Mein lieber Andreas, die Liebe meines Lebens, ist nicht mehr

  • Liebe Lilifee!


    Als erstes danke ich dir, dass du dir die Mühe machst, meine (eventuell verdrehten) Gedanken nachzuvollziehen. Wir sehen die Welt sehr unterschiedlich. Es kostet dich vermutlich einiges an Kraft, dich auf diesen Dialog einzulassen. Dafür danke ich dir.

    Inzwischen habe ich auch deine Gedanken verstanden, denke ich.
    Möglicherweise weiß ich jetzt, wo es klemmt. Wir verstehen unter dem Begriff „Blickwinkel“ etwas anderes. Leider hat sich bei mir die Wortfindung nicht so verbessert, dass ich einen Begriff gefunden hätte, der für uns beide das gleiche bedeutet…. Ich starte noch einen Versuch, wenn du erlaubst.


    Mir fehlt die Gabe die Dinge so zurecht zu biegen wie ich es gerne hätte. Dafür bin ich zu sehr Realist.

    Wenn für mich eine Situation schlecht ist, kann ich nicht einfach meinen Blickwinkel ändern und alles ist Sonne. Da gebe ich dir völlig recht.
    Meine Schulter tut weh, meine Ärztin vertröstet mich auf den Orthopäden, der ist auf Urlaub, also gibt es derzeit keine Hilfe. Das ist total blöd und wenn beim Buddhisten in Nepal die Klangschale klemmt und er meine Situation mit einer lässigen Handbewegung abtut, macht diese Reaktion meine Situation nicht besser. Es ist mir gleich, ob die Klangschale verstimmt ist, meine Schulter tut trotzdem weh und das ist besch****eiden und bleibt es auch…


    Ich kann mir die Dinge auch nicht einfach zurechtdenken, wie sie mir gefallen. Da stimme ich völlig mit dir überein.
    Was ich aber immer versuche, ist den Rahmen, in dem ich denke, zu vergrößern - in der Hoffnung, ich könnte etwas finden, was mich die Situation verstehen läßt. Denn dieses Verständnis führt vielleicht dazu, mir die Belastung zu nehmen, die Situation leichter erträglich zu machen…. (im Falle meiner Schulter und dem Verhalten meiner Ärztin: wer weiß, welche Folgen es für sie hat, wenn sie über einen Facharzt hinweg irgendwas tut… ich denke, sie KANN tatsächlich nichts tun, auch wenn sie gerne möchte. Die Macht der Ärztekammer und die Hackordnung unter Ärzten sollte man nicht unterschätzen…. Ich brauche also Geduld… es wird schon werden…)


    Zum Blickwinkel meines Vaters: die Gewaltausbrüche meines Vaters waren für ihn ganz normal. Ohrfeigen hat er selbst bekommen und hat seine Mutter dafür ausgelacht. Er hatte keine Angst. Er erzählte mir, dass er manchmal sogar zurückgeschlagen hat…. Als er älter wurde, war er derjenige, der seine Mutter und seine Tanten geohrfeigt hat. Offenbar waren Ohrfeigen der einzige Umgang mit Konflikten, den er jemals kennen gelernt hatte. Und offensichtlich konnte seine Mutter den gewalttätigen Sohn nicht bändigen. Jedenfalls aber hat er nicht erlebt, was ich erlebt habe. Er empfand keine Machtlosigkeit, keine Demütigung, keine Angst.

    Er hatte also einen völlig anderen Blickwinkel in Bezug auf Gewalt, als ich ihn habe.
    Da liegt auch der Trugschluss:

    Ein erwachsener Mensch sollte doch wissen können was Schläge für ein Kind bedeuten.

    Genau das dachte ich auch: „er MUSS es doch wissen, was mir angetan hat.“ Das ist ein Irrtum. Er wusste es nicht.


