Hallo zusammen
heute auf den Tag genau ist meine Mami 7 Wochen tot. Allein dieser Satz ist für mich noch immer unbegreiflich. Aber wenn ich den Satz nach diesen 7 Wochen lese und tief durchatme, wird mir die Tragweite und diese Bedeutung wieder mal so bewusst, dass ich jetzt schon keine Kraft mehr habe weiterzuschreiben.
Ich bin 45 Jahre und meine Mama ist 65 (gewesen). Ich mag von ihr gar nicht in der Vergangenheit schreiben. Für mich ist und bleibt sie meine Mama. Auch mit 45 Jahren und längst mit eigenen größeren Kindern. Und trotzdem fühle ich mich, als ob ich wieder ein kleines Kind wär, welches doch die Mama braucht.
Am Samstag, den 23.05.20 hat mein Papa mich am Abend zu Hause angerufen, dass Mama beim Spazieren im Wald gehen einen Zusammenbruch gehabt hat und sie im KH ist. Mehr Informationen hatte er da noch nicht. Da sie keine nennenswerten Vorerkrankungen hatte, haben wir uns da auch nichts schlimmes bei gedacht. Papa hatte den Hund noch dabei, konnte also auch nicht gleich hinterherfahren, da dieser erst nach Hause gebracht werden musste.
Wir haben uns sofort auf den Weg gemacht (300km), mit dem Gedanken, sie hatte einen Schwächeanfall oder so und kann in 1-2 Tagen sicher wieder raus. Es war ja sehr warm zu dieser Zeit. Also schnell eine Zahnbürste und Wechselsachen für 1 Tag rein und los.
Unterwegs hat Papa uns dann angerufen, die Klinik hätte sich gemeldet, er möge bitte persönlich hinkommen, man müsse sich unterhalten. Wir sind dann also direkt in der Nacht dort angekommen und haben Papa direkt vor der Klinik angetroffen - wir durften nicht mehr rein.
Mama hätte ein sehr großes Aneurysma, welches auf eine sehr große Länge gerissen ist und sie hat sehr viel Blut im Gehirn und wurde ins Koma gelegt um Kopf und Kreislauf komplett ruhig zu stellen. Zu diesem Zeitpunkt war bereits die Prognose sehr schlecht - aber nicht aussichtlos. Am nächsten Morgen operierten sie sie zwar, um den Riss zu schließen, wussten aber nicht, wie groß die Schäden bereits für das Gehirn sind. Die Überlebenschance war schlecht - und wenn dann bliebe sie ein schwerer Pflegefall.
Ich weiß gar nicht, wie ich diese Tage überstanden habe. Diese Ungewissheit, dieses Bangen - für nichts!!. Sie war doch immer kerngesund und fit. Hatte hellste Lebensfreude. 2 Tage vorher haben wir noch über Urlaubsfahrten gesprochen. Die Reise mit Papa für das Wohnmobil im Herbst bezahlt und all das. Alles ohne Vorzeichen dass 2 Tage später alles weg sein sollte.
Jedenfalls weiß ich noch genau, wie sie dort auf der Intensivstation lag. Meine Mama!! Ganz friedlich hat sie da gelegen. Als ob sie schläft. Nirgends Blut, OP Wunden, blaue Flecken all das, was ich dachte, was mich dort erwarten würde. Nein, sie hat einfach dort geschlafen, war so warm, der Brustkorb hat sich gehoben & gesenkt. Wie man halt aussieht, wenn man selig schläft. Die Schläuche zum Beatmen in Mund und Nase habe ich gar nicht wahrgenommen. Ich habe einfach meine Mama gesehen und wie sie dort schläft. Meine wunderschöne Mama. Ich habe die schweren Worte vom Arzt komplett ausgeblendet. Ich freute mich so sehr sie zu sehen, weinte dennoch so bitterliche Tränen, sprach mit ihr, wie lieb ich sie hab, küsste sie, streichelte ihr Gesicht und die Hände. Sie roch so gut. Ach Mama, warum bist du denn nicht mehr aufgewacht?????
