Meine Liebste ist gestorben. Nur noch Leere und Verzweiflung

  • Lieber Josh,

    ein herzliches Willkommen hier bei uns.

    Ich wünsche dir für heute, dass dein Tag ein paar leichtere Momente hat.

    Lg. Astrid.

  • Ich danke euch allen. Es tut gut, hier zu sein.


    Heute ist ein unwirklicher Tag. Ich habe das Gefühl, komplett neben mir zu stehen. Ich spüre nichts. Ich warte, weiß aber nicht worauf. Irgendwie fühle ich mich wie betäubt.

    Eigentlich geht es gerade.


    Liebe Grüße

    Josh

  • Lieber Josh,


    dieses wie gelähmt sein kenne ich auch zu gut. Aber ich glaube, es ist ein Schutz des Körpers gegen die Schmerzen der Seele.

    Manchmal vergehen Stunden, in denen ich "nicht da bin".

    Sei lieb umarmt.

    LG Luise

  • Ich danke euch.


    Hier bei uns im Naturpark Obere Donau gibt es einen wundervollen Ort, eine ehemalige Burg. Nur wenige Menschen finden dort hin, weil der Weg ein paar kleine Kletterpassagen hat. Diesen Ort habe ich Silvia im September 2014 gezeigt und in einer Astgabel war dieser Stein geklemmt:


    So, Mittagspause. Jetzt besuche ich sie auf dem Friedhof.


    Liebe Grüße

    Josh

  • Lieber Josh,

    ein wunderschöner Ort, der Naturpark, wo du ihr immer sehr nah sein kannst. Der Spruch auf dem Stein sagt alles.

    Solch einen Platz habe ich in unserem Friedwald gefunden. Ich gehe gerne dorthin, das macht die Trauer für mich erträglicher.

    LG Petra

  • Danke Petra,


    im Umkreis von 40 Kilometern gibt es keinen Ort, an dem ich nicht schon einmal mit ihr war. Wir waren jeden Tag nach Feierabend und jedes Wochenende irgendwo draußen in der Natur. Deshalb fällt es mir auch gerade so schwer, rauszugehen.


    Jetzt war ich an ihrem Grab. Ich habe ihr frische Blumen gebracht und eine neue Kerze angezündet. Jetzt fließen die Tränen wieder. Heute wird es ein besonders schlimmer Abend für mich werden. Heute ist mein 52. Geburtstag und sie wird nicht bei mir sein. Kein gemeinsames Geburtstagsessen bei unserem Lieblingsitaliener. Ich werde den Abend alleine verbringen. Bitte keine Glückwünsche. Bitte.


    Liebe Grüße

    Josh

  • Lieber Josh,


    ich besuche meinen Mann jeden Tag nach der Arbeit auf dem Friedhof - dabei ist er ja eigentlich jetzt immer und überall, dennoch zieht es mich dorthin.

    Diesen besonderen Ort und den Stein - das finde ich eine sehr schöne Erinnerung! Der Verlust ist noch so ganz frisch bei dir, es wird sicher Zeit brauchen, irgendwann werden die Erinnerungen von sehr schmerzhaft zu "wehmütigen dankbaren Lächeln", so geht es mir manchmal schon zwischendurch.

    Dieses Forum hat mir sehr auf meinem Weg geholfen, z.B. dieses Zitat von Angie:


    Für mich kam diese Erkenntnis, als ich feststellte, dass ich so wie ich nach Rudys Tod war (verbittert, traurig, wütend), nicht mehr die Frau war, die er einst geliebt hatte. Ich habe versucht , mich zu ändern, und wieder zu einer Frau zu werden (obwohl halt anders durch die Wanderung durchs Trauertal), die er , wenn er heute noch auf der Erde wäre, lieben könnte.


    Ich bin immer noch ganz schön sauer auf mich selbst, ich hatte mich komplett zurück gezogen, außer zur Arbeit zu gehen, habe ich nicht viel gemacht, stundenlang Serien im TV angeschaut und nicht wirklich hingesehen, sondern einfach nur die Zeit irgendwie abgesessen, bis es am nächsten Tag wieder zur Arbeit ging. Mit dem Resultat, dass ich 10 kg zugenommen habe und mich wirklich irgendwie nur noch müde und energielos fühle. Natürlich ist in der Trauer sehr viel normal, ich für mich finde, ich habe mich zu sehr durchhängen lassen, das hätte mein Harry nicht gewollt. Trauer ja - aber ein bisschen Selbstfürsorge habe ich dabei vergessen. So komme ich zurück auf das Zitat von Angie: Ich möchte wieder zu der Frau werden, der mein Schatz lieben würde bzw. liebt.


