Meine Mama Maria tot

  • Hallo alle zusammen,


    Ich möchte mich gerne vorstellen: Mein Name ist Rosalie, bin 19 Jahre alt, und habe vor 5 Wochen meine Mutter verloren.


    Da ich nicht so genau weiß wo anfangen, beginne ich einfach mal mit Fakten:
    Meine Mutter wurde nur 47 Jahre alt. Sie verlor ihre Mutter durch Krebs als sie erst 8 Jahre alt war. Dies hat sie niemals richtig überwunden. Seit etwa 10 Jahren beschäftigte sie sich mit dieser Krankheit. Letzten Juni kam nach Monaten mit starken Bauchschmerzen dann der Befund "Krebs". Damals war sie allerdings schon längst davon überzeugt sich nicht in die Hände der Schulmedizin zu begeben - sich also weder aufschneiden zu lassen noch Chemo oder Bestrahlung machen zu lassen. Somit wurde der Befund niemals zur Diagnose. Ab diesem Zeitpunkt hatte sie auf Grund ihrer Vorgeschichte große Angst. Sie nahm in den folgenden Monaten sehr viel ab bis schließlich von 62 Kg nur noch 38 Kg übrig geblieben waren.


    Während dieser Zeit studierte ich. Obwohl sie lange Zeit keinerlei Medizin (auch kein Schmerzmittel) genommen hatte, redete man ihr bei einem kurzem Aufenthalt im Krankenhaus (zum "aufpäppeln" mit Flüssigkeitsinfusionen - 1 Woche) "leichte Beruhigungsmittel" ein. Zu dieser Zeit war sie recht nervös und ängstlich und ließ sich schließlich überzeugen diese "total harmlosen Mittel ohne Nebenwirkungen" zu versuchen. Diese wirkten recht gut - sie war "zufrieden" - und so nahm sie sie 6 Wochen lang. Schlussendlich stellten wir fest, dass diese Mittel alles andere als harmlos sind - stark abhängig machend! - und sie wollte sie sofort absetzen. Zu diesem Zeitpunkt unterbrach ich mein Studium um meinem Vater bei der Pflege zu helfen.
    Ab dem Tag des Absetzens konnte meine Mutter nicht mehr schlafen - nicht einmal eine Stunde am Tag. Wir unternahmen alles um dies wieder zu ändern nachdem sie deshalb immer schwächer wurde. Jedoch wirkte kein Mittel mehr, keine Alternativen Methoden, nichts. 5 Wochen später starb sie. Die letzten Tage waren schrecklich. Sie war nach 5 Wochen ohne Schlaf nervlich am Ende. Sie hatte nur noch Panik. Auch mein Vater, mein Bruder (er ging aber glücklicherweise noch zur Schule - ist 17) und ich waren einfach ausgelaugt. Sie starb in der Nacht vom Di, 24.03 auf Mi, 25.03 um 00:10.


    Wir wussten, dass es passieren konnte, jedoch hat niemand wirklich damit gerechnet.. Mein bruder und ich badeten sie wärend mein vater im billardlokal nebenan war um ein bisschen abzuschalten. als wir sie wieder heruntertrugen kippte ihr kopf immer zurück und ich dachte mir so: mensch mama streng dich ein bisschen an. und als wir sie aufs bett legten waren ihre augen offen aber sie reagierte nicht mehr. und ich gab ihr sauerstoff und rief papa an und sagte nur "papa renn!!". er war in 2 min hier und sagte uns sie ist nicht tot sondern nur im absoluten erschöpfungszustand. Sie erholte sich auch wieder. Wir waren alle bei ihr bis etwa 23:00.


