Meine Tochter ist an Bulimie und Alkohol gestorben

  • Hallo an Alle ,

    Blaumeise hat mich aufgefordert meine Geschichte zu erzählen und das mache ich sehr gerne .

    Mein Name ist Tina und ich habe meine Tochter Liv nach 3 furchtbaren Jahren am 15.03.2019 tot in ihrer Wohnung gefunden. Bulimie hatte sie schon mit 16 Jahren, doch sie machte die Matura und studierte dann Marketing ging arbeiten und hatte ihr Leben " im Griff " . Ca. mit 27 hat die Sucht Liv wieder voll im Griff und sie konnte auch nicht mehr arbeiten. Jetzt im Nachhinein wird mir erst bewusst wie ko- abhängig wir schon waren ( mein Mann, meine jüngere Tochter und ich ) unser ganzes Leben drehte sich um die Sucht . Liv war schon 2× im Krankenhaus . Einmal im Wilhelminen wegen einer Pankreasentzündung durch den Alkohol und vergangenen Herbst bei den barmherzigen Schwestern . Dort wurde sie nach 2 Tagen entlassen weil sie keine Entzugsklinik sind . In Wirklichkeit lehnte Liv jede Hilfe ab und wir mussten zuschauen wie sie immer weniger wurde. Liv war wunderschön und sehr intelligent, aber sie ließ selten jemanden in ihr Leben schauen und machte auch ein großes Geheimnis daraus . Am 13.03 hatte ich schon eine Ahnung , sie hob nicht mehr das Telefon , machte sie öfter mal aber diesmal war s anders . Am 15.3 .2019 sind wir dann in die Wohnung . Ich hatte keinen Schlüssel und die Polizei konnte uns nicht helfen . Mein Schwager ist über ein geöffnetes Fenster in die Wohnung und fand Liv tot am WC. Sie wurde obduziert. Herzversagen mit 31 Jahren . Bin froh mir alles von der Seele schreiben zu können und mag dieses Forum sehr. Melde mich sicher wieder ! :2:

  • Liebe Himmelblau,


    schön, dass du meine Anregung ( es war keine Aufforderung ) hier zu schreiben, aufgenommen hast .


    Das was dir passiert ist sprengt jede Vorstellungskraft .

    Hilflos zusehen zu müssen, wie sein Kind sich selbst zerstört...grausam.

    Aber man ist wirklich machtlos, steht ohnmächtig daneben und kann nichts tun. Ausser zu lieben, zu hoffen, versuchen Lebenskraft /Sinn zu vermitten und das hast du getan. Mehr geht nicht. Die endgültige Entscheidung, obs angenommen wird oder angenommen werden kann, trifft der Betroffene/ Kranke selbst und darauf hat man keinen Einfluss :13: :30::30:


    Liebe Himmelblau, schreib dir alles von der Seele .

    Wann immer dir danach ist. Hier ist immer jemand da, der dir zuhört . Hier muss man keine Fassade aufrecht erhalten. Hier darf man sich getrost fallen lassen.


    Ich wünsche dir, dass du hier etwas Licht in deinem Tunnel findest, dass du dich ein klein wenig geborgen fühlen kannst


    Hast du Unterstützung in deinem Umfeld?

    Wie verkraftet deine Tochter den Tod ihrer Schwester?


    wenn du magst, fühl dich liebevoll von mir gehalten :30:


    Ich hoffe, du findest etwas Schlaf


    Alles Liebe

    blaumeise :24:


    Ich finde deinen Nicknamen so positiv. Himmelblau!

  • Tina. Du musst sehr traurig sein. Es tut mir unendlich leid um deine Tochter. Auch ich hatte Bulimie lernte dann aber dadurch dass ich Mama wurde mich mit Nahrung auseinander zu setzen und hatte nur mehr wenns ganz zum kotzen war fressanfalle. Bulimie ist höllisch.

    Vorallem aber möchte ich dir sagen dass diese Ohnmacht nichts tun zu können und zu hoffen und angst zu haben... Dieses auf und ab. Dieses nimmer ran kommen ans Kind.... Es ist ein Alptraum.

    Ohne Ende.

    Und ja auch ich arbeitete in der sterbe Begleitung. Nun ich kann. Oder könnte das nimmer. Jeder den ich begleiten würde würde mich an Benjamin erinnern der sooo alleine war. So ohne Begleitung sterben musste. Er fühlte sich nicht geliebt.

