Wunden verheilen, aber tiefe Wunden heilen nie

  • Lieber Tommi, diese Fragen werden dich noch länger begleiten, mir können 1000 Leute sagen, er hatte keine Chance mehr, du hast weit über das Mögliche hinaus alles getan, das prallt ab. Der Verstand sagt ja aber das Gefühl schmerzt weiter.

    Und ich glaube, es ist egal ob man nach Jahren den Kampf gegen die Krankheit verliert, nach nur ein paar Wochen oder ganz plötzlich aus dem Leben herausgerissen wird. Die Fragen nach dem Warum, was hätte man noch machen können, die Ärzte, wir Partner, warum war ich nicht da, warum konnte ich nicht helfen…??

    Das ist, glaube ich, alles normal um irgendwann dahin zu kommen dass man begreift und akzeptiert, ich finde die Akzeptanz am schwierigsten .


    Ich tue mich auch schwer mit meiner Psychologin, trotzdem fahre ich wöchentlich hin, weil ich doch etwas Hilfe erwarte.

    Trotzdem werde ich mich ab Februar in eine Akutpsychosomatische Klinik für ein paar Wochen begeben, auch nach jetzt einem Jahr, jetzt bin ich erst bereit dafür.


    Verschließe dich professioneller Hilfe nicht, du brauchst alles Mögliche was dir hilft durch die nächste Zeit zu kommen.

    Liebe Grüße

    Elisabeth

  • Liebe Elisabeth,


    das ist eine sehr gute Entscheidung mit der Akutklinik. Ich war im November 6 Wochen dort und gehe am Montag nochmal 3 Wochen zurück. Sie tat mir unheimlich gut und hat mir in der Trauerarbeit sehr geholfen.


    Jeder muss jedoch für sich entscheiden, ob er bereit für sowas ist oder anders damit umgeht.


    Liebe Grüße


    Constanze

  • Lieber Tommi,


    ich kann es so gut nachvollziehen.


    Mein Mann konnte zum Schluss nur noch mit den Augen kommunizieren. Auch ich musste alles entscheiden: in der Klinik und dann Zuhause mit dem Palliativteam. Es war sehr hart.


    Ich denke aber, dass unsere Liebsten einfach dankbar waren, dass wir da waren und für sie das richtige entschieden haben. Ich konnte es in den Augen meines Mannes sehen. Und ob langsamer oder plötzlicher Abschied: es ist beides sehr schlimm und zerreist einem das Herz.


    Ich stelle mir auch noch sehr oft Fragen, die mir keiner beantworten kann und habe noch Schuldgefühle. Das wird wahrscheinlich erst nach langer Zeit aufhören.


    Setzt Dich bitte nicht unter Druck. Im Moment funktionierst Du einfach. Und wenn das organisatorische vorbei ist, wirst Du etwas zur Ruhe kommen.


    Und falls Du irgendwann prof. Hilfe annehmen möchtest, mach das und wenn nicht, dann ist das Deine Entscheidung.


    Alles kein Muss und es gibt keinen Fahrplan.


    LG, Constanze

  • Lieber Tommi,

    Ich glaube Dir sehr gerne, dass der Kampf, den Du und Deine Frau gefochten haben, unendlich schwierig war und immense Kraft gekostet hat. Sich auch immer zwischen Hoffen und Bangen zu befinden muss schlimm sein. Um dann letztendlich den Kampf doch zu „verlieren“. Das kann sich niemand vorstellen, der es nicht selbst erlebt hat. Ich habe meinen Mann ganz plötzlich verloren, habe ihn morgens tot in der Küche aufgefunden, ein Riesenschock! Ich glaube, beides ist schwierig, sich zu verabschieden (die Liebste gehen zu lassen) oder eben vor vollendeten Tatsachen zu stehen, beide Szenarien haben ihre Hersusforderungen.
    Momentan bist Du noch im Schockzustand, kannst und willst den Tod noch nicht akzeptieren/verstehen und hinterfragst daher alles. Das ist ganz normal, das kennt jeder hier. Ich bin sicher, Du hast alles getan, was Dir möglich war und es ist nicht einfach, anzunehmen, dass es dennoch nicht gereicht hat, dass Du sie nicht retten konntest.
    Versuche, jetzt alles Schritt für Schritt zu erledigen und nimm jede Hilfe an, die Du bekommen kannst. Hier zu schreiben tut z. B. sehr gut, hier versteht Dich jeder, hier musst Du nicht viel erklären und auch, die Ereignisse immer wieder Revue passieren zu lassen ist normal, das kannst Du hier auch…..