    Danach übernahm ich die Nachtschicht und mein Vater & Bruder gingen schlafen. Meine Mutter wollte ihren Bruder sehen also kam er vorbei. Sie schickte mich hinaus und ich ging da ich ja wusste er passt auf sie auf. Kurz schlief ich in der Küche ein. Plötzlich öffnete mein Onkel die Tür und sagte "Komm schnell". Ich kam und sah meine Mum ganz normal dort liegen. Sie schaute mich an. Dann sagte er "Hol deinen Papa" und ich kapierte nichts und antwortete nur "aber mama der schläft schon!" .. ich wollte ihm seinen seltenen Schlaf gönen. und dann hörte ich sie atmen. es blubberte nur. und plötzlich zitterte ich am ganzen körper. ich rief "gib ihr sauerstoff!" und lehnte mich über sie um das sauerstoffgerät zu fassen zu bekommen und mein onkel sagte nur "das bringt nichts mehr" und da kapierte ich es. ich rannte um meinen vater zu holen. und ab da verschwimmt alles ein bisschen. wir kamen hinunter und ihre augen waren weit offen und ihr mund auch. mein vater nahm sie in den arm und ich versuchte die rettung anzurufen (niemand nahm ab) und dann meine tante - sie ist ärztin. da rann ihr blut aus dem Mund. und mein Freund holte auf meinen ruf hin meinen bruder aus seinem Zimmer. er kam. und sie war tot. kein herzschlag- kein puls. und irgendwann zwischendrin hielt ich ihre hände und sagte immer nur "ich liebe dich, mama, ich liebe dich" weil ich hoffte sie möge zumindest das noch hören. sie war keinen moment lang während sie starb (zumindest die die ich sah) ängstlich oder nervös/hektisch. einfach total ruhig. und auch ich war ruhig und hab nur gesagt: jetzt hat sies geschafft... zu meinem bruder weil ich hoffte, dass es ok ist. er wollte sie noch wiederbeleben, aber das hätte nichts mehr genützt. und es tat mir so leid dass ich nicht gleich daran gedacht hatte ihn zu holen. aber als ich meinen vater holte hatte ich nur das gefühl: das kann gar nicht passieren und wenn es noch jemand "richten" kann - noch etwas unternehmen kann - dann mein vater. wir blieben die ganze nacht neben ihr. und ich konnte nicht weinen. alles war total unwirklich. das konnte doch nicht die realität sein.


    Ich liebe meine Mutter wahnsinnig. Sie war immer meine nächste Bezugsperson, die tollste Mutter die man sich vorstellen kann, mein geheimnisbewahrer, meine beste Freundin. Sie war das, was meine welt in den angeln hielt. DIE Konstante darin. sie war mein Floß - der Platz zum ausruhen wenn man erschöpft aus der welt zurückkommt. ich konnte mir eine zukunft ohne sie einfach nicht vorstellen: beim gedanken daran war alles einfach schwarz. Sie hat alles für ihre kinder getan. Sie war außergewöhnlich intelligent - auch emotional gesehen. und niemals ist mir ein liebenderer Mensch begegnet. Ich finde nicht einmal annähernd die passenden worte um sie zu beschreiben.


    Seit dem Tag ihres Todes hat sich nicht viel geändert. Ich weine kaum. Das große "Tal der Tränen" ist bei mir (noch) nicht gekommen. Zum Teil bin ich sehr traurig. zum Teil glücklich weil ich weiß dass sie wollte dass wir unser Leben leben - glücklich sind, traurig sind - eben mit allem drum und dran. zum Teil antriebslos, in anderen Momenten gut drauf. Oft fühle ich mich einfach leer - wenn das wissen kommt dass sie nicht mehr zurück kommt. denn irgendwie vergesse ich das einfach... Ich habe irgendwie erwartet, dass die Welt sich nach diesem Tag aufhört zu drehen, dass die Zeit stehen bleibt. aber das ist nicht passiert. und manchmal macht mich dieses wissen fertig.. in anderen momenten (wie jetzt z.b. wieder) bin ich total kalt und weiß garnicht wo die ganzen gefühle hin sind.. ich habe einen tollen vater und auch bruder und kann mit beiden sehr gut reden.. allerdings rede ich nicht gern mit der gleichen person immer wieder über das gleiche Thema.. ich weiß auch nicht wieso..


    Naja, jetzt habe ich so viel geschrieben und doch noch nicht annähernd alles was ich sagen wollte. bin im moment jedoch wie verwirrt und habe ein bisschen den Faden verloren :).. einige mitglieder fragten mich ob ich nicht ein bisschen über meinen fall/ meine mum erzählen wolle, und irgendwie dachte ich mir wieso eig nicht. vlt liest es ja jemand ganz gerne... tut mir leid dass es so viel geworden ist...


    Ich möchte euch jedoch bitten, mir nicht alle mit "mein beileid" zu antworten. ich habe diese ganzen phrasen so oft gehört dass ich sie kaum mehr ertrage. auch wenn ich weiß dass es hier etwas anderes ist da die meisten von euch selbst verluste erlitten haben. Allerdings würde ich viel lieber hören, wie es euch gefühlsmäßig damit geht oder was ihr erlebt habt (auch gerne links zu euren geschichten), da ich bemerkt habe dass es mir gut tut zu erfahren dass ich/wir nicht allein sind..
    Hm, vielleicht werde ich den eintrag noch ergänzen wenn ich wieder ein bisschen geordneter in meinen gedanken bin und weiß was ich sagen will...



    Dankeschön für das Interesse,
    Glg Rosalie


    Unsere tiefgreifendste Angst ist nicht, dass wir ungenügend
    sind.
    Unsere tiefgreifendste Angst ist, über das Messbare hinaus
    kraftvoll zu sein.


    Es ist unser Licht, nicht die Dunkelheit, die uns am meisten
    Angst macht.


