Nie, nie wieder / Schuld

  • Lieber Frank, das mit den leeren Tagen geht mir genauso, am Abend wirds dann immer für kurze Zeit besser.

    Nachdem ich jahrelang immer für alte Menschen da war, zuerst im Altersheim als Freiwillige und später dann für die Eltern meines Mannes und meine eigenen Eltern, möchte ich das nicht mehr. zumindest jetzt noch nicht.

    Eigentlich war ich immer für alle da, ich würde mir wünschen, dass jetzt einmal jemand für mich da wäre, auch wenn das egoistisch klingt.

    Leider ist das nicht der Fall, jetzt wo ich mich wieder einigermaßen normal verhalte, ist es wieder wie vorher, dass mir alle Bekannten ihre Sorgen erzählen und auch mein Cousin sehr froh ist, jemanden gefunden zu haben, dem er seine Alltagerlebnisse erzählen kann.

    Ich höre auch gern mal zu, denn diese Menschen, haben mir in den ersten Wochen und Monaten sehr geholfen, aber dazu dann noch fremde einsame Menschen betreuen, das übersteigt meine Kräfte momentan und ich habe auch keine Lust dazu.

  • Lieber Frank,

    ich lese gerade deine traurigen Zeilen bei Uwe. Es geht uns zur Zeit hier allen gleich schlecht.

    Wir alle haben die gleichen Selbstzweifel und machen uns Vorwürfe. Aber an dem, was uns geschehen ist, tragen W I R doch keine Schuld. Nenne es Schicksal oder Vorbestimmung, egal.

    Wir wollten das nicht. Also trifft uns auch keine Schuld. Es wäre immer passiert.

    Ich habe auch Schuldgefühle, weil ich immer zu ihm gesagt habe, wir schaffen das. Wohl um mich selbst zu beruhigen. Er hat mich in dem Glauben gelassen. Er hat es schon lange gewusst, dass er sterben muss, bevor das vernichtende Gespräch beim Professor stattfand. Nur ich wollte es nicht wissen, nennt man das Selbstsucht, egoistisch, verblödet?

    Schuldgefühle hat man wohl immer, ob zu Recht oder Unrecht, an der Krankheit selbst hätte es wohl nichts geändert.

    Wie und warum wir weiterleben sollen, weiß ich auch nicht . Jeder Versuch, sich abzulenken, funktioniert nicht oder nur kurzfristig. All die schönen Erinnerungen nützen mir wenig, sie machen alles nur noch schlimmer. Ich darf nicht mal sie denken.

    Bin ich woanders, fehlt er mir unendlich, bin ich Zuhause, fehlt er mir noch mehr.

    Ich sehe zwar keinen Sinn mehr im Leben, aber an den Tod mag ich nicht denken. Ich befinde mich irgendwo dazwischen, in einem Vakuum, das mir oft die Luft zum Atmen nimmt.

    Also bin ich damit beschäftigt, nicht zu ersticken.

    Sollte das meine neue Lebensaufgabe sein ?

    Ganz liebe Grüße aus einem ganz traurigen Tag.:13:

    Petra:30:

  • Liebe Petra,

    viele Grundschulen suchen Lesementoren, die einmal in der Woche mit leseschwachen Kindern gemeinsam lesen und vorlesen. Vielleicht wäre das eine Möglichkeit für dich?

    Gerade unbekümmerte Kinder geben so viel zurück.

    Liebe Grüße

    Petra

  • Lieber Frank,


    auch ich habe das Dich die Frage nach Deiner Schuld wieder sehr stark beschäftigt. Mir geht es ebenfalls oft so, Du schreibst das Du Dein Leben genossen hättest als es Deiner Frau bereits sehr schlecht ging, dazu möchte ich Dir schreiben, das Mick als es ihm so schlecht ging, das er die Wohnung nicht mehr verlassen konnte ,mich immer und immer wieder aufgefordet hat, einmal vor die Tür zu gehen, etwas zu unternehmen.


    Er wollte das ich noch am Leben teilnehme, bin ich dann tatsächlich mal in den Park um spazieren zu gehen, trieb mich ds schlechte Gewissen zurück, das hat bei ihm Unverständnis ausgelöst.


    Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dsa Du dsa Leben genossen hast, wahrscheinlich hast Du daran teilgenommen um einmal abuschalten.


    Sei lieb gegrüßt

    Gabi & Mäuschen

  • Ihr Lieben,


    ich habe mal wieder eine Weile versucht, nicht allzu oft ins Forum zu gehen - hoffend, so vielleicht von der Dauerbeschäftigung mit Tod und Trauer wegzukommen. Aber ich habe es nicht geschafft und schaffe es nicht.


    Ich schaffe es auch nicht, mich jetzt bei allen, die mir hier ans Herz gewachsen sind, persönlich in ihren jeweiligen "Threads" (heißt das so?) zu melden. Möchte Euch aber allen sagen, dass ich viel mitlese und in meinen Gedanken oft bei Euch bin.


