Schlaf gut Papa

  • Hallo ihr Lieben,

    Ich bin ganz neu hier und wollte mal meinen Verlust mit euch teilen, da mir das einfach hilft alles aufzuschreiben.

    Im Juni wurde bei meinem Vater ein Hirntumor festgestellt. Er ist von heute auf morgen ganz vergesslich geworden und zunächst wurde ein Schlaganfall vermutet. Nach weiteren Untersuchungen erhielten wir das Todesurteil - Glioblastom und noch dazu irreparable. Seit der Diagnose hat sich unser Leben von heut auf morgen komplett verändert, wir haben nie die Hoffnung aufgegeben auch wenn man die Krankheit googlet. Aber nichts war mehr wie davor. Meine Mutter, meine Schwester und ich haben meinen Papa anfangs gepflegt und mit der Chemo und Strahlentherapie ging es ihm auch besser, allerdings wurde uns danach mitgeteilt der Tumor ist gewachsen. Er hatte keine Schmerzen durch die Krankheit, auch die Chemotherapie hat er sehr gut vertragen doch dann ging es los mit epileptischen Anfällen. Das war ein Rückschritt. Mein Papa hat ständig alles vergessen wir mussten ihm zeigen welches Besteck wann benutzt werden muss und er konnte sich nicht mehr mitteilen. Buchstaben und Zahlen waren bei ihm ganz verdreht im Kopf. Er kam ins Krankenhaus von dort ist er auch noch ausgebüxt und mein Onkel hatte ihn ganz zufällig nur mit Socken total verwirrt beim vorbei fahren gefunden. Daraufhin war er wieder daheim aber er wollte nichts mehr essen und wir haben zusammen die Entscheidung getroffen ihn auf die Palliativstation zu verlegen. Ich wohne nicht mehr zu Hause meine Mama und Schwester hätten das nicht geschafft mit der Pflege. Auf der Station war er dann vier Wochen. Wir haben ihn jeden Tag besucht. Er konnte nicht mehr viel. Gegen Ende war er medikamentös eingestellt und uns wurde ein Hospiz empfohlen. Mein Papa hat selbst gemerkt, dass er nicht mehr lange hat und dass er gehen muss. 6 Tage bevor er gegangen ist war er plötzlich ganz klar, konnte wieder reden und hat sich bei meiner Schwester von uns allen verabschiedet das waren seine letzten Worten. Danach kam er noch für vier Tage ins Hospiz und hat aufgehört zu reden. Wir hatten dort auch noch am Wochenende übernachtet, der Sterbeprozess hat sehr schnell eingesetzt und er ist von uns gegangen wir waren alle dabei als es passiert ist und das war im Dezember.

  • Danach haben wir erst einmal funktioniert. Beerdigung, Bürokratie und etc. Ich dachte mir ich kann direkt wieder ins Leben starten habe mich abgelenkt, da ich noch studiere startete auch direkt meine Lernphase für die Klausuren und das ging bis Ende Februar.
    Der März hat mich wieder richtig zurück geworfen, mein Kopf und Herz sind noch im Dezember ich habe meinen Schmerz verdrückt, wenig darüber geredet, mich abgelenkt. Ich hatte versucht mir Hilfe zu holen aber das war gar nicht so einfach, da ich auf eine Verbeamtung hoffe nach meinem Studium habe ich etwas Angst vor einer Therapie, die in meiner Krankenakte vermerkt wird. Aber ich habe jetzt eine Beratungsstelle gefunden.
    Meine beste Freundin hat mich in der ganzen Zeit sehr begleitet, war täglich für mich da, konnte anfangs nicht alleine schlafen.
    Doch gerade haben wir etwas Atempause voneinander, da wir so eng geworden sind habe ich das ausgenutzt und meine Wut an ihr in den falschen Momenten ausgelassen. Und sie hat keine Kraft mehr, ist müde und weiß keinen Ausweg. Sie verzweifelt an meiner Situation. Die Freundschaft ist ungesund geworden und aus dem Gleichgewicht geraten.
    Ich bin doch genauso müde und kraftlos und denke mir, wieso muss der Mensch erst an einen Tiefpunkt gelangen, um zu merken, dass man etwas ändern muss. Ich bin sehr wütend auf mich selbst, ich könnte mir einen weiteren Verlust gerade nicht verzeihen. Aber ich glaube wir kriegen das wieder hin. Ich muss mir auch Gedanken machen, mit meiner Schwester darüber reden und mit einer Freundin, die das gleiche Schicksal durchgemacht hat.
    ich bin froh dieses Forum gefunden zu haben und meine Trauer hier einfach einmal los zu schreiben.

