Wenn Kinder vor den Eltern sterben

  • Liebe Chris!


    Du hast recht, es gibt kaum Menschen, die offen darüber reden möchten – auch
    wenn sie dasselbe Schicksal teilen!
    Ich bin aber froh, das wir beide es können – danke!


    Ich kann mich auch noch gut an die Zeit erinnern, als wir auf das
    Obduktionsergebnis warteten! Es war Horror, denn ich war beinhart davon überzeugt,
    dass ich sicher etwas falsch gemacht hatte!
    Ich hatte ihn erhöht gelagert als ich ihn zu Bett brachte, damit er besser atmen kann.
    Eine halbe Stunde später wurde er aber sumsig und ich musste ihn wieder flach umlagern.
    Manchmal glaub ich heute noch, dass das ein Fehler war – obwohl es sicher nichts geändert hätte.


    Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Jan älter wird, obwohl wir hier sicher jeden seiner Geburtstage feiern werden.
    Oft sagen Leute, dass er jetzt auch sicher alles machen kann, was gesunde Kinder auch können, aber ich kann mir das gar nicht vorstellen.
    Es muss doch für ihn komisch sein, wenn er plötzlich sehen, sprechen, laufen kann. Er kennt das ja nicht! Ich glaube, dass meine Oma ihn jetzt pflegt, so wie er es von uns gewohnt war.
    Chris, hast du auch einen Ort, wo Du Dir Deinen Kleinen vorstellst?


    Es beruhigt mich sehr, wenn Du sagst, dass man auch nach langer Zeit nichts vergessen wird. Und von ihm zu reden ist total wichtig – ich hoffe, dass Du trotzdem Menschen hast,
    die Dir gern zuhören, wenn Du von Deinem Kleinen sprechen willst!


    Nach Jan’s Tod ist etwas passiert, wo ich glaube, dass er mir ein Zeichen schicken wollte.
    Seine Abschiedsfeier (-gottesdienst) fand im Kindergarten statt. Wir wollten das so, denn er liebte den Kindergarten!
    Die Kindergartentante überreichte mir einen winzigen Blumentopf. Jan hatte ihn eine Woche vor seinem Tod zusammen mit der Therapeutin bemalt und einen Sonnenblumensamen eingesetzt. Es war schon ein kleines Pflänzchen zu sehen und zuhause stellte ich das Töpfchen auf das Fensterbrett in seinem Zimmer.
    Als ich am nächsten Tag danach sehen wollte, war plötzlich eine 2. kleine Pflanze da! Das war wunderschön und es wurden tatsächlich wundervolle Sonnenblumen daraus, die uns den ganzen Sommer erfreuten!


    Das sind die kleinen Dinge, an die ich denken muss, wenn mal wieder alles hoffnungslos erscheint!


    Ich wünsche Dir einen schönen Abend und schöne Erinnerungen!


    Bis bald
    Kate

  • Liebe Kate


    jetzt hab ich lächeln können...
    eine 2. Pflanze!!
    Unglaublich
    und doch so schön! Und jetzt stell dir mal die Menge an Sonnenblumen vor, die aus den 2 Pflanzen die dir dein Jan noch gesetzt hat, hervorsprießen werden :) ich schwör dir, in 3 Jahren könntest du ganz Innsbruck vollpflanzen mit Sonnenblumen.
    Ein schöner Gedanke was er mit seinen kleinen Händchen noch vollbracht hat!


    Ich stell mir noch immer das Sonnenblumenmeer vor....


    Mir wurde vor kurzem auch gesagt, das, dort wo unsere Lieben jetzt sind, alle gesund sind.
    Aber ich weiß es nicht... ich hoffe einfach das sie liebevoll empfangen wurden... sie waren ja noch so klein, haben noch nichts Schlimmes gemacht... sie waren kleine Englein die viel zu früh zurückgeholt wurden..


    Die Geburtstage feiere ich auch.. aber trotzdem wird er nicht älter... komisch, ist aber so.


    Mein Ort war der Friedhof... wie schon mal geschrieben... früher war das alles ein bisschen anders. Ich bin unheimlich oft und gerne am Friedhof. Ich habe deine Worte gelesen und überlegt, aber ich habe keinen anderen Platz... Irgendwie ist er bei mir.


    Du hast eine ganz intensive Zeit mit deinem Jan erlebt, die kann dir niemand nehmen! Diese 4 1/2 Jahre werden dein Leben prägen. Auch wenn es sicher nicht einfach war, es war die schönste Zeit in deinem Leben?!!