  • Hallo Rosalie,


    erstmal Herzlichwillkommen hier im Forum!!Ich habe deine Geschichte gerne gelesen und hatte gleich Tränen in meinen Augen!!Ich weiß genau, wie du dich fühlst!!Ich habe am 09.02. meinen Verlobten durch einen plötzlichem Herzinfakt verloren!!


    Man weiß eigendlich nicht, was man dem anderen sagen soll und doch möchte man so viel trost spenden!!


    Da ich nicht weiß, was ich dir noch sagen kann, ausser das mir das für dich totla Leid tut, wrde ich auch nicht mehr sagen, vielleicht fällt mir zu einem anderen Zeitpunkt, dann das ein, was ich jetzt gerne sagen würde, es aber nicht kann!
    Ich hoffe du verstehst mich!


    Ich wünsche dir sehr viel Kraft!!



    Liebe grüße


    traurigetina



    wenn du wissen willst, was bei mir war, dann liest dir einfach"!Mein geliebter mann wurde mir genommen" durch!

  • Liebe Rosalie!!!


    Sei Lieb gegrüsst hir im forum! Du beschreibst deine gefühle so das ich mich in die zeit zurückgesetzt fühle. Man kann nicht weinen und .....nichts eigentlich, es kommt einem so vor als wäre alles nur ein traum in dem man gleich aufwacht (war bei mir). Rosalie als ich deinen beitrag las bekam ich das bedürfnis, Dich in den arm zu nehmen und zu drücken Dir übers haar zu stricheln und zu sagen Ich Bin Da, Du darfst ;(


    In Liebe maki

  • Liebe Rosalie!


    Auch ich begrüße dich ganz herzlich hier im Forum, schön, daß du zu uns gefunden hast.


    "...sie war mein Floß - der Platz zum ausruhen wenn man erschöpft aus der welt zurückkommt." Aus diesen Worten spüre ich eure Liebe und das Vertrauen, das dich und deine Mutter verbindet - ich glaube nicht, daß du es besser hättest ausdrücken können, du hast schon die passenden Worte gefunden, deine Mama zu beschreiben.


    Deine Beschreibung des Kampfes, den ihr gemeinsam mit eurer Mutter geführt habt, hat mich sehr berührt, ich weiß was du fühlst.
    Nein - ich weiß, was du gefühlt hast, als ihr noch gekämpft habt. Mein Vater (und wir mit ihm) kämpfen seit drei Monaten. Den Krebs hatte er besiegt, doch jetzt ist sein Herz zu schwach zum Leben - aber doch noch zu stark, als daß er gehen könnte.


    Dein Beitrag ist sicher nicht zu lang geworden - wenn du magst und kannst, schreibe ruhig weiter, das Schreiben hilft, "Ordnung" in die Gedanken und Gefühle zu bekommen. Und hier ist immer jemand da, der dir "zuhört"


    Alles Liebe
    Jutta

    Der Tod eines geliebten Menschen ist wie
    das Zurückgeben einer Kostbarkeit,
    die uns Gott geliehen hat.

  • Liebe Rosalie,


    dein Beitrag hat mich sehr bewegt. Du hast großartiges geleistet. Es wird bestimmt eine Weile dauern, bis du alles, was passiert ist, verarbeitet hast. Die Pflege deiner Mutter hat sicher unendlich Kraft gekostet. Für dich selbst blieb bestimmt keine Zeit. Und wenn du sie für dich hast, wird bestimmt auch Trauer dich einholen, was einfach dazugehört. Hier im Forum hast du aber Menschen, die dir zu hören und einfach da sind. Vieles kann man hier besser "los werden" als in einem persönlichen Gespräch mit irgendwelchen Bekannten. Hier sind unterschiedliche Menschen mit verschiedenen Geschichten, aber immer wieder welche, die sich ähneln.



    LG



    Sanne

  • Liebe Rosalie!


    Du hast eine schwere Zeit hinter dir. Aus eigener Erfahrung weiß ich wieviel Kraft es kostet einen kranken Menschen zu begleiten. Noch dazu wenn es die eigenen Eltern oder ein naher Angehöriger ist.


    Du hast deine ganze Kraft und Energie in die Betreuung deiner Mutter gesteckt, und es braucht sicher noch einige Zeit bis du dich davon erholt hast. Dann kannst du auch mit deinen Gefühlen und der Trauer anders umgehen. Es ist schön das du mit deinem Bruder und deinem Vater über alles reden kannst.


    Ich wünsche dir viel Trost und Zuversicht für die Zukunft.


    liebe Grüße


    Annita

  • auch ich möchte dich im forum begrüßen,was du durchgemacht hast mit deiner familie ist ein warnsinn,ihr könnt alle stoltz auf euch sein,erzähle uns was dich bedrückt egal wie vieles das ist,es ist gut wen mann sich alles von der seele redet.und wegen deiner trähnen die du nicht weihnen kanst,glaube mir die kommen noch,,wen du anfängst das alles richtig zu begreifen und zu verarbeiten,,deine mutter war sicher stoltz euch zu haben,liebe grüße silvia

    Arme kleine Seele leid und Schmerz warn diese Welt.


