Mein Vater

  • Ich weiß nicht, ob ich hier ganz richtig bin, denn mein Vater ist noch gar nicht gestorben. Er hat aber jetzt schon so lange Parkinson, dass ich den Menschen, der er eigentlich einmal war, schon verloren habe. Ich hoffe, es ist daher in Ordnung dass ich hier schreibe - auch wenn er eigentlich noch lebt.

    Ich bin 43 Jahre alt und habe bisher das Glück gehabt, noch nie jemand wirklich Wichtigen in meinem Leben zu verlieren. Und jetzt gleich mein Vater - eine der wichtigsten Personen in meinem Leben. Er hat vor fast 15 Jahren Parkinson bekommen. Damals waren wir erschrocken, aber er war schon 65 und die ersten zehn Jahre mit der Krankheit waren in Ordnung. Sie waren von Einschränkungen gekennzeichnet, aber vieles ging auch noch sehr gut. Wir sind keine Familie in der viel über Gefühle oder gar über den Tod gesprochen wird, auch keine spirituelle oder religiöse Familie. Daher hat mein Vater alles Organisatorische erledigt. Er hat die Vorsorge- Gesundheit- und Finanzvollmachten verteilt, seinen Nachlass geregelt und mit uns besprochen, dass er möglichst wenig medizinische Eingriffe möchte. Worüber er nie gesprochen hat, war - wie er sich mit dieser Krankheit fühlt oder wie es sein wird Abschied zu nehmen. Da er in so Vielem mein Vorbild war, habe ich, als er vor fünf Jahren deutlicher von der Krankheit gezeichnet wurde, versucht, es ihm nachzutun. Ich habe versucht die Probleme "wegzuorganisieren". Er hat alle Pflegestufen bekommen, den Pflegedienst, die Tagespflege, alle Hilfsmittel, alles damit er - wie es sein Wunsch war - zu Hause bleiben konnte. Aber je mehr er sich veränderte, desto mehr versuchte ich auch Abstand zu bekommen - ich hatte mir zwar ein halbes Jahr Pflegezeit für ihn genommen, bin aber immer weniger gern hingefahren (ich wohne 400km weit weg), die Besuche wurden immer schwieriger für mich, ohne, dass ich mir eingestehen konnte, dass ich trauere, um den Menschen, der eigentlich schon nicht mehr da ist.

    Dann kam der Tag im Februar 2020, an dem ich im Haus meiner Eltern aufwachte und meine Mutter mir besorgt mitteilte, dass sie Vati nicht aufwecken kann. Auch ich bekam ihn nicht wach, aber er atmete noch, ich wusste nicht, was ich machen sollte. Dann kam die Pflegedienstfrau - mehr auf Zack als ich - die den Puls nahm und mir zurief, ich solle sofort die 112 anrufen. Ich hab nur noch funktioniert. Meinen Vater nach Anweisung des Menschen am Telefon auf den Boden gelegt, Herz-Lungen-Massage gemacht, ihn in die stabile Seitenlage gebracht. Zugesehen, wie ein Rettunghubschrauber auf der Wiese nebenan landete, ein Notarztwagen kam, Feuerwehrleute in schweren Stiefeln in sein Zimmer liefen. Die Stiefel sind mir immer noch vor Augen, schon damals dachte ich - sie gehören nicht hierher. Irgendwann kam eine Ärztin zu mir, und sagte mir was ich tun solle. Als sie die Papiere erwähnte, die ich mit ins Krankenhaus bringen solle, wurde mir schlagartig klar, dass mein Vater eine Patientenverfügung hat und, dass er nicht wiederbelebt werden wollte. Ich schaute meine Mutter an, die nicht richtig verstand, was das Problem war. Eine Stunde später im Krankenhaus, wachte mein Vater mit den Worten "hättet ihr mich doch nur gelassen" auf. Es war schrecklich, ich hätte es anders entscheiden sollen. Heute glaube ich, dass ich es nicht getan habe, weil ich mich noch nicht von ihm verabschiedet hatte, aber ich wünsche mir, wir hätten uns einen Stuhl genommen und daneben gesetzt, seine Hand gehalten und ihn zu Hause einschlafen lassen.

