Heute wie damals?????????

  • Liebe Still Crazy,


    ich erinnere mich wie erbost ich war weil ich dachte... hey, zweimal kann das Krebsmonster doch gar nicht zuschlagen. Das kann einfach nicht sein. Ich dachte wirklich, wir wären immun, hätten das durch.


    Bei mir ist es so dass ich es so empfinde, dass die Beziehung mit dem Tod des Menschen nicht stirbt, sie bleibt lebendig. Alles was der geliebte Mensch uns geschenkt hat ist in einem steten Wandel unmittelbar in uns, den Erinnerungen, Gefühlen...ach, Worte reichen da jetzt nicht, aber was ich sagen will ist das ich mich frage ob da nicht doch auch ein Bild, eine Entität deiner Mama in dir ist, die dich an der Hand nimmt

    die jetzt bei dir ist und dein inneres Kind sicher und Warm an der Hand hält und führt, und diese Sicherheit und Geborgenheit gibt, die es braucht.

    (Bestimmt wünscht sie sich das für dich ... ich schreibe aus meiner obigen Perspektive der präsenten Beziehung bewusst in der Gegenwart)


    Kannst du mit diesem Bild etwas anfangen?


    Ich wünsche dir sehr viel Kraft, es ist bestimmt nicht leicht, und doch... in dem Pullover, den du bei den Lichtblicken erwähnt hast, und das ist schön, steckt ein Körper und schlägt ein Herz das du umarmen kannst. Ich wünsche dir ganz viel von diesen guten Momenten voller Schönheit und Lebensfreude <3


    Mit liebem Gruß!

    Die Wahrheit triumphiert nie, nur ihre Gegner sterben aus (Max Planck)


    rilke.de/briefe/160703.htm


    VORÜBUNG FÜR EIN WUNDER


    Vor dem leeren Baugrund
    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)

  • Liebe Still Crazy,

    da hat sich ja viel getan und ich versuche auf einiges einzugehen.


    Zuerst deinen Dämonen. Beim Dämonen-füttern geht es zuerst darum sich wirklich kleinsten Dämönchen zu widmen. Davor wird jedoch noch der Innere Helfer oder die innere Helferin imaginiert. Sich diese Dämönchen zuerst auf der Parkbank neben sich vorzustellen kann sicher hilfreich sein.


    Das Buch, das ich habe heißt "Den Dämonen Nahrung geben" und ist von Tsültrim Alione. Sie hat diese buddhistische Tradition ins westliche "übersetzt". Ich würde das nicht ohne eine Person versuchen, die ausgebildet darin ist. Wir haben es in einer Ausbildung als Teil gehabt. Wir, die wir miteinander daran gearbeitet haben, dürfen es miteinander ausführen. Wir sind aber nicht berechtigt, andere anzuleiten. Es ist also nicht einfach eine Selbsttherapie.


    Zu deinem Bruder, auch wenn du eigentlich nicht mehr darüber schreiben möchtest, die Aussage, dass da "Geister gerufen" werden finde ich auch seltsam. Die Geister sind einfach da. Auch wenn sie sich verstecken - sie können dann solche Situationen auslösen, in denen er auf der Brücke steht und sich kaum gegen den Drang wehren kann, zu springen. Vielleicht wäre eine EMDR-Therapie für ihn passend? Da nähert man sich langsam an und bekommt Methoden zur Hand, die helfen können. Vielleicht magst du ihn mal danach fragen.


    Und dann noch was anderes - was macht es mit dir, wenn er so erzählt? Vielleicht kannst du auf dieser Ebene weiter schreiben, ohne ihn zu "hintergehen"?


    Das innere Kind - es ist ganz oft bedürftig. Ich stelle mir dann vor, dass ich, die erwachsene Astrid die kleine Astrid an der Hand nimmt oder in den Arm nimmt oder sich schützend vor sie stellt.


    GANZ WICHTIG ist, nicht alles auf einmal anzugehen. Was auch immer dein Weg ist, es ist der passende für dich und das ist wichtig.


