• Nein, ist nicht schlimm. Da gibts echt Schlimmeres. Und dein Sohn sieht wirklich nett aus. Einer, mit dem man gerne Zeit verbringt.

    Und nein, ich wohne nicht in Rheinland- Pfalz. Seine Söhne wohnen dort, und ich durfte entscheiden wo er bestattet wird, und ich habe mich für den Friedwald in der Nähe der Söhne entschieden. Ich wohne in Hessen, deshalb gibt es für seine Freunde hier noch die Abschiedsfeier. Damit nicht alle, die Abschied nehmen wollen, 180km fahren müssen. Ich hoffe sehr dass ich es nie bereuen werde, ihn so weit weg zu geben. Wir fanden halt beide Friedwälder immer schön, und dort ist einer, wir hatten uns den auch mal zusammen angeschaut. Hier ist zwar auch einer, aber der gehört zu einer Gemeine mit der wir so gar nichts verbinden. Und aus Erfahrung (meine Eltern) weiß ich, dass es mir so gar nichts gibt, ein Grab auf einem Friedhof zu besuchen. Meine Art der Trauer ist anders. Naja, wie gesagt, ich hoffe halt dass ich es niemals bereuen werde.



    Bevor uns irgendwas zusammenführte...


    war er sieben Jahre mit einer Frau zusammen, die dann aber an Brustkrebs starb.

    Wir lernten uns zufällig ganz genau an ihrem ersten Todes- Jahrestag kennen. Unsere Beziehung begann so: mir ging es sehr schlecht, er verliebte sich sofort in mich, ich habe wohl am Beschützer in ihm gerüttelt, und er kümmerte sich ganz intensiv um mich. Er hat mich damals wirklich gerettet. Und er sagte: "wenn du irgendwann auf der Suche nach einem Mann bist, dann sollst du wissen: ich bin da."


    An einem Tag waren wir zusammen in seiner Küche, er schnitt Gemüse, ich kasperte irgendwie um ihn herum, und plötzlich stellte er mir die komische Frage: "Sag mal, wo kommst du eigentlich her?"

    Und ich gab die noch komischere Antwort:"Ich wurde geschickt."

    Da fiel ihm erstmal sein Messerchen aus der Hand, er ging schnell ins Nebenzimmer, musste sich erstmal beruhigen. dann kam er zurück und sagte, dass seine verstorbene Partnerin vor ihrem Tod gesagt hatte: "wenn es soweit ist, schicke ich dir Eine"


    Ich habe immer wieder Gänsehaut, wenn ich daran denke. Ich kann mit Esoterik und so weiter überhaupt nichts anfangen, das ist so gar nicht mein Ding. Aber ich weiß: So war es.

  • Es dauert jetzt so lange, bis sich genug Wäsche ansammelt um die Waschmaschine zu starten...

    Das Gleiche mit dem Geschirr, vorher lief die Maschine mindestens jeden 2. Tag, jetzt starte ich sie halbleer, wenn es anfängt zu stinken...


    Das ist bei euch sicher genau so?


    Das ist alles nicht richtig.


    Das einzige das voll wird sind die Mülltonnen. Ich habe angefangen, vor allem Papierkram auszusortieren.


    Das Wochenende habe ich bei Freunden verbracht, ich durfte dort auch übernachten. Sie haben mir ihr neues Wohnmobil gezeigt, sie haben es erst seit ein paar Tagen und hatten sich so sehr darauf gefreut es Uli zu präsentieren. Jetzt war ich halt alleine da.


    Wir sind ein kleines bisschen gewandert, nur so vier Kilometer, zum Teil recht steil und ich war sehr schnell erschöpft. Nächsten Sonntag wollte ich eigentlich eine Wanderung von 21 km machen, da bin ich jetzt eher skeptisch ob das nicht doch zu viel ist. Ich freue mich ja wenn Freunde mir ein Angebot machen um Abende und Wochenenden zu füllen, aber über nächsten Sonntag muss ich nochmal nachdenken.


    Christine, von dir weiß ich ja, du liest sehr viel. Was denn so? Und ihr anderen, Bettina, Linchen, wie füllt ihr schwierige Zeiten?