    Am Tag darauf bin ich wieder nach Hause gefahren, habe weiter gearbeitet, dann kam Corona, in der ersten Lockdownwoche bekam meine kleine Tochter eine Lungenentzündung, niemand teste sie, wir versuchten in Quarantäne zu bleiben. Die Angst und Unsicherheit setzten mir sehr zu und ich merkte, dass ich gar nicht mehr logisch und ruhig denken konnte, ich hatte nur noch Angst und Panik die Kontrolle über alles zu verlieren. Irgendwann wurde ich krank und nicht mehr richtig gesund. Irgendwann hörte sich mein Hausarzt alles an, was passiert war, schrieb "Posttraumatische Belastungsstörung" auf die Überweisung und schickte mich mich zum Psychologen. Das hat sehr geholfen, hat mir geholfen einen Zugang zur Trauer zu finden, aber ich finde es unglaublich hart.

    Mein Vater ist schon so weit weg. Er kann kaum noch sprechen, hat schwere Halluzinationen, fällt ständig um, hat Schmerzen. Letzte Woche hat die Tagespflege angedeutet, dass es nicht mehr lange gehen wird, mit zu Hause (meine Mutter ist auch fast 80) und Tagespflege. Mein Vater soll ins Heim und ich fühle mich wieder schrecklich. Ich hätte ihm so gern den Wunsch erfüllt zu Hause sterben zu können, einen Tod zu haben ohne all das, was er nicht wollte. Und diese Schuld macht es mir grade so schwer. Ich weiß, dass das damals eine Momententscheidung war - wir hatten noch nicht mir einer Nahtodsituation gerechnet und uns daher nicht darüber unterhalten, was wir machen würden. Aber trotzdem...es wäre das gewesen, was er sich gewünscht hätte. Jetzt muss er ins Heim und ich habe das Gefühl versagt zu haben. Es ist so schwer, sich mit dieser Schuld von ihm zu verabschieden. Ich habe das Gefühl, ihm einen so wichtigen Wunsch nicht erfüllen zu können. Bisher dachte ich: wenn er gehen will, dann wissen wir, dass wir es diesmal anders entscheiden, aber jetzt wird das passieren, was er nicht wollte. Mir geht es damit wieder sehr schlecht und ich weiß nicht gut, wie ich da heraus kommen soll.

    Ganz lieben Dank fürs Lesen dieses langen und sicher konfusen Textes.

  • Liebe Cildie<3

    Ich habe deinen berühenden Text schon mit meinem handy gelesen wärend einer kleinen Arbeitspause obwohl ich Rentnerin bin...

    Ich kann sehr, sehr, sehr deine Problematik mehr wie verstehen.


    Ganz wichtig <3:24::30:<3

    Ich weiß nicht, ob ich hier ganz richtig bin, denn mein Vater ist noch gar nicht gestorben

    du bist hier völlig "richtig".- Du trauerst um deinen schwerkranken , unheilbar kranken Vater...

    und dies ist ein Trauerforum...


    Für mich hast du damals etwas absolut nachvollziehbares gemacht.. "Loslassen" aus Liebe ist so schwer . Die Patientenverfügung deines Vaters war für dich nicht machbar , nicht möglich...

    Das beruhte meinem Gefühl nach aus deinem grossen Gefühl der verbindenden Liebe <3<3 heraus.


    Wenn du hier liest haben eigentlich fast alle Trauernden Schuldgefühle weil sie manches gemacht haben

    oder nicht gemacht haben

    oder MEINTEN nicht genug gemacht zu haben...


    Dann ja dann bekam deine Tochter eine Lugenentzündung! das auch noch im ersten Jahr der Coronapandemie !!


    Irgendwann hörte sich mein Hausarzt alles an, was passiert war, schrieb "Posttraumatische Belastungsstörung" auf die Überweisung und schickte mich mich zum Psychologen. Das hat sehr geholfen, hat mir geholfen einen Zugang zur Trauer zu finden, aber ich finde es unglaublich hart.

    Wie ich deinen Text bis zu diesem Satz gelesen hatte war ich richtig erleichtert das dein Hausarzt diese Diagnose auf die Ueberweisung geschrieben hatte und du auch vermutlich relativ schnell einen Termin bei einem Psychologen bekommen hast...

    Ja, manche Therapien sind "hart"...


    Mir haben meine Therapien oder kleine Therapiesession sehr geholfen damit ich jetzt immer mehr Ruhe und Frieden durch Meditationen finden kann... Aber das ist mein Weg...


    Ich wünsche dir von Herzen das du immer mehr innerlichen Frieden finden kannst zu deiner damalaligen Entscheidung und zu der jetzigen Situation...