    Lg Herzschmerz

  • Guten Morgen Ihr Lieben,

    heute morgen versuche ich mich immer an ihre Stimme zu erinnern, wiederhole die Sätze, die sie mir so oft sagte, oder wie sie mich im Spaß oft anredete.

    Hier im Haus ist alles so still, da merkt man besonders, wie sehr man sie vermisst.


    Mir gehen nun ständig diese Sätze mit "nie mehr...." nicht mehr aus dem Kopf


    Nie mehr...


    neben ihr aufzuwachen....

    mit ihr zu frühstücken.....

    mit ihr zu lachen.....

    mit ihr über die Arbeit zu sprechen....

    mit ihr den Tag und die Woche zu planen....

    mit ihr ins unsere Allgäuer Berge zu fahren...

    mit ihr auf die Rappenseehütte zu gehen......

    mit ihr um den Bodensee zu radeln...

    mit ihr den besten Backfisch Deutschlands in Otterndorf/Nordsee zu essen....

    mit ihr in Cuxhaven am Radarturm zu sitzen und Schiffe zu beobachten.....


    ach ich könnte noch hundert Zeilen hierzu schreiben.


    man könnte ja dagegenhalten, dass es auch nie mehr zum MRT geht, man nie mehr die oberflächlichen Aussagen des Professors der Uniklinik erleben muss, dass man nie mehr um die Blutwerte zittern muss, das man nie mehr Temodal, CCNU oder Avastin in ihren Körper lassen muss.


    Aber das nimmt mir alles so gar nicht meine Ängste vor dem was nun noch kommt.


    Ute war eine so starke Persönlichkeit, eine so starke Kämpferin, kein Mensch versteht so recht, warum gerade sie nicht mehr da ist. "Sie war doch immer so fit...."

    Ja das war sie, aber der bösartige Hirntumor ist ein unerbittlicher Feind im Kopf, der selbst die stärksten Menschen komplett unter seine Kontrolle stellt.


    Sie baute im letzten Jahr kontinuierlich ab, erst körperlich, wieder zurück vom Rollator in den Rollstuhl, das war schon schlimm, auch für ihren Physiotherapeuten. Dann diese depressiven Verstimmungen, sie wachte morgens manchmal auf und das erste was sie sagte war: "Tommi, ich habe so eine große Angst", am schlimmsten war aber der geistige Abfall, das war für mich auch total grausam. Sie vergaß viel, war manchmal verwirrt, wollte sogar ihren 2015 verstorbenen Vater per whats app anschreiben, schlimm.


    Aber sie hatte auch sortierte Momente, eine Anekdote muss ich hierzu noch schreiben.


    Ute´s Mutter ist 1993 mit 54 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs verstorben, auch viel zu früh, dass sie selber nur 56 Jahre werden sollte, ist daher besonders tragisch. Seit 1993 stehen wir also am Grab der Eltern, vor Monaten sagte sie mir, "schau mal, da steht ja schon mein Name auf dem Grabstein" - ich fragte sie dann, wie sie darauf kommt, so einen Mist zu erzählen, doch sagte sie, da steht mein Name "Schau auf den Grabstein und was steht da? - Eheleute!!!!!!"


    Die letzten 3 Buchstaben von Eheleute lauten: "UTE" - seit 1993 haben wir vor diesem Grab gestanden, warum fiel ihr das jetzt erst so kurz vor ihrem Tod auf.


    Wahnsinn, oder? Da war ich baff, ihre sortierten Momente wurden täglich weniger, aber da war sie hellwach.


    Nun gut, gerade diese Szenen, werde ich wohl nie vergessen können, genau wie die schlimmen Szenen im Krankenhaus.


