Hallo liebe Mitglieder. Ich bin ganz frisch angemeldet in diesem Forum. Zwar habe ich meine Familie und liebe Freunde um mich, die mir Kraft geben und mich so gut sie können auffangen, aber ich dachte mir, es wäre ganz schön, mich mit Außenstehenden auszutauschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben.
Meine Mama ist am 30.09.22 viel zu früh und viel zu schnell von uns gegangen. Sie war erst 65 Jahre alt und bis kurz vor ihrer Krebsdiagnose noch richtig gut drauf.
Meine Mutter hatte schon seit einiger Zeit Probleme mit der Leber (Fettleber) und der Galle. Dadurch öfters auch Koliken. Nach langem Überreden ist sie dann zum Arzt und am 13.07. auch ins Krankenhaus gegangen. Wir hoffen, dass die Galle entnommen wird und es ihr dann wieder besser gehen wird. Immerhin hatten wir noch viele Pläne zusammen.
Leider kam es dann ganz anders. Im Krankenhaus hat man sie dann auf den Kopf gestellt...Ultraschal, MRT, usw.... Dabei fanden die Ärzte dann Krebs im Dünndarm. Das war erstmal ein Schlag ins Gesicht. Aber hey, erstmal positiv bleiben. Ein Tumor kann auch gutartig sein. Das konnten die Ärzte aber erst sagen, nachdem meine Mutter auf dem OP Tisch gelegen hat und Proben entnommen wurden. Leider war der Tumor nicht gutartig. Es wurden zudem auch Metastasen auf der Leber gefunden. Meine Mutter konnte mit schlechten Nachrichten nie gut umgehen und war immer schnell verängstigt und gestresst. Ich versuchte ihr gut zuzureden und Mut zu machen. Die Ärzte machen eine Chemo, der Tumor wird kleiner und dann entfernt. Zusammen schaffen wir das, Mama.
Meiner Mutter ging es aber leider nicht gut. Sie musste oft erbrechen und bekam eine Magensonde und wurde künstlich ernährt. Nachdem die Magensonde entfernt wurde, rührte sie aber kein Essen mehr an. Sie meinte, sie bekäme das Krankenhausessen nicht runter, es wäre ungenießbar. Ich habe ihr dann so oft es ginge was mitgebracht. Es war dann mal zu stark gewürzt, mal zu heiß oder sie hatte gerade keinen Hunger. Die Schwestern sagten mir, sobald ich weg war, wurde kein Essen mehr angerührt. Ich weiß nicht, ob sie von den Ärzten vielleicht mehr wusste als ich oder ob sie durch ihre schwere Krankheit nicht mehr essen konnte oder ob sie vielleicht Angst vor erneutem Erbrechen und neuem Einsetzen der Magensonde hatte......Sie verlor immer mehr an Kraft und die Arzt sagte, dass sie keine Chemo anfangen könnten, solange sie nicht stabiler würde. Gleichzeitig sind die Metastasen immer schneller gewachsen.
So kam es, dass der Arzt mich zur Seite nahm und sagte, dass sie meiner Mama nicht mehr helfen können und ihr einen Platz im Hospiz suchen werden. Man rechnet ja schon immer mit so etwas, wenn man mitbekommt, dass eine kranke Person immer schwächer wird und die Ärzte nichts machen können, aber es dann gesagt zubekommen, ist dann nochmal eine andere Sache.
Am 01.09.22 kam sie dann in das Hospiz, in dem sie auch verstarb. Leider war in dem Hospiz, das in unserer Stadt ist, kein freier Platz, so dass sie in eines kam, dass etwas 30km von unserem Wohnort entfernt ist. An sich kommt man über Land recht schnell hin, aber durch eine Sperrung auf der Autobahn fahren da alle lang und wenn man in den Feierabendverkehr gerät, ist man locker eine Stunde unterwegs gewesen. Wir sind jeden zweiten Tag mindestens zu ihr gefahren. Manchmal sogar jeden Tag. Meistens mit meiner Tochter. Sie hatte zufällig zu dieser Zeit 2 Monate frei, zwischen Ende des Freiwilligendienstes und Beginn der Ausbildung.