  • Liebe Greteline,


    wenn Du das kannst lesen ect. ist das gut.


    Ich konnte nichts gar nichts....weder lesen noch schreiben noch Musik hören.

    Ich habe DVD geschaut und das war nur eine Serie bzw. dann noch eine diese hab ich hoch und runter geschaut.

    Es hat lange gedauert bis ich wieder lesen konnte schreiben konnte, einfach meine Hobbys wieder aufnehmen konnte.


    Also lesen natürlich, Musik hören, in die Natur gehen das ist das beste.

    Schreiben, ich bin auch politisch aktiv und sehr interessiert das erfordert viel Zeit.

    Keine Partei eigentlich mehr geschichtlich aktiv mittlerweile hat sich das geändert.

    Zu problematisch um das hier zu erklären.


    Dann hab ich mein Papa und meine Samtpfötchen.


    Vlg. Linchen

  • Liebe Angelika..Ich lese keine Gegenwartsliteratur. Ich bin in der Geschichte unterwegs. Meistens Mittelalter manchmal auch frühzeitlich.Bei der russischen Literatur lese ich die Klassiker zum Beispiel Tolstoi ,Puschkin. Gorki..."Anna Karenina"" Krieg und Frieden,.....Die Geschichte Englands finde ich sehr interessant. Heinrich der 8,Richard der 3. Maria Stuart.....Ken Follet schreibt wunderbare Bücher. Auch von der chinesischen Geschichte gibt es hervorragende Literatur. Bei diesen Büchern kann ich total abschalten. Da bin ich der Phantasie weit weg von der Gegenwart. Die Gegenwart erlebe ich jeden Tag. Das ist mir zu anstrengend. Ich lese auch manche Bücher in Abständen zweimal oder dreimal. Zur Zeit lese ich : Kingsbridge von Ken Follet.Da bin ich weit weg von meinen Problemen.

  • Das klingt toll, Christine. Schön dass dir das Lesen so viel gibt. Von dieser Auswahl habe ich nur mal einen Erzählungen- Band von Tolstoi gelesen, einige Geschichten davon hatten mir auch sehr gut gefallen. Im Moment gelingt mir das Lesen nicht. Ich versuche es und merke dann, dass ich gar nicht verstanden habe was da steht, weil die Gedanken nicht dabei sind.

    Ich spiele gerade viel am handy, aber das ist egal. Linchen sagt ja: die Aufgabe ist gerade nur die Tage zu überleben, und das mache ich damit.

    In die Natur gehen wie Linchen ist auch eine gute Sache. Ich merke, dass mir ein bisschen Wind gut tut. Damit ich meinen Körper spüre, der Wind versucht eine Last von mir wegzutragen. Gelingt ihm zwar nicht, aber er bemüht sich. Ich laufe draußen rum und denke die drei Worte: ICH - JETZT - HIER

    Damit versuche ich, meine traurigen Gedanken ein bisschen abzuschütteln und das Schöne um mich herum wahrzunehmen. Gelingt zwar auch nicht. Irgendwann vielleicht.

    Fernsehen ist nicht so meins. Also, handy spielen, rausgehen, versuchen Leute zu treffen aber wohldosiert, hier schreiben und Mandalas anmalen.


    Eine Kollegin fragte mich heute, ob's mir denn inzwischen besser geht. Hallo, spinnt die? Geht das jetzt schon los, die Trauerfeier steht noch bevor und sie erwartet dass ich allmählich wieder normal werde? Das hat mich wirklich umgehauen. Was denkt die!!!!