    Ich hoffe halt, dass ich mich irgendwann wieder an die gesunde "Uti" erinnere, im Moment kommt sie mir immer in Gedanken noch mit dem Rollator entgegen, obwohl ich sie Jahrzehnte eher auf dem Fahrrad oder auf der Bergtour erlebte.


    Gruß

    Tommi

  • Lieber Tommi,

    Diese vielen Fragen nach dem Warum, das immer wieder erleben der letzten Zeit und diese nie mehr Sätze gehören zu einem normalen Trauerprozess dazu. Auch die Ängste vor der Zukunft. Es ist so schwer, zu verstehen und anzunehmen, dass der geliebte Mensch einfach nicht mehr da ist, man kann und will es nicht wahrhaben. Es tut mir so leid für Dich und ich fühle mit Dir.

    Lg Herzschmerz

  • Lieber Tommi,


    auch ich habe eher nur die Erinnerungen mit der Krankheit im Kopf. Diese sind sehr präsent. Mehr als die schönen.


    Das dauert wohl auch noch, da diese Erfahrungen so einschneidend und heftig waren


    Ich fühle mit Dir.


    Liebe Grüße


    Constanze

  • Lieber Tommi,

    habe hier gerade viel gelesen und weiß keine richtigen Worte des Trostes 😔

    Kann dich nur gut verstehen. Die Gedanken kreisen erbarmungslos … immer wieder ,

    wie du schreibst, das n i e wieder frühstücken zusammen , fernsehen .., und und und 😥 . Es ist schwer zu begreifen und auszuhalten. Ich wünsche dir ganz viel Kraft.

    Hier in dieser Gemeinschaft finden wir immer Verständnis .. . LG Zausel

  • Hallo Ihr Lieben,

    heute ist wieder so ein grauer Tag, der einen wieder in die Monate Juni - Dezember 2023 zurückversetzt.


    Man hat nun mal nach der Beerdigung und der Erledigung vieler administrativer Angelegenheiten einfach sehr viel Zeit zum Nachdenken, und das tut mir nicht gut.


    Ständig überlege ich mir, was man dann doch hätte anders machen können, um sie zu retten, sie zu beschützen. Ich weiß, dass alle Ärzte zur gleichen Ansicht gekommen waren und meiner Frau keine Chance mehr einräumten, trotzdem zweifelt man irgendwie an allem.


    Ich mache mir Vorwürfe, ob ich in den letzten schweren Monaten immer den richtigen Ton bei Ute getroffen habe, ihr vielleicht auch zu viel Druck gemacht habe.


    Unsere Nerven lagen blank, sie baute immer mehr ab, vor allen geistig. Ich habe mit ihr manchmal geschimpft, wenn sie sich wieder hat hängen lassen, wenn sie ihre Kontakte nicht pflegte oder wenn sie einfach alles hat so laufen lassen. Sie war sonst doch nie so antriebslos.


    Sie sagte mir zwischendurch schon, dass sie nicht mehr kann, ich habe sie dann gefragt, wie sie das genau meint. Hatte ihr angedeutet, dass solche Sätze bei den Ärzten zu einer eindeutigen Reaktion führen würden, sie den Daumen senken würden. Das wollte sie aber auf gar keinen Fall, sie wollte bei mir bleiben, und vor allen Dingen nicht aufgeben.


    Aber ihr Verstand ließ von Tag zu Tag weiter nach, das Gedächtnis litt immer mehr unter der Krankheit und auch körperlich tat sie sich immer schwerer.

    Am schlimmsten waren aber ihre geistigen Ausfälle, die mich irgendwann auch total verzweifeln ließen. Am nächsten Tag hatte sie wieder alles vergessen, doch meine Traurigkeit konnte ich natürlich nicht mehr ausblenden.


    Sie nahm meine Tränen kaum mehr wahr, unterstellte mir ganz schlimme Dinge, die niemals der Realität entsprachen. Das hat richtig weh getan, und beschäftigt mich auch gerade sehr, weil wir uns halt am Ende nicht mehr richtig aussprechen konnten. Ich kannte sie als Kämpferin, die nie aufgibt, aber am Schluss war sie nur noch ein Häuflein Elend, welches durch die Sedierung der Palliativ-Ärztin letztendlich erlöst wurde.