    Manche Abschiede von diesem Leben dauern lang...Sehr lang...


    In unserem Zeitalter des Medizinstandes der uns zu Verfügung steht sind wir manchmal überfordert mit den Entscheidungen und den sich anbietenden Möglichkeiten...


    Ich schreibe dir einmal eine Geschichte aus meinem Gedächtnis weil ich sie sehr hilfreich finde.


    ein nativ man in Amerika musste in eine grosse Stadt und trampte . ¨

    Ein Auto hielt an und nahm ihn mit.

    Wie er dann die grosse Stadt erblickte bat er den Fahrer des Autos anzuhalten weil er aussteigen wollte. Der Fahrer meinte ."aber wir sind doch noch garnicht da !"

    Der nativ man blickte ihn an und sagte :" mein Körper ist hier, aber meine Seele noch nicht". Ich muss hier auf sie warten...

    Das tat er dann...

    Ich finde das passt sowohl zu deinem Vater als auch zu dir und uns ALLEN...


    Wir alle müssen warten bis unsere Seele entweder frei ist und nicht mehr an den Körper gebunden

    oder

    das unsere geschockte , verletzte Seele wieder in den wartenden Körper "hinein findet " und die

    Verbindung Körper, Geist und Seele EINS geworden sind...

    Zumindest immer wieder einmal<3:saint:


    Schreibe, schreibe , schreibe wenn du das Bedürfnis verspürst.

    Wir werden dich begleiten meinem Gefühl nach.

    Herzvolle Grüsse <3 Sverja


  • Liebe Svenja,


    ganz vielen Dank für deine lieben Worte. Es hat mich sehr gefreut sie zu lesen und auch, dass ich hier richtig bin. Es hat vorhin schon geholfen alles aufzuschreiben. Plötzlich ist mir klar geworden, dass ich mir das nicht verziehen habe, obwohl mein Verstand sagt, dass es so ist wie es ist. Deine Geschichte mit dem nativ man ist schön - ich glaube auch, meine Seele kommt grade noch nicht hinterher. Vielleicht muss ich einfach geduldig warten, bis sie meinen Verstand eingeholt hat.


    Ich danke dir!

    Cildie

  • Liebe Cildie

    Deine Geschichte hat mich sehr berührt….und ich verstehe dein Handeln….ich hätte alles getan um meinen Sohn Robin bei mir im hier und jetzt zu behalten. Auch wenn ich keine Worte habe fühl dich herzlich Willkommen hier, hier wo eigentlich keiner je hin wollte und jeder dich versteht

    Fühl dich lieb umarmt ❤️

    Ich bin nicht weg.... nur schon mal voraus gegangen...


    • "Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache. Du allein wirst Sterne haben, die lachen können." Robins Lieblings Zitat aus der kleine Prinz
  • Liebe Cildie,


    wow Deine Geschichte berührt mich wirklich sehr.

    Natürlich bist Du hier richtig und wirst verstanden.


    Ich kann verstehen wie Du Dich fühlst was Du denkst doch Schuld daran hat keiner von Euch so etwas ist schwer und meistens sind es Moment Entscheidungen ich bin mir ganz sicher das Dein Papa Dir Euch verzeihen wird.

    Niemand möchte in so eine hilflose Situation kommen wo auch er nicht mehr er selber ist aus welchen Gründen auch immer.


    Ich stand auch 2017 vor so einer schweren Entscheidung und habe zugestimmt und am nächsten Tag die ganze Nacht durch nur gegrübelt geweint ect. um am nächsten Morgen zu telefonieren wie blöd um mir klar darüber zu werden das nichts der gleichen passieren wird und offensichtlich sollte es auch nicht denn Gott sei Dank war eine andere Ärztin da die das nicht machen wollte und am Mo. hatten wir das Gespräch mit dem Oberarzt hätte ich das getan, doch mein Herz hat mir gesagt nein mein Bauch hat mir gesagt nein aber ich hatte Stunden quälende Stunden aber Stunden, ihr hattet einen Moment nicht mehr.


    Dein Papa weiß das ihr nur sein bestes wolltet und da seine Zeit sich dem Ende nähert, seid einfach da er ist um Euch und er verzeiht Euch, ihr müsst Euch auch verzeihen wenn es soweit ist.

    Ich wünsche Dir, Euch Deinem Papa das er nun friedlich gehen darf in Frieden.