    Dir auch einen schönen Abend und...
    Kate, ich wünsch dir ein Sonnenblumenmeer!!
    es ist einfach nur schön das es dich gibt
    deine Chris

  • liebe kate, liebe chris,


    oh nein, auf die nieren geht es mir nicht.
    wenn es mir nicht gut geht, dann lese ich es auch nicht.
    und wenn ich dann wieder über eure zeilen fliege, kann ich gar nicht mehr aufhören. ich finde es faszinierend, wie offen ihr miteinander umgeht und wieviel schmerz ihr erleben musstet. wenn man eltern verliert, hat man immer noch die eigene kleine familie, aber wenn man sein kind verliert, wird das ganze leben verändert.


    ich bin so froh, dass ihr hier seid und dass ihr euch hier wohlfühlt. es gibt mir kraft für meine eigene trauerarbeit.


    ich bin im gedanken bei euch!!
    alles liebe
    eure petra

    Und alles was bleibt ist Liebe, diese Liebe lässt euch niemals sterben.
    Mama & Papa - ich liebe euch!

  • Liebe Chris!


    Das mit dem Sonnenblumenmeer ist wundervoll! Mit dieser Vorstellung werde ich
    heute sicher einschlafen!


    Ich stelle mir oft vor, wie meine Oma mit Jan unter einer schönen alten Eiche an einem Fluss sitzt. Es ist Sommer und er sitzt luftig bekleidet im Buggy. Er liebte den Sommer und das Rauschen der Blätter und des Wassers.
    Manchmal besuche ich die beiden und manchmal schaue ich ihnen einfach nur aus der Ferne zu. Das ist wie eine Meditation für mich und entspannt mich total . . .


    Der Friedhof ist auch ein total wichtiger Ort für mich. Ich freue mich schon sehr auf den Frühling, denn ich setze mich dort gerne in die Wiese und denke nach oder spreche mit ihm!
    Und dann ist ja noch der Platz bei mir zuhause! Dort ist er für mich immer greifbar, weil ja sein Zimmer unverändert ist und seine Spuren immer noch in der ganzen Wohnung zu finden sind.
    Letztens sollte ich die angebrochene Packung Himmeltau wegwerfen. Das konnte ich nicht, also musste es meine Mutter tun, als ich nicht zuhause war.
    Seine Zahnbürste steht im Bad auch immer noch neben meiner – klingt irgendwie verrückt,
    aber ich will es nicht wegräumen – noch nicht . . .


    Du hast recht – die Zeit mit ihm kann mir niemand nehmen – und auch die Spuren, die er in uns hinterlassen hat, werden nie verschwinden!
    Dafür bin ich unendlich dankbar und diese Gewissheit gibt mir schon ein kleines Stück Frieden!


    Danke für’s „Zuhören“ – auch Dir, Petra!


    Deine Kate

  • Liebe Petra, liebe Kate


    Ich habe einmal den Spruch gelesen, wenn man die Eltern verliert, verliert man die Vergangenheit,
    wenn man sein Kind verliert, verliert man seine Zukunft.
    Ich weiß nicht was schlimmer ist...
    ich glaube einfach das es für Schmerz keine Steigerungsstufe gibt.
    Petra, du musst funktionieren... hast ja deinen Mann und besonders deinen Felix. Für den musst du stark sein, obwohl es dir sicher sehr oft sehr schwer fällt.


    Wir haben niemanden für den wir funktionieren müssen...
    Kate hat so schön und wahr geschrieben, es fehlt die Perspektive...
    das Gebraucht werden


    Kate,ich finde es schön das du das Zimmer noch so gelassen hast wie es war. Meine Wohnung war leer als ich zurückgekommen bin... sie haben es gut gemeint, wollten alles verräumen damit ich nicht erinnert werde...
    Damals war das für mich ein großer Schock.
    Alles weg, sein Bettchen.... alles...
    Nur einen Schnuller haben sie übersehen...


    Kate, bitte lass dir die Zeit die du brauchst.
    Das mit der Eiche und dem Fluss klingt unglaublich schön. Kennst du so einen Platz oder ist er nur in deinem Kopf?
    Hat deine Oma deinen Jan noch kennen lernen dürfen?
    Magst einmal von den 4 1/2 Jahren erzählen?
    Du schreibst das dein Jan nicht sehen, sprechen und laufen konnte?
    Du schreibst auch das er sich ins Leben gekämpft hat?
    Wenn du kannst, bitte erzähl von deinem Kleinen!


    Ich wünsche uns allen eine friedliche Nacht in einen Sonnenblumenmeer
    Danke fürs "dasein"
    Eure Chris

  • Hallo alle zusammen!