    Das sind die Dinge, die mich im Moment ganz schwer beschäftigen, ich weiß, dass aus ihr eher der Tumor sprach und nicht sie, das weiß man nach 31 Ehejahren. Und ich weiß, dass nach 3 jährigem Kampf auch meine Kraft einfach nicht mehr reichte, nervlich und auch körperlich.


    Trotzdem kommen diese Selbstvorwürfe immer wieder hoch, auch wenn mir jeder bestätigt, dass wir in diesen 3 Jahren beide alles rausgeholt haben, was möglich war.


    Eben lief im TV auch noch Wintersport aus Oberstdorf, dem Tal der Täler, Der Ort, wo wir immer mit am glücklichsten waren, wo wir unzählige schöne Bergmomente erleben durften, das war dann zu viel für mich, habe mich direkt angezogen und bin raus, in die Kälte, ins Graue, hat aber gutgetan.


    Musste meine Gefühlslage gerade einfach mal wieder loswerden.


    Gruß

    Tommi

  • Lieber Tommie,


    Ich denke niemand hier hat sich nicht auch schon genügend Vorwürfe gemacht, dass man sich manches Mal nicht richtig verhalten hat, das ist menschlich, nicht nur der kranke Mensch leidet, auch wir mit und neben ihm, das ist eine enorme Herausforderung für beide.


    In den Situationen in denen wir uns befanden haben wir immer unser Bestes gegeben 🙏


    Alles Liebe Pia 🥀

  • Lieber Tommi,

    Es ist gut, dass Du alles rauslässt. Du machst Dir viele Vorwürfe und stellst Dir viele Fragen. Das ist ganz normal, immer glaubt man, man hätte etwas besser machen können. Ich bin sicher, sowohl Du als auch die Ärzte habe ihr Bestes gegeben und es fällt schwer, zu akzeptieren, dass es dennoch nicht gereicht hat. Dass Ihr nach 3 Jahren in jeder Hinsicht am Ende ward, kann ich mir nur zu gut vorstellen. Auch, dass dann jeden von auch mal die Nerven durchgegangen sind oder dass Deine Frau durch den Tumor gesprochen hat. Das weiß Dein Verstand aber Verstand und Herz sind nicht immer im Einklang.
    Es wird eine ganze Zeit dauern, bis es Dir wieder etwas besser geht. Trauer braucht seine Zeit und es gibt keine Abkürzung. Am besten gehst Du beharrlich jeden Tag Stück für Stück ein bischen weiter auf Deinem Trauerweg. Es wird sich Rückschläge geben aber am besten stehst Du wieder auf und gehst weiter. Das ist nicht immer einfach aber der beste Rat, den ich Dir geben kann. Nimm Dir die Zeit, die Du brauchst.

    Ich sende Dir Kraft!

    Lg Herzschmerz

  • ja liebe Pia

    war eh schon eine Ausnahmesituation nur im Nachhinein denkt man das und dies hätte man doch anders machen können

    mehr Verständnis zeigen andere Reaktion, nachhaken, fragen oder doch dies oder das

    und leider kann man das nicht nochmal auf Anfang spulen

    Ach ja............ das macht es doch gerade nicht leichter:33:

  • Lieber Tommi,

    ich bedauere zutiefst euer trauriges Schicksal und habe größten Respekt vor dem, was du für deine Liebste getan hast. Alles, wirklich alles was in deinen Kräften stand. Hast sogar deinen Job aufgegeben, um deine Frau pflegen zu können. Selbstvorwürfe mache ich mir nach 8 Monaten auch noch. Was hätte, was wäre etc. Sicher, man weiß man hat alles getan, was möglich war. Weiß, dass die Hinterfragerei nichts bringt. Und trotzdem kommen sie immer wieder. Fragen, keine Antworten. Es gibt dafür keine. Und das quält uns, weil wir den Sinn darin nicht verstehen. Wenn es den überhaupt gibt. Deine Frau hat sich im Wesen verändert. Das war nicht sie, nehm' dir das nicht zu Herzen. Meine Frau war bedingt durch Ammoniak im Gehirn, Auslöser die Leber, auch nicht ganz bei sich. Irgendwie apathisch. Man ist irritiert, denkt darüber nach. Deine Verzweiflung, deine Ängste, deine Traurigkeit. Wir verstehen das leider nur zu gut. Um uns zu stützen sind wir in diesem Forum. Den Schmerz kann dir keiner nehmen, vielleicht ein wenig die Zeit. Ich wünsche dir viel Kraft, schreib' dir alles von der Seele. Das hilft oft für den Augenblick und zeigen auch mögliche Wege. Liebe Grüße Billi 🌻