    Kommt ein Engel nun vom Himmel,sanft im Arm,er dich jetzt hält.

  • Hallo Rosalie,


    ich hab meine Mutter auch durch den Krebs verloren.
    Und nachdem ich gesehen habe, wie die Therapie meine Mutter innerhalb eines halben Jahres kaputt gemacht hat, würde ich persönlich, sollte bei mir mal Krebs ausbrechen, auch niemals die Schulmedizin an mich ranlassen.
    Ebensowenig operativ oder per Bestrahlung oder sonst was....
    Höchstens Schmerzmittel, wenn es dann nicht mehr anders geht...


    Meine Mutter starb ohne Schmerzmittel.
    Die haben sie ein halbes Jahr lang von einer Behandlung zur nächsten gequält, jedesmal gings ihr danach schlechter...
    Sie bekam Codidol, dennoch wurden die Schmerzen immer schlimmer.
    Am Ende bekam sie einmal (!) ein Morphiumpflaster. Danach wurde alles, auch das Codidol .... abgesetzt, und ging ich ins Spital, sah ich wie sie sich herumwand, weil ihr alles weh tat, und ich rannte mehr als einmal ins Schwesternzimmer wegen Schmerzmittel...
    Dann gab man ihr auch nur irgendwelche Spritzen, kein Morphium, irgendwas Schwächeres...
    Letztendlich am Tag bevor sie starb bekam sie gar nichts mehr, und in ihren letzten Stunden auch nicht...


    Das finde ich bis heute schlimm...
    Und ich denke oft, wenn sie die Chemos nicht gemacht hätte, wär ihr einiges erspart geblieben...
    Dazu hab ich sie übrigens überredet...
    Tja...


    Am Anfang erzählte uns ein Pfleger, bei Krebs kann man sich heutzutage 2 Dinge sicher sein...
    Erstens dass man keine Angst zu haben braucht, und zweitens und das wichtigere, man braucht keine Schmerzen zu erleiden...
    Meine Ma hatte beides, weil es bei ihr "eh nichts mehr brachte" wie ich mir unter anderem mal im Krankenhaus anhören musste...



    Ich kanns etwas nachvollziehen wie du dich fühlst! :(
    Der verdammte Krebs!!!!

  • Liebe Rosalie!


    Ich heiße Dich auch herzlich willkommen im Forum!


    Deine Geschichte berührt mich sehr - ich spüre die tiefe
    Verbundenheit, die Du zu Deiner Mama hast und man kann
    auch auf Eurem wundervollen Foto sehen, wie nahe Ihr Euch wart
    und wohl immer noch seid!


    Dass sich Deine Gefühle noch keinen Weg nach oben gebahnt
    haben, liegt vielleicht daran dass es noch nicht so lange her ist.
    Das Begreifen und das darauffolgende Aufbrechen der Gefühle
    braucht ein bisschen Zeit...


    Ich selbst habe große Angst, irgendwann meine Mutter zu verlieren,
    denn wir haben auch eine enge Beziehung - deshalb habe ich großen
    Respekt vor diesem Thema!


    Wenn Du kannst, dann erzähl uns bitte mehr von Deiner Mama!


    Alles Liebe!


    Kate

  • Warnung: Die folgenden Zeilen werden recht hart.


    Hallo alle zusammen,


    dankeschön für das liebe "willkommen" und danke für eure Zusprüche. Ja einige haben es auf den Kopf getroffen: das Ereignis - oder auch die Folgen - des Tods meiner Mum kommen mir vor wie ein Traum. Das eigentliche Leben meist recht real doch diese Veränderung blende ich unterbewusst meist aus...


    Ich möchte hier nun von den Tagen nach ihrem Tod erzählen - für zartbesaitete ist das vlt eher nix (könnte erschrecken) aber ich möchte es trotzdem mal niederschreiben. Habe vorher den Thread "Tod eines Bestatters" gelesen, wo es dann auch um den Umgang mit Toten ging: ums nochmal-berühren und waschen/anziehen und so..


    Meine Mum starb bei uns zu Hause in der Nacht um 00:10. Wie schon gesagt hatten wir sie etwa 2 Stunden vorher noch gebadet. Als sie starb befanden wir uns alle bei ihr und bewegten uns nicht mehr vom Fleck und schliefen alle die ganze Nacht neben ihr.. Berührten sie, hielten ihre Hand. Es war immer ihr Wunsch nach ihrem Tod 3 Tage zu Hause zu bleiben (Scheintod :)). Es war zwar klar, dass sie wirklich tot war, jedoch wollten wir ihr diesen Wunsch erfüllen - auch für uns. Wir hätten es nicht ertragen sie sofort "wegzugeben". Sie lag dort mit offenen Augen und offenem Mund auf dem Bett und wurde immer kälter - und dann auch hart. Das war sehr eigenartig - jedoch war es auch der noch angenehme Beweis, dass sie tot war.


