Hallo, ihr Lieben,
ich habe meine Geschichte schon ausführlich mit Silva S. in einer privaten Konversation geteilt. Sie hat mich dazu ermutigt, hier meinen eigenen Thread zu eröffnen.
Ich heiße Melanie, bin 35 Jahre alt und habe meine liebe Mama am 21.04.20, einen Tag vor ihrem 61. Geburtstag, am Coronavirus verloren. Ganz plötzlich und unerwartet nahm die Krankheit einen schweren Verlauf, mit dem keiner gerechnet hätte. Sie hatte keine Vorerkrankung.
Meine Mama und ich haben uns meist täglich gesehen. Sie war meine Begleiterin in allen Lebenslagen, immer an meiner Seite. Niemand kannte mich so gut wie sie. Ich bin 35 Jahre alt, verheiratet (keine Kinder) und meine Mama und mich gab es immer nur im Doppelpack. Ähnlich wie bei der Serie Gilmore Girls, wem das was sagt.
Jetzt ist sie quasi von heute auf morgen nicht mehr bei mir. Ich spüre nur noch Erschütterung, Angst und Schmerz.....
Die Geschichte, wie sich alles ereignet hat, kopiere ich mal aus meiner Konversation mit Silvia:
Am 2.04. habe ich Mama das letzte Mal richtig gesehen. Wir haben auf einer Bank Picknick gemacht. Noch am selben Tag haben wir erfahren, dass sich sowohl Mama als auch Papa angesteckt haben könnten. Kurz darauf wurden sie getestet. Sie waren beide positiv. Der Arzt der getestet hat, nahm uns aber erstmal jegliche Angst, er meinte, wenn sie jetzt noch keine Symptome hätten, würde da wohl auch nicht mehr großartig was kommen, sie würden sich eventuell einfach noch ein bisschen krank fühlen und in der kommenden Woche vielleicht etwas den Geschmackssinn verlieren. Und zuerst war es auch so, dass sie nur leichte Symptome hatten und man dachte, in 2 Wochen ist alles überstanden. Die Quarantäne begann also mit dem Tag des Verdachts. Einige Tage später brachten wir meinen Eltern Eier, wir stellten sie draußen auf den Tisch. Meine Mama saß im Fernsehesessel, lachte, winkte uns fröhlich zu sagte "Setzt euch noch ein bisschen und genießt die Sonne". Wir sahen sie natürlich nur durch verschlossene Terrassentürscheibe. Sie sah noch so fit und fröhlich aus. Sie sah aus, als hätte sie nur eine kleine Erkältung. Da wir frische Sachen vom Einkauf im Auto hatten und es recht warm war, sind wir direkt wieder los. Hätte ich gewusst, dass das mein letzter Anblick sein wird, ich wäre Ewigkeiten dort geblieben und hätte sie angesehen.
Sowohl bei Mama als auch bei Papa wurden die Symptome dann von Tag zu Tag stärker, sie hatten Kreislaufprobleme und Mama kam am Abend vom 14. April nicht mehr die Treppe rauf, um ins Bett zu gehen. Sie kamen also beide ins Krankenhaus. Nach dem ersten Schock, aber erstmal Entwarnung. Sie bekamen etwas Sauerstoff durch einen Schlauch. Die Lungen wurden gründlich untersucht und es hieß, in 3 Wochen sind sie fit. Besuchen durften mein Bruder und ich sie natürlich nicht. Am 17. April kamen dann beide auf die Intensivstation. Wir sollten uns aber keine Sorgen machen, es sei nur vorsorglich, weil das Wochenende bevorsteht und dann ja nicht soviel Personal da wäre und es wäre sicherer, falls sie plötzlich mehr Sauerstoff brauchen würden. Ab da wuchs dann die Angst natürlich so richtig. Mama hat mir an dem Abend noch geschrieben, ich solle nicht traurig sein, es wird alles wieder gut. Ich habe geantwortet, dass ich es so hoffe und habe ihr noch Kuss-Smileys und Einhörner geschickt. Ich wollte sie nicht überanstrengen, es war schon ca. 23 Uhr und sie brauchte ja ihren Schlaf. Also habe ich sie morgens gleich angerufen. Papa ging ran. Sie hat ihm ihr Handy gegeben, weil sie sich zu schwach zum Schreiben und Telefonieren fühlte. Auch Papa habe ich, wegen dem Sauerstoff kaum verstanden. Ich hatte solche Angst und habe so geweint. Ich hab ihn gebeten, mich auf dem Laufenden zu halten, dass sie beide okay sind. Das hat er auch gemacht. Zuletzt gegen 22 Uhr an dem Abend, es war soweit noch alles okay.