    Ich wünsche dir für die kommende Woche ganz viel Muße und Ruhe für dich.

    Lg. Astrid.

  • Liebe Nebelfrau,


    vielen Dank für Deine Grüße und guten Wünsche!

    Mir fehlen jetzt ein wenig die Worte für das, was ich antworten möchte...


    Ich lese hier immer wieder, dass viele eine (wie auch immer geartete) Verbindung zu ihren lieben Verstorbenen pflegen. Und ich tue das ja auch, habe ja auch darüber geschrieben, dass ich meine Mutter im Herzen trage und ganz bewusst an Orte, von denen ich froh und stolz bin, dort sein zu dürfen.


    Das Gefühl, dass SIE mich an der Hand nimmt, habe und hatte ich nie. Und ich weiß, dass das nicht daran liegt, dass ich etwas falsch mache. Bei mir ist das eben so. Lebensgeschichten sind sehr individuell, Trauergeschichten auch.

    Und ich möchte mir nicht sagen lassen, dass mit mir etwas nicht stimmt, weil ich nicht dieses oder jenes empfinde. Das hat Du nicht getan, Du hast nicht geschrieben, dass ich etwas falsch mache. Ich möchte es hier nur allgemein festhalten: ich gehe meinen Weg, auf dem ich voran komme. Und für mich passt das so. Ich denke, das hat auch Astrid in ihrem jüngsten Eintrag gemeint.


    Mir geht es nicht so sehr darum, dass ich das Gefühl haben möchte, jemand nimmt mich an der Hand. Im Grund ist es (mittlerweile) ganz ok, dass ich das für mich selber tue. Es bedeutet ja auch, dass ich allein die Richtung bestimmen kann. Und das ist mir sehr viel wert, meine Autonomie.

    Für mich ist es eher die Frage ob das Leben "mich trägt". Ob ich das finde, was ich brauche, und was ich mir nicht selber geben kann. Denkanstösse von außen, Unterstützung von außen, Zuneigung von außen usw.

    Darum geht es mir: trägt mich das Leben, ist der Boden, auf dem ich stehe, fest genug, tragfähig genug. Oder breche ich ein wie beim Eislaufen und muss um mein Leben kämpfen.


    Im Moment habe ich das Gefühl: ja, es trägt mich. Es gibt viele Menschen, die an mich denken und mir Gutes wünschen (zu diesen Menschen gehörst auch Du - danke dafür). Wenn sich einer dieser Menschen einmal längere Zeit nicht meldet, dass ist das ok und verkraftbar - weil ich weiß, dass es viele sind.

    Manche, wie meine Lehrerin (mein Engel) kenne ich seit sehr langer Zeit. Andere sind neu, so wie Ihr hier (und ich möchte Euch nicht missen).


    So, jetzt muss ich wieder arbeiten...


    Euch allen einen so-gut-wie-möglichen Tag :):):)

  • Liebe StillCrazy,

    deine Verlust-Angst finde ich ganz normal. Ich glaube, du hättest sie auch ohne die früheren Verlust-Erfahrungen. Dein Rudi ist "dein Zuhause", dein Ruhepol, gibt dir Zuwendung. Das sind ja ein menschliche Grundbedürfnisse und wenn derjenige wegzubrechen droht, der all das in sich vereint, dann ist Verlust-Angst eine ganz natürliche Reaktion.

    Ich würde sie gar nicht als Dämon sehen, sondern mehr als freundliches Monster, das dich anstupst und dir sagt: "Hallo ich bin da, ich bin ein kleines Monster, verzeih, aber meine Aufgabe ist es dich vorzubereiten. Du weiß, was früher oder später wahrscheinlich auf dich zukommt, mach einen Plan, bereite dich vor."