    Bei mir dauert die Trauerzeit inzwischen fast 14 Monate. Und ich muss, ob ich will oder nicht, wohl einsehen, dass es sich bei mir um eine "pathologische Trauer" handelt.


    https://blog.cognifit.com/de/trauer-verarbeiten-tipps/


    Habt Dank für Eure Unterstützung. Euch allen wünsche ich Kraft und die Geduld, die Hoffnung, es könne mal wieder besser werden, nicht aufzugeben.


    Liebe Grüße

    Frank

  • ich habe mal wieder eine Weile versucht, nicht allzu oft ins Forum zu gehen - hoffend, so vielleicht von der Dauerbeschäftigung mit Tod und Trauer wegzukommen. Aber ich habe es nicht geschafft und schaffe es nicht.

    Lieber Frank,

    heute sind wir - mal wieder - bei Uwe eingezogen und entwickeln schon fast so etwas wie Humor...

    Ich verstehe natürlich, was Du meinst, wenn Du nicht ins Forum schauen möchtest.

    Bei mir dauert die Trauerzeit inzwischen fast 14 Monate. Und ich muss, ob ich will oder nicht, wohl einsehen, dass es sich bei mir um eine "pathologische Trauer" handelt.

    Lieber Frank, ist diese medizinische Klassifizierung für Dich wesentlich?

    Das ist keine rhetorische Frage, sondern ich habe mir ähnliche Gedanken auch bereits gemacht und natürlich alles mögliche im Internet darüber gelesen.

    Ganz herzlich,

    Tereschkowa

  • Liebe Tereschkowa,


    die medizinische Klassifizierung ist für mich nicht unbedingt von Belang. Ich suche nur Anhaltspunkte für die Frage, ob es denn nochmal besser werden kann. Und wenn es dort heißt, nach sechs Monaten werde es problematisch, gibt mir das schon zu denken. Es ändert sich einfach nichts an meiner Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Ich vermisse meine Frau in jeder Sekunde. Und daran werden auch Psychotherapeuten und/oder Medikamente kaum etwas ändern können. Es bleibt eben nur: aushalten und versuchen, sich selbst zu vergeben. Entweder geht es oder es geht eben nicht.


    Liebe Grüße

    Frank

  • Lieber Frank,

    ich denke ich kann nachvollziehen was Du meinst... auch wenn die Zeit eine andere ist.

    Momentan verbarrikadiere ich mich in einer Art Kokon - ein Zeit-und-Raum-Kontinum -.

    Jedwede Frage oder Gedanke an "ein mögliches Leben" blockiere ich möglichst, bevor es mich zur Verzweiflung bringt....

    es macht mir Angst.

    Momentan habe ich das Gefühl, dass es mir besser geht, wenn ich nichts unternehme damit es mir besser geht.

    Klingt paradox, ich weiß.

    Doch mich setzt diese Erwartung, dass sich "etwas bewegt" von mir und auch von anderen unter Druck.

    Das Leben verbringt eben gerade mich, nicht ich das Leben. Punkt.

    Ganz, ganz herzlich,

    Tereschkowa

  • Lieber Frank,

    du must Dir nichts vergeben und deine Frau hat Dir längst vergeben. Es gibt keinen Groll dort wo jetzt ist. Sie hat Dir bereits verziehen und das solltest du auch.

    Wir sind alle mehr oder weniger verzweifelt in unserer Hoffnungslosigkeit. Vergessen werden wir unsere Lieben nie. Aber es wird irgendwann erträglicher, die Erfahrung habe ich bereits gemacht.

    Ganz liebe Grüße

    Petra

  • Lieber Frank, ich lese viel über Tod und Trauer und bin auch in einigen Trauergruppen in Facebook und kann dir sagen, wenn dein Kummer pathologisch ist, dann sind alle die in diesen Gruppen und auch in diesem Forum schreiben, oder geschrieben haben, von der pathologischen Form der Trauer betroffen.

    Ich glaube das nicht.

    Ich glaube, dass viele Menschen ihre Trauer unterdrücken, einfach funktionieren und krank werden.

    Ich glaube, dass es einige Menschen gibt, die gefühlskalt sind und tatsächlich froh, von der Bürde ihrer Partnerschaft befreit worden zu sein.

    Ich glaube auch, dass viele Menschen ihre Trauer verheimlichen, weil sie die Reaktionen ihrer Mitmenschen fürchten.

    Ich glaube, dass die Trauer tatsächlich mindestens 3 bis 6 Monate dauert, wenn es sich um Menschen handelt, die einem zwar lieb und teuer waren, die aber nicht essentiell am eigenen Leben teilhatten.


    Ich habe den Artikel, gelesen, den du verlinkt hast und ehrlich gesagt habe ich dort nicht gelesen, dass die Trauer nach 6 Monaten automatisch pathologisch ist, im Gegenteil es stand dort, dass Trauer sehr individuell und zeitlich nicht begrenzt ist.