Am nächsten Morgen ging es Mama bei der Untersuchung plötzlich rapide schlechter. Die Sauerstoffsättigung sackte immer weiter ab, bis sie nur noch 37% hatte. Sie haben sie also ins künstliche Koma versetzt.... Papa rief ihr noch "Schatzi, ich liebe dich zu".... und sie wurde künstlich beatmet. Das reichte aber nicht aus. So kam sie in ein anderes Krankenhaus an die Herz-Lungenmaschine. 2 Tage zwischen Hoffen und Bangen. Ihr Zustand war unverändert, aber stabil. Dann bekam sie abends am 21.04. plötzlich Herz-Rhythmusstörungen... kurz darauf klingelte mein Bruder bei uns an der Tür.... ich wusste, was das heißen musste.... Sie hatte es nicht geschafft.
Ich hatte das Gefühl, als wäre ich in 1000 Stücke gerissen, die Stücke zum Teil zerbrochen oder soweit weg, dass man sie nie wieder findet. Ich wurde in der Sekunde zerstört. Und ich werde wohl nie wieder ganz.
Mein Vater war noch im Krankenhaus, auch noch positiv und krank. Dort hat er es erfahren. Dass die Liebe seines Lebens gegangen ist, mit der er seinen Ruhestand, der am 1.04. begann, genießen wollte. 150 Tage zuvor haben sie begonnrn, jeden Tag 1 cm von einem Maßband abzuschneiden, so sehr haben sie sich gefreut auf den neuen Lebensabschnitt. Der Arzt, der es ihm sagte, blieb die ganze Nacht bei ihm. Ein paar Tage später durfte mein Bruder ihn dann mit Schutzkleidung nach langem Hin und Her besuchen. Noch ein paar Tage später durften wir ihn beide vom Balkon aus bei gekipptem Fenster besuchen. Kein in den Arm nehmen. Er saß auf seinem Stuhl in seinem kleinen Zimmer und er weinte so. Es war so schrecklich.
Auch als er dann nach Hause kam, war er noch in Quarantäne, weil er noch positiv war. Wir konnten ihn nur so besuchen, dass er drin blieb, die Terrassentür einen Spalt auf und wir auf der Terrasse.
Deshalb war die Trauerfeier jetzt auch erst am 19.05., weil Papa ja erst wieder gesund und negativ werden musste.
Jetzt liegt Mamas Asche im Friedewald, so wie es ihr Wunsch war, das hat sie in letzter Zeit oft gesagt, als ob sie es geahnt hätte. Und als ich sie zuletzt gesehen habe, war sie noch das blühende Leben. Kein Abschied. Ihre Worte per WhatsApp, dass alles gut wird, waren ihre letzten Worte an mich.
Hinterher durften wir sie auch nicht nochmal sehen, wegen dem Virus, der ja noch in ihr steckte. Ich weiß aber auch nicht, ob ich das gekonnt hätte. Aber die Frage stellte sich gar nicht. Die Möglichkeit gab es gar nicht.
Es ist alles so furchtbar.... Ich habe das Gefühl, jeden Tag ein Stückchen mehr zu zerbrechen.
Ich würde gerne auch noch ausführlicher schreiben, aber ich habe gerade leider nur die Möglichkeit mit dem Handy zu schreiben.