So verlief dann der September.....arbeiten, Fahrt zum Hospiz, abends nach Hause und eine unruhige Nacht haben, weil man immer die Angst hat, dass ein Anruf kommen könnte.... Wir hatten ein paar wenige schöne und einige sehr traurige Momente dort. Meine Tochter ist in der Zeit 18 Jahre alt geworden. An ihrem Geburtstag waren wir auch bei meiner Mutter, hatten Kuchen mitgebracht. Meine hat im Hospiz Morphium bekommen und war nicht mehr auf der Höhe. Meistens konnte man keine richtigen Gespräche mehr mit ihr führen. Sie war verwirrt, sah Sachen, die nicht real waren, war manchmal zickig, verängstigt, böse,.......Wahrschein verständlich, wenn man nichts mehr alleine kann, nicht aufstehen, nicht zur Toilette, nicht selbst waschen, nicht alleine essen oder trinken, einfach nichts.... Aber an dem Tag hatte sie kurz einen klaren Moment. Als sie meiner Tochter gratulierte und sie in den Amr nahm, hat meine Tochter bitterlich geweint. Es hat mir so sehr das Herz gebrochen. Meine Mutter und meine Tochter standen sich sehr nah. Wenn wir mal Streit hatten, war ihre Oma immer ihr Zufluchtsort. Zu wissen, dass es ihr letzter Geburtstag mir ihrer Oma war, hat sie sehr schwer getroffen. Auf der anderen Seite waren wir beide dankbar, dass gerade an diesem besonderen Geburtstag ihre Oma noch mit dabei war.
Am Montag 26.09. fing es dann an ihr rapide schlechter zu gehen. In der Nacht hatte sie Fieber gehabt und war nicht mehr ansprechbar. Am Mittwoch kam dann der erste Anruf, dass es besser wäre schnell zu kommen, da es schlecht aussieht. Ich bin dann von der Arbeit weg und habe meinen Mann angerufen. Ich konnte selbst nicht fahren. Er hat dann auch Feierabend gemacht und wir sind zusammen zu meiner Mama gefahren. Sie lag nur noch dort mit offenen Augen und offenen Mund. Als es bis abends keine Veränderung gab, sind wir wieder nach Hause gefahren. Am nächsten Tag bin ich dann alleine zu ihr gefahren und saß von morgens bis abends bei ihr. Habe ihre Hand gehalten, mich zu ihr gelegt, ihre Wärme gefühlt. So verging ein weiterer Tag. Am Freitag dann dachte ich mir, ich fahre zur Arbeit, muss an dem Tag nur bis 12 Uhr arbeiten, und fahre dann zu Mama ins Hospiz. Ich war keine halbe Stunde auf der Arbeit, kam ein anrufen vom Hospiz, wir sollen schnell kommen.
Ich bin dann mit meiner Tochter hin gefahren. Wir saßen dann bei Mama, ich hatte etwas Musik angemacht und die Pfleger hatten uns ein Tablett mit Kaffee und was Süßem, hingestellt. Wir waren etwa gegen 9.30 Uhr dort. Es war eine sehr komische Situation....da sitzen, Hand halten, während man sich zur Ablenkung über irgendwelche alltäglichen Dinge unterhält. Meine Mutter lag weiterhin nur da, mit offenen Augen und Mund. Die Atmung sehr schwer und flach......Kurz vor 12:30 Uhr kam dann der Moment. Wir saßen an ihrem Bett als meine Mutter plötzlich die Augen aufriss, sich aufbäumte in unsere Richtung und ihren letzten Atemzug tat. Sie sackte dann zurück aufs Bett sah von jetzt auf gleich aus wie eine völlig fremde Person. Meine Tochter und ich waren so erschrocken, hielten uns in den Armen und konnten uns im ersten Moment nicht rühren. Meine Tochter musste dann bitterlich weinen und ich habe nach der Pflegerin gerufen.