    Das Kriterium ist eher das Steckenbleiben in einer der Trauerphasen und da habe ich doch den Eindruck dass das bei dir nicht der Fall ist, dass es sich zwar sehr, sehr langsam, aber doch allmählich verändert.

    Und du kannst dein Alltagsleben bewältigen, wenn du sogar fähig bist, Menschen im Altersheim zu besuchen und zu unterstützen.


    Also bitte gib nicht auf, sei nicht so streng zu dir und bleib in Kontakt mit der Welt! Ich wünsche dir alles, alles Gute!

  • Bei mir dauert die Trauerzeit inzwischen fast 14 Monate. Und ich muss, ob ich will oder nicht, wohl einsehen, dass es sich bei mir um eine "pathologische Trauer" handelt.

    Lieber Frank, es tut mir leid, dass ich dir das so schreiben muss: Diese Seite entspricht absolut nicht dem, was heute über Trauer gelehrt wird.

    Ich schreibe das jetzt auch auf die Gefahr hin, überheblich zu klingen:

    Durch meine Ausbildung und Erfahrung mit Menschen in der Trauer kann ich euch sagen, dass pathologische Trauer ein absolut veralteter Begriff ist.

    Trauer wird nicht nach ein paar Monaten pathologisch - also krankhaft und auch nicht chronisch - also dauerhaft.


    Trauer kann kompliziert sein und sie kann erschwert sein.


    Außerdem sind die Phasenmodelle dieses Artikels veraltet. Wenn du gute Literatur zu Trauer magst, dann lies doch mal etwas von Eva Terhorst oder Chris Paul oder Monika Müller oder Thorsten Adelt oder ....


    Bitte lasst euch weder bei Krankheiten noch bei Trauer von Dr. Google beraten. In Krankheiten gibt es Ärzte die sich ihr Wissen angeeignet haben und in der Trauer gibt es TrauerbegleiterInnen, die ein Wissen haben. Und auch wenn das Wissen nicht mit euren Gefühlen übereinstimmen, dann kann darüber geredet oder geschrieben werden.


    Sich einigeln nach solchen Informationen, sich darauf zurückziehen und darauf beharren, das kann wirklich krank machen - den Körper und auch die Seele.


    Darum lieber Frank, trau dich raus aus deiner Höhle, auch wenn es weh tut, bleibe in Kontakt und wage es, dich dem Schmerz zu stellen.


    Lg. Astrid.

  • lieber Frank,


    bin gerade mal wieder auf die seite von Chris Paul gestossen;

    auf die gefahr hin, dass ich mich wiederhole, schick ich dir diesen link:


    https://www.chrispaul.de/trauerinstitut/


    diese beiden videos, vor allem das erste, Mit Trauer leben

    waren für mich mit das hilfreichste, was ich an medien kriegen konnte.


    Chris Paul wurde hier schon mehrfach erwähnt,

    sie leitet das TrauerInstitut Deutschland.


    Ich hab hier schon mal in der sehr gut versteckten abteilung

    "Dies und Das", unterabteilung "Bücher und andere Medien..."

    ein buch von ihr vorgestellt.


    immer wieder geholfen hat mir ihre aussage, dass es durchaus "normal" ist,

    erst nach drei bis fünf jahren wieder im leben angekommen zu sein.


    ich kann damit was anfangen.

    übernächste woche werde ich 3 jahre ohne meinen liebsten menschen

    unterwegs gewesen sein und überlebt haben.


    und jetzt, seit kurzem, spüre ich eine veränderung,

    das erste mal freude am frühling, am aufbruch.

    neue energie.


    es tut mir immer so weh,

    wenn du von deiner vermeintlich "pathologischen trauer" schreibst.

    dann denke ich an die aussagen in diesem video.


    vielleicht magst du ja mal rein schauen...


    herzlich

    Bea

  • Liebe Bea, lieber Frank,


    vielen Dank für den link!

    Hab mir beide Interviews angesehen - wirklich gut!

    Weiss von einer Freundin, dass sie nach dem Tod ihres Mannes erst nach 5 Jahren wieder einigermaßen im Leben angekommen ist.

    Ist bei jedem sicherlich unterschiedlich - und ein Prozess mit Höhen und Tiefen.

    Pathologische Trauer halte ich für eine weltfremde Diagnose. Und wie im Interview richtig beschrieben: Zu versuchen, die Trauer wegzudrängen macht krank!

    Bea, Bei Dir werden es bald 3 Jahre ohne Deinen liebsten Menschen sein - bei mir ziemlich zeitgleich 2 Jahre...


    Alles Liebe,

    Leo

  • Liebe Bea,

    auch von mir herzlichen Dank für den link - auch wenn's mir Angst macht; schließlich gehe ich auf die 70 zu; da ist es nicht so leicht, darauf zu hoffen, dass es in drei bis fünf Jahren ermutlich besser wird. Nun ja, wir können es uns nicht aussuchen.

    Liebe Grüße

    Frank