Da haben wir noch gehofft, dass du es irgendwie schaffen würdest. In der folgenden Nacht konnte ich wieder nicht schlafen und habe nur geweint (ich war da bereits 2 Tage wach). Ich habe mir da schon so viele Gedanken gemacht, was ich denn dann machen würde, wenn Sie wieder kommt oder auch nicht - ich war nicht ich selbst - und total müde und konnte nicht schlafen.
Gegen 4Uhr morgens hatte ich wie eine Vision oder sowas. Ich meinte, wie flimmernde Luft, einen Umriss einer Person im Zimmer zu spüren, welche auf mich zu kommt und ich hatte so sehr das Gefühl, dass es Mama ist. Ich würde es heute noch beschwören. Ich rutsche auch noch von der Bettkante weg, damit sie sich hinsetzen kann - wie sie es als Kind bei mir schon getan hat. Dann nahm sie einfach meine Hand und hielt diese fest. Mir wurde auf einmal so warm ums Herz und ich war auf einmal so tiefenentspannt und glücklich - und bin eingeschlafen. Und ich habe mir dies (diesen Traum??) so sehr gemerkt und das war so real.
Am nächsten Morgen rief die Klinik an, wir mögen kommen. Bei Mama ist in diesen frühen Morgenstunden der Hirntod eingetreten. Der Körper würde nur noch für evtl Organspenden von den Geräten am Leben erhalten werden.
Diese Aussage vom Arzt war für mich wie eine Ohrfeige. Das kann doch nicht sein. Sie liegt doch dort im Zimmer und schläft nur...
Die folgenden Wochen, habe ich nur funktioniert und am Abend mir die Augen ausgeweint. Alles ist so unwirklich und ich hatte auf einmal so viel um die Ohren mit meinem Papa. Das Haus mit all dem Papierkram, Versicherungen, Bank und all das... das hatte alles nur sie gemacht. Papa hatte keine Ahnung von sowas und auch keine Kraft dazu.
Sie hat einen so schönen Platz in einem FriedWald bekommen. Unter einer großen Eiche auf einer Lichtung, in einem Meer von Maiglöckchen.
Jetzt bin ich nach 4 Wochen zurück bei meiner Familie zu Hause und hab nichts mehr zu organisieren. Jetzt muss ich mich hier kümmern - und ich kann nicht zurück in mein altes Ich. Auch wenn ich seit 25 Jahren mein eigenes Leben manage, ist auf einmal nichts mehr, wie es hier war. Ich vermisse sie jeden Tag mehr, auch wenn sie weit weg gewohnt hat. Aber ich würde so gern hier die Zelte abbrechen und in das Haus zu meinem Papa gehen, um meiner Mama nah zu sein. Zeitgleich, weiß ich, dass das Blödsinn ist und ich hier meinen Lebensmittelpunkt habe. Ich versuche meinen Papa täglich anzurufen, ihn aus der Ferne zu unterstützen.
Der Gedanke, dass er jetzt immer allein am Abend auf dem Sofa ist, macht mich so wahnsinnig traurig. Der Hund meiner Eltern ist schon sehr alt und hat so wahnsinnig gelitten. Ich hätte nie gedacht, wie sehr ein Tier sein geliebtes Frauchen so vermissen und trauern kann. Ich konnte ihm nicht helfen. Auch er braucht Zeit. Es bricht mir das Herz.
Und wenn ich das nächste Mal nach Hause fahre, ist meine Mami auch wieder nicht da und fragt mich, ob ich mit ihr ein Glas Wein trinken würde. Es ist so schwer zu akzeptieren, dass sie nie mehr das ein wird.
Ich habe immer frische weiße Rosen hier und so wunderschöne Bilder von ihr. Es ist so unverständlich, dass das das Einzige sein soll, was ich noch von ihr habe...
Ich bin so traurig, dass ich sie nie nie wieder sehen werde. Und auch Ihre Stimme nie wieder hören werde. Ich liebe und vermisse einfach sie so sehr, wie mir das vorher niemals bewusst gewesen ist. Und jetzt ist es zu spät, um ihr das zusagen. Ich würde so viel dafür geben - wie alle anderen von euch auch tun würden, um die Liebsten noch einmal bei sich zu haben. Und wenn es nur für einen Moment wäre...
So viel Text.... jetzt bin ich so erschrocken - und ich könnte mir noch die Seele vom Leib schreiben...