  • Liebe Lena,


    Ich habe Tränen in meinen Augen... den Papa zu verlieren ist schon unfassbar schwer und schmerzhaft und dann noch auf so eine miese Art des Schicksals...


    Ich habe gerade kaum Worte, aber ich fühle mit dir ❤️💔


    Pia 🥀

  • Liebe Lena <3

    du hast es ja gelesen das ich eigentlich heute nicjht mehr schreiben wollte. Doch das "musste" ich jetzt einfach bei dir...

    Das ist das trauernde mitfuehlen was du jetzt erlebst .

    von mir jetzt nur kurz und ganz bestimmt von anderen Trauernden.


    einen lieben , zärtlichen Titel hast du deinem Papa gewidmet und Vergissmeinnicht in deinem Avatarbild ...

    Morgen oder uebermorgen schreibe ich mehr.

    Gute Nacht Wuensche sende ich dir deine Wegbegleiterin Sverja


    kein PS

    ich hoffe du hast eine bestmögliche "gute Nacht<3

  • Liebe Lena.K


    natürlich bekommt ihr das hin.

    Hab ein bisschen Geduld mit Dir, Du bist aus dem Gleichgewicht und das ist völlig normal das dauert einfach.


    Du musst nicht wütend auf Dich sein sondern es einfach annehmen den Schmerz es gibt da keine Abkürzung und jeder ist individuell Du musst für Dich herausfinden was Dir gut tut.


    Der eine braucht Menschen leben um sich.

    Der andere braucht die Ruhe keine Menschen und kein Leben.

    Der eine will reden, de andere nicht.

    Der eine weint der andere gar nicht.

    Der eine ist wütend, der andere überhaupt nicht.


    Das ist alles individuell.

    Du wirst herausfinden was Du brauchst und was Dir gut tut.


    Vlg. Linchen

  • Liebe Lena,

    wenn ich eines in den letzten Monaten gelernt habe, dann ist es, dass schreiben hilft.

    Es gibt so viel auszudrücken oder mitzuteilen, was man "draußen" unmöglich tun kann. Und vor allen Dingen geht es um das Teilen und angenommen werden .Wie Linchen es schreibt, jeder trauert auf seine eigene Weise und das darf man hier.


    Es ist gut, dass du dir Hilfe gesucht hast. Du schreibst von einer Beratungsstelle. Vielleicht wäre es zusätzlich noch gut, wenn du nach einer Trauerbegleiterin suchen würdest (manchmal bieten Hospize kostenlose Trauerbegleitung an). Das würde auch nirgendwo erscheinen und deinen Werdegang beeinflussen.


    Ich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Diese Menschen wissen, wie man sich fühlt.


    Was du über deinen Papa schreibst, ist herzzerreißend und nicht einfach zu verkraften.

    Es ist nicht verwunderlich, dass da dann Wut an ganz anderen Stellen hochkommt. Geh ein bisschen gnädiger mit dir um, du bist einfach in Trauer.

    Wenn es eine echte und tiefe Freundschaft ist, dann wird sie es auch überstehen.



    Ich drück dich virtuell ohne weitere Worte.


    Mena

  • Liebe Mena, Linchen,

    Auch an euch großen Dank.
    Gerade kehrt etwas Ruhe über die Feiertage ein und ich kann meine Gedanken sortieren. Geduld fällt mir wirklich nicht so leicht aber ich weiß, dass ihr recht habt.
    Was mir gut tut habe ich noch nicht richtig herausgefunden ich glaube ich starte jetzt erst richtig mit dem Trauerprozess. Ich dachte ich bleibe stark krieg alles hin, kann mit meinen Freunden mitziehen aber ich bemerke, dass ich eigentlich auch sehr viel Ruhe brauche.

    Das mit dem Hospiz ist auch eine gute Idee ich mache mir mal Gedanken dazu die nächsten Tage.
    Schöne Feiertage euch allen.

  • Liebe Lena,


    mein Beileid zum Verlust deines Papas. Was du schreibst klingt heftig und ich freu mich, dass du hierher gefunden hast. Wie Mena und viele andere schon geschrieben haben - Schreiben hilft oft sehr, mir zumindest.
    Ich kenne dieses Gefühl stark sein zu wollen und „alles hinzukriegen“. Als mein Vater krank wurde, habe ich versucht, dass sehr rational zu betrachten. Er war ja schon weit über siebzig und ich konnte froh sein, ihn so lange gehabt zu haben…usw. Zumindest für mich hat das gar nicht funktioniert. Trauer ist ein heftiges Gefühl, dass sich in den letzten Jahren meinen unbedingten Respekt erarbeitet hat;). Das erste, was sie mir beigebracht hat, ist netter zu mir selbst zu sein. Dass du das Gefühl hast deiner Freundin zu viel aufgebürdet zu haben, kommt ja daher, dass du grade so viel trägst. Mich hat im Studium auch mal eine Freundin wütend angeschrien, deren Vater kurz vorher gestorben war. Ich habe es ihr verziehen und noch viel mehr, seit ich selbst weiß, wie sich so ein Verlust anfühlt. Damals konnte ich ihr leider nicht gut helfen. Mittlerweile haben (leider) viele Freunde Eltern verloren und das sind auch die, mit denen ich darüber spreche.


