Liebe Mariab,
ich kenne ähnliche Gefühle, wie du sie hast. Quälende Fragen...ein unerträgliches Vermissen...
Und diese Überlegungen, ob man nicht irgendwo etwas anders hätte machen können, sind glaube ich immer da, wenn jemand stirbt. Bei Krebs, bei einem Unfall, ... es ist immer eine Katastrophe...
Es ist für mich - so sehe ich es heute - einfach Ausdruck einer Sehnsucht dass ich mir klar wünsche, meine Mutter wäre nicht gestorben.
Bei mir ist es drei Jahre her, und ich möchte ein wenig dazu sagen, wobei ich hier keine Prinzipiendiskussion Überzeugungen betreffend anfangen möchte - aber vielleicht macht meine Sicht der Dinge es doch dir auch ein wenig einfacher für dich diese Fragen auszuhalten.
Ansonsten fühle dich einfach verstanden, und umarmt wenn du magst.
Als meine Mutter die Diagnose bekam, erkundigte ich mich und es war bald klar dass ihr Krebs in diesem Stadium einfach nur mehr eine begrenzte Zeit des Zusammenseins ermöglichte. Ich überlegte kurz meine Mutter irgendwo hin nach Deutschland zu schicken, weil dort eine Studie lief - das Gegenteil davon war eine Anthroposophische Klinik in der Schweiz - beides zogen wir in Betracht.
Schlussendlich entschied sich meine Mutter für einen Onkologen, der ihr die Chemo immer in der Dosis gab, dass sie es gut vertragen konnte. Es war von Anfang an eine Palliative Therapie, also nicht mehr auf Heilung ausgerichtet bzw. es war so gut wie unmöglich.
Wir haben das nie ausgesprochen, und ich glaube es war uns allen ein Bedürfnis bis zum Schluss Hoffnung zu haben. Es hat einfach das Zusammensein viel schöner gemacht.
Meine Mutter war sogar einmal "krebsfrei" - aber leider werden eben Krebszellen immun gegen die Chemo, und es gibt leider Krebs der besser behandelt und geheilt werden kann - und anderer, über den man noch zu wenig weiß.
Die Schmerzmedikation habe ich, als meine Mutter sie akzeptiert hat, als Geschenk empfunden. Angeblich ist Knochenschmerz der schlimmste Schmerz überhaupt.
Am Ende der Erkrankung wollte meine Mutter und auch ich dann an die Klinik zurück, die Maximaltherapie angeboten hat, ich glaube einfach weil wir noch um jeden Preis kämpfen wollten.
Zu diesem Zeitpunkt war der Krebs schon sehr weit fort geschritten. Diese Therapie war meiner Mutter zu viel, aber es war auch der Krebs der ihren Körper sehr geschwächt hatte. Die Ärzte sagten auch dass es entweder noch hilft, oder eben nicht mehr. Wie es ohne die Therapie gelaufen wäre, ob wir noch einige Wochen gehabt hätten, unter welchen Umständen - das weiß ich nicht.
Es wäre immer furchtbar und traurig und nahezu unerträglich für mich gewesen auszuhalten, einfach da zu sein, das "wie" zu gestalten, aber gegen das Sterben meiner Mutter selbst nichts tun zu können.
Entscheidend für mich war, das sehe ich auch heute ganz klar ....dass ich bei ihr sein konnte, das war auch in der Klinik so und dass wir dann im Hospiz auch noch zusammen waren, und dass es vorher fast drei Jahre lang so war, das die Zeit zwischen der Chemo und den Untersuchungen schön war.<3
Für diese Zeit bin ich heute noch so dankbar, und trage sie für immer in meinem Herzen
Ich denke es ist schwierig wofür man sich entscheidet - sicher sind es sehr starke Medikamente mit entsprechenden Nebenwirkungen- sie können das Leben verlängern - manchmal nur um einige Wochen und Monate, sie können auch schon oft heilen, aber eben leider nicht immer.
Und das genau ist bitter, das war bitter für mich.
Aber, die Medikamente haben uns Zeit geschenkt. Meine Mutter wäre ohne sie früher gestorben.
Noch heute denke ich - hätte ich meine Mutter doch zu einer OP überreden sollen? obwohl ich weiß, es wäre ihr nicht gut bekommen. Sie wollte es nicht. Hätten wir diese letzte Therapie nicht gewählt, dann würde ich auch heute damit hadern, genauso wie ich einfach noch immer damit in manchen Momenten damit hadere, dass sie gestorben ist und dass ich sie so leiden sehen musste.
Das ist einfach nicht fair.
Ich weiß nicht, ob dir das hilft - aber wir sind ja gezwungen, Entscheidungen zu treffen.
Das einzig Gute am Krebs war, dass wir wussten, wir haben Zeit die wir nützen sollten.
Das habe ich auch manchmal wie ein Geschenk empfunden
Gestorben ist meine Mutter schlussendlich am Krebs, das ist für mich schon klar.
Ich hätte sie nie retten können, oder niemand hätte sie bei dieser Erkrankung retten können.
Wir haben uns das gerettet was zu retten war, unsere Liebe.
Und das rette ich auch heute jeden Tag indem ich das Leben genieße und sie im Herzen lebendig bei mir habe, so wie sie es gewollt hat. Das ist das, was mir möglich ist.
Vielleicht magst du es anders sehen, das ist natürlich auch ok.
Du bist ganz am Anfang der Trauer, da ist das, was ich schreibe bestimmt absurd für dich.
Vielleicht hilft dir aber auch meine Sicht der Dinge ein wenig, darum schreibe ich hier.
Suche dir einfach raus, was für dich passt, was dir Frieden gibt...oder Atempausen...
dafür sind wir alle hier da...
Ich kenne das Phänomen dass am Anfang der Trauer diese quälenden, bohrenden Fragen, diese Erinnerungen so intensiv und unerträglich sind. Für mich war es ein Prozess der Akzeptanz, auch zu wissen meine Mutter wollte nicht dass ich gut weiter lebe.
Bestimmt wünscht dir dein Mann das doch auch...?
und darum wünsche ich dir nicht jetzt, sondern dann wenn es für dich passt
dass du sagen kannst "es ist gut" - es war richtig so
und bis dahin ganz viel Kraft für deinen Weg der Trauer...
alles Liebe...
m