    Am ersten Tag, also Mi, waren wir die meiste Zeit zu Hause und mieden auch den Kontakt mit ihr nicht. Ihr Mund schloss sich dann von selbst und sie lächelte leicht :). Mein Bruder küsste ihr immer wieder die Backe.. anfangs fand ich das auch noch angenehm, allerdings wurden bald ihre schönen Augen trüb und schließlich auch schwarz. Auch hatte sie schon den ganzen Körper voller "Leichenflecken". Da konnte ich es dann nicht mehr. ich drückte nur noch ihre Hände um sie zu berühren. Mir wurde immer bewusster, dass das nur noch ein winziger Teil meiner Mutter war, nicht mehr sie...


    Am zweiten Tag war sie morgens eigentlich noch wie am Tag davor und wir hatten ihre engsten Freunde und Verwandte eingeladen, sie abends ein letztes Mal zu sehen. Es war eigenartig ihr jedes Mal wenn man das Zimmer betrat Hallo zu sagen, doch ich genoss es. Es war ein langsames bewusst-werden, unsere Art der Verabschiedung. An diesem Nachmittag mussten wir kurz zum Leichenbestatter - eine eigenartige Angelegenheit. Als wir nach Hause kamen, ging ich zu Mama ins Wohnzimmer und wollte sie begrüßen. Wir hatten die Tür zum Garten geöffnet um den Raum kühl zu halten, und es hatte die Bettdecke weggewindet. Ich kam also in den Raum und sah es sofort: Sie blutete: ihr rann Blut aus dem Mundwinkel und auch aus dem Schritt. Es war im ersten Moment ein furchtbarer Anblick. Das Blut rann und rann als würde es irgendwie herausgepumpt. Mittlerweile waren an ihrer Stirn auch die Adern herausgetreten und sie hatte angefangen stark zu riechen, was mir bis dort noch gar nicht aufgefallen war. Sie sah meiner Mutter nur noch entfernt ähnlich. Ich konnte das Blut nicht abwischen also ging ich zu meinem Vater und sagte ihm "Wir haben ein Problem mit der Leiche - die Leute können wohl nicht kommen." (ich konnte sie nicht mehr Mama nennen.) Das war ein paar Minuten bevor die Leute erwartet wurden. Als er es sah, wirkte er erschüttert. Nach einem Telefonat mit dem Leichenbestatter legten wir ihr einfach ein Tuch in den Mundwinkel, sagten so vielen Leuten wie möglich ab und ließen die restlichen kommen.


    Am nächsten Tag mittags sollte man sie abholen kommen. Wir waren den ganzen Vormittag damit beschäftigt, ihren Sarg zu bemalen, da ich sie keinesfalls in eine unpersönliche Holzkiste packen wollte.. Als ich ein paar mal ins Zimmer schaute, war es wirklich kein angenehmer Anblick mehr: sie roch ziemlich übel und ihr Hals und Gesicht waren aufgequollen. Und obwohl mich diese Bilder noch einige Nächte in meinen Träumen verfolgten, würde ich diese Tage niemals hergeben. Hätte ich ihren Körper sofort hergeben müssen, hätte ich glaube ich nicht damit umgehen können, dass sie "tot" ist. Ich genoss es, jedes Mal aufs Neue zu sehen: sie ist tot! - obwohl ich gleichzeitig noch eine große Zuneigung zu dem Körper hegte. Vielleicht klingt das für einige von euch grausam oder ähnliches, doch so war es nicht gemeint. Aber es war nur noch der Körper. Und das war gut zu realisieren.


    Als die Stunde des wegbringens nahte, sprachen wir darüber, ob wir sie noch waschen wollten oder umziehen, doch es hätte niemand von uns mehr gekonnt. Sich so genau anzusehen, wie weit der Zerfallsprozess in diesen wenigen Tagen vorangeschritten war, hätte wir nicht mehr ausgehalten. Außerdem bin ich überzeugt, dass meine Mama sich in keiner Weise darum scherte, wie ihr Körper in den Sarg gebetet wurde. Als der Bestatter schließlich kam, war ich geradezu froh, dass sie nun gehen würde. Noch länger wäre zu lang gewesen. Die letzten Minuten war mir auch der Geruch einfach zu intensiv - unerträglich.


