Meine Mama hatte Bauchspeicheldrüsenkrebs und musste viel zu früh gehen...

  • Hallo liebe Community,

    ich habe mich heute hier angemeldet, weil ich gerne meine Geschichte und alles, was mich belastet niederschreiben will...in der Hoffnung, dass es ein wenig hilft oder vielleicht auch anderen hilft.


    Meine liebe Mama ist dieses Jahr Anfang Januar gestorben. Schon beim Schreiben dieser Zeilen schnürt es mir die Kehle zu. Meine Mama war viel zu jung....Sie war erst 54 Jahre alt, ich bin 30. Meine Mama und ich hatten ein sehr inniges, freundschaftliches Verhältnis. Ich konnte mit Ihr über alles sprechen. Sie war meine Mama und gleichzeitig meine Freundin. Meine Eltern sind seit 30 Jahren glücklich verheiratet und haben sich bis zum Schluss unendlich geliebt. Das macht es für mich fast noch unerträglicher, da ich nur erahnen kann, wie es meinem Papa im Moment geht.


    Mama hatte diese - entschuldigung - scheißdrecks Krankheit Krebs. Und leider auch noch eine Art, die nur wenige Ausnahmen auf Heilung zulässt: Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die Diagnose kam 2 Tage vor Weihnachten im Jahr 2020. Es war ein Schock für uns, wir funktionierten nicht mehr richtig. Dennoch haben uns die Ärzte ein wenig Hoffnung gegeben, dass es ja Möglichkeiten mit Chemotherapien usw gibt und meine Mama hat sofort angefangen zu kämpfen. Sie hat so tapfer gekämpft...ich weiß nicht wie viele Chemos sie über sich ergehen lassen musste. Sie hat alle ohne Murren angetreten und es ging Ihr dadurch das letzte Jahr 2021 auch einigermaßen gut. Sie hat noch viele schöne Sachen mit meinem Papa erleben können und wir haben die Zeit auch sehr intensiv genutzt.


    Meine Eltern haben vor mir nie über den Tod und das Abschied nehmen gesprochen. Ich wusste nicht, wie schlimm es eigentlich um sie stand. Das wussten nur sie beide und sie wollten mich dadurch schützen. Ich wusste zwar, dass diese Diagnose furchtbar ist, aber ich als ihr Kind hab natürlich auch keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, dass die Therapie nicht hilft und dass meine Mama so bald sterben wird. Ich habe den Gedanken weit weg geschoben und habe gedacht, dass alles gut wird, da es ihr ja bis Okotber im letzten Jahr auch gut ging.


    Leider wurde es dann im November schlechter....der Tumor ist gewachsen und drückte auf die Galle. Dadurch hat sie Gelbsucht bekommen. Bei diesem Termin im Krankenhaus sagten die Ärzte zu meinen Eltern, dass die Krankheit nun außer Kontrolle ist und sie nichts mehr machen können....sie können zwar noch einmal die Chemo umstellen und einen Stent setzen, damit die Gallenflüssigkeit abfließen kann, aber sie hatten ab diesem Zeitpunkt wenig Hoffnung.


    Meine Mama hat natürlich nochmal alles versucht, sie wollte leben und hat nochmal alles gegeben. Aber es half nicht....Ab Dezember 2021 wurde es für uns als Familie einfach nur furchtbar. Sie hatte im Bauch und in der Lunge Wasser, was man ihr 2x die Woche im Krankenhaus abpumpen musste. Sie konnte nichts mehr essen, nicht mehr trinken, nicht mehr aufstehen, sie war nicht mehr sie selbst. Meine Mama war bis zum Schluss, natürlich unter Absprache mit den Ärzten, bei meinem Papa zu Hause in der gemeinsamen Wohnung. Sie musste mit einem Sauerstoffgerät beatmet werden. Sie hatte Luftnot in der Nacht. Mein Papa ist ihr nie von der Seite gewichen. Es war alles so furchtbar schlimm.


