Aus dem Leben gerissen

  • Hallo ihr Lieben,

    Ich lese schon eine Weile still mit, was mir auch schon Trost gab. Man ist nicht alleine in so einer schrecklichen, traurigen Situation.

    Am 15. 10.2020 kam mein Lebensgefährte Jan, 55 Jahre alt mit einem Schlaganfall ins Krankenhaus, er konnte noch auf seinen eigenen Beinen in den RTW gehen. Ich blieb alleine zurück, habe aber nicht im entferntesten daran gedacht, dass ich ihn nie wieder bei Bewusstsein sehen würde. Er wird nun behandelt, macht eine Reha und kommt dann sicher wieder zurück. Ich hätte , egal wie ,zu ihm gehalten, alles in meiner Macht stehende für ihn getan. Aber die Möglichkeit sollte ich nicht bekommen. Das Schicksal nahm seinen Lauf....

    Beim Versuch, die Gerinsel mit Infusion zu lösen, epileptischer Anfall

    Verlegung in ein anderes KKH

    Dort wurden die Gerinsel mittels Katheder gelöst

    Abends entwickelte sich Flüssigkeit im Hirn

    Am nächsten Mittag:der Druck wird zu hoch, Schädeldecke wird aufgemacht, ein Stück Knochen entfernt

    Alles gut überstanden, künstliches Koma

    Am 20.10. Jan hat eine Lungenentzündung, Lebensgefahr

    Die nächsten Tage über 40 Fieber

    Am 23.10. Fieber ist runter, aber festgestellt, dass Jan eine Lungenembolie, Leberversagen, Rechtherzversagen eine Blutvergiftung und Thrombose hat.

    An diesem Tag bin ich zusammen gebrochen und musste die erste Tavor, die mein Arzt vorsorglich verschrieben hatte, nehmen. So eine Angst, wie in der Woche hatte ich noch nie . Aber am Ende jedes Gesprächs mit den Ärzten, machte man mir Hoffnung, Jan wärejung, er schafft das. Er wird zwar eine linksseitige Lähmung behalten, aber wieder Lebensqualität haben. Daran klammerte ich mich.

    Am 24.10.2020 um 8:04h kam dann der Anruf , es war alles zu viel, mein lieber Jan hat es nicht geschafft.....😥😥😥😥

    Gott sei Dank war ich nicht alleine, 2 meiner 4 erwachsenen Töchter waren bei mir und haben sich um mich gekümmert.

    Dann der Abschied von meinem Schnuffel.

    Seine Mutter hat miŕ keine Gelgenheit gegeben, mich richtig zu verabschieden, sie hat gleich auf seinem Körper gelegen, und mir keinen Raum gelassen. Ich bin dann traurig gegangen. Im Nachhinein denke ich, wir hätten jeder für sich zu Jan gehen sollen, aber in dem Moment konnte ich nicht denken....

    Ich lebe in Ostfriesland, bin vor 11 Jahren dort meiner großen Liebe wegen hingezogen. Meine Familie lebt 250km weit weg. Wir haben sehr für uns gelebt und nur einige wenige soziale Kontakte gehabt. Meine Töchter haben sich die Wochenenden liebevoll um mich gekümmert. In der Woche war ich dann alleine mit meiner unendlichen Traurigkeit, dem Vermissen und der Einsamkeit.Und der Erkenntnis, dass es Menschen gibt, die trotz meines Zustandes noch Gemeinheiten verteilen.

    Nach der Bestattung habe ich versucht wieder zu arbeiten, was kläglich gescheitert ist. Ich habe 11Stunden Schichten, und so lange war ich nicht in der Lage, die Trauer zu unterdrücken. Am 2.Tag der völlige Zusammenbruch. Seitdem bin ich krank geschrieben und bei meiner Jüngsten. Nächste Woche muss ich zurück nach Hause, ich habe so Angst davor. Mein Plan is, die Zelte dort abzubrechen und näher zu meiner Familie zu ziehen, aber das ist nicht so schnell gemacht.. neue Arbeit, neue Wohnung...und das mit fast 57. Nicht nur mein Jan ist aus dem Leben gerissen, ich auch. Es vergeht kein Tag ohne Tränen, Angst vor der Zukunft, Hoffnungslosigkeit. Ich weiß nicht, was ich ohne meine Töchter machen würde, gewiss nichts Schönes.

    Wir waren nicht verheiratet . Ich darf mich auch noch zusätzlich mit seinen Kindern, die 10 Monate keinen Kontakt zu ihrem Vater hatten auseinandersetzen wegen Erbe. Ich habe keine Kraft.