    Das war unsere Art, die ersten Schritte des Verabschiedens zu begehen. Ich weiß nicht ob ich das noch einmal bei einer mir geliebten Person aushalten würde - ob es mir bei irgendjemandem sonst noch einmal so wichtig sein wird, den Körper zu begleiten. Jedoch kann ich es mir sehr wohl vorstellen - nur bitte noch nicht jetzt. Ich weiß allerdings, dass es für uns in diesem Falle das richtige war, und mir enorm hilft, die Dinge zu sehen wie sie sind. Ich glaube auch nicht dass ich mir etwas "erspart" hätte, wenn man sie uns gleich genommen hätte: lieber weiß ich wie die Dinge sind, als ewig in Zweifel und Unsicherheit zu leben und mich von meiner Phantasie quälen zu lassen.
    Ich hoffe es geht auch meinem Bruder so. Er hat nur einmal plötzlich erwähnt, es habe ihn so erschüttert - habe es so schlimm gefunden - als Mama angefangen hat zu bluten.. Ich hoffe er verkraftet diese Bilder...


    Hm, das wurde jetzt doch ein recht krasser Beitrag. Hoffe ich habe niemanden erschreckt. Ich muss noch sagen für die die nun schockiert sind: irgendwie wird alles in Ordnung wenn man es akzeptiert - auch der Zerfallsprozess. Naja, musste nun einfach auch mal meine Erinnerungen zu diesem Thema aufschreiben.


    Danke fürs Interesse
    GLG Rosalie


    Unsere tiefgreifendste Angst ist nicht, dass wir ungenügend
    sind.
    Unsere tiefgreifendste Angst ist, über das Messbare hinaus
    kraftvoll zu sein.


    Es ist unser Licht, nicht die Dunkelheit, die uns am meisten
    Angst macht.


  • Hallo Rosalie,


    ich muss dir nun mal meine Hochachtung aussprechen!!ich muss dir ganz ehrlich sagen, ich könnte es nicht!!


    Für mich persönlich, wäre diese Art des Abschiednehmes zu viel und ich glaubeich persönlich hätte damit nicht umgehen können!!


    Ich finde es bewundernswert das ihr das so geschafft habt und ich kann mir sehr gut vorstellen, das es euch sehr geholfen hat in eurer Trauer!!


    Ich wünsche dir noch viel Kraft!



    Liebe grüße


    traurigetina

  • ich finde das so schön was ihr für eure mutter getan habt hochachtung,ich beneide dich sehr für das,meinen sohn holten sie viel zu schnell,,hätte es für ihn auch gerne gemacht,,liebe grüße silvia

    Arme kleine Seele leid und Schmerz warn diese Welt.


    Kommt ein Engel nun vom Himmel,sanft im Arm,er dich jetzt hält.

  • Liebe Rosalie!


    Danke für Dein Vertrauen und dass Du uns von Eurem Abschied
    hier so offen erzählst.


    Ich selbst habe meinen Sohn am 3. Tag nach seinem Tod selbst
    ankleiden und einbetten dürfen - es war für mich auch eine Erfahrung,
    die ich um keinen Preis missen möchte.
    Danach habe ich noch oft gedacht, wie schön es gewesen wäre, wenn
    wir ihn daheim verabschieden hätten können, aber das war wegen
    der Obduktion leider nicht möglich...


    Das Berühren war mir auch sehr wichtig - wir durften ihn im Arm halten
    und es war so, als würde er schlafen.
    Berühren und Körperkontakt ist wichtig für das Begreifen - es steckt
    ja schon im Wort selbst.


    Es ist schön, dass Ihr Deine Mama noch so lange begleiten durftet -
    sie hat das sicher gespürt!


    Ich wünsche Dir eine gute Nacht und freue mich darauf noch mehr
    über Deine Mama zu lesen!


    Kate

  • Hallo Rosalie,


    der Beitrag erschreckt mich persönlich nicht allzu sehr.
    Ich glaube es ist für viele wichtig, diese Erfahrung zu machen, um es zu realisieren....
    Ich habe meine Mutter am Tag nach ihrem Tod in der Pathologie besucht, und sie war kalt und steif, aber meine Mutter.
    Nicht viel anders als vorher. Vorher war sie wg. des Krebs ständig kalt, egal wie sehr ich sie einwickelte, nachher eben noch etwas kälter.
    Sie hatte die Augen geschlossen und den Mund etwas offen.
    Leichenflecken an der einen Hand.
    Aber meine Mutter, bei der ich gerne weiter gesessen wäre, und ihre Hand gehalten hätte, und einfach aufpassen wollte neben ihr, so wie so oft vorher schon im Spital...
    Als ich heimkam, wollte ich wieder hin, um einfach neben ihr zu sitzen.
    Die ganze Nacht war ich wach und wollte wieder hinfahren, was aber nicht ging...
    Dachte die würden mich dort für total bescheuert halten, wenn ich plötzlich in der Nacht ankomme, und neben meiner toten Mutter sitzen möchte.
    2 Tage darauf brachte ich ihr Gewand, und wollte sie nochmal sehen.
    Sie sah noch immer aus wie vorher...
    Sie sah so wie sie dalag, so zerbrechlich aus. Zu dünn, zu früh gealtert, zu krank. Meine kleine Mama.
    Ich bat den Pathologen dass er mir eine Haarstränhne von ihr abschneiden sollte.
    Sie hat eine von mir, bei meinem ersten Haarschnitt genommen, und in ihrem Schmuckkästchen aufgehoben, und ich wollte nun eine von ihr haben.