    Deshalb kann ich das was du tust nicht mehr tun.

    Ich warte auf Benjamin jeden Tag und freue mich wenn ich endlich gehen darf.

    Der Tod kann auch Heilung sein.

    Deine Liv und Benjamin waren zu jung um zu sterben.

    Alles Liebe viel Kraft. Bewundere dich für deine Stärke.

    Andrea

  • Liebe Andrea , ja , es stimmt es tut furchtbar weh und es ist manchmal kaum auszuhalten. Sie waren viel zu jung um zu sterben , aber Andrea wir leben noch und wir haben noch ein Kind , dass uns braucht . Ich möchte meiner Tochter Lea nicht das Gefühl geben nicht's wert zu sein ohne Liv . Lea soll glücklich und zufrieden mit ihrem Leben sein und das gleiche wünsche ich Jan .

    Trauer macht einsam . Ich geh durch den Ort und die Leute reagieren als wär ich der Tod persönlich. Zur Zeit habe ich 2 Leben ein Öffentliches und ein Privates . Ich geh wieder arbeiten und das lenkt mich für ein bar Stunden ab . Wir haben verlernt mit Tod und Verlust umzugehen, das lernt man leider nicht in der Schule darum lieber Verträgen und Schweigen . Darum finde ich dieses Forum unglaublich gut . Du bist nicht allein mit deiner Trauer und man muss auch nicht stark sein .

    Mir tut es aber auch sehr gut , wenn mir ein Mensch gegenüber sitzt , dem ich ins Gesicht schauen kann und mit dem ich weinen (und für mich noch wichtiger LACHEN ) kann , weil man selbst bringt sich halt selten dazu :D

    Was mir noch sehr hilft ist die Natur , für mich eine Heilerin . Ich brauch nur da zu sitzen und zu atmen , mich von der Sonne wärmen zu lassen .

    Ich wünsche uns Allen die Kraft weiterzuleben, vor allem für uns selbst , weil wir es wert sind !

    Ihr seht, bin heute ganz positiv

    Kann sich im nächsten Moment ganz schnell ändern - aber jetzt genieße ich diesen <3 bis bald

  • Liebe Tina.

    Das heftigste ist wohl der Gedanke versagt zu haben..


    Nicht gehört gesehen genug getan zu haben. Benjamin litt so sehr und war verloren in seiner Einsamkeit. Es zog sich über Jahre dahin. Er wurde immer weniger und ich war beschäftigt mit meinem kleinen müden Leben. Wollte immer tun machen protestieren... Alles blieben nur Gedanken weil mir der antrieb fehlte. Und er mir nicht wichtig genug war. Erst jetzt spüre ich was ich verbrochen habe.


    Und es ist zu spät. Kann nie wieder so werden dass ich ihn auffangen kann. Er ist gestorben. Er der leader von allem fasziniert der mitreißer wurde immer weniger. Ich muss das irgendwie aufarbeiten.


    Allein schaff ich es nicht allein der Weg nach draußen gelingt mir nicht.

    Muss auch einen Lösung geben


    LG andrea

  • Liebe Tina,

    danke für deine Geschichte von Liv.

    Ich freue mich, wenn ich noch mehr von ihr lese und von dir.

    Ich freue mich, dich kennen zu lernen und deinen Weg vielleicht ein Stück mit zu gehen.

    Lg. Astrid.

  • Hallo an Alle .

    Ja , heute ist ein guter Tag um meine und Liv s Geschichte zu erzählen .