    Wenn ich mir die Forumsbeiträge so durchlese, läuft es mir kalt über den Rücken.
    Mein Sohn, starb vor etwa 2,5 Jahren. Diagnose - Plötzlicher Kindstod. (mit 9 Monaten)
    Noch heute laufen mir die Bilder dieses Tages wie ein Film im Kopf ab. So jung, so unschuldig.
    Aber, und darauf bin ich sehr stolz, wir haben uns nicht hängen lassen und versucht mit diesem Schicksal zu leben. Es ist, so wie ihr schon hier geschrieben habt, vorbestimmt, so grausam es auch klingen mag.


    Mir selbst geht es am Besten wenn ich mit jemandem darüber reden kann. Leider habe ich immer das Gefühl, dass ich andere Leute damit belaste und lass es dann wieder. Deshalb finde ich es so schön, wie ihr hier schreiben könnt.


    Mein Sohn, Jakob, begleitet mich jeden Tag und ich gehe seit dem Tag an dem er gestorben ist mit anderen Augen durch die Welt. Ich glaube es war seine Aufgabe, mir die Augen zu öffen für das wirklich wichtige in dieser Welt zu zeigen, und diese Aufgabe hat er erfüllt.


    Ziemlich genau 2 Jahre später kam mein zweiter Sohn auf die Welt und so seltsam es klingt, es ist als wäre mein Sohn wiedergeboren. Er kann ihn zwar nicht ersetzen, aber sie sehen so gleich aus, dass ich bei Fotos teilweise nachdenken muss wer von beiden Jakob ist.


    Für mich eine kleine Wiedergutmachung bzw Einsicht Gottes, dass es doch nicht richtig war meinen Sohn zu sich zu holen.

    Der Verlust eines Kindes bringt die weltliche Ordnung durcheinander.
    Der Druck der Gesellschaft zwingt uns wieder in diese Ordnung,(was auch gut sein kann)
    obwohl im Inneren noch völliges Chaos herrscht.

  • lieber stefan,


    ein herzliches willkommen von mir - es ist schön, dass du hier bist!!


    dein erlebtes berührt mich sehr, aber man kann fühlen, dass du den tod deines kleinen jakob angenommen hast und dich auch damit auseinander gesetzt hast. es ist sehr schön, wie du über den kleinen jakob schreibst.


    ich bin selber mutter eines 2-jährigen und immer, wenn er zu lange schläft, bricht panik aus und ich stehe schon mind. 3x in seinem zimmer. ich könnte mir nichts schlimmeres vorstellen, als ihn zu verlieren.


    aber gott hat euch wohl noch einen schützling geschickt, das freut mich sehr. letztens hat mich meine freundin gefragt, ob wir denn nicht noch ein kind wollen, aber das wollen wir nicht. sie sah mich mit großen augen an und fragte mich, ja was ist, wenn dem kleinen nun etwas passiert? für mich war das sehr hart, und ich wüsste nicht, ob ich dann überhaupt noch ein kind will.... darum finde ich es bewundernswert, wie ihr euer schicksal in die hand genommen habt, eure söhne können stolz auf euch sein!


    lieber stefan, es freut mich sehr, dass du uns deine schicksal mitgeteilt hast! und es würde mich auch sehr freuen, wieder von dir zu lesen.


    alles liebe
    petra

    Und alles was bleibt ist Liebe, diese Liebe lässt euch niemals sterben.
    Mama & Papa - ich liebe euch!

  • Also: Es ist großartig, wie eure Geschichten aufbrechen und - bei aller Traurigkeit und all dem Schrecken: Sie klingen überhaupt nicht deprimierend.
    Mir sind sie nicht zu hart - ich bin ja harte Geschichten gewöhnt ;-)
    Es ist eher so, dass ich einerseits beruhigt bin, dass sie mich so sehr berühren können (es wär äußerst ungut in diesem Job ein allzu dickes Fell zu bekommen, wo so gar nix mehr durchgeht) und ich bin dann auch dankbar, dass mein Sohn noch lebt. Er ist jetzt 9 (und ein richtig wilder Kerl), wäre mit 5 Wochen aber fast gestorben. Es ist gut gegangen damals, hätte aber auch schiefgehen können. Wenn ich eure Geschichten verfolge, dann kommt da sehr viel hoch. Aber das ist sehr o.k.


