Dieses neue, aufgezwungene Leben, wohin damit?

  • Ich bin Elisabeth und habe vor 11 Monaten innerhalb von 6 Wochen meinen Mann auf sehr schmerzhafte Weise verloren.

    Er starb mit 62 Jahren an unheilbaren Lungenkrebs. Nichtraucher, sportlich, wir lebten gesund und liebten uns nach 38 Jahren immer noch, eigentlich wurde die Liebe in den letzten Jahren noch tiefer und wir freuten uns auf die gemeinsamen Jahre nach dem Arbeitsleben.

    Dann fing es mit Schmerzen an, ein Pleuraerguss wurde diagnostiziert und für meinen Mann begann ein großes Martyrium, für mich auch.

    Plötzlich fanden wir uns nach 4 Wochen auf der Palliativstation wieder, alles zu spät, Lungenentzündungen, auch noch durch Corona eines Mitpatienten, Lungenembolie, 1. Chemo, nach der 2. Chemotherapie starb er ziemlich schnell und ich war in kleinster Weise vorbereitet.

    Keine Arztgespräche, kein Seelsorger, nur überforderte Krankenschwestern, ich war der einsamste Mensch auf der Welt in meiner Vorstellung und erlebte den plötzlichen Tod meines Mannes als Albtraum und starkes Trauma.

    Ich erspare euch Einzelheiten.

    Einige kennen mich vom Schreiben in verschiedenen Wohnzimmern, jetzt habe ich mir auch eins eingerichtet, hoffe, es klappt.

    Wie es mir geht?

    Albträume Flashbacks, Weinen, Funktionieren, Hoffen dass es besser wird, Herausfinden wohin es geht , Leben und Agieren wollen, einen Sinn im Leben finden, meinen Mann nicht mehr nur durch Schmerzen und Vermissen spüren, sondern durch liebevolle Erinnerungen.

    Lesen, Psychotherapie, Sinnsuche und und und..

    Ich schicke euch ganz liebe Grüße

    Elisabeth

  • Liebe Elisabeth,

    Es ist schön, dass Du Dich entschlossen hast, Dir Dein Wohnzimmer hier einzurichten. Das Leben kann ganz schön gnadenlos sein, das haben wir hier alle am eigenen Leib erfahren. Du und Dein Mann habt Schlimmes erlebt. Es ist schlimm zu lesen (und Ihr scheint ja kein Einzelfall zu sein), wie man in einer Ausnahmesituation im KKH alleine gelassen wird…..

    Fühle Dich umarmt🫂.

    Lg Herzschmerz

  • Danke ihr Lieben, ihr seid mir alle schon so vertraut.

    Mit euch zu schreiben bedeutet mir so viel.

    Jetzt traue ich mich auch öfters mal initiativ zu werden und nicht nur zu antworten.

    Schön, dass ihr mich immer in euren Wohnzimmern aufgenommen habt.

    Habt eine gute Nacht und liebe Grüße

    Elisabeth

  • Liebe Elisabeth,

    ach jetzt konnte man lesen , wie viel du durchmachen musstest 😥…

    Und uns allen hast du die ganze Zeit immer wieder Trost und hilfreiche Tips gegeben .

    Habe mir das Buch von Thich Nhat Hanh

    auch bestellt…Schön, dass wir uns jetzt auch auf deiner Seite austauschen können.

    Alles Liebe , viel Kraft und eine erholsame Nacht

    Zausel

  • Ihr Lieben, ich weiß nicht wie das Wetter bei euch ist, hier ist dicker Nebel.

    6 Km weiter, wo die Ruhestätte meines Mannes ist, schien die Sonne.

    Hier ist eine Wetter- und Wasserscheide.

    Ab dem Nachbardorf teilen sich die Bäche und fließen bei uns der Mosel zu und die anderen fließen dem Rhein zu.

    Ich weiß nicht ob euch das überhaupt interessiert, aber ich will ein paar Gedanken mit euch teilen.


    Ich habe meinem Mann seine Lieblingsrosen auf sein Urnengrab gelegt mit getrockneten Rosenblättern von zuhause.

    Die Sonne schien durch die hohen Bäume auf sein Grab und ich konnte ihm einiges erzählen und ihn auch um Beistand bitten.

    In der Kapelle habe ich eine Kerze angezündet und im Besucherbuch gelesen.


    All die Hoffnungen und Bitten dass geliebte Menschen wieder gesund werden.

    All der Schmerz, der deutlich wird, wenn Angehörige an ihre verstorbenen Liebsten schreiben, all dieser Schmerz aber auch schon die Dankbarkeit, dass sie mit den Menschen gelebt haben, sie geliebt haben und leider immer zu früh Abschied nehmen mussten.