    Ich wünsche Dir ganz viel Kraft.

    Eines noch auch wenn Du denkst er ist es nicht mehr, er ist noch da er spürt es hört es er kann Dir nicht mehr antworten oder zeigen aber sei Dir sicher Dein Papa ist da.


    Vlg. Linchen

  • ich kann dich so gut verstehen. ich habe es nur in anderer Form erfahren. Mein Vater ist gegangen und ich wollte es aufhalten, habe aber dann zugestimmt und er ist gestorben. Quasi durch mich (und seine Patientenverfügung). Damit kann ich auch nicht leben. Es ist sooooo schwer. ich meine immer, vielleicht war noch nicht alles ausgeschöpft. Meine Mama starb 2015 im Hospiz , auch da war ich dabei. Da habe ich nur noch geschaut, dass ihre Wünsche erfüllt werden . Sie starb, während ich ihren Kopf streichelte. Das war unglaublich hart, aber anders . Also anders als bei meinem Papa.

    Schwer zu beschreiben.

    Ich kann das verstehen, dass es dir nun schlecht geht, da er sich gewünscht hätte zu gehen. Aber du bist sein Kind und du wünschst dir den Papa und hast die Situation so eingeschätzt, dass er noch nicht gehen kann.

    Er sieht es anders. Mag sein. Aber du hast für dich in diesem Moment richtig entschieden und das ist, was zählt.

    Patientenverfügung sagt ja dann oft auch , wenn es keine Chance mehr auf xy gibt. und da hab ich ja auch die ganze zeit mit gepokert. wollte das ja auch nicht, obwohl alle Ärzte mir was anderes sagten.

    Ich hasse mein Leben momentan.

    Ich hoffe, du kommst damit klar. Ganz ehrlich, hätte ich es so entscheiden müssen, ich hätte es ebenso getan wie du.

    Ich bin in Gedanken ganz fest bei dir !

    Fühl dich gedrückt, du Gute!

  • Liebe Ntschi, liebe alle,


    so vielen Dank für eure Antworten und besonders euer Verständnis, das tut wirklich gut. Viele Freunde hören zu, aber es ist schwierig das Gefühl zu haben, wirklich verstanden zu werden und nicht belasten, wenn jemand nicht in einer ähnlichen Situation ist.

    Ntschi - es hat mir so sehr berührt zu lesen, dass es bei dir ganz anders ausgegangen ist und du dich damit trotzdem schwer tust. Ich kann dich so gut verstehen. Als mein Vater plötzlich keinen Puls mehr hatte, wusste ich nicht, ob er das, was wir Jahre vorher besprochen hatten, wirklich noch wollte. Oder ob er doch noch etwas gefunden hatte, was ihn am Leben hält und er jetzt nicht loslassen möchte. Diese umumkehrbare Entscheidung für jemand anderen, treffen zu müssen ist furchtbar und eigentlich sollte das niemand tun müssen. Es tut mir so leid, dass es dir noch solche Probleme bereitet. Mir hilft grade ein wenig (neben dem Schreiben hier) zu denken, dass ich die Entscheidung von damals nicht mehr ändern kann. Das beruhigt meine Gedanken ein wenig, hilft mir, dass sie nicht nur darum kreisen, was hätte sein können. Das schlechte Gefühl und die Schuld bleiben trotzdem. Und, dass du geschrieben hast, hat mir geholfen zu realisieren, dass es vielleicht auch gar nicht die Entscheidung an sich ist (für oder gegen Wiederbeleben), die es so schwer macht. Sondern die Situation - man entscheidet darüber ob jemand lebt oder stirbt. Das ist einfach zu krass. Es gibt keine heftigere Entscheidung und man trifft sie für jemand anderen, der sich nicht mehr mitbestimmen kann, ob er leben oder sterben möchte. Das ist einfach zu viel und niemand hat es verdient, dass man das tun muss.

    Ich wünsch dir so sehr, dass du dein Leben nicht mehr hasst.

    Ich freu mich, dass du hier geschrieben hast und denke sehr an dich.

    Alles Liebe Cildie

  • Liebe Cildie,

    Herzlich Willkommen bei uns im Forum. Natürlich bist du hier richtig und willkommen.

    Trauer hat viele verschiedene Facetten, und ich finde es gut, dass du dich bereits damit auseinander setzt. Hier gibts noch eine andere Userin mit einer Demenzkranken Mama. Auch diese trauert sehr um die Person die sie bereits verloren hat.