    Du bist noch ganz am Anfang deines Weges, ich wünsche dir, dass du auch von den vielen einfühlsamen Menschen hier "getragen" wirst.


    Die einsamen Abende sind für mich immer noch das Schlimmste, andererseits möchte ich aber auch niemanden sehen. Ich wünsche dir, dass du diesen trotzdem besonderen Abend irgendwie überstehen kannst und bin in Gedanken bei dir.


    Liebe Grüße

    Tina

  • Ich danke euch allen. Es tut so gut, verstanden zu werden. Es tut so gut, sich den Kummer von der Seele zu schreiben.


    Noch habe ich nicht die Kraft, alle eure Geschichten zu lesen. Aber ich wünsche euch allen, allen hier sehr viel Kraft.


    Jetzt hoffe ich nur, dass heute Abend kein Besuch kommt. Das ertrage ich heute nicht.


    Heute mag ich mich betrinken und mich ganz meiner Trauer hingeben. Und dann hoffe ich, dass ich bald schlafen kann.


    Liebe Grüße und vielen Dank

    Josh

  • Lieber Josh,

    danke für Deine Zeilen an mich. Ich fühle mich von Dir verstanden :)

    Tage wie Du heute einen erleben musst sind einfach - verzeih die unflätigen Worte, aber ich finde sie passend - scheiße zum Quadrat. Ich habe für mich einmal aufgeschrieben: es gibt Tage, bei denen das beste, was man über sie sagen kann " sie sind vorbei gegangen". Das dürfte wohl so einer sein.

    Der heutige Tag geht vorbei. Morgen ist ein neuer. Und dann hast Du die Gewissheit, Du hast den ersten Geburtstag ohne sie überstanden. Das scheint nicht viel und ist doch ein großer Schritt.

    Ich wünsche Dir einen möglichst unkomplizierten Abend!

  • Vielen lieben Dank euch allen.


    Gestern kam niemand mehr und ich konnte mich zuschütten und heulen.

    Leider hat sich aber auch keine von Silvias Töchtern bei mir gemeldet. Das finde ich sehr traurig. Wenn sie etwas brauchen, stehen sie da, aber aus den Augen, aus dem Sinn.


    Gerade habe ich ein bisschen mit meiner Chefin, die auch eine Freundin ist, geredet. Sie hat vergangenes Wochenende ihren Vater verloren.


    Wie es mir geht? Ich habe einen Kater, wieder einen Schwamm im Kopf und habe Angst vor dem Wochenende.


    Liebe Grüße

    Josh

  • Lieber Josh,

    kann Dir nur sagen,ich weiß um Deine Pein.

    Sämtliche Gefühle sind uns Allen in diesem Forum wohlbekannt.

    Hilft Dir das? Sicher nicht.

    Fühl Dich umarmt,

    Karin

  • Danke Karin. Doch, das hilft mir.


    Hier kann ich meine Gedanken niederschreiben und ich werde verstanden. Ich muss mir einfach die vergangenen drei Jahre von der Seele schreiben.


    15. Januar 2016. Silvia war an diesem Wochenende nicht bei mir, vermutlich hatten wir unser traditionelles Dreikönigsturnier des Boule-Clubs an diesem Wochenende. Nachmittags rief mich ihre jüngste Tochter weinend an und erzählte, dass Silvia nichts mehr gesehen hätte und sie eben noch anrufen konnte, ehe sie einen epileptischen Anfall bekam. Die Wohnungstür musste aufgebrochen werden und sie kam sofort im Stadtkrankenhaus in die Röhre zum CT.


    Ich fuhr sofort in Krankenhaus, Silvia war mittlerweile wieder bei Bewusstsein und es schien ihr gut zu gehen. Bald kam ein Arzt und erzählte etwas von einer "Raumforderung im Gehirn", also einem Tumor. Die weitere Vorgehensweise würde dann nach einem MRT geklärt. Bis dahin sollte sie im Stadtkrankenhaus bleiben und sie bekam Keppra gegen die epileptischen Anfälle. Spät Abends fuhr ich dann nach Hause.


    16. - 25. Januar 2016. ich besuchte Silvia täglich im Stadtkrankenhaus und wir machten kleine Spaziergänge auf den Krankenhausgelände. Sie hatte große Angst und war sehr unsicher, wie es weitergehen würde. Ich hatte mich mittlerweile über die verschiedenen Tumorarten informiert und mich auch im Forum der Hirntumorhilfe angemeldet. Da ihre Schwester vor längerer an einem gutartigen Meningeom erkrankt war, hoffte ich darauf, dass Silvia auch so einen hat, so als eine Art Erbkrankheit.