    Auf dem Rückweg musste ich sehr weinen, zum Einen, weil mir mein Mann so sehr fehlt, seine pure Anwesenheit, seine Wärme, seine Hilfsbereitschaft, seine Genügsamkeit, einfach seine Liebe.

    Zum Anderen, weil so viele Menschen jetzt traurig sind und ihre Liebsten vermissen, mit dem Leben noch nicht gut klar kommen, wie ich auch.

    Und dann diese Vorweihnachtszeit und die Unsicherheiten was das kommende Jahr betrifft.


    Am 13.Januar ist mein Mann 1 Jahr tot.

    Ja, er ist tot und das ist immer noch unfassbar, ich akzeptiere das natürlich aber begreifen kann ich es immer noch nicht.


    Jetzt, wieder zuhause, gucke in den dichten Nebel, der irgendwie tröstlich erscheint.

    Ich habe mir einen schönen Tee nach Ostfriesenart gemacht, mit ordentlich Kluntjes und Sahne für die „Wölkchen „ und esse ein paar köstliche Galettekekse dazu, die ich vor ein paar Tagen für sündhaft teures Geld in einer Kaffeerösterei gekauft habe.


    Ich empfinde im Augenblick eine große Dankbarkeit dafür hier im warmen Wohnzimmer zu sitzen, in den vernebelten Garten zu schauen, meinen Tee und die Kekse zu genießen und die Gedanken mit euch zu teilen.
    Hier ein Forum zu haben, wo ich mir vorstellen kann, dass wir auch zusammen sitzen könnten und uns unsere Gedanken, Ängste, Sorgen und andere Empfindungen miteinander besprechen können.


    Es ist schön, dass es euch gibt, dass ihr lest und euch hineinhört in das Geschriebene und mir immer das Gefühl gebt, dass ich nicht alleine bin an so einem Sonntag.


    Ganz liebe Grüße von Elisabeth

  • Liebe Elisabeth,


    ich finde es total schön, wie du deine Gedanken und Empfindungen mit uns teilst. So vieles davon ist mir vertraut.


    Wie schön, dass du neben all der Trauer und Sehnsucht auch so etwas wie Dankbarkeit empfinden kannst. Und, dass du es dir schön machst leckeren Tee und Keksen. Wie schön, dass du dir auch etwas gönnst. Ich finde das so wichtig!


    Ich gehe auch manchmal auf den Friedhof und halte Zwiesprache mit meinem Mann. Das erdet mich immer sehr und lässt mich zur Ruhe kommen. Ich habe hier noch ein kleines Vögelchen für ihn stehen, dass ich ihm bringen möchte, sobald ich wieder gesund bin.


    Jetzt, wo ich das lese, denke ich, dass ich mir auch einen Tee machen werde. Ich danke dir für die Inspiration! Lass es dir gut gehen! 😘Soweit es eben möglich ist…

  • Liebe Elisabeth, liebes Muckelchen,

    es ist schön, wie Du Deinen Bericht mit uns teilst liebe Elisabeth. Ich gehe auch immer gerne ich den FriedWald, in dem mein Mann liegt. Es ist so schön und friedlich dort, seinen Baum anzufassen und mit ihm zu sprechen gibt mir immer sehr viel Kraft und Trost. Und gestern war ja auch noch die Gedenkfeier, die die Träger des FriedWaldes organisiert haben, das hat mir sehr gut getan. Ja, wir sind in unserem Schmerz nicht alleine, viele trauern um einen geliebten Menschen, der zu früh gehen musste. Mit fehlt mein Mann auch jeden Tag. Seine körperliche Abwesenheit, der Austausch, die Wärme und Liebe, die er gab. Aber ich bin auch sehr sehr dankbar, dass wir 21 gemeinsame, wunderbare Jahre zusammen hatten. Ich glaube, dass Dankbarkeit ein wichtiger Punkt in der Trauerbewältigung ist. Das ist etwas konstruktives, positives, an dem man sich festhalten kann.
    Liebe Elisabeth, dann kommt der Todestag Deines Mannes bald auf Dich zu, das wird nicht einfach. Meistens ist die Zeit davor schlimmer als der Tag selbst. Das ist zumindest das, was man hier bei anderen Betroffenen so liest…..

    Es ist schön, dass Du Dir auch etwas gutes gönnst, Selbstfürsorge ist tatsächlich sehr wichtig, denn wenn wir uns nicht mehr wichtig sind, für wen sollten wir es dann sein?
    Mir gibt der Austausch und der Halt hier im Forum auch sehr viel und ich bin froh, dabei zu sein.
    lg Herzschmerz