    Vielleicht kann ich dich dort markieren.


    Ich verstehe dein schlechtes Gewissen, aber jeder würde alles tun um den geliebten Menschen bei sich zu halten.

    Schreib hier wann immer dir danach ist.


    Liebe Grüße

    Isabel

  • Liebe Cildie, sei herzlich Willkommen hier! Natürlich bist du hier richtig! :24:


    Du hast deine Entscheidung mit dem Herzen getroffen und ich denke, dass jeder einem geliebten Menschen helfen möchte!

    Ich hoffe, das Schreiben hilft dir etwas! :30:


    LG Andrea

  • Hallo ihr Alle,


    ganz vielen Dank für eure Antworten! Es hat mir so geholfen hier zu schreiben und eure Gedanken und lieben Worte zu lesen - ganz vielen Dank dafür.

    Vor zwei Wochen hat der Tod uns aus einer unerwarteten Richtung ereilt. Meine 64-jährige Schwiegermutter ist plötzlich an einem Herzinfarkt gestorben. Aus der langen Riege alter (und teilweise sehr klappriger) Verwandter - um sie hatten wir uns noch keine Gedanken gemacht.

    In mir geht seitdem viel Durcheinander. Ich weiß gar nicht so richtig, was ich empfinde. Ich bin traurig, dass die tot ist. Sie war mir, grade im letzten Jahr, ein große Stütze und eine tolle Oma für die Kinder, die jetzt auf ihre Art untröstlich sind. Mein Mann ist völlig schockiert. Und ich weiß gar nicht wo ich bin. Wir waren bei meinem Eltern, da kam wieder die Trauer um meinen Vater auf, der grade ein so unschönes Leben lebt und seit wir wieder hier sind, ist ihr Tod wieder präsent. Sie war ein so netter und doch so schwieriger Mensch. Mit einer schrecklichen Kindheit, der sie irgendwie nie entflohen ist. Sie war nie richtig glücklich und das hat dazu geführt, dass da immer diese Distanz war. Wenn man ihr zu nahe gekommen ist, wurde man hinein gezogen in ihre Traurigkeit. Und jetzt ist sie weg und unweigerlich kommen die Gedanken, ob man nicht mehr hätte tun können. Gleichzeitig weiß ich, dass es nicht möglich war - niemand kann jemand anderen komplett glücklich machen.

    Hach, es ist so traurig. Wie geht das, heute noch da und dann plötzlich unwiederbringlich weg? Ich habe sie noch gesehen, bevor das Beerdigungsinstitut sie geholt hat. Sie sah gar nicht mehr aus wie sie selbst. Als wäre da tatsächlich nur noch der Körper. Und dann, auf dem Weg die Kinder zu holen, war da ein schöner, blühender Strauch, durch den fuhr der Wind, es regnete und gleichzeitig schien die Sonne. Da hab ich gedacht - das war sie, genauso war sie. Voller Schönheit, Sonne und doch war da immer Regen.


    Ganz liebe Grüße

  • liebe Cildie<3

    leider bin ich ziemlich erschöpft um lange zu schreiben ... Doch ich wollte dir wenigstens ein paar mitfühlende Gedanken schreiben...

    Ja, manchmal kommt die Todesnachricht wie bei dir von einer Seite die man sogar vermutet hat... Das haben viele Menschen auch ich schon erlebt

    und jetzt DU<3

    Du schreibst etwas unendlich wahres:

    Und jetzt ist sie weg und unweigerlich kommen die Gedanken, ob man nicht mehr hätte tun können. Gleichzeitig weiß ich, dass es nicht möglich war - niemand kann jemand anderen komplett glücklich machen.

    wir alle wehren uns "mit Händen und Füssen" vor dieser Wahrheit die <3 meinem<3 Gefühl nach unser Leben ist. Das "komplette" das ist unsere vielleicht Seele? Vielleicht Glaube? Vielleicht Lebensenergie?

    Darüber kann man nachdenken und in sich hineinfühlen ..