    Als Liv auf die Welt kam war ich 20 Jahre und es gab damals nur 1Jahr Karenz , ich ging 40 Stunden arbeiten da ich alleinerziehend war . Gut war , dass ich in einem Kindergarten einen Job bekam und ich Liv mitnehmen konnte . Schlecht war , sie musste mich mit 15 Kindern teilen und ich ging am Nachmittag sicher nicht mehr auf den Spielplatz........ u.s.w . Liv war immer sehr introvertiert und hatte ihren eigenen Kopf ( sagte ich früher ) heute weiß ich , sie war einfach viel gescheiter als ich . Es gab immer wieder Schwierigkeiten die wir irgendwie zu lösen versuchten aber Bulimie hat eigene Gesetze . Später hab ich mit Liv öfters über mein Überfordert sein ihr gegenüber gesprochen und sie hat mir verziehen . Das wichtigste für mich war aber ,dass ich mir selbst verzeihe !!!! Unsere Kinder haben nicht's davon wenn wir leiden. Ich wollte immer Eltern die glücklich sind und Verantwortung für mich aber Vor allem für sich selbst übernehmen - ist ihnen auch nicht gelungen und auch ich habe ihnen verziehen , weil ich sie liebe und wir einfach Menschen sind . Hass , Vorwürfen Beleidigt sein , all das bringt einen nicht weiter und ich möchte im Leben lernen und wachsen . Meiner Überzeugung nach wächst man am schnellsten durch Schicksalsschlägen und wie wir damit umgehen . Ich hatte einige zum üben ( Scheidung ,Tod und Pflege meiner Mutter und meiner Schwiegermutter im gleichen Jahr, Streitereien in der Familie so wie das Leben halt ist ) ich fühlte mich immer als Opfer und stellte mir die WARUM ICH FRAGE . Das brachte mich keinen Millimeter weiter . Erst die Ausbildung zur Lebens - Sterbe - Trauerbegleitung vor 5 Jahren und die Ausernandersetzung mit dem Tod haben mir geholfen aus diesem Dilemma zu kommen.

    Auch ich habe Tage , da kann ich nicht aufhören zu weinen - aber da muss man durch. Ich will leben und seit Liv s Tod noch bewusster, sie wollte leben und sie wollte glücklich sein , wir haben auch darüber gesprochen ( bin echt froh über unsere ehrlichen Gespräche <3) die Sucht war stärker

    Ich will nicht nur überleben , ich will noch mehr wachsen - sonst hätte Liv s Tod ja keinen Sinn und Sinnlosigkeit hat was negatives .

    Für heut is gut

    Alles Liebe :)

  • Liebe Tina. Ich denke gewisse Dinge sind sinnlos. Der Tod von Benjamin von Liv was soll das für einen Sinn haben?

    Ausser Schmerzen....

    Man braucht diese Katastrophen nicht um zu wachsen. Es genügt der offene Blick und nicht kritiklos durch die Gegend zu laufen.

    Durch Benjamin's Tod werde ich weder reifer noch ein besserer Mensch noch kluger noch kann ich das Leben mehr genießen. Benjamin's Tod ist eine Katastrophe die mein Leben in ein vorher und nachher unterteilt. Das nachher ist jetzt. Niemals werde ich darüber hinweg kommen. Niemals. Und was ist wenn nach dem Tod nichts ist ausser Stille. Dunkelheit und Kälte. Kein Gott und kein Licht unsere Kinder halten. Daran will ich nicht denken.

    Ich werde nicht an Benjamin's Tod wachsen. Eher daran zerbrechen. Zur schattenfrau werden oder noch mehr zur schattenfrau werden...

    Es ist egal....

  • Liebe Tina, liebe Andrea

    ich verstehe euch beide.

    Es ist kein Sinn erkennbar an der Katastrophe, dass Liv und Benjamin ihre Leben beendet haben.

    Wachsen werdet ihr nicht an ihren Toden, sondern an dem, wie ihr die Trauer um sie in ihr Leben integrieren kann.

    Tina sieht - aufgrund ihres Wissens über Trauerprozesse - schon weiter und denkt schon an die Zeit, in der ihre Trauer den Stachel des Schmerzes verloren hat. An die Zeit in der Leben wieder lebenswert sein kann. An die Zeit in der sie auf einen langen, beschwerlichen und kräftezehrenden Trauerweg zurück blickt. Und in dieser Zeit wirst du liebe Tina wirklich gewachsen sein. Reifer sein.


    Dieses denken an diese Zeit kann Kraft geben und auch den nötigen Mut, den schweren Weg zu gehen.

    Dafür gratuliere ich dir von Herzen, liebe Tina. Auch wenn ich weiß, dass es Momente geben wird, in denen du diesen Gedanken nicht so direkt vor Augen haben kannst. Es ist schön, dass du ihn heute schon erhoffen und erahne kannst.


