Mein über alles geliebter Schatz
Heute vor drei Jahren durfte ich dich nach deinem einwöchigen Aufenthalt im Krankenhaus nach Hause holen.
Die Freude war gross - gleichzeitig die Angst um dich - dieses diffuse Gefühl, dir nicht helfen zu können, die Mitverantwortung für dein Wohl zu tragen - woher soll ich bloss , nach jahrelangem Auf und Ab , erneut die Kraft dazu nehmen?
Wir spürten beide, dass deine Kraft zu kämpfen schwächer wird - dass kein Arzt der Welt diese Entwicklung aufhalten kann - dass die Katastrophe immer näher rückt - dass es kein Entrinnen gibt - dass wir machtlos ausgeliefert sind.
Du bist noch so schwach - Im Krankenhauszimmer warten wir auf das Austrittsgespräch mit dem Arzt - ich spüre eine grosse Angst - ein unendlicher Druck - eine Macht- und Hilflosigkeit, wie ich sie so noch nie gespürt habe - du spürst dasselbe - wir sprechen darüber.
Auf dem Krankenhausbett sitzend, wartend, hoffend. Der junge, verständnislose Assistenzarzt, der dann eintrifft, antwortet zu all unseren Bedenken immer mit demselben Satz: besprechen Sie das mit Ihrem Hausarzt. Wir erwähnten, du seist noch zu wenig kräftig , ob es nicht sinnvoller wäre, dich hier noch etwas aufzubauen.Besprechen Sie das mit Ihrem Hauarzt......Er schickt uns tatsächlich in diesem Zustand einfach nach Hause.
Du bist so schwach, kraftlos - ich bin froh, dass du die vielen Treppen in unsere Wohnung schaffst und endlich im Wohnzimmer bist.
Du setzt dich aufs Sofa und ich bin so glücklich, dass du wieder da bist, gleichzeitig sehr bedrückt, weil ich spüre, dass Dieses Mal etwas anders ist, als alle die vorangegangenen Male.
Eine unbestimmte Schwere liegt in der Luft, wirst du dich auch diesmal erholen?
Meine Angst, dich zu verlieren wird immer grösser, entwickelt sich zu einem Monster, das meinen Magen zusammendrückt, meine Speiseröhre verkrampft, meine Sinne und mein Handeln in unkontrollierbare Gefühlsaausbrüche lenkt. Ich weiss nicht, wie ich das schaffen soll, wo finde ich die Kraft, weiter für dich da zu sein, was kommt da alles auf uns zu?
Es ist ein ungleicher Kampf, den wir nicht gewinnen können, ich spüre, wie alle unsere Bemühungen ins Leere laufen.
Es folgte unser letzter gemeinsamer Monat.
Heute weine ich, ich halte diese Erinnerungen nicht aus - diese Qual des inneren und äusseren Alleinseins. Mein Herz ist gebrochen.