    Und das tust du ja, das ist ja auch mit ein Grund deines Hierseins. Du weißt, wenn Rudi nicht mehr da ist, dann wird da eine große Lücke in deinem Leben entstehen und du wirst mit dieser Lücke einerseits leben lernen müssen, weil es diesen Rudi eben nicht zweimal gibt, aber du kannst dir das Grundbedürfnis Zuwendung und Schutz woanders aufbauen - durch (neue) Freunde und AKtivitäten. Und vielleicht auch irgendwann einmal auch durch einen neune Partner - auch wenn das jetzt aus der heutigen Sicht unvorstellbar für dich ist.

    Bis du dich wieder sicher fühlst, sind in jeden Fall wir hier für dich da, als Zuhause und für die Zuwendung, die du dann brauchen wirst. Und ich bin mir sicher, dass du bis dahin einen ganzen Pool an Anlaufstellen und Personen, die für dich da sein werden, aufgebaut haben wirst. Weil du nämlich eine Checkerin bist!:)

    :24:

    AL Christine

  • Liebe Still Crazy,


    ich bin froh dass du schreibst dass ich das nicht gesagt habe, denn es wäre wirklich das Letzte was ich wollte und auch was mir zu keinem Zeitpunkt zustehen würde dir zu sagen, du würdest etwas falsch machen.



    Um ehrlich zu sein habe ich spontan auf deinen Satz "das klingt traurig" reagiert. Ich habe auch den zweiten Teil des Satzes dann nicht so genau gelesen, oder nicht so wahr genommen. Ich wollte einfach etwas tröstliches sagen (wahrscheinlich weil ich mich oft nach Trost gesehnt habe), und manchmal ist gut gemeint auch das Gegenteil von Gut... hoffentlich ist es also nicht zu "verkehrt" angekommen.


    Aber, ich habe den Eindruck und die Hoffnung dass du eine großzügige Frau bist mit viel Verständnis! :)


    Zu deiner jetzigen Situation...ich kann sie nur ein wenig mit meiner damaligen Situation vergleichen, und es ist nicht genau das Gleiche, denn du begleitest deinen Partner wir haben unterschiedliche Situationen, sind unterschiedliche Personen usw.... I

    Wenn ich versuche mich einzufühlen erinnere ich mich wie erschöpfend es war, wie einsam ich mich manchmal gefühlt habe gerade auch weil meine Mutter und ich ja auch so gelebt haben das alles möglich war, also auch die Hoffnung auf Heilung - und das haben wir auch gebraucht.


    Und gleichzeitig diese Frustration weil eben die Situation nicht mehr die Gleiche ist, ganz und gar nicht, weil der geliebte Mensch sich verändert und weil es unglaublich anstrengend ist.


    Rilkes Gedicht...


    Irgendwo blüht die Blume des Abschieds


    und streut immerfort Blütenstaub den wir


    atmen herüber, und auch noch im


    kommendsten Wind atmen wir Abschied.




    (Muzot, Oktober 1924)



    ...verflixt, ich hatte (und habe ;-)) manchmal eine richtige Allergie gegen diese Art von Blütenstaub!

    Haaataschi! (wobei Blütenstaub netter klingt als Damoklesschwert).


    Dieses plötzlich so intensiv im Moment zu sein, diese Chance aber auch diese Bürde, das ist nicht einfach.



    Aber so habe ich empfunden - und Eure Situation ist in so vielen Punkten anders als es bei mir war. wie empfindest es du?

    Ich finde du beschreibst es sehr klar was jetzt wichtig ist für dich, dass du dir einen tragfähigen Boden suchst, dass du Halt suchst - und findest - das ist so wichtig und ich finde es bemerkenswert wie gut du das erkennst .... alles was dir gut tut... was euch gut tut ... um euer Leben mit ganzem Herzen zu genießen...was auch immer die Zukunft bringt...kann ich es so sagen?


    Es verändert sich gerade so viel bei dir, es tut sich so viel.