    Liebe Andrea, du siehst diese Hoffnung noch nicht und auch das ist ganz normal. Du kannst dir ein neues Leben noch gar nicht vorstellen und es ist noch sehr dunkel in dir und um dich. Die Hoffnung trage ich für dich - bis du sie irgendwann auch erahnen darfst.


    Seid lieb gegrüßt

    Astrid.

  • Liebe Tina,


    ich habe dich gestern online gesehen.

    Schicke dir ganz viele Grüße.


    Vielleicht magst du ein wenig darüber schreiben, wie es dir und Lea inzwischen geht.


    Deine Beiträge haben - trotz all der Schwere - immer viel Hoffnung und Zuversicht vermittelt. Danke dafür.


    <3lichst


    blaumeise :24:

  • Liebe Blaumeise,

    Viel wichtiger- wie geht es dir?

    Ich bin öfter hier und lese nach wie's euch so geht . Mein Leben ändert sich gerade gewaltig- mir geht es auch wie vielen von euch , dass ich Freunde verliere weil ich nicht mehr um den heißen Brei herumrede sondern direkt und ehrlich bin , Probleme einfach anspreche - das macht mich unbequem z.B im Sommer waren wir bei einer wirklich guten Freundin (wir kennen uns seit 35Jahren) eingeladen. Wir kamen um 11uhr, es sollte ein Mittagessen sein . Ich nenne sie hier D , hat schon länger ein Problem mit dem Alkohol und hatte schon getrunken bevor wir kamen . Das Gespräch ( war eher ein Monolog von ihrer Seite ) drehte sich auch nur um sie und wie mühsam alles ist . Um 17Uhr gab es dann essen und ich war sooo wütend auf D . Ich schrieb ihr am nächsten Tag ( kennt ihr das ? Man ist oft zu wütend oder ohnmächtig zu reden )dass Liv nicht nur an Bulimie starb , sondern auch an diesem scheiss Alkohol und ich mich nicht mehr zur Co-abhängigen machen lasse . Darauf kam die Antwort " Schön , was persönliches von dir zu hören " dann war Funkstille bis gestern . Mein Mann war bei D. zu Besuch und kam mit der Aussage von D. zurück " ich soll mich wieder zusammenreissen "

    Ich bleib bei Funkstille 🤨 Lea geht es auch so . Sie ist unglaublich tapfer , hat das Schuljahr nur mit 1und 2 beendet und in ihren Praktikums die besten Bewertungen . Aber diese Ignoranz von unseren Mitmenschen belastet sie auch. Sie geht in Therapie und wir können Gott sei Dank auch über alles sprechen :24:sie hat auch mit ihrem Freund Schluss gemacht weil auch er ihre Tränen nicht erträgt :13:mein Mann ist auch in den ersten Stock gezogen und es geht uns so besser , ich habe mein Stockwerk umgestaltet und obwohl ich in diesem Haus schon 12 Jahre wohne , fühle ich mich erst jetzt zu Hause. Ich schau , dass ich mit meiner Arbeit in der Ordi so professionell wie möglich umgehe und dann so schnell wie möglich nach Hause komme . Seit Freitag haben wir auch noch eine kleine Mitbewohnerin ( Ava ein spanischer Wasserhundwelpe ) sie macht so viel Spaß und schaut aus wie ein Teddybär , einfach zum knuddeln .

    Liebe Blaumeise, ich hab mich sehr gefreut über dein Interesse und wünsche dir weiter viel Kraft bei der Bewältigung all deiner Probleme ( wünsche ich euch Allen :* )

  • Liebe Himmelblau


    deine Reaktion D. gegenüber finde ich sehr passend. JA, mir geht es sehr oft so, dass ich in der Situation gar nichts sagen kann und dann lieber schreibe. Damit ich meine Gedanken sortieren kann.


    Es ist zusätzlich traurig, wenn nahe Menschen die Tränen nicht ertragen, wie der Exfreund deiner Tochter. Und auch wenn sich der Gedanke aufdrängt: Dann wird es nicht der Richtige gewesen sein, tut es weh und verletzt in einer Zeit die schon eine so große klaffende Wunde trägt.


    ACH IST DER SÜß! Habe gerade den spanischen Wasserhund gegoogelt. Wie groß wird der denn?


    Ich wünsche dir einen erträglichen Tag und ein Lächeln, wenn du mit Ava spielst.

    Lg. Astrid.