    Zu euren Erinnerungsstücken: Schmeißt ja nix weg von euren Kindern!
    Ich bin nämlich eine Frau, die gerne sammelt und aus Angst eine richtige Messies zu werden, die das gesamte Haus vermüllt, bin ich sehr am Wegwerfen. Da bin ich äußerst streng mit mir. Dabei begehe ich natürlich schwere Fehler. Ich habe z.B beim Umzug ins neue Haus vor 5 Jahren die Stofftiersammlung meines damals 4-jährigen Sohnes weggeschmissen (es waren sicher 50 Stofftiere mit Namen: Grünbär, Buntbär, Braunbär, Rettungseselchen, ...) und nur die wichtigen Knutschtiere haben es überlebt: Hundedame, Stanislaus, Muinzikatzi, Lorma, Krabbelhund, Leon-zum-Geschenk und Schmutzgeier. Ich bin eine furchtbare Mutter, mein Mann hält mir die weggeworfene Sammlung heute noch vor. Und es gibt noch ein Foto von der Sammlung! Und ich hab die Sammlung mit der Begründung "Staubfänger - nicht im neuen Haus!" einfach in den Sperrmüll-Container geschmissen! *puhhhh*
    Daraus habe ich aber gelernt: "Nicht ALLES wegschmeißen! Nichts von Leon wegschmeißen!"


    Übrigens, Chris: Wie heißt denn dein Zwerg eigentlich?


    Gute Nacht!
    Christine

  • Lieber Stefan


    Zuerst einmal, herzlich willkommen im Forum.
    Männer sind hier sehr selten, darum freut es mich umso mehr das du schreibst.


    Stefan, du kannst wirklich voll stolz auf dich sein.
    Du hast den Schmerz angenommen und hast dich damit auseinandergesetzt.
    Wie habt ihr beide das so gut verarbeitet?
    Wie ist es deiner Frau dabei ergangen. Hast du sie unterstützt?
    Ich bin noch immer ganz weg!
    Bitte erzähl von eurer Trauerarbeit!


    Du hast schon recht, jemand anderer bestimmt über die Lebenskerze. Aber das zu akzeptieren fällt schon verflixt schwer.


    Einen Partner zu haben, der einen voll unterstützt ist wohl am Wichtigsten.


    Ich finde es schön wie du schreibst das dein Jakob dir die Augen für das Wesentliche geöffnet hat.
    Ist es nicht so, das die Gesellschaft sich mit so unwichtigen Problemen herumschlägt, das wirklich Wichtige sehen sie nicht mehr?
    Schön das du da bist, ich hoffe auf noch viele Beiträge von dir!
    Ich denke an euch
    eure Chris

  • Liebe Chris!


    Ist Dir denn ausser dem Schnuller gar nichts
    geblieben? So was muss man doch vorher mit der betroffenen Person abklären –
    das tut mir so leid . . .
    Ich weiss noch, dass ich wie eine Irre alles nach Fotos, getragenen Kleidungsstücken,
    und allen möglichen Dingen, die ich verräumt hatte, durchsucht habe.
    Ich habe mich verflucht, weil ich seine Schnuller logischerweise schon längst entsorgt habe!
    Ich hoffe, dass sie Dir schon ein paar Erinnerungsstücke gelassen haben!


    Es gibt einen Ort, der so ähnlich aussieht – nur statt einem Fluss ist dort ein Bach.
    Er liegt oberhalb von Innsbruck und ich war letzten Sommer oft mit meinem Pflegehund dort – total abgelegen und idyllisch!


    Meine Oma konnte Jan leider nicht kennenlernen, da sie starb, als ich 12 Jahre alt war!
    Die beiden haben fast am selben Tag Geburtstag!


    Die Geschichte von Jan’s Geburt und die Zeit direkt danach ist auch ziemlich hart – aber ich versuche sie zu erzählen:


    Ich war mit Jan in der 26 SSW und hatte meine übliche Vorsorgeuntersuchung, als mein
    Frauenarzt den Verdacht auf eine Schwangerschaftsvergiftung feststellte.
    Da es mir aber sehr gut ging und meine Werte normal waren, vereinbarten wir einen Termin für die nächste Woche, um den Verlauf zu kontrollieren.
    Der Tag vor Jan’s Geburt war ein normaler Arbeitstag – ich war am Arlberg auf Saison –
    und bekam am frühen Vormittag ganz schlimme Kopfschmerzen. Ich dachte Migräne und
    als es schlimmer wurde, schickte mich meine Chefin aufs Zimmer und eine Kollegin kam öfter um nach mir zu sehen. Die Kopfschmerzen wollten nicht aufhören und ich rief meinen Freund an, der dann früher von der Arbeit kam. Er war ca. eine halbe Stunde bei mir als ich
    einen Krampfanfall erlitt, ab dem ich mich nur noch an Bruchstücke erinnern kann.
    Danach kam der Hubschrauber und ich wurde nach Vorarlberg ins Krankenhaus geflogen.
    Ich weiss nur, dass ich aufwachte, meine Mutter war da und mein Freund, die mir sagten, dass sie Jan holen mussten – Schock! Alles was ich zu sehen bekam, war ein Polaroidfoto von ihm, wie er im Inkubator lag. Ich war noch zu schwach um aufzustehen und durfte erst am nächsten Tag zu ihm! Er lag auf der Kinderintensivstation und war 884 g „schwer“ und 35cm lang. Sie hatten ihn in künstlichen Tiefschlaf versetzt, da er eigentlich schon leblos (Herztöne O, Atmung O, Hautfarbe 1) auf die Welt kam und drei schwere Hirnblutungen davongetragen hat. Ihn Wiederzubeleben und zu Intubieren hatte sich als extrem schwierig gestaltet und die Ärzte wüssten nicht, ob er es schaffen wird!
    Das war bis dahin die schlimmste Zeit in meinem Leben. Ich musste hilflos Tag für Tag neben dem Inku wachen und hoffen, dass der kleine Kerl ein Kämpfer ist! Es folgten 4 Operationen um zuerst extern, dann intern einen Shunt zu legen (Diagnose Hydrozephalus – Wasserkopf durch die Hirneinblutungen). Dann eine Augenoperation, wegen Netzhautablösung durch die ständige Sauerstoffzufuhr und eine Leistenbruchoperation.
    Nach 5 Wochen, 3 überstandenen Sepsen, und mehreren abgewehrten Infektionen war der grosse Tag gekommen – er sollte von der Beatmung genommen werden, um zu sehen ob er selbstständig atmen kann! Die Ärzte hatten nicht wirklich daran geglaubt, aber unser „Dicker“ hat es allen so richtig gezeigt! Er hatte so einen unbändigen Willen, denn er wollte nicht mal den CPAP (externe Atemhilfe) akzeptieren. So war er nach wenigen Tagen auch ohne zusätzlichem Sauerstoff fähig, selbst zu atmen. Dann kam auch das erste Mal, dass ich ihn endlich mal halten durfte! Wir waren insgesamt 4 Monate im Krankenhaus, und als er am 29.11.2002 die endlich nach hause durfte, wog er 2.500 g und hatte noch eine Magensonde, weil er zu schwach war die volle Menge selbsständig zu trinken.
    Natürlich ist das für ihn nicht ohne Folgen geblieben. Diagnose: Hydrocephalus, Cerebrale Bewegungsstörung, Cerebrale Sehstörung, Tetraplegie (Spasmus - Beine), Entwicklungsverzögerung.


    Wenn ich das mal wieder so vor mir sehe, war es wirklich ein grosses Wunder, dass wir ihn überhaupt so lange haben durften!


    Alles Liebe!
    Deine Kate



    Lieber Stefan!


    Ein herzliches Willkommen in unserem Forum!
    Es tut mir unendlich leid, dass Dein Jakob auch zu den Sternen gehen musste!
    Wir würden uns sehr freuen, wenn Du uns über Deine Erfahrungen berichten könntest!
    Es wäre schön, die Dinge auch aus väterlicher Sicht zu hören.


    Lg


    Kate

  • puhhhh... Kate
    du hast recht... ziemlich heftig was ihr erlebt habt!


    Dein Jan war wirklich ein Kämpfer!
    Ich habe dein Posting jetzt schon zweimal gelesen und kann es immer noch fast nicht glauben!
    Du kannst eigentlich nur stolz auf deinen "Dicken" :) (<-- süß!)sein!
    Zeigt es allen Ärzten - kippt alle Theorien.. lebt einfach und kämpft!


    Das Posting von Stefan hat mich wieder nachdenklich gemacht..ich habe ein Buch gelesen in dem auch so ungefähr stand das jeder Mensch eine Aufgabe in dieser Welt zu erledigen hat. Wenn er sie erledigt hat, dann darf er gehen.
    Der Eine früher, der Andere später.


    Nein.. mir sind schon mehr Erinnerungsstücke geblieben... aber für mich war es so schlimm in die leere Wohnung zu kommen.
    Abklären? (ich glaub das Wort gab es damals noch nicht)
    Sie haben geglaubt für mich das Beste zu tun...
    es tut ihnen heute auch leid, aber man kann es ja nicht mehr rückgängig machen.


    Es ist ein schöner Gedanke das deine Oma auf deinen Jan gewartet hat.
    Er ist ja ein Sommerkind, kein Wunder das er die Sonne so geliebt hat!
    Da passen auch die Sonnenblumen genau dazu.


    Ich wünsch dir heute schöne Träume von dem Sonnenblumenmeer
    schlaf gut, ich denk an dich
    deine Chris

  • Hallo an alle!