  • Lieber Tommi,

    kann auch nur das Gleiche sagen… die Schuldgefühle , Selbstvorwürfe , das Hadern ,die vielen Fragen ohne Antworten , das alles sind Folgen des schweren Verlustes. Anfangs habe ich geglaubt , das wäre nur wegen meiner ganz persönlichen Situation aber durch lesen von Trauerratgebern und dem so hilfreichen Austausch hier im Forum ,weiß ich, dass es leider dazu gehört. Es ist alles sehr schwer und ich wünsche dir von Herzen Kraft und Erleichterung durch das Schreiben hier… LG Zausel

  • Hallo Zusammen,


    es ist, wie es ist, der neue Alltag gestaltet sich weiterhin sehr schwierig.


    Utes Hirntumor wurde am 09.12.2023 ja quasi mit ihr beerdigt, das dachte ich zumindest, er kann jetzt keinen Schaden mehr anrichten.


    Diese heimtückische Krankheit hat uns in den letzten 3 Jahren fast alles genommen.


    Erst waren es ihre körperlichen Einschränkungen, die hat sie immer tapfer gemeistert, ihr Ehrgeiz hat ihr dabei sehr geholfen.

    Die fehlende Sicherheit für die Zukunft hatte unser Leben in dieser Zeit aber immer belastet, am Schluss kam dann noch der geistige Abfall dazu.


    Und das macht mir weiterhin sehr zu schaffen, ihre schönen strahlenden Augen, wo sind sie hin?


    Auf der Palliativstation konnte ich sie noch kurz erblicken, zwischendurch machte sie die Augen dann doch noch auf, starrte aber nur noch ins Leere.

    Sie konnte mir einfach nicht mehr sagen, was sie in dieser letzten Phase ihres Lebens noch dachte, was sie mir noch gerne gesagt hätte. Diese Bilder verfolgen mich jeden Tag, diese grausamen letzten Wochen, 56 Jahre wurde sie nur alt, und musste dann auf diese doch unwürdige Weise diese schöne Welt verlassen.


    Das Glioblastom kannte keine Gnade, sie hatte wohl kaum Schmerzen, das ist aber auch das einzige, was mich noch ein wenig beruhigt. Wenn man seinen Partner nach 31 Ehejahren so abbauen sieht, hinterlässt das halt schwerste Spuren.


    Nein, der Hirntumor wurde nur physisch mit beerdigt, in meinen Gedanken lebt er weiter. Dieser 3 Jahre harte Kampf mit wenigen guten Momenten und vielen Abstürzen prägt auch noch heute meinen Alltag.


    Vielleicht mache ich es mir damit aber auch selber noch schwerer. Bin noch täglich im Hirntumorforum unterwegs, warum eigentlich?


    Dieses Forum hatte mir 3 Jahre lang Halt gegeben, Hoffnung aufgebaut, ich habe mir aber auch immer was vorgemacht. Die traurigen Einträge habe ich nie gelesen, weil ich und Ute davon nichts wissen wollten, weil wir immer an irgendwelche Strohhalme glaubten. Klar wusste ich immer, dass dieser Krebs wohl tödlich enden kann, aber man hofft dann doch immer wieder, dass man zu den 5-10% gehört, die es dann wohl doch schaffen könnten.


    Weil ich mich nie mit den ganz schlimmen Fällen befasst habe, war mir auch nicht bewusst, wie eine Sterbephase beim Glioblastom eventuell aussehen könnte.

    Dadurch haben mich die letzten Wochen Ihres Lebens dann doch überrascht, mit so etwas hatte ich dann doch nicht gerechnet.


    Auch das Thema "palliative Sedierung" interessiert mich auf einmal, ich wusste vorher auch nicht, was so etwas überhaupt bedeuten kann. Die Ärzte haben mich auch nicht eindeutig darüber aufgeklärt, ich glaube zu wissen, warum dieses auch nicht eindeutig erfolgte.