    Jetzt habe ich so viel geschrieben und es ist noch nicht mal alles berichtet...

    Ich wünsche allen hier einen erträglichen Tag, die Sonne scheint

  • Oh Claudia, ich möchte dir von ganzem Herzen mein Mitgefühl ausdrücken. Sei willkommen hier.

    Ich meine genau zu wissen was Du fühlst und wie Du fühlst.

    Du hast auch so einen Anruf bekommen, wie ich.

    Erst so viel Hoffnung, Angst und dann:

    " ich habe eine schlechte Nachricht für Sie." der totale Absturz.

    Mein Ralf war Jahrgang 63. Viel jünger als ich. Und trotzdem ist er gegangen worden.

    Meine Zwillingsschwester, meine einzige Verwandte und ihr Mann haben mich am gleichen Abend noch abgeholt und mitgenommen. Erstmal zu ihnen nach Hause. 100km entfernt.

    1 Woche war ich dort. Zumindest mein Körper war dort. Ich war irgendwie weg.

    Dann ist meine Schwester für 3 Tage mit mir nach Hause gefahren. Ich hatte Schreckliche Angst davor in unser Haus zu kommen, wo alles noch lag und stand von dem Moment an, als der Rettungswagen ihn mitgenommen hat.

    Ich benutze nur 2 Zimmer und die Küche. Das Zimmer in dem er geschlafen hat betrete ich noch nicht.

    Wir waren auch nicht verheiratet. Und deshalb ist er auch noch nicht beerdigt. Sie suchen noch den Sohn, der ist bestattungspflichtig. Aber er hatte seit über 10 Jahren keinen Kontakt zu ihm.


    Es ist schön, daß Du bei den Töchtern sein kannst. Das ist erstmal besser als allein zuhause.

    Lass uns alle hier in Kontakt bleiben. Wir brauchen uns.

    Ralfsheidemarie

  • Danke, liebe Heidemarie

    das hört sich ja wirklich sehr ähnlich an. Wie lange bist du schon ohne deinen Ralf?

    Eine Bestattung hatte mein Jan Gott sei Dank. Eine nach seinem Wunsch. Seebestattung im Dollart. Es war Traumwetter und alles sehr würdevoll,es hätte ihm gefallen. Er hat nichts von einem Grab gehalten und ich auch nicht. Der Verstorbene ist im Herzen und somit überall. Das war allerdings der erste Streitpunkt mit meiner Schwiegermutter. Ich musste kämpfen Jans letzten Wunsch durchzusetzen, obwohl er es grad eine Woche vorher noch mal uns beiden gesagt hatte. Vorahnung? Inzwischen habe ich den Kontakt mit ihr abgebrochen,es fing mit Vorwürfen, ich hätte zu spät den Krankenwagen gerufen an, ging dann weiter, er hätte seine Kinder nicht verlassen dürfen und den Kontakt besser pflegen müssen(das hat er weiß Gott versucht, aber seine Ex hat gewusst das zu verhindern), und letztendlich hat ihr die Trauerrede vom Kapitän nicht gefallen(ich hatte freie Hand) Leute, die einem nicht gut tun braucht man nicht in so einer Zeit. Aber wir alle hier haben auch Menschen, die uns verstehen und trotzdem behält man so viel für sich, weil man niemanden belasten und auch nerven möchte.

    LGClaudia

  • Hallo Claudia,

    Mein Ralf ist am 23.november vom Rettungswagen mitgenommen worden.

    Mein Thread heißt : Ich könnte ihn mehrmals retten aber diesen Montag nicht.

    Seitdem bleibt wirklich meine Welt stehen.

    Und ich war so unendlich froh noch mit 60 Jahren nach vielen vielen Jahren als Single einen Gefährten gefunden zu haben. Es war so schön. Nicht immer, aber manchmal. Ralf ist aus Recklinghausen zu mir ins Sauerland gezogen.

    Er war kein einfacher Mensch, er war Alkoholiker, der nur manchmal nicht trank. Wir hatte bzw. ich hatte auch Situstionen zu meistern, die stressig und problematisch waren. Es forderte viele Kompromisse und ich habe auch öfter mal gelitten. Aber nichts gegen das Leid jetzt.

    Dieses Verlustgefühl mit der Sehnsucht schlägt Alles.

    Meine ganze Geschichte habe ich mich noch nicht getraut zu schreiben. Weil der Alkoholismus und vieles Negatives was damit verbunden ist ein ziemliches Tabuthema ist.