    Freut mich wirklich dass ich so schnell Antworten auf mein Posting erhalten habe.



    Zuerst muss ich noch dazu sagen, dass Jakob ein Zwillingskind war. Seine Schwester hat uns in dieser Zeit alle Kraft der Welt und den Sinn zum Weiterleben gegeben. Eigentlich war sie es, die mit Monitoren schlafen musste und laut Ärzten "gefährdet" war. Das allein sagt für mich alles. Deshalb habe ich bei meinem zweiten Sohn auch komplett auf Monitore usw. verzichtet. Es hat zwar einiges an Kraft gekostet aber ich glaube es war besser so.


    Meine Frau brauchte in dieser Zeit sehr viel Unterstützung und die bekam sie von meiner Seite und Gott sei Dank auch von Familie und Freunden. So etwas schweißt zusammen.


    Besonders viel neuen Lebensmut und Hoffnung hat mir so hart es klingt, das Begräbnis unseres Sohnes gegeben. Freunde, Bekannte, Verwandte, Arbeitskollegen, Unbekannte gingen mit uns den letzten Weg und zeigten uns so, dass wir nicht alleine sind.


    Ich habe oft Stunden am Grab meines Sohnes verbracht, passend zur Jahreszeit dekoriert, auch das Grabkreuz hab ich selbst entworfen und anfertigen lassen, Seitenweise Briefe an ihn geschrieben, Bilder angeschaut, seine Kleidung .... dass war meine Art den Schmerz und die Ohnmächtigkeit zu bewältigen.


    Es gibt in diesem Leben nichts mehr vor dem ich Angst habe, ich habe das schlimmste bereits erlebt. Dieser Film in meinem Kopf läuft heute nur mehr selten ab, und das zeigt mir dass ich dabei bin mein Schicksal anzunehmen.


    Lg an alle und danke für eure Antworten

    Der Verlust eines Kindes bringt die weltliche Ordnung durcheinander.
    Der Druck der Gesellschaft zwingt uns wieder in diese Ordnung,(was auch gut sein kann)
    obwohl im Inneren noch völliges Chaos herrscht.

  • Liebe Forum´lerInnen,
    lieber Stefan,


    erstmal ein herzliches Willkommen an Dich, lieber Stefan! Ich bin ja zurzeit etwas zurückgezogen vom Forum, weil mich die Arbeit momentan wirklich bedrängt, aber von Mann zu Mann muss ich Dir "Hallo" sagen. Zumal Du ja auch aus Tirol kommst!


    Deine Geschichte ist sehr berührend und ich finde es toll, dass Du als Mann Deine Geschichte und Deine Gefühle hier so schildern kannst.


    Hey, ich denke an Euch alle!


    Liebe Grüße,
    Markus

  • Lieber Stefan


    Auch für mich war die Beerdigung ein "Flash"
    So viele Menschen die einfach nur da waren...
    Ich hab mich wie "getragen" gefühlt und gespürt das sie mit mir fühlen. Du hast recht, man hat das Gefühl, man ist nicht alleine.
    Seither weiß ich wie wichtig es ist zu Beerdigungen zu gehen.. nicht nur für den Verstorbenen, sondern noch viel mehr für die Hinterbliebenen.


    Wie wäre die Situation gewesen wenn ihr Jakobs Schwesterchen nicht gehabt hättet? Wenn Jakob ein Einzelkind gewesen wäre?
    Kannst du verstehen das Kate und mir irgendwie die Perspektive fehlt?


    Das war sicher eine kluge Wahl, beim zweiten Sohn auf die Monitore zu verzichten. Die Kinder werden sooft geweckt, es gibt so viele Störungen.. ein ganzes Jahr kaum schlafen können prägt fürs Leben.
    Wie geht es deiner Tochter? Vermisst sie ihren Bruder? Wie hast du es ihr erklärt?


    Du schreibst es gibt in diesem Leben nichts mehr vor dem ich Angst habe, ich habe das schlimmste bereits erlebt.


    Du findest ganz genau die richtigen Worte!
    Stefan, darf ein Mann Schmerzen fühlen? Darf ein Mann leiden? Wie ist die Gesellschaft mit dir in dieser Situation umgegangen?
    Muss nicht immer der Mann der sein, der stark ist?
    und... kann man das immer?


    schön das du da bist
    lg Chris

  • Hallo Chris!


    Ja, ich kann verstehen dass es schwer ist in eurer Situation eine Perspektive zu finden.


    Ich habe mir oft die Frage gestellt, Was würde Jakob wohl sagen wenn er mich so sehen würde, in meiner Trauer? Würde er mir nicht auch raten mein Leben so gut es geht weiter zu leben?