    "vorbeugen ist besser als nachheilen"....

    ich wiederhole mich aber mir hat dieses Forum sehr geholfen, und dir hilft es bestimmt auch

    es war wohl dein "Checkerinnen-Nasen-Instinkt" der dich her geführt hat - dein Gespür... ;-)

    das dir ganz sicher, den Eindruck hatte ich sofort bei dir, immer den richtigen Weg zeigt.


    Alles was du brauchst wünsche ich dir



    mit liebem Gruß! <3

    Die Wahrheit triumphiert nie, nur ihre Gegner sterben aus (Max Planck)


    rilke.de/briefe/160703.htm


    VORÜBUNG FÜR EIN WUNDER


    Vor dem leeren Baugrund
    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)

  • Alles klar, alles easy :)

    Wusste ich's doch, dass du großzügig bist ...Juhu! :)


    dir und euch ebenso einen feinen Abend...:24:


    liebe Grüße!<3

    Die Wahrheit triumphiert nie, nur ihre Gegner sterben aus (Max Planck)


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    VORÜBUNG FÜR EIN WUNDER


    Vor dem leeren Baugrund
    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)

  • *reicht Astrid ein Taschentuch


    (*nimmtsichselbstaucheinsbeiquasiRotzglockenalarm)



    es ist was es ist

    ...der Zauber des Lebens...


    es ist was es ist

    sagt die Liebe....


    <3

    Die Wahrheit triumphiert nie, nur ihre Gegner sterben aus (Max Planck)


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    VORÜBUNG FÜR EIN WUNDER


    Vor dem leeren Baugrund
    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)

  • Sorry, Still Crazy, nicht dass du denkst ich will läppisch sein in deinem Thread.


    Aber bestimmt kennst du, wo du die Sprache auch so liebst diese wunderbare Gedicht von Ericht Fried.

    Ich stelle es mal herein, eben.


    Es ist Unsinn

    sagt die Vernunft


    Es ist was es ist

    sagt die Liebe


    Es ist Unglück

    sagt die Berechnung


    Es ist nichts als Schmerz

    sagt die Angst


    Es ist aussichtslos

    sagt die Einsicht


    Es ist was es ist

    sagt die Liebe


    Es ist lächerlich

    sagt der Stolz


    Es ist leichtsinnig

    sagt die Vorsicht


    Es ist unmöglich

    sagt die Erfahrung


    Es ist was es ist

    sagt die Liebe


    - Erich Fried-

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    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)

  • Liebe Nebelfrau,


    jetzt habe ich ein bisschen mehr Zeit, um genauer zu antworten...


    Mich hat das gestern sehr berührt, zu lesen, Du hattest das Bedürfnis mich zu trösten <3

    Es waren nicht genau die richtigen Worte für mich, so wie ich bin. Aber ich glaube, die sind auch schwer zu finden. Ich meine, wir hier in dem Forum wissen sehr persönliche Dinge von einander, sehr private Erfahrungen, die wir zum Teil sogar wiedererkennen oder den unseren als ähnlich empfinden. Und doch kennen wir einander kaum. Wir wissen nicht, welche Worte für wen wie besetzt sind, wir wissen nicht unbedingt über die Vorlieben der anderen Bescheid, z. B. ob sie durch ein Ziel eher motiviert oder eher abgeschreckt werden, weil sie Angst haben, es nicht zu erreichen.

    Was ich damit sagen will: unsere Situationen mögen sehr ähnlich sein, aber vom Naturell her, von der Lebenserfahrung etc. sind wir doch sehr verschieden.

    Und da liegt es auf der Hand, dass nicht immer alles genau so passt, wie ein Schlüssel ins Schloss.

    Kein Problem :)


    Das Gedicht von Erich Fried liebe ich sehr. (Und ich finde auch den Taschentuch-Film super.)

    Es hat eine so klare Botschaft, eine so bestechend einfache sprachliche Struktur. Es verblüfft mich immer wieder, wie wenige Worte es braucht, um etwas so Komplexes auszudrücken.