    2 Wochen und 1 Tag nach ihrem Tod war die Beerdigung.
    Ich habe meiner Mutter einen Brief geschrieben, und einen Ring gekauft, wovon ich den selben hatte, und wollte ihr beides geben.
    Fragte den Bestatter ob ich das könnte, ob es nicht schon recht spät wäre...
    Er meinte nein, sie sieht "normal" aus.
    Was natürlich nicht ganz stimmte...und dem Menschen ist es ja egal, der sieht jeden Tag seine Leichen...
    Ihr Mund war etwas weiter offen, ihre Augen waren ebenso geöffnet, ihr Gesicht wirkte kleiner und wächsern, mehr Leichenflecken auf den Händen, der eine Arm war schon wieder beweglich, der Rest noch in der Leichenstarre.
    Da sah sie auch nicht mehr so ganz wie meine Mutter aus...andererseits war sie es aber doch.


    Der Anblick war auch etwas erschreckend, aber ich bin ebenfalls froh dass ich sie so gesehen habe. Das macht das realisieren leichter...
    Obwohl ich mir jetzt trotzdem oft Gedanken mache, wie sie ....nun...aussieht...gerade jetzt, was da passiert mit ihrem Körper, und ich Schreckensbilder vor mir habe wie sie im Sarg liegen könnte.

  • Liebe Rosalie!
    Auch mich erschreckt dein Beitrag nicht-so schlimm es für manch andreren klingen mag-,bin Krankeschwester,wie im Profil steht,daher kenne ich den Prozess,leider auch den Geruch.
    Ich finde es von dir und deinem Vati,und Bruder sehr stark.Ihr habt deine Mutti bewusst-ohne zu ahnen,was auf euch zukommt-bis zum Schluss begleitet.So,wie es sich deine Mutti gewünscht hat.Ich denke,das kann nicht jeder aushalten.Ihr habt dann versucht,so viele Besucher wie möglich wieder auszuladen.Das war gut so.
    Ich wünsch euch weiter so viel Stärke!
    Ihr ward eine besonders innige Familie,auf dem Foto,bist du mit deiner Mutti? Eine sehr schöne Frau!
    Viel Kraft von Karla

    Mein Kind Juliane,
    Mein Bruder Rene,
    Mein lieber Vati,
    Ihr seid mir nur einen Schritt voraus-tief in meinem Herzen lebt ihr weiter :005:

  • Liebe Rosalie,


    als Bestatterin möcht ich auch was dazu sagen: Erstmal "Hut ab!", ich finde es toll, dass ihr eurer Mutter diesen Wunsch erfüllt habt und sie 3 Tage zuhause gelassen habt. Ich hätte das auch unterstützt und sie euch sicher nicht genommen, aber ich hätte euch eine hygienische Versorgung der Verstorbenen empfohlen, welche die 3 Tage zuhause doch erleichtert hätten, sowohl was den Geruch als auch den Austritt von Fäulnisflüssigkeit (das war kein Blut, was da rauskam!) betrifft. Das hätte man beides verhindern können!


    Alles Liebe und herzlich willkommen bei uns hier!


    Christine

  • kann dir nur sagen wie ich dich beneide,hätte ich das alles zum tode meines sohnes gewust das sowas erlaubt ist,hätte ich es auch so gemacht,,deine mutter ist sicher sehr stoltz auf euch,,liebe grüße silvia

    Arme kleine Seele leid und Schmerz warn diese Welt.


    Kommt ein Engel nun vom Himmel,sanft im Arm,er dich jetzt hält.

  • Liebe Rosalie,


    am Mittwoch Abend kam ich heim, nachdem ich mich von meinem Vater verabschiedet hatte, und den Nachmittag noch mit meiner Mutter verbracht hatte und las deine Beschreibung eurer Verabschiedung deiner Mutter.
    Ich hätte dir gerne gleich geantwortet, aber ich konnte es nicht. Heute ist mein Kopf ein wenig klarer und so will ich es jetzt tun.