    Meinem Gefühl nach hast du durch diese Erkenntnis und durch

    nd dann, auf dem Weg die Kinder zu holen, war da ein schöner, blühender Strauch, durch den fuhr der Wind, es regnete und gleichzeitig schien die Sonne. Da hab ich gedacht - das war sie, genauso war sie. Voller Schönheit, Sonne und doch war da immer Regen.

    die innere Stärke trotz allem traurig belastendem deinem Mann und euren Kindern einen gewissen Halt zu geben

    und DU<3:24::30:

    holst dir immer wieder hier Kraft und Unterstützung wenn du dir das vorstellen kannst


    Alles, alles Liebe unbekannterweise und dennoch ja durch das Geschriebene garnicht so unbekannt

    wünscht dir deine<3 Sverja

  • Liebe Svenja,


    ganz lieben Dank für deine Zeilen. Es ist schön, dass ich hier schreiben kann. Morgen ist die Beerdigung und ich habe eine Weile gebraucht, um zu verstehen, dass ich davor ganz schön Angst habe. Aber vielleicht hilft es auch ein wenig bei Abschiednehmen.


    Ganz liebe Grüße

    Cildie

  • liebe Cildie<3:24::30:<3

    ja, Beerdigungen sind immer etwas ganz ultimatives. Es wird einem unmissverständlich real vor Augen geführt dass das Leben vorbei ist von diesem Menschen den man geliebt hat....


    Wenn du magst kannst du morgen ja deine Empfindungen die du morgen erlebst auch wieder mit uns teilen<3:30::30:<3

    ,

    Ich finde das schreiben ein klein wenig Heilung bringt.zumindest bringt es eine kurzzeitige Erleichterung und das Gefühl das wir alle deine Gefühle in ähnlicher Weise kennen und erlebt haben.


    Habe eine bestmöglichste Nacht.

    liebe Umarmungen wenn du es dir vorstellen kannst<3<3<3<3<3<3

    deine <3Sverja

  • Liebe Sverja,


    so jetzt ist sie vorbei - meine erste richtige Beerdigung. Es war ganz merkwürdig. Die Halle war so hässlich, das hätte meine Schwiegermutter sicher nicht gut gefunden, ich fand es nicht gut. Aber der Redner hat es toll gemacht. Er hat ihr Leben so erzählt, wie es war, mit dem Vielen, was gut war und leider auch dem Vielen, was schlecht war. Ich hoffe sie hätte sich gesehen und anerkannt gefühlt. Auf meinem Schoß saß die ganze Zeit meine kleine Tochter, die ganz fürchterlich geweint hat. Ich konnte nicht weinen, ich hätte es gern gekonnt. Irgendwie habe ich mir das abtrainiert in den letzten Jahren, als ich immer so viel funktionieren musste. Ich würde es gern wieder mehr zulassen.

    Danach sind wir zu Grab gegangen und ich war sehr berührt, wie viele Menschen gekommen waren. Meine Schwiegermutter hat sich immer so einsam gefühlt, weil sie keinen Partner hatte, keine große Familie, aber eigentlich hatte sie viele wunderbare Menschen um sich. Und für meinen Mann ist noch ein guter Freund gekommen, ich war ihm so dankbar. Beim Kaffeetrinken danach war es schön mit ihren Freundinnen zusammen zu sitzen und einfach ein wenig zu erzählen. Ich glaube viel mehr davon würde gut tun. Auch meinem Mann, der leider keine Geschwister hat, mit denen er Erinnerungen austauschen kann.

    Jetzt hatte ich gehofft, dass es ein wenig besser wird, mit der Trauer. Aber soweit ist es wohl noch eine Weile nicht. Vielleicht brauche ich auch für meine Schwiegermutter ein kleines Ritual, wie ich es für meinen Vater habe, um der Trauer Raum zu geben. Wer hätte gedacht, dass mich das alles so hinschmeißt. Früher habe ich viel mehr weggesteckt, da bin ich wütend geworden, habe geweint und dann war es aber auch manchmal wieder gut. Jetzt fressen die Dinge an mir innerlich, das ist viel schlimmer. Ich hoffe das wird irgendwann mal wieder besser.


    Ganz liebe Grüße

    Cildie

  • Liebe Cildie,

    ja, jetzt ist es vorbei . Doch wie du feststellst ist ja nichts eigentlich "vorbei"...

    ich bin fast "glückliche" das du hier deine Empfindungen und auch die Beerdigungszeremonie hier beschrieben hast.

    Mache das meinem Gefühl nach weiter da es kein "Ende" in dem Sinne von der Trauer gibt.


    Das wichtigste ist meinem Gefühl nach die Rede , die von einem Menschen für einen Menschen gehalten wird.