    Ich habe ein bisschen gelesen, was Du so schreibst. Das geht es, wenn ich das richtig gesehen habe, viel um Gedichte, um Sprache, um Übersetzungen. Hast Du damit beruflich zu tun? Oder beschäftigst Du Dich aus Neigung damit in Deiner Freizeit?

    Ich habe, bevor Rudis Diagnose so viel verändert hat in meinem Leben, ein paar Liedertexte übersetzt. Z. B. Factory von Bruce Springsteen. Es war mir so ein Anliegen, und die Worte sind großteils wie von selbst gekommen, es war phantastisch.


    Im Moment tut sich in dieser Richtung nichts auf für mich. Ich habe es ein paarmal versucht, bin aber in den Anfängen stecken gbelieben. Ist nicht schlimm. Man kann auch ohne übersetzen ganz gut leben ;)


    Liebe Nebelfrau, ich wünsche Die alles Gute und freue mich immer, von Dir zu lesen ;)

  • Liebe Christine,


    ich möchte Dir noch einmal danken für die so lieben und verständnisvollen und ehrlichen Worte von gestern! In meiner Situation gibt es kaum etwas Wertvolleres als Mut zugesprochen und Rückhalt angeboten zu bekommen.

    Ich hatte gestern beim Lesen wirklich Tränen in den Augen.

    Ich bin wirklich froh, dass ich Euch in den unergründlichen Weiten des Internet gefunden habe :love::love::love:

  • Mein Arbeitstag ist fast zu Ende heute. Ich habe viel erledigt, bin mit mir zufrieden. War auch ein bisschen unterwegs, das hat mir Zeit zum Nachdenken gegeben.


    Es ist seit ein paar Monaten so, dass ich mich erstaunlich gefasst fühle - abgesehen natürlich von krisenhaften Momenten und der Angst, die mich überkommt, wenn ich mir die weitere Entwicklung ganz plastisch vorstelle (das soll man nicht zu exzessiv tun, sagt die Psychologin bei der Krebshilfe).

    Aber oft, erstaunlich oft, ist es so, dass ich mich irgendwie behütet fühle. Das Schlimme ist passiert (wir haben die Diagnose bekommen) es passiert gerade jetzt (in Rudis Körper) und es wird noch schlimmer werden (das ist dann der Abschied). Und obwohl das Schlimme passiert (ist), mitten in dem Schlimmen, fühle ich mich (heute) behütet.


    Ich weiß nicht, woher das kommt. Ich weiß nur: es kommt nicht aus mir allein. Sind es die guten Gedanken anderer Menschen? Ist es die Kraft, die man in schwierigen Situationen entwickelt (so wie Glückshormone beim Laufen)? Oder ist es doch auch die Kraft des jenseitigen "großen Engels" - als solchen hat Else Lasker-Schüler ihre Mutter einmal beschrieben, als "großen Engel, der neben ihr ging".


    Ihr findet vielleicht, das ist ein Widerspruch, weil ich ja vor kurzem erst geschrieben habe, ich spüre meine Mutter nicht. Und das stimmt auch: ich kann nicht sagen, ob sie es ist, ich kann es nicht zurodnen. Es ist nicht so, dass ich ihre "Qualität" wahrnehme (wenn Ihr wisst, was ich meine), es sind nicht "ihre" Worte, die mir durch den Kopf gehen, es ist nicht so, dass ich ihre Berührungen empfinde.

    Aber ich fühle mich manchmal, als ginge ein großer Engel neben mir.


    Vielleicht braucht er auch gar keinen Namen, vielleicht reicht es, dass ich ihn spüre.


    "Von guten Mächten wunderbar geborgen..."dieses Lied haben wir im Herbst im Chor einstudiert. Ich habe Rudi beobachtet, wie er es voller Überzeugung gesungen hat. Oder war es einfach die Melodie, die ihm so gefällt, dass er so viel hineinlegt hat...?

    Mir gefällt ja die andere Stelle fast noch besser: "Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar..."