    Ich glaube, dies ist meine größte Baustelle, ich beschäftige mich immer noch zu sehr mit der Krankheit, es bringt doch nichts mehr. Vielleicht lenkt es ab, aber dieser Weg führt nicht raus aus diesem Teufelskreis.


    Die Trauer um meine geliebte Ehefrau ist das eine, die Erinnerungen an diese schlimmsten Momente kommen dann aber auch noch dazu.


    Schwierig, Schwierig, unsere 31 gemeinsamen Ehejahre waren einfach so unglaublich schön, nein, loslassen kann ich anscheinend immer noch nicht.


    Gruß

    Tommi

  • Lieber Tommi,

    Du bist noch ganz am Anfang, es wird eine ganze Zeit dauern, bis es einem besser geht. Die erste Trauerzeit ist die Schlimmste, alles bricht gefühlt über einem zusammen, die Achterbahn der Emotionen ist sehr belastend und man ungläubig und verzweifelt neben sich, erkennt sich selbst nicht mehr wieder. Dennoch muss man sich irgendwie funktionieren, vieles muss geregelt werden. Das kostet immense Kraft und das Schlimmste ist, man fragt sich wofür? Du musst Deine Ute gar nicht loslassen, sie kann immer bei Dir bleiben, auf eine andere Art und Weise. Die Liebe stirbt nicht und Du kannst Dich ihr nahe fühlen. Und irgendwann (und das kann dauern) wirst Du einen guten Platz für sie in Deinem Herzen finden. Lasse Dir bitte von niemanden einreden, Du müsstest loslassen, ihre Sachen wegräumen o. ä. Das kommt irgendwann von ganz alleine und ohne Druck, dass Du etwas von ihr an andere gibst z. B. Dafür ist es noch viel zu früh. Es gibt nicht umsonst das Trauerjahr, lasse Dir Zeit, egal was andere von Dir erwarten.
    Warum Du Dich noch mit der Krankheit und dem Tod beschäftigst? Weil Du Dich im Verarbeitungsprozess befindest, das gehört dazu. Die Krankheit und das, was sie mit Euch gemacht hat, lässt Dich nicht mit beerdigen, das will verarbeitet werden. Ganz normal, gib Dir auch dafür Zeit. Die Trauer lässt sich nicht beschleunigen, abkürzen oder verdrängen, für die Heilung müssen wir da durch such wenn es schwer fällt.
    Ich sende Dir ein dickes Kraftpaket.

    Lg Herzschmerz.

  • Lieber Tommi,


    mein Mann ist auch nur 57 geworden und der Hirntumor hat uns auch 2,8 Jahre begleitet.


    Damals habe ich alles darüber gelesen, aber irgendwann aufgehört, da es zu sehr schmerzte.


    Mit der Krankheit beschäftigte ich mich nicht mehr. Ich habe am Ende Frieden damit geschlossen, dass ich ihn bis zum Ende begleiten durfte und er keine Schmerzen hatte. Wir konnten zum Ende hin auch nur noch mit den Augen kommunizieren, aber irgendwie war die Sterbephase von 2,5 Wochen die intensivste.


    Vielleicht solltest Du nicht mehr in den Foren surfen, ich denke, da kommt zu viel hoch.


    Ich weiß, es ist sehr schwer, aber versuche etwas loszulassen und denke an die schönen Momente.


    Ich plage mich auch noch mit Selbstvorwürfen, aber sie werden weniger.


    Fühl Dich verstanden und eine herzliche Umarmung.


    Constanze

  • Lieber Tommi,


    ich kann dich gut verstehen und auch nachvollziehen, was in dir vorgeht.

    Ich habe meinen geliebten Mann 7 1/2 Jahre durch seine Krebserkrankung begleitet, bis zu seinem letzten

    Atemzug. Wir waren 33 Jahre verheiratet und er durfte nur 60 Jahre alt werden. Durch die Metastasen, die

    sich in den letzten Monaten seiner Krankheit in seinem ganzen Körper ausbreiteten, hat auch er sich ganz

    doll verändert. Ich weiß leider nur zu gut, wie furchtbar weh das tut. Ich habe in den letzten Lebenstagen

    meines Mannes, auch so sehr unter seinen Wesensveränderungen gelitten. Ein wirklicher Abschied ist in diesem

    Zustand ja nicht möglich und doch hätte men sich das so sehr gewünscht.