    26. Januar 2016. Mittlerweile wurde ein MRT gemacht und die Bilder ans Universitätsklinikum Tübingen geschickt. Dort wurde beschlossen, dass eine Operation möglich sei. Morgens wurde Silvia dann ins UK verlegt, nachmittags kam ich dann mit einer ihrer Töchter dazu. Die Operation wurde auf den 27. Januar geplant. Zunächst kamen wir zum Narkosearzt. Dieser erklärte uns, dass die Operation sehr lange dauern würde und Silvia im Wachzustand operiert werden müsse. Er beschrieb sehr plastisch und äußerst unsensibel, wo überall Zu- und Abgänge gelegt werden sollten und Silvia bekam einen Nervenzusammenbruch. Fünfzehn Minuten später hatten wir dann den Termin beim Neurochirugen. Dieser teilte uns mit, dass die Operation noch um einen Tag verschoben werden sollte, da er sich erst mit weiteren Kollegen austauschen wolle. Ich besuchte Silvia jeden Tag, und die Operation wurde erneut verschoben. Silvia hatte während dieser Zeit panische Angst vor der Wach-OP und es war schwer, sie halbwegs zu beruhigen.


    29. Januar 2016. Silvia wurde endlich operiert, und zwar unter Vollnarkose. Da hatte ich einen richtig dicken Hals, weil man sie vier Tage lang in Angst vor der Wach-OP ließ. Mir wurde mitgeteilt, dass sie nach der OP einen Tag auf der Intensivstation und anschließend noch 3 Tage auf der Neurochirugie verbringen sollte und dann nach Hause dürfe. Der Tumor konnte nahezu vollständig entfernt werden.


    30. Januar 2016. Ich besuchte Silvia auf der Intensivstation. Sie war kaum ansprechbar und schickte mich nach 10 Minuten wieder weg.


    2. Februar 2016. Nach drei Tagen auf der Intensivstation lag Silvia nun endlich auf der neurochirugischen Station. Sie hatte durch die Operation massive Wortfindungsschwierigkeiten, welche sich zwar noch ein kleines bisschen verbesserten, sie aber den Rest ihres Lebens belasten sollten. Nun begann das bange Warten auf den histologischen Befund.


    4. Februar 2016. Heute sollten wir das Ergebnis des histologischen Befundes bekommen. Bevor der Arzt kam, machte ich Silvia einen Heiratsantrag, auch um ihr zu signalisieren, dass ich unabhängig vom Befund mit ihr zusammenbleiben will und zu ihr stehe. Sie freute sich sehr.


    Der Arzt teilte uns mit, dass es sich um ein Glioblastom handle und dieses unheilbar sei. Ich wusste damals bereits, dass die mediane Lebenserwartung bei dieser Erkrankung bei 15 Monaten liegt. Silvia saß seitlich da und schien dem Arzt nicht zuzuhören. Sie setzte seit diesem Zeitpunkt Scheuklappen auf und beteiligte sich in keiner Weise an dem Gespräch.


    5. Februar 2016. Entlassungstermin. Wir hatten ein abschließendes Gespräch mit der Stationsärztin. Auch hier setzte Silvia ihre Scheuklappen auf. Die Ärztin empfahl uns, baldmöglichst eine Patientenverfügung aufzusetzen. Die weitere Behandlung sollte in unserem Kreiskrankenhaus stattfinden. Sie sollte vier Wochen nach der OP 30 Bestrahlungen bekommen und sechs Monate Chemotherapie mit Temodal, Standardbehandlung bei Glioblastompatienten. Gleichzeitig sollte sie Keppra gegen Anfälle und Cortison gegen Hirnschwellungen nehmen. Dann durfte ich Silvia mit nach Hause nehmen.


    Februar 2016. Silvias körperlicher Zustand besserte sich allmählich, aber die Wortfindungsschwierigkeiten dauerten an. Anfangs kannte sie nicht einmal mehr meinen Namen oder die Namen ihrer Kinder. Da Silvia auch jetzt keine Fragen zu ihrer Krankheit stellte, beschloss ich gemeinsam mit den Töchtern, dass sie das Recht darauf hat, nichts zu wissen. Das war ihr Schutzwall, ihr Verdrängungsmechanismus.