    Es ist schon paradox: diese Worte können so eine Zumutung sein, wenn man sie jemandem einfach hinwirft, als Anweisung (so sollst du dich fühlen, wenn man wirklich gläubig ist, fühlt man sich so).

    Ich wäre die erste, die auf die Barrikaden ginge, wenn mir jemand damit käme. Was bildet sich der ein? Was weiß der von mir? Von meinem Leid und von meinen Nöten?

    ich glaube, ich würde mir das von keinem Menschen sagen lassen, weil es so eine Zumutung wäre, so eine Zwangsbeglückung, so eine Überforderung. ich würde es als Frechheit empfinden: wer bist du, dass du mir sowas auf's Aug drücken willst, so einen frommen Schmus. Es kommt ja leider oft vor, dass es sich Leute leicht machen wollen, und dann mit frommen Sprüchen kommen...


    Im Moment ist es aber so, dass diese Wort aus mir kommen. Natürlich, es sind Zitate von Dietrich Bonhoeffer - und von ihm kann ich diese Worte auch nehmen, ich weiß ja, in welcher Situation er sie geschrieben hat.

    Aber das Gefühl, das er so meisterhaft in Worte fasst, das kommt aus mir. Und es kommt, ohne dass ich etwas dazu tue. Es ist einfach da.


    Ich weiß nur, damals, als meine Mutter so krank war (und sie ist ja im Frühling gestorben, in dieser Zeit denke ich immer besonders an sie... ) damals habe ich diese guten Mächte nicht gefühlt, die behüten und trösten. Getröstet hatte mich ja immer sie - aber in ihrer Situation war sie dazu nicht in der Lage. Und so blieb ich ungetröstet und unbehütet.


    Hoffentlich klingt das jetzt alles nicht sehr wirr... ich sitze mit Tränen in den Augen vor dem Computer, aber es sind gute Tränen. Tränen, die erleichtern. Nicht Tränen, die Kopfweh machen (das passiert mir leider öfters).

  • "von guten Mächten wunderbar geborgen" war das Lieblingslied meines Mannes.

    Es wurde dann auch auf seiner Beerdigung gesungen.

    Er hatte immer Tränen in den Augen wenn es irgendwo gesungen wurde.

    Liebe still crazy,

    Genieße die Zeit, in der du dich geborgen fühlst, andere Zeiten werden leider definitiv wieder kommen, und die Seele braucht dringend solche positiven Inputs, um sich zu erholen, das habe ich schon gemerkt.

    Von guten Mächten. ..

    Dietrich Bonhoeffer hat diese guten Mächte sicherlich nicht immer gespürt, gerade in seinen letzten Tagen. Sicher hat er auf ein Wunder gehofft. ..

    Aber das ist denke ich Glaube, an Gottes Verheißungen festhalten auch wenn man gar nichts sieht ,bzw fühlt.

    Und ich habe mich vor vielen Jahren entschlossen, genau diesen Weg zu gehen.

    Ich verstehe Gottes Handeln in meinem Leben z. T. überhaupt nicht, fühle manchmal nichts, und trotzdem weiß ich : er ist da, er hält mich fest und bringt mich an meinem Lebensende zu sich in die Ewigkeit.

    Allerdings erlebe ich auch Gebetserhörungen und seine Fürsorge im Alltag.

    Und, das sagt die Bibel, diese Ewigkeit wird grandios sein

    Mir ist nicht Angst vor dem Tod. Vor dem Leiden - falls ich es muss ja, aber nicht vor dem was danach kommt.

    Jetzt hab ich vielleicht ein wenig zuviel geschrieben,

    Aber ich bin so 100 % von Gottes Erlösung am Kreuz überzeugt, dass ich manchmal einfach nicht anders kann als es zu erzählen.

    Seh es mir bitte nach :2:

    AL Lilo

  • Ich weiß genau wovon du sprichtst, liebe StillCrazy!


    Auch ich fühle mich oft behütet, getragen, begleitet.