    Mit der Zeit habe ich seinen Blickwinkel verstanden. Das macht nun meine Kindheit nicht schöner, es schmälert die Angst nicht, die er verbreitet hat und die ich nach wie vor in mir trage. Aber seinen Blickwinkel zu erkennen, ermöglichte mir, ihn zu verstehen und zu verzeihen. Und das Verzeihen hat bewirkt, dass mich die Angst aus meiner Kindheit nicht mehr beherrscht. Ich habe Frieden mit der Situation gefunden und kann nun auch schöne Dinge erkennen, ohne in meinem Vater ausschließlich das Monster zu sehen. Den Horizont, in dem ich denke, um seine Sichtweise zu erweitern, hat mir wirklich geholfen.
    Und weißt du was? Wenn er heute ab und zu laut wird, traue ich mich tatsächlich ebenfalls laut zu werden. Das bremst ihn nämlich… in dem Moment, in dem er Widerstand bekommt, beruhigt er sich… hätte ich das mal als Kind gewusst…. X/

    Das meinte ich mit dem Blickwinkel: Den anderen zu erkennen, den anderen zu berücksichtigen, das eigene Empfinden auch mal wegzulassen und zu schauen, wie ist das für ihn/sie, das hat mir unheimlich geholfen.
    Ich habe eine Freundin, die die Dinge immer anders sieht, als ich. Wenn ich ihr eine Begebenheit aus meinem Alltag erzähle, kommt von ihr immer eine andere Sichtweise, als ich das Ereignis empfunden hatte. Ich finde das höchst interessant. Dadurch lerne ich viel und die Freundschaft erweitert meinen Horizont. Das finde ich schön… deshalb ist der Austausch so wichtig.


    Für mein Empfinden gibt es aber Situationen in denen sich nichts Positives finden läßt. Und damit sehr wohl Schatten.

    Das stimmt auch für mich. Ich habe, wie jeder andere auch, einiges erlebt und bin dankbar dafür, dass ich ausreichend Gutes gefunden habe, um nicht zu verzweifeln. Ich halte es aber für durchaus möglich und auch legitim, dass es auch anders sein kann. Es gibt Schatten und es gibt Sonne, völlig richtig - bloß die Definition, was was ist, liegt in unserem eigenen individuellen Wertesystem. Deshalb traue ich mich nicht zu behaupten, Licht und Schatten wären ungerecht verteilt.
    Und ich glaube aus deinen Zeilen gelesen zu haben, dass diese Ungerechtigkeit, die du empfindest, zu einer düstereren Sicht in deinem Herzen führt. Da wollte ich ein kleines Licht für dich entfachen… nicht alles, was du als Schatten empfindest, ist auch tatsächlich Schatten…. Doch leider ist auch nicht alles Sonne, wo ich sie sehe…. womit wir wieder beim Optimismus sind ;)


    Nach der Hochzeit meiner Schwester sagte mein Vater zu mir, warum findest Du eigentlich keinen Mann? So häßlich bist Du doch nun auch nicht.

    Als das Casting nicht funktioniert hat und keiner der mir vorgestellten Herrschaften liebestrunken vom Stuhl fiel, meinte mein Vater: „kein Wunder. Alle Männer in deinem Alter, die nicht gebunden sind, sind aus der gleichen Situation geflüchtet, in der du steckst (Kinder, Haus, Schulden). Das kannst du nicht ausgleichen, so toll bist du nämlich nicht.“

    Dankeschön….:rolleyes:
    Als beim Erstellen des Charakters meines Vaters Empathie verteilt wurde, war er offensichtlich ganz woanders….. X(

    Er hat mir übrigens einige Erlebnisse seines Lebens erzählt, wo ihm genau solche Aussagen zum Verhängnis wurden. Und ich gebe zu, dass ich mir bei diesen Erzählungen immer wieder grinsend denke: „Danke, Schicksal, du hast ihm gegeben, was er verdient hat….“ :S