    Wenn wir zusammenhalten, können wir überleben. :5::22:

    Ralfsheidemarie

  • Liebe Claudia,

    mein tiefstes Mitgefühl zu dem Verlust Deines geliebten Jan.

    Willkommen im Forum, obwohl ich Dir nichts mehr wünschte als nicht hier sein zu müssen.

    Deine Ängste, Deinen Schock, Deine Schmerzen all das verstehe ich und es tut mir so leid.

    Herzlichst,

    Tereschkowa

  • liebe Claudia,


    mein tiefes beileid zu deinem verlust. die welt ist für dich stehen geblieben und trotzdem dreht sie sich für die menschen da draussen einfach weiter.... ich weiss, wie du dich fühlst.....hier im forum bist du gut aufgehoben, es wird immer jemanden geben der ein offenes "ohr" für dich hat.....


    alles liebe und eine tröstende umarmung von Bine

  • Danke liebe Tereschkowa,

    Nein hier möchte man wirklich nicht sein, aber schön, dass es sowas gibt.

    Meine beste Freundin hat ihren Mann vor sieben Jahren plötzlich verloren, er war 42. Mit ihr kann ich reden, sie versteht alles, was man denkt fühlt und an komischen Dingen tut. Aber ich möchte bei ihr das Geschehene nicht immer wieder aufwühlen. Sie sagt, selbst nach so doch relativ langer Zeit ist der Schmerz und die Sehnsucht noch präsent.


    Ich warte nun drauf, dass Jans Kinder mir mitteilen, ob sie das Erbe antreten oder ausschlagen. Von rechts wegen darf ich seine Sachen nicht mal anfassen, ich habe nicht mal das Recht auf Erinnerungsstücke. Sie waren vor 4 Wochen bei mir und haben alles angeguckt und die Papiere mitgenommen, das war für mich so erniedrigend. Ich habe 11 Jahre Tag und Nacht mit ihm verbracht, sie hatten ihren Vater seit letztes Jahr Weihnachten nicht mehr gesehen, und wühlten alles durch. Der Sohn sagte dann, hm, hier ist ja wirklich nix. Jan hat für seinen 24-jährigen Sohn immer noch Unterhalt bezahlt, wovon sollte er etwas anschaffen?


    Ihr habt teilweise Profilbilder drin, könnt ihr mir sagen, wo man das machen kann, ich habe es nicht gefunden.


  • liebe Claudia,


    es tut mir sehr leid für dich, dass du jetzt dich mit diesen dingen amtlichen dingen herumschlagen musst.... ja, so ist es, das gesetz fragt nicht nach dem herzen sondern nach familienzugehörigkeit :30: es ist traurig, liebe Claudia....


    ich vermute mal, ihr hatte euch niemals irgendwie gegenseitig abgesichert? in form von wohnrecht? so wie ich es verstanden habe, hast du bei IHM gelebt? habt ihr wohnrecht für dich hinterlegt?


    ich weiss, diese fragen stellt man sich nicht, wenn die welt in ordnung ist, man denkt nicht an schlimme dinge....


    wie geht es mit dir weiter?


    ja, die geier, die kommen wenn es etwas zu holen gibt... das ist leider überall das gleiche....


    alles liebe von Bine:24:

  • Liebe Bine, wir hatten eine Mietwohnung , standen beide im Mietvertrag. Seit Jan tot ist, bin ich alleinige Mieterin. Mein Zuhause können sie mir nicht nehmen. Wir haben bescheiden gelebt. Es gibt ein altes Auto, ein noch älteres kleines Motorrad und einen Computer zu erben. Und halt die Klamotten und Werkzeug, alles andere gehört zum Glück mir. Das habe ich damals alles mitgebracht.

    Wir hatten uns nicht gegenseitig abgesichert, bzw. irgendwelche Vollmachten. Ich kann auch froh sein, dass ich von den Ärzten immer ohne Probleme Auskunft bekommen habe.

    Ich werde nun versuchen, wieder in meine Heimat in die Nähe meiner Familie zu ziehen. Ich habe am Montag ein erstes Vorstellungsgespräch. Wenn es klappt, würde ich erst einmal bei meiner Tochter unterkommen, und in Ruhe eine bezahlbare Wohnung suchen können.

    Ich kann nämlich auch nicht eben mal 2,5Std. Autobahn fahren, da ich seit 15 Jahren an Panikattacken leide, die ich im Griff hatte(auch Dank Jan) aber nun wieder voll da sind.