    Leider ist dieses Gefühl nicht immer da, aber wenn es da ist, dann ist es einfach nur gut!

    Oft habe ich mich gefragt, woher es kommt.


    Im Grunde ist es mir aber egal: ein Gott, die Liebe unserer Seelen von drüben, Engel, aus uns selbst,....

    Ich könnte mit jeder Erklärung gut leben.

    Es ist ein Geschenk wenn es da ist, von wem es kommt, ist mir gar nicht so wichtig.


    Alles Liebe für dich und mögest du dein Geschenk weiter spüren!

    :24:Hedi

  • Liebe Still crazy,



    hab lieben Dank für das wunderschöne Gedicht, sehr berührende Worte, zarte Worte, ich werde sie noch öfter lesen, sie berühren sehr...Else Laske Schüler...ein wenig habe ich über sie gelesen, darf ich sagen dass ich spontan dachte euch verbindet etwas, beide habt ihr früh eure Mutter verloren - ihre Kindheit war für sie eine Kraftquelle - behütet, ein Zauberreich ... vielleicht magst du einmal von deiner Mutter erzählen, wenn du magst... wie sie war?


    ....und ja, das hat mich an dich erinnert...der frühe Tod ihrer Mutter war ausschlaggebend dass sie Künstlerin wurde, ... insofern eine Parallele für mich (aber ich kann mich da bestimmt täuschen) das diese unglaubliche Krise für Else ein Moment war, aus dem sie eine große Kraft bezog.


    Dieses Portrait gefällt mir besonders gut

    https://www.pinterest.de/pin/381750505898991887/

    von Lene Schneider-Kainer.


    Eine bemerkenswerte Frau, unglaublich dass sie in der Schweiz "absolutes Schreibverbot" bekam, wie schrecklich muss das gewesen sein? Und zweimal verhaftet, aufgrund ihres Beleidugnsstils...dann Vertriebene, sich all die Kreativität zu bewahren, in so einer dunklen Zeit.

    Kein einfaches, aber ein wirklich außergewöhnliches Leben.


    faszinierend etwas über sie zu erfahren. Danke dir herzlich für die Inspiration.


    ---


    Ja, das Gefühl das du beschreibst.

    Darf ich mich ein wenig annähern indem ich mir meine Gedanken dazu mache?


    Ich habe diesen Vergleich kürzlich für mich gefunden.... und er passt sehr gut auf dieses Gefühl das du beschreibst so wie ich es empfinde, also die Resonanz deiner Worte in meinem Erleben

    wo ich denke, es ist so wenn ich zu genau hinsehe darüber nachdenke, zusehe dass ich es benenne

    dann ist es so wie ein Stein den ich in eine stille Wasseroberfläche werfe.


    Sagen wird das unbeschreibliche, umbegreifbare...wäre etwas, das sich in einer ruhigen Wasseroberfläche spiegelt, das wäre dann das Gefühl des Getragenseins, das Geborgensein, die liebevolle Begleitung durch den großen Engel (wie schön dieses Bild) dessen Flügel der Himmel sind...

    schon in dem Moment wo ich versuche es zu beschreiben, zu vergleichen, zuzuordnen, verschwimmt es wie bei Heisenberg, die Unschärferelation...werfe ich einen Stein in dieses Wasser...das Denken, die Begriffe sind dann die Ringe....weder Wasser noch Bild sind weg, aber es ist eben nicht mehr so zu erkennen.


    Etwas abgefahren und verschwurbelt meine Gedanken hierzu, ich weiß schon ;-)



    Einfacher gesagt...ich empfinde es so dass es mithin ein Geschenk ist, das ich durch meine Mutter erhalten habe. Ich hatte mein Leben lang panische Angst vor ihrem Tod (sie hatte ja schon einmal Krebs als ich klein war) und als ich ein Kind war und mein Großvater an Krebs starb da wusste ich nicht, was das ist, was diese Krankheit heißt, was sterben ist...was sterben eines nahen, geliebten Menschen ist...

    als es noch einmal geschah, 30 Jahre später, da war ich gewappnet, ohne es zu wissen, konnte es besser nehmen...trotzdem bis zum Schluss war es oft nicht leicht, ich hatte wirklich Angst...es war aber der gesamte Prozess...auch das Gehen...dann ganz anders in seiner Qualität, nicht vernichtend, nicht so vernichtend wie ich immer befürchtet habe.