    Einen so geliebten Menschen so mit ansehen zu müssen war für mich unerträglich. Ich hatte noch nie jemanden sterben sehen bzw wusste einfach nicht was auf uns zukommt. Ich bekomme diese Bilder nicht mehr aus meinem Kopf. Sie wog am Schluss nur noch 40 kg bei 160cm. Der Körper baute ab, der Gesichtsausdruck veränderte sich. Es zerbrach mir mein Herz in tausend Stücke. Ich war die letzten 5 Tage vor Ihrem Tod ununterbrochen bei Ihnen zu Hause. Habe mit meinem Mann auf der Couch übernachtet. Ich wollte immer bei Ihr sein. Ich wollte Ihr den Schmerz und die Angst nehmen. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie im Bett liegt und Angst hat. Gott sei Dank hat uns eine Palliative Pflege, die zu uns jeden Tag, wenn gewünscht auch mehrmals, nach Hause kam, sehr unterstützt. Sie gaben meiner Mama Medikamente, damit sie keine Schmerzen haben musste. Sie haben sich so liebevoll um sie gekümmert wie es nur geht. Mit den Ärztinnen konnten wir über alles sprechen und sie haben uns alles in Ruhe erklärt. Wie der Verlauf sein wird, was als nächstes passieren wird usw. Ich war diesen beiden Damen sehr dankbar, denn sie versicherten mir, dass meine Mama zum Schluss keine Angst mehr hat und dass sie keinen Kampf hat, sondern einfach einen letzten Atemzug nehmen wird und dann für immer einschläft. Sie meinte auch, dass sehr viele gehen, sobald niemand mehr im Raum ist, da sie dann besser loslassen können.


    Und so war es dann tatsächlich. An dem Montag Morgen war sie nochmals ganz verändert und ihre Atmung sehr flach. Ich habe nochmal mit Ihr geredet, habe Ihr alles gesagt. Mein Papa und mein Mann ebenfalls. Die beiden gingen dann auf die Terasse um Luft zu schnappen. Ich dachte mir, ich hole ich ihr noch schnell den selbst gebastelten Schutzengel, den sie von dem Sohn Ihrer Schwägerin bekommen hat. Ich hab ihn ihr aufs Bett gestellt, da musste ich sehen, dass sich ihr Ausdruck nochmals stark verändert hat...ich wollte meinen Papa holen und wir standen dann zusammen im Türrahmen, als wir Ihren letzten Atemzug gesehen haben....


    Seitdem sind über 8 Wochen vergangen und ich bin nicht mehr die selbe. Ich lasse die Trauer zu, nehme aber auch wieder am Leben teil. Jedoch bin ich leider vielem gegenüber sehr ängstlich geworden. Ich habe das Vertrauen zum Leben irgendwie verloren. Ich habe mich immer sicher und unbeschwert gefühlt. Doch jetzt plagen mich Gedanken wie "was ist wenn ich auch krank werde?" "was ist, wenn meinem Papa oder gar meinem Mann etwas passiert?" usw. Solche Gedanken fesseln mich manchmal und ich kann schwer aus dieser Spirale ausbrechen. Tagsüber geht es mir ganz gut, aber sobald es dunkel wird, kommt wieder die Trauer, der Schmerz und die Angst. Zwar mittlerweile nicht mehr jede Nacht, aber doch noch häufig. Es ist ja auch alles noch nicht so lange her.


    Ich bin sehr froh, dass ich ein sehr starkes soziales Umfeld habe. Mein Papa und ich sind uns seitdem näher denn je, mein Mann gibt mir unheimlich viel Kraft ohne ihn würde ich es nicht schaffen und meine Freunde sind wahre Engel. Ich bin zuversichtlich , dass auch wieder glückliche Tage kommen. Aber momentan frisst mich die Trauer manchmal auf, ich vermisse meine Mama so sehr. Sie wird so vieles nicht mehr mit mir erleben. Auf der anderen Seite bin ich so dankbar, dass wir so ein tolles Verhältnis zueinander hatten, dass sie mir so viel Liebe geschenkt hat und wir trotzdem 30 tolle Jahre miteinander verbringen durften.


    Die Trauer verändert einen Menschen. Ich wünsche allen da draußen, die gerade einen geliebten Menschen gehen lassen müssen viel Kraft. Ich bin bei allen in Gedanken, ich verstehe und kann nachvollziehen was Ihr durchmacht. Aber lasst uns zusammen zuversichtlich sein, auch in den dunkelsten Tagen. Das hätten unsere Lieben bestimmt auch so gewollt. Dass wir weitermachen, dass wir weiterleben...mit Ihnen ganz tief in unseren Herzen und sie jeden Tag mitnehmen. Der Tod kann so vieles wegnehmen, jedoch nie die Liebe zu einem Menschen. Dieser Satz gibt mir Trost, ich hoffe Euch auch.

  • mein herzliches Beileid..

    auch ich musste meinen Mann und Mama innerhalb 10 Monate gehen lassen, Krebs.... zwei wichtige Menschen in meinen Leben...