    Ich muß sagen, es hat mich umgehauen. Aber nicht weil ich "geschockt" war von deinen Worten, sondern weil ich dachte:
    "Welche Chance, sich so intensiv und "wirklich" verabschieden zu können." Es war sicher nicht leicht, doch ihr habt eurer Mama ihren Wunsch erfüllt, das ist ..(jedes Wort das mir einfällt kling so abgedroschen, doch ich bin mir sicher, du verstehst mich)


    Ich werde meinen Vater immer "schlafend" in Erinnerung behalten, und ich bin mir nicht so sicher, daß das für mich sehr "hilfreich" ist.
    Und - es war schon gut, daß ich ihn nochmal sehen konnte, ich "spürte" ihn auch, aber -
    er lag noch im Überwachungszimmer, nur durch so Faltwände vom nächsten Bett getrennt. In dem ein anderer Patient gerade sein Mittagessen bekam. So konnte ich irgenwie nicht reden, sondern nur flüstern oder überhaupt nur "denken".
    Ich weiß, daß es egal ist, er mich sowieso nicht mehr "mit den Ohren gehört" hat. Trotzdem hat es mich gestört - er hat doch zum Schluß soo schlecht gehört - es hat einfach nicht "gepaßt".
    Am Dienstagabend schrieb ich dir: "Vatis Herz ist zu stark, um gehen zu können" und nicht mal 16 Stunden später hörte es zu schlagen auf - hat er mich gehört?


    Rosalie, ich wünsche dir und deiner Familie, daß ihr den eingeschlagenen Weg auch so weitergehen könnt, denn ich fühle, daß es der richtige ist. So wie ich mir für uns wünsche, daß auch wir die "richtige Richtung" finden.


    Alles Liebe
    Jutta

    Der Tod eines geliebten Menschen ist wie
    das Zurückgeben einer Kostbarkeit,
    die uns Gott geliehen hat.

  • Liebe Rosalie,


    auch Dir zunächst mein herzliches Beileid und herzlich willkommen. Ich kann mitfühlen wie es Dir gerade geht. Meine Mutter starb letztes Jahr mit 54 Jahren, etwas älter, aber in meinen Augen auch kein Alter zum gehen. Mit der Ungerechtigkeit und dem WARUM?! werden wir leider ein Leben lang leben müssen.


    Ich finde es auch ganz toll das ihr deiner Mutti ihren letzten Wunsch erfüllt habt. Ihr seit echt eine liebevolle und starke Familie.


    Ich wünsche dir ganz viel Kraft und umarme dich ganz vorsichtig wen ich darf.


    Liebe Grüße


    Manu

  • Liebe Rosalie!
    Zuerst einmal herzlich willkommen und meine tiefe Hochachtung, dass du den Wunsch deiner Mutter respektiert hast. In früherer Zeit war es üblich den Verstorbenen zu hause aufzubahren damit Alle Abschied nehmen konnten. Ich habe meine Mutter am 1.10.08 um 22 Uhr 15 verloren. Sie starb im Krankenhaus nach jahrzehntelangem Leiden, der Tod war für sie eine Erlösung. Obwohl es meinem Bruder und mir bewusst war, dass die Tage gezählt waren schoben wir den Gedanken, dass unsere Mutter einmal nicht mehr bei uns ist, weit weg. Mein Bruder war bis zu ihrem Ende bei ihr. Am nächsten Tag lag sie noch im Einzelzimmer, eingepackt in Tücher - leichenblass, kalt, steif, den Mund und die Augen offen. Ehrlich gesagt ich war geschockt. Mein Mütterchen! Auch ich schnitt ihr ein paar Haarstähnchen ab, die trage ich in einem Madaillon. Der Tod deiner Mutter ist noch nicht lange her, glaube mir die Tränen kommen von selbst. Zuerst muss sich der Schock, das Realisieren erst legen. Obwohl meine Mutter bereits über sieben Monate tot ist ist es mir als hätte ich sie gestern noch gesehen. Ich habe ihr einen langen Brief, ein Hufeisen und eine Glückwunschkarte zu ihrem 80. Geburtstag (am 14.10.08 wäre sie 80 geworden) in den Sarg gelegt.
    Heute denke ich mir, warum habe ich sie nicht gefragt, ihr mehr zugehört, alles Versäumnisse die nicht mehr gut zu machen sind. Es zeigt von großer Liebe wie du deine Mutter und euer Verhältnis beschreibt. Eine Mutter ist nie zu ersetzen und solange du sie im Herzen trägst wird sie immer leben. Wenn ein geliebter Mensch stirbt gewinnen wir einen Schutzengel dazu, deine Mutter ist jetzt dein Schutzengel.
    Ich wünsche dir Kraft, Zuversicht und Hoffnung. :))

    Seid alle umarmt


    Gabriela ;(


    Weinet nicht an meinem Grabe


    gönnt`mir die verdiente Ruh`


    denkt was ich gelitten habe


    eh`ich ging der Heimat zu