    So viel zu mir ...


    ich frage mich wie es dir damals gegangen ist, als deine Mutter starb.

    Du erzähltest ja schon dass ihr Leidensweg ein ungleich schmerzhafter war, und dabei zuzusehen für dich sehr schlimm, schrecklich war. Dass du aber danach ganz klar deinen Weg gegangen bist und wie schön du sagst...du nimmst sie mit, bei besonderen Momenten, da ist sie dabei...


    ja, vielleicht magst du einmal erzählen wie sie war, wie deine Kindheit war, wenn es passt?

    Es würde mich interessieren - aber nur, wenn du magst.


    ---


    Überraschend war also für mich dass das zentrale Gefühl nach dem Tod meiner Mutter das Wissen, das meine Mutter nicht will, dass es mir schlecht wird. Sie will, dass ich ein gutes Leben habe, mich wohl fühle, glücklich bin, es nütze, sie hat es mir ja geschenkt (das Leben) ...so mein Gefühl dazu, einfach formuliert.

    Meine Mutter war was den Tod ihrer Mutter, meiner Großmutter betraf, sehr melancholisch, sie meinte immer "man hört dann auf Kind zu sein". Dieser Gedanke machte mir Angst. Seitdem ich selbst Mutter bin ist mir für mich klar, dass ich nie aufhören würde und werde Mutter zu sein, auch wenn der Tod mein Kind und mich trennen würde. Und so fühle ich mich auch nicht als "Waise" im eigentlichen Sinn. Ich fühle mich nicht mutterlos. Vielleicht belüge ich mich da, aber ich finde das ist schon ok das für mich so zu sehen.


    Es ist eben meine Haltung dazu :)


    Ja, der Engel der einen begleitet, sehr schön...

    ich liebe ja Rilke - bestimmt, ganz bestimmt kennst du ihn, ich habe noch einmal nachgesehen und habe wieder einmal sein "Engellied" gefunden , ich stelle es herein weil es für mich auch dieses Spiel, diesen Antagonismus zwischen Festhalten und Loslassen beschreibt, so verstehe ich es


    aber bevor ich mich restlos verschwurbel


    wünsche dir und euch einen sehr schönen, ruhigen Abend



    mit lieben Grüßen und herzlichem Dank,

    m. <3


    ----------

    Rainer Maria Rilke


    Engellieder




    Ich ließ meinen Engel lange nicht los,

    und er verarmte mir in den Armen

    und wurde klein, und ich wurde groß:

    und auf einmal war ich das Erbarmen,

    und er eine zitternde Bitte bloß.

    Da hab ich ihm seine Himmel gegeben, -

    und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;

    er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,

    und wir haben langsam einander erkannt...


    Seit mich mein Engel nicht mehr bewacht,
    kann er frei seine Flügel entfalten
    und die Stille der Sterne durchspalten, -
    denn er muss meiner einsamen Nacht
    nicht mehr die ängstlichen Hände halten -
    seit mich mein Engel nicht mehr bewacht.


    (...)


    --

    das gesamte Gedicht, das dann auch recht spirituell wird - wie eine Referenz zu Lilo, du hast ja diesen unmittelbaren Zugang über deinen Glauben -

    kann man nachlesen


    http://www.gedichte-fuer-alle-…edichte/gedicht_3185.html





    Die Wahrheit triumphiert nie, nur ihre Gegner sterben aus (Max Planck)


    rilke.de/briefe/160703.htm


    VORÜBUNG FÜR EIN WUNDER


    Vor dem leeren Baugrund
    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)