    Ich glaube meine Tochter war noch zu klein um das ganze mitbekommen zu können. Jetzt ist es so, dass wir über Jakob reden, als ob er noch da wäre, ihm Geschenke bringen, Kerzen anzünden. Für uns ist Jakob allgegenwärtig, wenn auch nur auf Bildern oder an seinem Grab. (Dort gibt es immer ein Küsschen von ihr auf sein Bild).
    Ich glaube aber, dass sie nicht wirklich weiß was mit Jakob ist und dass das in einigen Jahren erst richtig zum Thema wird.


    Ich hatte das Glück, auch einmal "schwach" sein zu dürfen. In solchen Situationen erkennt man Freunde bzw. Menschen die zu einem stehen. Ich musste allerdings nach kurzer Zeit (2 Wochen) wieder funktionieren und arbeiten gehen, dass war ein sehr schwerer Schritt für mich. Eigentlich war ich beim Arbeiten (Lehrer) ein halbes Jahr lang fast nicht fähig eine normale Leistung zu bringen. Ein Teil von mir war immer bei Jakob. Sehr oft war ich nur körperlich anwesend.


    Ich freue mich jedes Mal wenn jemand bereit ist dazu mit mir über meinen Sohn zu reden, oder einfach nur zuhört.


    Mich freut es das ihr hier seit.


    Lg Stefan

    Der Verlust eines Kindes bringt die weltliche Ordnung durcheinander.
    Der Druck der Gesellschaft zwingt uns wieder in diese Ordnung,(was auch gut sein kann)
    obwohl im Inneren noch völliges Chaos herrscht.

  • Liebe Chris,


    ja, mein Jan war ein richtiger Kämpfer und alles was wir durchmachen mussten
    hat uns ganz fest zusammengeschweißt.
    Umso trauriger, dass er den Kampf gegen irgendwelche Bakterien verlieren musste!


    Meine Mutter sagt auch immer, dass er vielleicht nur diese gewisse Zeit hier auf Erden hatte,
    in der wir ihn begleiten durften.


    Übrigens bin ich gestern tatsächlich mit dem Gedanken an das Sonnenblumenmeer eingeschlaften. . .
    Möchtest Du vielleicht auch ein bisschen über die Zeit mit deinem Kleinen erzählen?
    Wie war er? – ich möchte Dich aber nicht drängen!


    Wünsch Dir eine gute Nacht!
    Deine Kate



    Lieber Stefan!


    Ich bewundere Dich dafür, dass Du vor nichts mehr im Leben Angst hast!
    Leider bin ich noch nicht so weit. Meine grösste Angst ist, dass ich es vielleicht irgendwann
    nicht mehr aushalte, ohne meinen Sohn hier sein zu müssen . . .


    Ich finde es sehr schön, dass Jakob so einen festen Platz in Eurer Familie hat – ich glaube schon, dass das sehr wichtig ist um überhaupt mit der Situation leben zu können.


    Alles Liebe
    Kate

  • Liebe Kate


    Jan hat einen so großen Kampf gewonnen, hat sich ins Leben gekämpft... und wie du schreibst, wegen einer Kleinigkeit, wegen einer Nichtigkeit wurde er wieder zurückgeholt.
    Aber die "W" Fragen dürfen wir uns ja nicht stellen
    sie sind sinnlos weil es keine Antworten gibt.
    Kate, du hältst es aus...
    weil du weißt das du deinen Jan irgendwann wiedersehen wirst!


    :) ich freu mich, dein Sonnenblumenmeer sehe ich vor mir!


    Ich habe jetzt einen langen Text geschrieben...
    und wieder gelöscht
    es geht noch nicht..
    Mein kleiner Sonnenschein, er fehlt mir sosehr...
    Heut hab ich mir vorgestellt was wäre wenn ich sterben würde... Ich hab so überhaupt keine Angst davor...
    Diese Gewissheit hab ich, irgendwann werde ich ihn wieder sehen.
    Bis dahin versuche ich das Beste aus der Situation zu machen.
    Kate, schlaf gut
    Ich sitze da und heule... ich wusste nicht das es so schwierig ist darüber zu schreiben.
    Aber es ist wichtig und richtig
    schön das es dich gibt, ich denk an dich
    deine Chris


    Lieber Stefan,


    Mensch, ich hab erst jetzt bemerkt das deine Tochter ja nicht 2 Jahre war... sondern so wie dein Jakob, 9 Monate...
    sorry, blöde Frage wie du es ihr erklärt hast!


    Dieses funktionieren müssen... puhh..
    wenn du jetzt zurückschaust, fragst dich nicht auch wie du das überhaupt geschafft hast?


