Liebste Katarina,
ich denke das hier zwei sehr verschiedene Einstellungen zu einer ähnlichen Situation auf einander prallen aber das ist ja nicht schlimm, denn gerade die Verschiedenheit macht das Miteinander doch so interessant und oftmals auch sehr belehrend.
Möglicherweise hast Du mich auch ein bisschen misverstanden, denn meine Einstellung zu ihm hat ja wenig mit Verzeihen zu tun. Ehr mit gut sein lassen. Noch weniger stehe ich auf dem Standpunkt das seine Krankheit jeh sein Verhalten entschuldigt hätte. Dennoch weiß ich inzwischen das seine Krankheit und die Medikamente die er bekam das Potential hatten seine Persönlichkeit stark zu verändern. Etwas was nach dem ersten Jahr nach seiner Diagnose kaum noch überschaubar war. Ja, es war so eindeutig das man teilweise sein Verhalten mit dem Anfang einer Demenz hätte verwechseln können. Stark zunehmende Vergesslichkeit, Verwirrung, Wutausbrüche wenn ihm wieder einmal etwas ganz normales nicht gelungen war oder er etwas sehr einfaches schlichtweg nicht verstanden hatte. Andere Male war er sehr lethargisch, depressiv und heulte bei jeder Kleinigkeit los. Aber wie schon gesagt, entschuldigt all Das meines Erachtens nicht wie er sich mir gegenüber ver-
halten hat - zu Zeiten wo es ihm noch gut ging wie auch zu den Zeiten wo er immer kränker wurde.
Im Gegensatz zu Dir gestehe ich das ich sein Verhalten mir gegenüber nicht mehr hinterfragte als er mich für seine Neue verließ, denn wärend der Zeit war er sich dermaßen selbstsicher seinen geplanten Weg zu gehen das er sich gar nicht mehr die Mühe machte seine einstige Fassade auf-
recht zu erhalten. Ja, und als er krank wieder nach Hause kam beschloß ich mit ihm den letzten Weg zu gehen um eine angefangene Sache die katastrophal in die Hose gegangen war zu einem guten Ende zu bringen. Wissend das dieser Weg ein sehr harter aber zeitbegrenzter werden würde. Und anstatt ihm wieder mein ganzes Herz zu schenken beschloß ich nur noch so viel Zuwendung zuzulassen wie nötig um meinen "Job" bestmöglichst machen zu können. Nenne es eine Form von Selbstschutz, der mir letztlich sehr zu gute kam und mir auch sehr half nicht an der Situation zu verzweifeln oder riesige Haßwellen zu entwickeln. Ja, ehrlich gesagt nahm ich jeden einzelnen Tag so wie er kam und war stehts froh wenn es ein friedlicher gewesen war ohne besondere Zwischenfälle.
Liebste Katarina, klar hätte ich auch diese Zeit nützen können um ihm all das Leid was er mir zugefügt hatte heimzuzahlen, denn nun war er ja letztlich der erheblich schwächere. Aber was hätte Das schon gebracht? Immerhin kann ich heute mein eigenes neues Leben mit reinem Gewissen leben weil ich bis zum Schluß mein Bestes gab, und ehrlich gesagt ist mir Das viel viel lieber als sagen zu können das ich ihm oft genug Eine ausgwischt hatte.
Nun ja, und was das Ding mit der Trennung betrifft wäre es mit sehr großer Warscheinlichkeit sehr Anders gelaufen als Du es Dir vorstellst. Nein, er hätte mich gewiß keine jahrlang mehr gequält wenn er nicht krank geworden wäre, denn zur Zeit der Diagnose war ein Käufer für das Haus ge-
funden worden und die Scheidung wäre auch nur wenige Monate später durch gewesen. Den ganzen Terror wärend der Trennung hatte er ja nur gemacht weil ihm Alles nicht schnell genug ging. Folgedessen hätte er sich bei seiner Neuen fest etabliert und ich wäre mit hohen Restschulden für das Haus und keinerlei Altersversorgung auf der Straße gelandet.
Meine liebe Katarina, blicke ich heute zurück bin ich einfach nur meinem Schicksal enorm dankbar das ich durch seine Krankheit die große Chance bekam mir all Das zu bewahren was wir uns über die Jahre aufgebaut hatten. Es mag komisch klingen, aber letztlich ist es diese Dank-
barkeit die mich davor bewahrt ihm Übles im Jenseits zu wünschen. Vermutlich auch weil all solche düsteren Gedanken mich davon abhalten würden mich mit Freude auf das Hier und Heute zu konzentrieren.
Und wie AnnaL so gut sagte ... weiß man es wirklich ob der oder die Verflossene im neuen Leben wirklich so glücklich sind wie man es glaubt? Blicke ich auf seine Affaire habe ich da sehr große Zweifel das Diese auf die Dauer gut gegangen wäre, da sie ja auf nichts Tiefsinnigem und Wert-
vollem basierte.
In diesem Sinne wünsche ich Dir noch einen schönen restlichen Ostermontag und einen guten Start in die neue und verkürzte Woche,
Hanna