Lieber Dieter,
ich weiß, es fühlt sich oft so an, aber die Trauer wird dich nicht umbringen und sie wird mal stärker und dann auch wieder schwächer sein.
Dann wirst du auch mal wieder sehr normale Momente erleben, sogar schöne, in denen du kurzzeitig vergisst, was alles war.
Und dann plötzlich kommt wieder die Trauer... aber man kann sich ein wenig daran gewöhnen, auch wenn ich uns allen das Ganze auch gern erspart hätte.
Wir können es leider nicht ändern. Wir können nur lernen, damit zu leben... auf bessere Zeiten hoffen. Und das neue Leben versuchen, zu gut es uns gelingt, zu leben und mit guten Dingen zu füllen.
Jetzt gerade bist du aber noch in tiefer Trauer und das darf auch alles sein.
Ich finde es auch traurig, dass es in deiner Familie so wenig Zusammenhalt gibt. Auch wenn ich nicht alle Hintergründe kennen kann, klingt die aktuelle Situation sehr festgefahren.
Ich an deiner Stelle würde in dieser ohnehin schwierigen Lage versuchen, so gut es geht meine eigenen Kräfte zu behalten... minimale Energieverschwendung an Ärger und dergleichen. Wenn du kannst, gehe dem Ärger aus dem Weg und streite nur da mit jemandem, wo es absolut notwendig ist.
Es ist schwer, die Menschen zu ändern. Es ist schwer, die Art wie die Familie mit dem Tod deiner Mutter umgeht, zu ändern.
Wenn dir der Kontakt zu bestimmten Familienmitgliedern nichts bringt außer Ärger, kannst du diesen vielleicht auf das Nötigste beschränken. Wenn du niemanden sonst hast, ist das natürlich schwierig... Dann könntest du aber, wenn es dir etwas besser geht, versuchen, ein neues Umfeld über Aktivitäten aufzubauen.
Du musst nicht für alle Probleme jetzt eine Lösung finden.
Du musst nur erstmal über die nächsten Tage kommen.
Und du solltest essen, trinken und möglichst zu normalen Zeiten schlafen.
Einfach damit du nicht in so einen Rhythmus kommst, dass du tagsüber schläfst und abends hellwach bist. Das ist gerade in der dunklen Jahreszeit fatal.
Ich sage es ganz ehrlich und auch zur Vorbeugung, Disziplin ist auch wichtig bei so einem herben Verlust. So empfinde ich es zumindest.
Mit Disziplin meine ich nicht, die Gefühle einzuschränken, sondern sich einen Tagesablauf zu organisieren und diesen durchzuziehen.
Sich Aktivitäten draußen vornehmen... Verabredungen ausmachen, wenn das einem möglich ist. Termine (Arzt, Optiker, Massagen etc.) ausmachen, auch damit man einen Grund hat aufzustehen, sich anzuziehen und rauszugehen. Wenn man dann draußen ist, merkt man, dass einem die frische Luft doch ganz gut tut. Dann hängt man noch den dringenden Einkauf mit dran. Voila, wieder etwas geschafft.
Und ja, idealerweise auch einer Art von Beschäftigung nachgehen, die die Tage füllt. Wenn das keine klassische Arbeitsstelle ist, ginge vielleicht sowas wie irgendwo mithelfen... Ehrenamt, Verein oder dergleichen.
Das alles anzustoßen macht keinen Spaß. Spaß kann es machen, wenn man dann mittendrin ist und merkt, dass es auch ein "Leben danach" geben kann.