    Aber der Redner hat es toll gemacht. Er hat ihr Leben so erzählt, wie es war, mit dem Vielen, was gut war und leider auch dem Vielen, was schlecht war. Ich hoffe sie hätte sich gesehen und anerkannt gefühlt

    das klingt für mich gut auch gerade durch die Ehrlichkeit.

    Ich glaube ja das es keine Lebensgeschichte gibt die kontinuierlich als leicht , nur schön und unkompliziert verlaufen ist gibt...

    Auf meinem Schoß saß die ganze Zeit meine kleine Tochter, die ganz fürchterlich geweint hat.

    auch hier will ich schreiben das ich es persönlich sehr, sehr gut und wichtig finde wenn Kinder sich von ihren Omas und Opas verabschieden können.

    Ich konnte nicht weinen, ich hätte es gern gekonnt. Irgendwie habe ich mir das abtrainiert in den letzten Jahren, als ich immer so viel funktionieren musste. Ich würde es gern wieder mehr zulassen.

    liebe <3:30: liebe<3:30: Cildie <3:30:<3

    lass es unbedingt wieder zu wenn es dir irgendwie möglich ist. Gut ist ja das du durch das weinen deiner Tochter gemerkt hast das dir das weinen eigentlich sehr fehlt...

    Ich schreibe und erfahre auch immer wieder selber

    "es gilt die Stärke in der Schwäche zu entdecken",,,Dazu gehört für mich auch weinen... Dennoch ist man ja stark<3:24:<3


    Mein einer Bruder der in Australien lebt hat mir viel von der australischen Sitte bei Beerdigungen erzählt.

    Es geht dabei nicht um viel essen und trinken zusammen .

    sondern

    jeder der Gäste erzählt eine Geschichte , die ihn sehr herzlich mit dem Verstorbenen verbinden hat . Die sie gemeinsam erlebt haben.. So empfinde ich auch in etwa deine Beschreibung.

    für meinen Mann ist noch ein guter Freund gekommen, ich war ihm so dankbar.

    das ist für mich echte, tiefe, liebevolle Freundschaft<3:)<3

    Ja, es wäre schön wenn man sich immer wieder treffen würde und sich gemeinsam an den Verstorbenen erinnert durch Geschichten erzählen.

    Das kann man auch hier in gewisser Weise machen. Es haben schon immer hier Menschen gemacht und es werden meinem Gefühl nach auch immer Menschen machen.

    noch etwas ganz persönliches ...

    Ich schreibe im Moment nur sehr, sehr wenig weil ich wieder mit Krebs , schwerer Operation und...und...und... real in meinem Leben konfrontiert bin...

    Also nicht wundern wenn ich dir mal nicht antworte<3

    Du schreibst ja auch an ALLE<3:24::30:<3

    Nach wie vor

    schreibe<3:30: schreibe<3:30: schreibe<3:30: und wenns möglich ist weine. Du wirst dann vielleicht auch merken das Tränen erleichtern und sogar heilen können.

    Alles Liebe dir , deinem Mann und eurer Tochter für die kommende Zeit<3<3<3

    deine<3 Sverja

    ich werde immer schreiben ...manchmal nur mit "Verspätung"

  • Liebe Sverja,


    vielen lieben Dank für deine Antwort. Es tut mir sehr leid zu hören, dass du mit Krebs und Operationen umgehen musst. Das ist sicher alles andere als leicht. Ich wünsch dir viel Kraft und du musst auch gar nicht antworten, ich finde es erleichternd hier zu schreiben...auch wenn ich mal keine Antwort bekomme.


    Liebe Grüße und viel Kraft und Durchhaltevermögen!