    Es klingt als würdest du das alles toll machen.

    Liebe Grüße

    Cildie

  • Liebe Lena,


    mein Beileid zu deinem Verlust! Ich kann absolut nachvollziehen wie du dich fühlst. Ich habe meinen Papa am 27.2. an den Krebs verloren und dachte, dass ich es von Tag zu Tag immer besser schaffe mit der Trauer umzugehen. Das war ein großer Irrtum. Ich habe mich zu schnell wieder in die Arbeit gestürzt und versucht durch die Ablenkung der Trauer nicht zu viel Raum zu geben. Jetzt hat sie mich aber doch voll eingeholt. Es geht mir momentan sehr schlecht. Ich breche bei jeder Erinnerung an meinen Vater in Tränen aus bzw. kann keine Fotos von ihm sehen ohne zu weinen.
    Mein größtes Problem ist allerdings, dass ich finde, dass mein Umfeld nicht mehr so viel Verständnis für meine Gefühlsausbrüche zeigt. In den ersten Wochen nach dem Tod meines Vaters bekam ich von allen Seiten sehr viel Unterstützung und alle boten ihre Hilfe an. Jetzt habe ich das Gefühl die Leute fühlen sich unwohl wenn ich von meinem Vater und meiner Trauer erzählen will. Sogar mein Mann meint ich muss langsam wieder zur Normalität zurückkehren und kann nicht ewig so weitermachen. Dabei sind noch nicht mal zwei Monate vergangen.

    Das was du alles schreibst klingt für mich nach ganz normalen Verhalten und ich finde, dass du das sehr gut bewältigst. Ich denke, dass auch deine Freundschaft diese schwierige Zeit überstehen wird. Es ist toll, dass du eine so gute Freundin an deiner Seite hast!


    Ich wünsche dir auf jeden Fall ganz viel Kraft für deinen weiteren Weg und umarme dich.


    Alles Liebe

  • Liebe Cildie,

    Danke für deine schönen Worte.
    Ich verstehe dich so sehr. Ich glaube auch, dass man einfach nicht zu streng mit sich sein darf. Ich dachte immer ich bin stark ich schaffe das aber gerade holt mich die Trauer ein und es ist genauso, wie du schreibst, sie hat meinen vollen Respekt und das hat nichts damit zu tun, dass man schwach ist, wenn man trauert. Das musste ich auch erst einmal begreifen.
    Meine Freunde sind tatsächlich alle sehr verständnisvoll das ist wirklich sehr schön.
    Vielen Dank Euch allen.

  • Liebe Wintermond83,


    mein Beileid zu Deinem schweren Verlust.

    Du solltest Deinen Mann ganz klar sagen das nichts gut ist nach 2 Monaten schon gar nicht ....ich fass das nicht was sich manche denken.


    Bei mir sind es 3 Jahre und 6 Tage nichts ist gut und wird auch nicht mehr so richtig gut.

    Dieser Schmerz gehört zu mir immer.

    Ich kann auch aus vielen anderen Verlusten die ich erleben musste seit frühester Kindheit sagen es bleibt immer etwas man verändert sich und es bleibt.


    Vlg. Linchen

  • Liebe Wintermond83,


    mein herzliches Beileid zu deinem Verlust.

    Mir ging es die letzten drei Monate genauso. Ich wollte mitziehen mit den Anderen, habe mich wieder komplett in das Leben geschmissen ohne jegliche Trauer zuzulassen und jetzt überkommt es mich alles.

    Da ich nicht mehr zu Hause wohne war ich erst einmal am Grab und der Weg dort hin ist für mich einfach das schwerste es kostet mich sehr viel Kraft. Aber auch Fotos tun mir gerade weh.
    Ich glaube manchmal muss man es den Leuten auch erst einmal klar machen und sie daran erinnern, dass es erst zwei Monate sind ich glaube das vergessen sie einfach sehr schnell. Und nicht zu vergessen die Zeit zuvor mit dem Krebs.
    Ich habe auch Menschen in meinem Umfeld, die gar nicht wissen wie sie mit mir umgehen sollen, trauen sich nicht zu fragen oder fühlen sich unwohl wie du schreibst.


    Fühl dich von mir auch gedrückt. Wir schaffen das alle zusammen.