    Es ist schön auch einmal eine "männliche" Sicht zu lesen.
    Vielleicht schaffst du es von deinem Jakob zu schreiben?


    Bitte verzeih meine kurze Antwort
    ich bin nur momentan nicht mehr fähig was vernünftiges zu schreiben
    Ich wünsche auch dir eine gute Nacht
    denk an dich
    deine Chris

  • Hallo Ihr Lieben!


    Ich habe meinen Sohn am 27.3.2007 an die geistige Welt verloren.


    Es war so schrecklich. Ich wollte in dieser Minute auch nur noch sterben.
    Ich konnte mir nicht vorstellen mit diesem Schmerz weiter zu leben.


    Ich fing dann an mich mit dem Jenseits auseinanderzusetzen und hatte im August meinen ersten medialen Kontakt mit meinem Sohn.


    Vielleicht halten mich hier einige für total verrückt aber dies war und ist meine Art mit meiner Trauer umzugehen.


    lg
    Susanna

  • Einen wunderschönen guten Morgen ihr Lieben,


    einen Tag schaue ich nicht ins Forum, und schon muss ich eine ganze Seite 3 nachlesen, weil ihr so viel und so lieb miteinander schreibt.
    Ich hatte gestern einiges zu tun und (das kann ich endlich nach langer Zeit wieder einmal schreiben) ging es mir so gut. Ich hatte ein richtiges Glücksgefühl und war voller Freude. Das tat so gut.


    Ich möchte euch erzählen, wie ich damit umgehe, überängstlich zu sein und ganz bewusst loslassen muss.


    Kurz nachdem die Schule wieder angefangen hatte und ich mich nach dem Tod wieder einigermaßen darauf eingestellt hatte "Mutter" zu sein, war folgende Situation:


    Marcel (mein Großer) hatte um 12 Uhr vom Unterricht aus. Er braucht für gewöhnlich eine halbe Stunde nach hause.
    Nach 45 Minuten war ich nervös, nach 50 Minuten übernervös und nach 55Minuten sagte ich zu meinem Freund: wenn er nicht gleich kommt, such ich ihn.
    Er sah wie angespannt und vollkommen fertig ich war. Ich hatte solche Angst noch ein Kind verloren zu haben, ich hatte grausame Bilder im Kopf.
    Endlich stand Marcel vor der Tür, ich wollte gerade aufbrechen.
    Es war furchtbar, so konnte das nicht weitergehen, schließlich könnte sich die Ubahn so wie damals jeder Zeit verspäten und ich wollte nicht nocheinmal kurz vor einem Nervenzusammenbruch stehen.
    Ich erklärte Marcel, dass er jemanden bitten solle, mich anrufen zu dürfen, sollte er mit der UBahn nicht weiterkommen.
    Das klappte ganz gut und ich war (ausser der natürlichen Sorge) etwas beruhigt.
    Mittlerweile hat er ein Handy und so kann er mich immer anrufen.
    Ich muss schon zugeben, dass ich mich manchmal zusammennehmen muss, um nicht gleich nach 5Minuten anzurufen und ihn zu fragen, wo erbleibt. Aber die Angst ist da.
    Er weiß das auch, weil ich ihm das sagen musste, damit er versteht warum ich mir so Sorgen mache.
    Er hat aber das Recht auf Freiraum und er hat das Recht auf normale Ängste und Sorgen seiner Mutter, und nicht nur, weil sie schon ein Kind verloren hat, das musste ich lernen und muss es heute noch.


    Letztens sagte er im Bus zu mir: Mama, für mich war das viel schlimmer als für dich, weil es war ja mein Bruder und nicht deiner.
    Ich konnte ihm keine Antwort geben. Ich wollte seinen Schmerz nicht bewerten.
    Ich werde nie vergessen, wie er beim Grab seines Bruders stand und leise sagte: Schade, dass du gestorben bist. Ich habe mich auf dich gefreut, mein Bruder.


    Puhh..


    Ja, ich habe Unterstützung von meinem Freund, immer wieder, nur müssen wir uns gegenseitig hochziehen.


    Ich kenne das mit dem nicht Angst haben, was soll schon passieren, es ist doch schon das Schlimmste passiert. Wovor ich sehrwohl Angst habe ist mein Kind und meinen Partner zu verlieren, alles andere ist unwichtig geworden, es hat nicht den Stellenwert als vorher.


    Lieber Stefan;


    herzlich Willkommen!
    Schön, dass du da bist.


    Liebe Kate, liebe Chris, liebe Petra,


    es ist schön, die Gefühle und Erfahrungen mit euch teilen zu können.
    DANKE!!!


    Alles Liebe