    Wenn man seinen geliebten Partner/Partnerin über so eine lange Zeit durch diese Hölle begleitet und miterleben

    muss, wie diese sch ... Krankheit den über alles geliebten Menschen nach und nach zerstört, dass brennt sich

    so in die Seele ein, dass es ganz, ganz viel Zeit braucht, dass Erlebte einigermaßen zu verarbeiten.

    Man wünscht sich schöne Erinnerungen, aber immer wieder ist es eben das erlebte Grausame, was sich in den

    Vordergrund drängt. Wir müssen Geduld mit uns haben.


    Ich umarme dich mal ganz vorsichtig, wenn ich darf :30:.

    Herzlichst, Kerstin

  • Kimmy3 schrieb:

    Ich umarme dich mal ganz vorsichtig, wenn ich darf :30:.

    Herzlichst, Kerstin





    Hallo Kerstin,

    das darfst Du selbstverständlich, Du hast mit Deinen Worten genau meine Gefühlslage beschrieben.


    Es sind selbst die kleinen Dinge, die einen sofort wieder an diese schlimmen erlebten Momente erinnern, und die einem immer wieder bewusst machen, dass so manches einfach nicht mehr wiederkommt, nicht mehr möglich ist.


    Eigentlich ist der heutige Samstag so angelaufen wie früher, hab mich früh angezogen, bin zu Fuß ins Dorf zum Brötchen holen, die Luft ist so schön, der Schnee knirscht, alles so wie früher. Aber in der Brötchentüte sind nur noch 3 Brötchen, früher waren es 5, auch ihre Lieblingsbrötchen fehlen in der Tüte.


    Für uns war das Samstags-Frühstück immer der Höhepunkt der Woche, wir haben die Zeit am Wochenende immer so genossen, weil wir durch unsere Arbeit und die Anfahrtswege oft erst abends nach Hause kamen. Und jetzt sitze ich hier auf ihrem Stuhl und muss alleine frühstücken, ich kann mich zur Zeit nicht mehr auf meinen Stuhl setzen, dann würde ich ständig auf ihren leeren Stuhl blicken, das macht mich unendlich traurig.


    Das Leben ist zur Zeit wie eine Geisterbahn, in den drei Jahren Kampf kam es uns auch oft so vor, Angst und viel Schrecken, nur in der normalen Welt steigt man nach einer Runde aus und alles ist wieder gut. Unsere Geisterbahn drehte aber ständig noch eine Runde, und noch eine weitere Runde, bis wir irgendwann in der Kammer des Schreckens zum Stillstand kamen, und dann ging nichts mehr. Hört sich blöd an, aber manchmal haben wir uns so gefühlt.


    Diese kleinen alltäglichen Dinge, eigentlich das normalste von der Welt, erzeugen bei mir im Moment ständig diese furchtbare Trauer, weil ich sie bei jeder Situation dann wieder herbeiwünsche, und sie in meinen Gedanken dann vor mir sehe, auch heute wieder beim Frühstück.


    Danke Kerstin


    Tommi

  • Lieber Tommi,

    Die Kleinigkeiten des Alltags, die Selbstverständlichkeiten, einfach das Dasein machten unser gemeinsames Leben aus. Und daher fehlt eben genau das. Das Fehlen macht uns den Verlust immer wieder brutal deutlich. Das ist schwer zu ertragen. Gerade so Highlights der Woche schmieden unglaublich zusammen. Liebgewonnene Routinen vermitteln Zugehörigkeit und Geborgenheit. Alles weggebrochen, das verursacht Schmerz und Angst. Man fragt sich, wie man das ertragen soll und vor allem warum. Das Bild der Geisterbahn ist ein eindrückliches Bild, es beschreibt Eure Gefühlslage sehr gut. Horror!

    Jeder hier versteht Dich und hätte einfach auch so gerne nur sein normales Leben zurück….

    Lg Herzschmerz