    Ich rief wegen einer Patientenverfügung beim Notar an und dieser empfahl uns, einfach eine Generalvollmacht der Esslinger Initiative aus dem Internet zu laden. Diese benötige keine notarielle Beglaubigung und würde überall anerkannt. Das war tatsächlich so, diese Generalvollmacht wurde in den nächsten Jahren überall akzeptiert. Silvia setzte mich und ihre Tochter Nadine als Bevollmächtigte ein. Da Nadine sich mit der Thematik allerdings wenig auseinandersetzte, lag nun die ganze Verantwortung bei mir und ich hatte damit ein schweres Päckchen zu tragen. Ich vertrat bis dahin immer die Theorie: "Männer sind mit sieben Jahren erwachsen. Danach wachsen sie nur noch." ;)

    Nun war ich schlagartig erwachsen.


    Um ihre Wortfindungsschwierigkeiten zu bessern, spielte ich mit ihr ein einfaches Memory und bei jeder Karte, die sie aufdeckte, sollte sie den Namen dazu sagen. Es war furchtbar. Ein Apfel war eine Banane, ein Hund war ein Pferd, Eine Rose war eine Tomate etc. Zu 90 % konnte sie die Bilder nicht benennen. Zu meinem Erstaunen gewann sie aber meistens, sie konnte sich gut merken, wo die Karten lagen.


    29. Februar 2016. Der erste Bestrahlungstermin. Zuvor wurde eine Planungs-CT durchgeführt und dort bekam ich das erste Mal mit, dass Silvia unter furchtbarer Platzangst litt. Bei einer Kopfbestrahlung wird für den Patienten eine enge Maske angefertigt und der Patient dann mit dieser auf dem Tisch befestigt. Silvia wurde in den Bestrahlungsraum gebracht und kurz darauf hörte ich sie laut schreien und weinen. Der Versuch wurde abgebrochen und sie bekam eine Tavor zur Beruhigung. 15 Minuten später erfolgte der nächste Versuch, wieder wurde dieser abgebrochen. Nach weiteren 15 Minuten wurde es wieder versucht, dieses Mal durfte ich mit in den Bestrahlungsraum und ihre Hand halten, ehe es in die Röhre ging. Kaum ließ ich ihre Hand los, begann sie wieder zu schreien und zu weinen. Der Versuch wurde erneut abgebrochen und die Krankenhauspsychologin dazugeholt. Nach einem langen Gespräch mit dieser und nach einer erneuten Gabe von Tavor konnte dann endlich bestrahlt werden. Ich war mit den Nerven am Ende und heulte Rotz und Wasser. Anschließend hatten wir den ersten Termin bei der Onkologin, welche sehr einfühlsam war. Zu ihr fassten wir sofort Vertrauen und sie war auch die ganzen drei Jahre die einzige Ärztin unseres Vertrauens.


    März - April 2016. Fünf mal die Woche Bestrahlungen, mittlerweile ging es relativ problemlos, sie musste aber jedesmal erst eine Beruhigungstablette nehmen. Die Bestrahlung und die Chemotherapie machten sie sehr müde und an der bestrahlten Stelle fielen ihr die Haare aus. Fortan trug sie eine Mütze. Im Laufe der Zeit wuchsen die Haare wieder nach, an der bestrahlten Stelle sehr lockig, aber sie hatte ihre Löwenmähne wieder, auf welche sie sehr stolz war. Während dieser Zeit informierte ich mich ausführlich über weitere Heilmethoden (Weihrauch, Selen, Vitamine, basische Ernährung, Methadon etc.) und verwarf alles, nur das Methadon als Wirkstoffverstärker hörte sich interessant an und daran wurde auch gerade von einer Chemikerin aus Ulm geforscht, zu welcher ich dann auch Kontakt aufnahm. Diese war sehr nett, mittlerweile wirkt sie aber etwas verbittert, weil sie kaum Forschungsgelder für eine Studie aufbringen kann. Die ganzen drei Jahr recherchierte ich tagsüber in den Foren, las Studien und abends sowie an den Wochenenden wurde die Krankheit verdrängt.


    Mai 2016. Mitte des Monats wurde das erste Kontroll-MRT nach dem zweiten Chemoblock und vier Wochen nach dem Ende der Bestrahlungen durchgeführt. Leider wurde ein erneutes Tumorwachstum festgestellt. Die Bilder wurden ins UK geschickt, dort sollten sie im Tumorboard besprochen werden. Banges Warten voller Angst. Beim Termin im UK wurde uns mitgeteilt, dass das Tumorboard nicht stattgefunden hatte und wir eine Woche später wieder kommen sollen. Mein Hals schwoll an, das hätte man uns ja auch telefonisch mitteilen können. Und eine weitere Woche voller Angst.

