Meine Ursel ist gegangen

  • Lieber Dieter...


    Was bleibt,ist die Leere.

    Sie zu verleugnen,macht keinen Sinn,

    Sie rüttelt mich immer wieder wach.

    Was bleibt,ist die Leere.

    Sie zu übersehen,macht keinen Sinn,

    sie umgibt mich immer wieder

    von allen Seiten.

    Was bleibt,ist die Leere.

    Sie zu umgehen,macht keinen Sinn,

    sie stellt sich mir immer wieder in den Weg.

    Was bleibt,ist die Leere.

    Sie zu bedecken,macht keinen Sinn,

    sie taucht immer wieder auf.

    Was bleibt,ist die Leere.

    Sie zu füllen,macht keinen Sinn,

    sie lässt mich immer wieder den Boden unter den Füssen verlieren.

    Was bleibt, ist die Leere.

    Sie zu bekämpfen,macht keinen Sinn,

    sie greift mich immer wieder an.

    Was bleibt,ist die Leere.


    Doch- sie hat einen Sinn,sie allein hält unsere Zweisamkeit aufrecht,sie,dein letztes Vermächtnis an mich,sie,der einzige Ort,an dem ich dir immer wieder begegnen kann.

    Was bleibt,ist die tröstliche Leere.


    -Elisabeth Hahn-



  • Lieber Dieter,


    die Angst zu sterben habe ich auch nicht mehr.

    Nur die Angst, dass es schmerzhaft und für mich unerträglich ist.


    Ich lebe von Tag zu Tag. Mache keine langfristigen Planungen mehr.


    um mich herum sind Menschen glücklich. Haben Kinder und Enkelkinder. Auch durch einen Schicksalsschlag habe ich nichts.


    Heute ist ein Feiertag. Früher habe ich mich gefreut.


    traurige Grüsse

    Sonnenstrahl

  • Liebe Sonnenstrahl,


    schmerzhaft muss das Sterben heutzutage nicht mehr sein. Da gibt es gute Medikamente, Palliativpflege usw. Die wenigsten Menschen sterben so plötzlich wie Dein Lebensgefährte, der sicher ganz schnell ohne Bewusstsein war. Bei Ursels Sterben hab' ich mich sehr mit dem Sterbeprozess beschäftigt und darüber informiert. Bei den meisten Menschen geht dieser Prozess schon wochenlang vorher langsam los. In der finalen Phase hat man weder Durst noch Hunger mehr. Ursel konnte die letzten 7 Tage nichts mehr trinken oder essen weil in dieser Phase auch der Schluckreflex versagt. Dann verabschiedet sich ein Organ nach dem anderen. Bei Ursel dauerte das sehr lang, eine ganze Woche. Der Arzt, der ihr dann Morphium zur Verbesserung der Atmung und gegen Angst verschrieb, fragte sie in einem wachen Moment wie es ihr ginge. Die Antwort werde ich nie vergessen: "Och, ganz gut". Er sagte dann zu ihr: "Madla, du bist ein Phänomen." Da arbeiteten schon die Nieren und die Leber nicht mehr. Das Morphium musste ich ihr unter die Zunge träufeln. Die letzten 2 Tage summte sie ständig immer dieselbe Melodie. Ein glücklicher Tod.

    Langfristige Planungen mache ich auch nicht mehr, lebe auch von Tag zu Tag. Ich gehe nach der Arbeit (Minijob) viel spazieren, zum Abschluss dann in den Biergarten wo ich arbeite und trinke mein Mitarbeiterbier. Kaum habe ich dann die Wohnungstür hinter mir geschlossen, kommen mir regelmäßig die Tränen, weil keine Ursel mich liebevoll begrüßt.


    Liebe Grüße von Dieter aus Nürnberg