Ich muss den Mitarbeitern des Hospizes ein großes Danke aussprechen. Sie haben sich sehr gut um meiner Mutter und uns gekümmert, hatten immer ein offenes Ohr und eine Umarmung für uns.
Wir sind dann aus dem Zimmer raus und die Pflegerinnen haben meine Mutter umgezogen und zu Recht gemacht, Engel aufgestellt und eine schwarze Schleife an die Tür gebunden. Währenddessen habe ich dann die Verwandten informiert. Im diesem Fall tat mir das sogar mehr Leid als mein eigener Verlust.
Wir waren dann noch eine Weile bei meiner Mama und haben uns verabschiedet, ihre Sachen gepackt und sind dann mit ihrem Köfferchen und ohne sie nach Hause gefahren. Seit dem meine Mutter im Juli ins Krankenhaus ging, war sie nicht noch einmal in ihrer Wohnung gewesen.
Ich vermisse meine Mutter so unheimlich und befürchte, dass es immer noch nicht richtig in meinem Kopf angekommen ist. Es ging einfach so unheimlich schnell. Nicht mal ganze 3 Monate hat es gedauert von der Diagnose Krebs bis zu ihrem Tod. Und plötzlich steht man vor lauter Entscheidungen. Welcher Bestatter? Welche Art von Beerdigung? Welcher Stein? Dabei will man sich am liebsten nur verkriechen. Am 18.10. war ihre Beerdigung. Es war ein schöner Moment (soweit man das über eine Beerdigung sagen kann) und wurde ihr gerecht. Soweit ist auch alles geregelt, nur ihre Wohnung ist noch nicht ganz leer, aber das eilt zum Glück nicht, da sie im Haus meiner Tante gewohnt hat. Aber ich möchte das trotzdem gerne schnell regeln, um davon los zu kommen.
Natürlich ist mir bewusst, was es bedeutet, wenn eine Person tot ist, aber es zu realisieren, bei jemand, der einem so nah stand, das ist verdammt schwer. Wir haben fast täglich telefoniert, haben uns mindestens alle zwei Wochen gesehen, manchmal auch zufällig getroffen, wenn wir zur selben Zeit in der Stadt oder im selben Laden waren. ich habe Angst, vor der ersten Weihnacht ohne sie oder den ersten Geburtstag ohne sie.
Und gleichzeitig scheint alles so unerträglich normal weiter zu gehen. Man geht zur Arbeit, erledigt die alltäglichen Dinge, trifft sich mit seinen Freunden und hat ein schlechtes Gewissen, weil man denkt, man müsste doch viel trauriger sein und weinend in der Ecke sitzen. Ich habe mich schon manchmal gefragt, ob ich nicht normal bin, weil ich nicht traurig genug bin. Oder ob ich einfach nzr gut in verdrängen bin und es sich unterbewusst anstaut. Meine Mutter war vielleicht nicht immer einfach, aber sie war ein guter Mensche, der immer für seine Familie da war. Wir haben viel zusammen gelacht, und über alles geredet.
Meine Familie ist sehr klein. Ich habe noch zwei Tanten und 2 Cousins, zu denen ich aber keinen oder kaum Kontakt habe. Und natürlich meinen Mann und die Kinder. Geschwister habe ich keine. Ich fühle mich sehr alleine, auch wenn ich weiß, dass ich nicht wirklich alleine bin. Es ist so schwer.
Am liebsten würde ich mich hinstellen und irgendjemanden anschreien "Gib mir meine Mama zurück, ich will meine Mama haben". Man ist so hilflos und muss doch stark sein.
Bitte entschuldigt den schrecklich langen Text, aber ich musste es mir einfach mal von der Seele schreiben.
Viele liebe Grüße