  • Juni 2016. Im Tumorboard wurde beschlossen, dass eine Operation zu riskant sei und man die Chemotherapie auf CCNU (Lomustin) umstellen wolle. Ich fragte nach der zusätzlichen Gabe von Methadon und wurde angeschaut, als hätte ich jemanden umgebracht. Nein, das ginge gar nicht, zu viele Nebenwirkungen, zu gefährlich, bringt nichts, keine Studien liegen vor. Okay, dann wusste ich, dass ich im UK nicht mehr danach fragen sollte. Wieder zurück bei unserer Onkologin, sprach ich diese auf Methadon an. Sie meinte, dass sie schon Patienten hatte, welche Methadon nahmen, dieses ihrer Meinung nach aber nichts gebracht habe. Dann schaute sie mich an und sagte: "Aber ihnen gibt das Methadon Hoffnung? Dann verschreibe ich es ihnen, die Nebenwirkungen sind vertretbar." Was für eine tolle, emphatische Ärztin.


    Ich telefonierte darauf mit einem Palliativmediziner, welcher sehr gute Erfahrungen mit Methadon hat und dieser schickte unserer Onkologin einen Einschleichplan zu. Silvia begann nun langsam, das Methadon einzuschleichen und hatte während dieser Zeit stark mit Tagesmüdigkeit zu kämpfen. Sie schlief während dieser Einschleichphase die ganzen Vormittage.


    Juli 2016. Ein Kontroll-MRT zeigte einen Stillstand des Wachstums. Welch eine Erleichterung. Also beschlossen wir, gemeinsam in den Urlaub zu fahren. Da ich kurz zuvor von der Selbständigkeit in eine Angestelltenverhältnis gewechselt war, hatte das Finanzamt heftige Nachforderungen (es wird teuer, wenn Geschäftsvermögen in Privatvermögen übergeht) und ich war finanziell etwas klamm. Also verkaufte ich mein geliebtes Motorrad, um uns diesen möglicherweise letzten Urlaub finanzieren zu können.


    August 2016. Wir verbrachten einen relativ kurzen, aber wunderschönen Urlaub in Österreich und Silvia konnte mit mir einige kleinere Wanderungen unternehmen. Das Leben war zurückgekehrt. Ich hatte die Krankheit zwar immer noch im Hinterkopf, konnte diese aber zumeist verdrängen. Trotzdem recherchierte ich weiter.


    September 2016. Ein unbeschwerte Monat. Wir machten gemeinsam einen der Traufgänge und Silvia war stolz darauf, diese 10 Kilometer geschafft zu haben. Die Einschleichphase von Methadon war vorbei und sie hatte bis zu ihrem Tod mit keinerlei Nebenwirkungen zu kämpfen.


    Oktober 2016. Ein weiteres Kontroll-MRT zeigte eine leichte Tumorrückbildung. Allerdings verschlechterte sich das Blutbild von Silvia, weshalb die Abstände zwischen den Chemozyklen verlängert werden mussten.


    November 2016. Abgesehen von meiner alljährlichen Winterdepression war die Welt in Ordnung.


    Dezember 2016. Noch vor einem halben Jahr hatte ich nicht mehr an ein gemeinsames Weihnachtsfest geglaubt. Seit dem Sommer hatte ich mir auch etwas Freiräume geschaffen, spielte wieder Boule, ging auf Turniere und nahm an den Treffen der anonymen Horologiker teil. Unser Weihnachtsfest sowie der Jahreswechsel waren wunderschön. Ihre Persönlichkeit hatte sich verändert, körperliche Nähe ließ sie nicht mehr zu (außer Händchen halten), ihre Wortfindungsschwierigkeiten erforderten viel Geduld und sie war etwas kindlich. Unsere Beziehung fand nun auf einer völlig anderen Ebene statt, aber die Welt war in Ordnung. Und ich lebte plötzlich viel bewusster, nahm also auch das wahr, was StillCrazy in ihrem Faden bereits beschrieben hat.


    Das Leben war schön.


    So, das war unser erstes Jahr mit dieser Krankheit. Es tut mir gut, das von der Seele zu schreiben. Ich habe nie wirklich mit jemand darüber geredet und schreiben fällt mir auch leichter als reden.


    Liebe Grüße

    Josh

  • Lieber Josh,

    lese Deinen Bericht.

    Ich muß gestehen,beim Lesen Deines Berichts kommen viele Erinnerungen an die Oberfläche.

    Die Medikamente Keppla und Cortison wurden bei Hirnmetastasen eingesetzt.

    Bestrahlung mit Maske war auch eine Behandlungsmaßnahme.

    Die kognitiven Störungen waren ähnlich.

    Fühl Dich verstanden,

    Karin