    Wegen meiner Eltern kann ich nichts mehr herausfinden, sie sind ja schon vor einigen Jahren gestorben. Ich versuche es auch nicht, denn es läßt sich ja nichts mehr ändern. Ich will sie auch nicht als Ungeheuer hinstellen. Das waren sie natürlich nicht, aber eben sehr lieblos mir gegenüber. Mit ihrem Verhalten habe ich schon eine Art Frieden gemacht, auch wenn die Erfahrungen, vor allem aus Kindheit und Jugend, mein Erwachsenenleben nicht gerade einfacher gemacht haben. Und wie würde Puzzle jetzt sagen? Wer weiß wozu es gut war. Ja, wozu. Irgendwann werde ich es sicher wissen, und darauf bin ich jetzt schon sehr gespannt. :)

    Stimmt, das passt gut zu mir: wer weiß, wofür es gut ist…. Das ist immer mein Spruch, wenn ich momentan nichts anfangen kann mit einer Situation. Ich schieb sie dann in meinem Kopf in die Ecke mit den unerledigten Dingen und krame sie dann und wann heraus, schau mir an, ob sie irgendwo hinpassen, manchmal ja und manchmal wandern sie auch wieder zurück in die Ecke ;) was meinst du, warum mein Nick so gut zu mir passt? Ich puzzle auch in meinem Leben solange herum, bis die Teile passen und ein Bild ergeben… mit irgendwas muss man sein Leben ja verbringen :P



    Bis zu einem gewissen Grad kann ich Deine Einstellung und Sichtweise durchaus nachvollziehen. Vermutlich konnte ich aber wieder nicht verständlich machen warum ich nicht nur Positives sehen, und auch meinen Blickwinkel nicht mal eben so ändern kann. Das macht aber nichts. ;)


    Ich sehe gerade vor mir daß wir uns irgendwann im Jenseits begegnen. Mit Antworten die wir hier nicht bekommen haben, und mit Wissen das uns hier noch nicht zuteil wird. Dann blicken wir auf unser irdisches Leben zurück und sagen, was war es doch so gut daß wir uns hier im Forum austauschen, und auch so schön aneinander reiben konnten. Weil auch das wichtig und richtig für uns war. :8::8:

    :28: Das ist eine wirklich tolle Aussicht. :) Wahrscheinlich können wir dann zusammen über uns lachen, denn wir waren sooooo unwissend und sooooo irdisch begrenzt, dabei ist doch alles sooooo klar, wenn diese irdischen Grenzen endlich mal gefallen sind :) ich stelle mir das richtig schön vor…..


    Mit diesem Bild möchte ich meine Antwort heute beenden, das gefällt mir grad richtig gut.

    Auch dir sei heute ein einfacherer Tag gegönnt, als Weihnachten es war… schwere Tage haben wir wirklich genug….


    Alles Liebe,

    Puzzle


    PS:

    Hier noch ein Spruch der Dir bestimmt gut gefallen wird:




    So pessimistisch bin ich dann doch nicht, aber ich finde er hat was. :28:

    Ich würde sagen: gebt sie mir, die Arschkarten, ich mach Papiermaschee draus und daraus dann bunte Laternen für unsere nächste Grillparty, zu der du herzlich eingeladen bist ;) (Zitronen - Saft… schon mal gehört? ;) )

  • Auf jeden Fall irgendwann wenn es soweit ist wird da oben mir jemand sehr viel erklären müssen was das ganze soll und das muss eine gute Erklärung sein.:rolleyes:


    Weil das einfach nur eine große Sch....ist.


    Vlg. Linchen <3<3

    liebes Linchen
    Du wirst wahrscheinlich so weisse sein das es keiner Erklärung mehr bedarf

    wenn wir unsere Eltern/Mama wiedersehen

    es war dann einfach so ob Schicksal, Vorherbestimmung, von Gott gewollt wie auch immer .........

    ach ist alles...........gerade blöd:4:

  • Es war nicht so das wir uns nicht vorher gesehen hätten ganz im Gegenteil war immer sowohl an Silvester als auch am Neujahrstag bei meinen Eltern.