    Cildie

  • Hallo ihr alle,


    ich hab mich eine Weile nicht mehr gemeldet. Die Arbeit, Schuleinführungen und die alles, was durch den Tod meiner Schwiegermutter erledigt werden musste, hatte mich fest im Griff. Langsam wird es ein wenig ruhiger und ich kann mich wieder mit dem beschäftigen was von zu Hause kommt. So richtig gut ist es nicht. Meinem Vater geht es schlechter und meine Mutter ist immer mehr überfordert. Und ich habe das Gefühl, seine Krankheit hat mir die ganze Familie genommen. Meine Schwester und meine Mutter sind sich sehr ähnlich. Und obwohl ich sie sehr gern habe, ist es anstrengend, dass es ihnen so schwer fällt, Entscheidungen zu treffen. So waren es immer mein Vater und ich, die das getan haben. Jetzt ist mein Vater eigentlich nicht mehr da (das fühlt sich immer so gemein an, das zu schreiben) und die beiden fänden es, glaube ich gut, wenn ich Entscheidungen treffe. Aber wenn ich das mache, dann finden sie sie nicht gut. Ich fühle mich so allein. In dem halben Jahr Pflegezeit, das ich mir genommen hatte, habe ich ganz viele Entscheidungen zäh gegen den Widerstand meiner Mutter und teilweise meiner Schwester durchgedrückt. Sachen wie Pflegebett, Pflegedienst, einen Notfallknopf, Pflegestufen... Jetzt, zwei Jahre später, hat meine Schwester zugegeben, dass wir ohne all das in der Katastrophe gelandet wären, und, dass sie das falsch eingeschätzt hatte. Ich rechne ihr das hoch an, dass sie das sagt und sie ist auch echt in vielen Dingen toll, aber ich fühle mich trotzdem so allein. Ich mag nicht mehr ständig mit meiner Mutter kämpfen, die wirklich, wirklich irrational wird. Es sei ihr gegönnt mit fast 80, aber sie ist die Hauptpflegeperson, schafft es nicht mehr, will aber keine 24-Stunden Pflege, will nicht, dass mein Vater ins Heim kommt, will nicht dass er länger in die Tagespflege geht, trifft Absprachen mit uns und macht es dann doch ganz anders.

    Und ich weiß nicht, wie ich es richtig machen soll. Für meinen Vater, der zu Hause bleiben möchte, aber dort nicht mehr gut versorgt werden kann, für meine Mutter, die sich selbst kaum eingestehen kann, dass sie es körperlich nicht mehr schafft, dem Wunsch ihres Mannes nachzukommen, für meine Schwester, die gerne mit einbezogen werden will, aber grade ein neues Baby hat und der alles zu viel ist. Ich habe das Gefühl, ich soll der Teamkäpitän sein, aber keiner im Team macht mit. Ich mache mir Sorgen, wie wir da rauskommen, wenn das alles vorbei ist. Total zerstritten? Unglücklich, weil wir falsche Entscheidungen getroffen haben? Es ist so schwierig alle Bälle in der Luft zu halten - die Vergangenheit zu bewahren, die Gegenwart anzuerkennen, als den Mist, der sie grade ist und die Zukunft nicht kaputt zu machen. Dazwischen funkt die Trauer, die auch Raum haben möchte. Und dann gibt es ja noch das "normale" Leben mit Kindern, einem Mann der grade heftig traurig ist und dem Job, der durch eine kontrollwahnige Chefin auch grade schwieriger ist, als er sein müsste.

    Früher hatte ich das Gefühl, ich werde von allen Seiten gestützt. Jetzt habe ich das Gefühl, alle Seiten stützen sich auf mich und das ist ein wenig viel auf einmal.


    Danke fürs Lesen und Svenja - ich hoffe es geht dir gut!

    Cildie

  • Lieber Cildie,


    es scheint so als wäre Dir ganz klar was ist und was sein muss.

    Leider unterscheidet sich das oft von dem was sich der jenige und wir als Familie uns gewünscht hätten.

    Es ist leider so und das ist schwer, und nicht immer umsetzbar.

    Leider das braucht Zeit, das braucht Raum und auch Deine Trauer ist völlig berechtigt und noch ist Dein Vater da aber eben nicht mehr der der er war und das tut weh, auch das will verarbeitet werden.

    Das es für Deine Mama ganz ganz schwer ist verstehe ich da kommt vieles dazu.

    Du solltest aber mit Deiner Schwester ein klärendes Gespräch führen es kann nicht sein das Du gegen Windmühlen kämpfen musst.

    Auch was Deine Mama angeht notfalls wirklich Hilfe dazu holen einen Arzt der ihr klar sagt es gibt Grenzen....er muss ja richtig versorgt werden das ist für ein 80 jährige meiner Erfahrung nach nicht zu schaffen.

    Selbst wenn Du und Deine Schwester mitmachen ist das schwer, kleines Baby das wird nichts, berufstätig auch kaum möglich.

    24 Stunden Pflege wenn das noch möglich ist wäre eine Option.


    Es tut mir leid das Du dich so aufs kämpfen konzentrieren musst anstatt auf deine Trauer und der Verarbeitung dessen was kommt und was ist.


    Vlg. Linchen