hat sehr geholfen. Es gibt auch eine Meditation, die meinen Vater miteinbindet, es ist eine Imaginationsübung. Vielleicht hilft sie einigen von euch auch in eurem Trauerweg. Man stellt sich ganz fest den Verstorbenen vor, an einem Ort, wo er/sie sich sehr wohlgefühlt hat oder an einem schönen Ort der vor dem geistigen Auge auftaucht. Ich sah ihn am Anfang oft sehr leidend und schmerzverzerrt vor mir. Durch die eigene Einatmung "nimmt" man dem Gesicht immer mehr den Schmerz, das Leid, es wird immer zufriedener und gelassener. Beim Ausatmen kann man dem Verstorbenen an seinem Kraftort Botschaften mitteilen, die man ihm/ihr gerne mitgeben möchte. Vielleicht Dinge die man hätte noch sagen wollen oder Aktuelles oder einfach etwas Liebes.

    Mit der Zeit änderte sich etwas in meinem Gefühl und ich könnte am Ende der Meditation mit mein Vater zusammen zufrieden und glücklich sein. Es fühlt sich dann an wie ein bisschen zusätzliche Zeit gemeinsam. Es lassen sich in diese Imagination auch andere Trauernde einbinden (meine Mama).

    Dieses neue Bild, das vom glücklichen, zufriedenen Papa ohne Leid, kann ich mir immer wieder in mein Gedächtnis bringen. Es gibt mir Kraft und Zuversicht und ich fühle mich nicht mehr so allein.

    Ich würde mich sehr freuen, wenn diese Meditation auch einem von euch auf seinem/ihrem Trauerweg helfen kann!

    Habt ihr auch schon solche Erfahrungen gemacht, dass ihr dem Verstorbenen auf einmal wieder ganz nah wart?

    Ich weiß, die Psychoonkologin im Krankenhaus hat mit ihm Imaginationen gemacht. Ich Stelle mit gern vor, dass mein Vater dadurch ein Tor geöffnet hat zu einem imaginären Ort, an dem ich seine Seele, das was ihn ausgemacht hat, besuchen kann. Vor her war mein Vater nicht sehr spirituell. Dass er in seinen letzten Tagen aber nochmal erfahren hat, wie wohltuend es sein kann, zu meditieren, finde ich so schön. Denn es hat mir die letzten Jahre auch immer Mal wieder geholfen, wenn mir grad ganz schwer war ums Herz.

    Ich wünsche euch allen einen wunderschönen Sommertag und auch wenn es ein schwerer Tag für euch ist, dass ihr einen kurzen Moment der Entspannung erfahren könnt!

    Herzlichst, Cosma