    Trotzdem alle anderen WhatsApp außer natürlich Freunde mit denen wir gefeiert hatten.

    Mama war anrufen immer Punkt 0 Uhr.


    Vlg. Linchen

    so wars bei mir auch.;(

  • Eis und Kälte, aber die Blüten sind da und sie sind farbig. Wir haben jetzt Eis und Kälte, aber die Liebe die wir und unsere Lieblingsmenschen füreinander empfinden lebt trotzdem weiter. Wie die Blüten. Ich wünsche euch allen einen erträglichen Abend.



  • Liebe Lilifee


    sehr schön 🧡
    und danke für die Wünsche 🧡🧡

    auch dir alles Liebe und Gute für die restlichen Stunden des alten Jahres

    Und ganz viel Liebe im Herzen mit unseren Liebsten Seelenmenschen in 2023

    Und dir Zuversicht , Lichtblicke für auch gute Stunden


    Für alle hier Lesenden auch

    Lichtblicke, Trost und Zuversicht .

    Das wünsche ich allen hier so traurigen Menschen für 2023 🫶🫶🫶🫶🫶🫶🫶🫶🫶

  • Liebe Puzzle, liebe Lilifee,

    euer Dialog ist sehr befruchtend und im Grunde genommen Therapie. Ist absolut faszinierend und enorm geistesanregend. Puzzle, ein Vater wie deiner, kann Menschen zerstören, wenn er auf eine entsprechende Seele trifft. Bei dir hat er es nicht geschafft. In irgendeiner Form müsst ihr aus ähnlichem Holz gestrickt sein, jedenfalls hat er seine Meisterin gefunden. Lilifee, dein Vater hat tiefe Narben hinterlassen, aber auch er hat es nicht geschafft, dich zu zerstören. Ich denke, du hast deinen Herzenspartner nur deshalb gefunden, weil du genau wusstest, was du nicht mehr wolltest....

    Es ist trotzdem nicht schön, dass Kinder die Kraft aufbringen müssen, die Verletzungen der Eltern auflösen zu müssen. Genau aus diesem Grund dürft ihr beide extrem stolz auf euch sein, diesen sich fortsetzenden Zyklus aufgelöst zu haben.

    Eigentlich hätten es eure Eltern schaffen müssen!

    Zu ihrer Entschuldigung (der eurer Eltern) ist einfach nur zu sagen, dass es diese Möglichkeiten des Austauschens, des sich Reflektierens früher nicht in dieser Form gab.

    Bitte seid beide sehr stolz auf euch!

    (Auch wenn ich mich mal wieder ungebeten einmische! Sorry, wenn ich manchmal deplatziert bin)

    Liebe Grüße

    Mina

  • Liebe Mina,


    Du bist NICHT deplaziert, sondern herzlich willkommen. Es ist aber zu viel der Ehre was Du über Puzzles und meinen Austausch schreibst. Es ist aber schön, wenn er hier Mitlesenden auch etwas geben kann.


    Unsere Väter sind schon etwas speziell. Jeder auf seine Weise. Zerstört oder gebrochen haben sie uns aber nicht. Und den fortlaufenden Zyklus haben wir überwunden. Ich bin noch nie auf die Idee gekommen darauf stolz zu sein. Aber gut, ja, ein bißchen vielleicht.


    Ab hier antworte ich jetzt nur noch für mich. Ich wußte allerdings genau was ich nicht mehr wollte, und vor allem was ich wollte. Es ist ein sehr interessanter Gedanke von Dir, und es stimmt wohl. Anders hätten Andreas und ich uns sicher nicht gefunden. Für ihn hat sich die sehr lange Wartezeit voll und ganz gelohnt.


    Sicher, meine Eltern hatten unsere heutigen Möglichkeiten nicht, ich wage aber zu bezweifeln ob es bei ihnen etwas genutzt oder geändert hätte.


    Liebe Grüße

    Lilifee