Ohne ihn

Das ist kein Gejammer. Das sind Tatsachen. Du schreibst nur, wie es ist.

Wanderin schrieb:

Liebe Puzzle,

ich setz mich einfach mal unter den großen alten Baum zu dir und halte dich .

Zusammen wird uns wärmer und irgendwann stehen wir auf und gehen Richtung Sonne.

Merkst du es, liebe Wanderin irgendwie wird‘s auch zu zweit nicht wärmer, so schön der Baum auch ist, dauerhaft sollten wir hier nicht bleiben....

Komm, helfen wir uns gegenseitig...

Morgen, wenn du allein beim Frühstück sitzt und es wieder so weh tut, stellst du ein nettes Foto von deinem Mann auf seinen Platz beim Frühstückstisch, vielleicht stellst du ihm auch einen Teller und seinen Kaffeebecher hin. Und dann sprichst du mit ihm. Erzähl ihm, wie sehr er dir fehlt oder erzähle ihm, was du gerne tun würdest an diesem Tag mit ihm. Oder was immer du möchtest. Sprich mit ihm. Versuch es. Und schau, wie es dir dabei geht.... nur ein Versuch...

Hab einen ruhigen Abend....

Puzzle

PS: ich hab heute symbolisch einen Berg erklommen, hab etwas geschafft, was ich schon seit Jahren nicht mehr zusammen gebracht hab, deshalb hab ich nicht früher geantwortet, tut mir leid, bitte entschuldige.....

Wanderin schrieb:

Vielleicht magst du mir von deiner symbolischen Bergbesteigung erzählen...

Das war nichts, was sich zu erzählen lohnt.

Ja, ich verstehe dich sehr gut. Und ich finde auch, dass du genau das richtige tust. In jeder Trauer gibt es diesen Baum... und jeder sollte so lange darunter sitzen bleiben, solange er/sie das für richtig hält. Ich wollte dich nicht drängen und entschuldige mich höflich, falls ich diesen Eindruck bei dir erweckt habe.

Dein Schmerz und auch deine Verzweiflung waren in den letzten Tagen für mich mehr zu spüren, weshalb ich dir eine Möglichkeit zeigen wollte, den Druck, den dieser Zustand in der Herzgegend verursacht, etwas zu erleichtern.

Monatelang baute sich bei mir dieser Druck auf und ich glaubte, das nicht aushalten zu können. Und dann hab ich meinen Partner einfach mal in aller Wut geschimpft. Ich hab sein Foto in einem ruhigen Winkerl im Wohnzimmer stehen und dort hab ich hingeschimpft: „Was hast du dir eigentlich gedacht, wie das für mich ist, was du getan hast?! Bist du irre? Wie soll sowas je gut für mich sein???“ Ich war ziemlich laut und kam mir höchst lächerlich dabei vor, aber - siehe da! - der Druck wurde weniger.... Also hab ich das beibehalten. Es entwickelten sich Gespräche, in denen ich seine Antworten förmlich hören konnte in meinem Kopf. Ich glaube, das hat mir maßgeblich dabei geholfen, Frieden mit ihm zu schließen.

Ich hab dir den Vorschlag gemacht in der Hoffnung, es würde dir den Leidensdruck auf ein erträgliches Maß reduzieren.

Aber wie ich lese, bist du selbst darauf gekommen

Einen ruhigen Sonntag wünsche ich dir.

Irgendwann funktionieren auch eure geliebten Wanderungen wieder. Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Dieser erste Schritt könnte sein, einfach in einer Wiese zu sitzen, die Blümchen genau zu betrachten und die Insekten zu beobachten... wann immer du dich dafür bereit fühlst...

Puzzle

Liebe Wanderin

Das denke ich mir, dass du weißt, was dein Mann geantwortet hätte und du weißt auch, wie er geklungen hätte... ich möchte das wie ein Gespräch empfinden, denn das ist der klägliche Rest dessen, was uns geblieben ist.

Ich kann gut nachvollziehen, dass die Wanderungen zu sehr weh tun.

Mein Partner und ich hatten (leider) keine 40 Jahre zusammen und trotzdem war mein erster Ausflug ohne ihn nur in Begleitung möglich und tat sehr, sehr weh. Es muss dir um ein Vielfaches schwerer fallen. Lass dir Zeit. Du wirst es spüren, wenn wieder Stück „neues“ Leben möglich ist.

Danke, mein Tag war... im Grunde gut. Die Familie ist wieder zusammen gesessen, es gab Kaffee, Torte... war nett. Ich konnte mich diesmal allerdings nicht „einbringen“, mitfreuen oder unterhalten. Ich bin heute erschöpft, müde, traurig... Ich hab es mir nicht anmerken lassen... allerdings hat mein Vater mitgekriegt, als mir kurz schwindlig war und ich in den Türstock gelaufen bin (hab die Öffnung der Türe nicht ganz erwischt....). Sein Gesicht „verdunkelte“ sich, wie wenn schwarze Wolken aufziehen, das heißt, er macht sich wieder Sorgen. Das will ich nicht. Es gibt keinen Grund zur Sorge. Die Unpässlichkeiten sind von selbst gekommen, sie haben keine organische Ursache, sie vergehen von selbst wieder... Aber mein Vater ist wie ich: wenn ein Problem nicht zu lösen ist, sondern nur Geduld fordert, ist er überfordert.

Jedenfalls bin ich müde... werde wohl bald schlafen gehen, morgen folgt der nächste Tag, der auch wieder Kraft braucht....

Eine gute Nacht, liebe Wanderin, schlaf gut....

Puzzle