    Ich drücke euch alle, es ist befreiend sich alles mal von der Seele zu schreiben:24:

  • Liebe Claudia,

    Ich möcht dich erstmals willkommen heißen, bei uns, und dann gleich mal sagen, es ist halt viel zu viel, in viel zu weniger Zeit, das du da schaffen musst...wie soll das gehen...du bist noch nicht im Stande dazu, du bist noch in den ersten trauer wehen...


    Diese ganze

    Zettelwirtschaft die wir uns alle da aufbürden müssen...das ist echt eine Marktlücke...also hätt es jemanden gegeben der den Schwachsinn für mich gemacht hätte...ich hätt ihm tatsächlich daführ bezahlt...


    heute noch, sind mir diese ganzen Fragebögen, und diese, immer wieder das gleiche sagen müssen, dermaßen zuwider...überhaupt in Zeiten wie diesen, wo ein einziger Maus Klick genügt, und dein ganzes Leben wird offenbart...


    Du hast einen schweren emotionalen Schlag erhalten, und musst trotzdem funktionieren...es ist einfach unfassbar für mich, wie roh und anteilnahhmslos unsere Umgebung geworden ist...


    Wir sind da für dich, und werden uns alle gegenseitig unterstützen, so gut es geht...


    Der Grund, warum ich noch einen Sinn in meinem Leben habe, oder besser gesagt die Hilfe dafür das ich den Grund habe, ist dieses Forum....


    Sei herzlich willkommen

    Renate

  • ihr seid so lieb, ich habe Tränen in den Augen...

    Es versteht einen auch keiner, der diese Hölle nicht kennt. Ging uns allen ja auch mal nicht anders, man konnte es nur erahnen, wie schlimm so eine Situation ist.

    Aber so herzlos, wie manche Menschen sind, wäre ich nie gewesen.

    Meine eigene Mutter hat zu mir gesagt, als sie mich anrief und mich weinend vor fand"Um den brauchst du nicht weinen, kannst ein Ei drüber schlagen, dass er dich so zurücklässt";(

    Hätte mein Jan das gewusst, er hätte das alles, was ich nun durchmachen muss, nicht gewollt, und sicher Vorsorge getroffen. Aber man denkt immer, man ist unsterblich.

    Manchmal hadere ich ehrlich gesagt auch, aber ich muss nun das beste draus machen.Und Gott sei Dank habe ich meine 4Töchter, die sich sorgen um mich, und alles tun mir zu helfen.

  • Liebe Claudia,

    was Deine Mutter sagt ist herzlos, auch wenn sie wohl glaubt es gut mit Dir zu meinen.

    Ich kann aber auch verstehen, dass Du in Momenten in denen alles, alles auf Dich einprasselt haderst - das passiert

    mir nach wie vor. Es gab sogar Momente das war ich auf P. wütend, doch das ist die Überforderung, der Schmerz ...

    und die Verzweiflung. Diese trägt nicht ohne Grund das Wort Zweifel in sich, dann zweifelt man an einfach allem.

    Versuche so gut es nur eben geht Dich nicht noch zusätzlich durch Sätze von anderen verletzten zu lassen.

    Herzlichst,

    Tereschkowa

  • Liebe Claudia!

    Mein aufrichtiges Beileid!Es ist schon so schlimm genug,wenn es dann auch noch Personen gibt die meinen

    etwas besseres zu sein und meinen sich alles rausnehmen zu können und dann auch noch in der Familie.

    Das tut so weh.Ich glaube das es eine gute Entscheidung ist wegzuziehen und mal wieder etwas anderes

    zu sehen.Vielleicht tut es dir gut.Ich wünsche dir ganz viel Kraft.Liebe Grüße Helga

  • Danke an Alle, es tut gut verstanden zu werden und zu wissen man ist nicht alleine. Allen hier geht es so.


    Für mich sind die Sonntage immer besonders schlimm, so eine Unruhe in mir...

    Ich habe heute morgen nett mit meiner Familie gefrühstückt, im Hintergrund lief Weihnachtmusik und auf einmal musste ich weinen.

    Ich habe mich nun zurückgezogen und die Tränen laufen nur so. Ich will nicht, dass die Kinder das mitbekommen.

    Morgen ist mein Vorstellungsgespräch und ich habe Angst vor meiner eigenen Courage mein Leben völlig neu zu gestalten. Aber ich habe keine Wahl, die Entscheidung ist am 24. Oktober gefallen. Ich muss.


    Seid lieb gegrüßt, ich wünsche euch einen erträglichen 4. Advent