  • Liebe Greteline. Von anderen Menschen erwarte ich oft gar nichts mehr, denn dann kann ich nicht enttäuscht werden.Man ist ja auch für die meisten nicht wirklich wichtig. Im Forum bekommt man immer eine Reaktion, obwohl das Forum auch seine Grenzen hat. Ich weiß gar nicht mehr so genau, wie die ersten Wochen damals waren. Es lief alles wie ein Film ab, in dem ich eine Rolle spiele. An das Weihnnachtsfest kann ich mich gar nicht mehr so recht erinnern. Ich habe damals auch nicht lesen können. Ich konnte nur nicht viel raus, weil das mit meiner Hüfte schon anfing.Ich habe aber Fußball gucken können, das ist ja meine kleine Leidenschaft ,die ich auch mit meinem Sohn teilte. Die Trauer hat viele Gesichter. In einem Jahr sieht die Welt für dich anders aus, davon bin ich überzeugt. Du kannst nochmal durchstarten. Es gibt so schöne Dinge auf der Welt, man muß sie nur sehen. Auch für uns oder gerade für uns kann das Leben wieder schön werden. Ich hatte es glaube ich schon mal geschrieben. Die Zeit bringt es mit sich, nicht morgen, auch nicht übermorgen, aber irgendwann. Die Erinnerung an den schweren Verlust nehmen wir mit, aber sie hindert uns nicht daran,wieder Freude am Leben zu haben. Das ist meine ganz persönliche Einstellung.

  • Ja, liebe Christine, das hoffe ich ja auch. Ich lese hier ganz viel in den anderen Wohnzimmern, und viele davon machen ja wirklich Hoffnung. Diese Veränderung, die man da manchmal mitverfolgen kann. Von tiefster Trauer und Hoffnungslosigkeit ohne Perspektive, und irgendwann kommen die kleinen, wohlbekannten Lichtlein von irgendwo her, bis dann doch ein neues Leben beginnt. So weit sind wir noch nicht. Kann ja auch nicht. Aber irgendwann kann. Hoffentlich.


    Ich hatte ja schon mal geschrieben: gerade drei Wochen vor seinem Tod hatte Uli zu mir gesagt: "Versprich mir, dass ich vor dir sterbe." Er hatte selber ja schon mal eine Frau an Brustkrebs verloren und wollte dieses Leid auf keinem Fall nochmal durchstehen.


    Ich versuche nun, es als letzten Liebesdienst zu sehen. Mein Leid jetzt ertrage ich ihm zuliebe, damit er es nicht muss. Es tut mir unfassbar weh, und ich hätte ihm so sehr gewünscht dass er noch eine lange schöne Zeit gehabt hätte. Ich versuche mir zu sagen: Ja, das wäre schön gewesen. Aber er vermisst es ja nicht. Er schaut ja jetzt nicht auf die Erde und denkt: Mist, viel lieber wäre ich jetzt da unten. Ich habe keine genaue Vorstellung davon wie es ist tot zu sein. Entweder da ist gar nichts mehr, oder es ist schön. Vielleicht kann er da Tag und Nacht Schweinehaxe essen. Eigentlich hat er es ja richtig gemacht (abgesehen vom Zeitpunkt, viel zu früh- genau wie dein Sohn, Christine). Umfallen, bewusstlos, fertig. Von der Woche auf Intensivstation hat er ja höchstwahrscheinlich gar nichts mitgekriegt. Ich glaube, ein langer Pflegefall will ja keiner sein. Für mich ist es natürlich das pure Grauen, und alles so plötzlich! Aber wie gesagt: das ist mein letzter Liebesdienst an ihm.


    Ist es nicht schrecklich, dass man eigentlich im Voraus schon weiß: bei jedem Paar wird einer zuerst sterben und der Andere muss die Trauer ertragen.

    Ich denke, ich werde mich nie mehr an einen Mann binden. Erstens ist Uli einfach nicht ersetzbar. Zweitens möchte ich diese Trauer nicht nochmal durchleben. Ich gehe nämlich davon aus, dass ich selber uralt werde, das bedeutet, dass ich auch den Folgemann überleben würde. Und dann dieser ganze Scheiß nochmal!


    Gestern Abend war ich wirklich auf dieser Theater- Feier. Ich habe in unserer whattsapp- Gruppe gefragt, ob noch jemand einen Platz für mich im Auto hat. Sofort antwortete eine, dass sie mit der S- Bahn fährt um .... Uhr und toll, wenn ich mitkomme. Da habe ich nur noch losgeheult. S- Bahn! Kein Platz für mich ihn irgendeinem Auto! Versteht mich nicht falsch, ich habe normalerweise gar nichts gegen die S- Bahn, aber im Moment brauche ich es einfach dass man sich ganz lieb um mich kümmert und mich an der Haustür abholt, an die Hand nimmt, mich ins Auto setzt... ich habe dann geschrieben, dass mir für die S- Bahn die Kraft fehlt. Und sofort kam ein Auto- Angebot. Die mit der S- Bahn war einfach zu schnell gewesen mit ihrer Antwort.


    Ich versuche meine Freizeit vollzustopfen, um nicht alleine zu sein.

    Heute: mit Ingrid in die neue Pizzeria

    Mittwoch: mit Petra puzzeln

    Donnerstag: mit Esther auf der Couch rumhängen

    Freitag/ Gruseltag wegen Urnenbestattung: Edith schläft neben mir im großen Bett

    Samstag/ Tag nach Grusel: Anja passt auf mich auf

    Sonntag: die bereits erwähnte 21km- Wanderung (bin mir immer noch unsicher ob das nicht zu viel ist im Moment)

    Montag: Theaterbesprechung

    Dienstag: Sohn plus Freundin kommen und kochen hier


    Gestern habe ich mit meinem Arbeitgeber telefoniert (Öffentlicher Dienst): es gibt eine neue Regelung. Auch ich, obwohl ich "nur" ein "eheähnliches Verhältnis" hatte, bekomme zwei Tage Sonderurlaub. Da nehme ich den Gruseltag und dann noch den Montag nach der Abschiedsfeier.

  • Liebe Geseline.Vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Wenn ich dich mit mir vergleiche ,so leben wir beide in einer ganz verschiedenen Welt.Es sind der Altersunterschied und die Vergangenheit .Vom Typ her würde ich sagen eher nicht, aber eben vom Lebenslauf. Ich weiß nicht,ob ich das schon schrieb, aber ich war schon zweimal verheiratet. Ich bin, glaube ich ,für die Ehe nicht geschaffen. Dann habe ich ja 3 Kinder und 3 Enkelkinder. Ich glaube ,du kannst dir vorstellen, was bei mir immer los war.Dazu 40 Jahre im Beruf, immer mit Kindern. Viele male umgezogen und so weiter. Jetzt bin ich seit 23 Jahren sesshaft in Berlin, meiner Traumstadt .Die ersten Jahre habe ich Berlin " unsicher: gemacht, wie man so schön sagt.Das ist nun vorbei. Ich habe eine schnuckelige Wohnung und meinen Enkel Charlie,der hier in meiner Nähe wohnt. Er ist 22 und ein tolles Kerlchen. Ich bin also viel zu Hause. ( aber kein Typ Hausmütterchen).....Du schreibst ,dass du nicht alleine sein kannst. Dein Lebenspartner ist verstorben, das ist der Unterschied. Ihr wart täglich zusammen. Mein Sohn kam 2,3mal im Jahr zu Besuch. Ich lebe schon sehr lange alleine und ich kann das gut. In meinen Ehen war ich meistens unglücklich. Wie gesagt,ich bin für eine Ehe nicht geschaffen.

    .Was uns beide verbindet ist,daß wir einen geliebten Menschen verloren haben, der nicht ersetzbar ist. Du schreibst , dass du uralt wirst. Da musste ich schmunzeln.Ich werde bald 81,aber ich fühle mich nicht uralt. Aber etwas weiß ich, körperlich baut man ab,das ist normal. Aber lieber körperlich, als geistig. Gott sei Dank, da ist bei mir alles im Lot. Ob es etwas nach dem Tod gibt, weiß kein Mensch. Das ist nur Wunschdenken und Glaube,damit das Leben etwas leichter wird,wenn man mit dem Tod in Berührung kommt. Liebe Angelika.Ich stelle nochmal mein Foto rein,vielleicht hast du mich noch nicht entdeckt. Ich lösche es dann wieder. Ich habe gern ein Gesicht zu dem Menschen, mit dem ich Verbindung habe. Ich würde mich über ein Foto von dir auch freuen. Ganz liebe Grüße von Christine.