    Zu meiner Restfamilie musste ich den Kontakt abbrechen und mein Mann hatte keine Familie..

    Meine Tochter, 22, ist mein einziger familiärer Halt und umgekehrt... und deshalb muss ich stark bleiben und darf nicht aufgeben!

  • Liebe Theresachristina!

    Es tut mir so leid, dass deine Mutter so früh gehen musste.

    O, diese Krebsart und die Erzählungen darüber berühren mich noch einmal auf besondere Weise. Ich habe im Dezember meine beste Freundin daran verloren. Ich habe ihr Kämpfen, ihre Verzweiflung und die Verzweiflung der Söhne und ihres Mannes erlebt, ich kann nachvollziehen, wie es dir geht.

    Sei herzlich willkommen und erleichtere dich etwas beim Schreiben hier .

    Hedi

  • Liebe Theresa Christina


    Mein tiefes Mitgefühl zum Verlust deiner geliebten Mama.
    Das tut mir sehr leid.


    Du hast Recht.
    Krebs ist schon -sorry- A..... genug.
    Aber manche Arten davon sind es noch mehr.

    Bauchspeicheldrüsenkrebs gehört dazu.


    Meine Tante starb daran, innert 6 Wochen nach der Diagnose.

    Auch sie hätte noch leben dürfen.


    Aber 54 Jahre...
    Wie traurig.

    Ja, es ist unfair.


    Und ich hätte dir bzw. euch gewünscht dass ihr so etwas nie etwas hättet durchmachen müssen.


    Es freut mich aber dass du ein stabiles Umfeld hast.


    Auch ich war dankbar für meine Familie, Freundeskreis und Umfeld welches mich nach dem Verlust meiner Mutter getragen hat.
    Das hat nicht jeder und ist auch nicht unbedingt selbstverständlich.


    Auch für dieses Forum bin ich dankbar.

    Schön, dass du uns gefunden hast.

    Hier ist immer jemand da der dir "zuhört" / antwortet.


    Und ja, dein vorletzter Satz gefällt mir sehr.
    Auch ich finde ihn tröstend.


    LG
    King

  • Liebe Theresa Christina,


    gut dass du dir schon einiges von der Seele schreiben konntest.


    Es berührt sehr deine Geschichte und die deiner Mama, deiner Familie zu lesen.


    Viel zu früh musste sie gehen und viel zu früh hast du sie verloren.


    Einen geliebten Menschen auf so einem schlimmen, angstmachendem Weg zu begleiten ist hart und kostet sehr viel Kraft. Diese Zeit musst du erst einmal verarbeiten. Es ist so gut, dass ihr als Familie zusammensteht, das hilft euch allen bei der Bewältigung der Trauer.


    Diese furchtbaren Bilder... Ich weiss... sie werden sich noch einige Male bei dir melden, bis du ihnen ein wenig an Schrecken nehmen kannst. Einen geliebten Menschen so leiden zu sehen ist unfassbar hart.


    Schreib dir alles von deiner Seele was auch immer du möchtest, du wirst gehört und bekommst Antworten.


    Lass Dich in tiefem Verstehen umarmen, wenn Du magst... Alles alles Liebe Pia

  • Hey, ich kann Dich in allem sehr gut verstehen!Ich bin ein ganz bisschen älter als Du (39 Jahre) und mein Vater ist letzte Woche gestorben. In seinem Fall war es sehr überraschend.


    Was ich sehr fühle, sind die von Dir beschriebenen Gedanken an all das, was unsere Lieben nun nicht mehr erleben werden. Das ist für mich der schlimmste Gedanke. Ich habe ein Baby und mein Vater war stolzer Opa, er hatte noch viel vor mit dem Kleinen, aber auch davon ab viele Pläne, Reisen, Unternehmungen…

    Und gleichzeitig ist es ein großes Geschenk, dass wir so viele schöne Erinnerungen sammeln durften mit unseren Eltern, an die wir irgendwann mit Freude zurückdenken können.Momentan tun sie mir noch weh.


    Auch diese Verlustangst kenne ich…denke, das ist normal nach solch einem einschneidenden Ereignis. Ich werde das bei mir im Auge behalten und wenn ich merke, dass es zu schlimm wird, würde ich auch auf therapeutische Hilfe zurückgreifen.


    Ich finde es sehr schön, dass Du zuversichtlich nach vorn schaust, das tue ich auch. Es tut sehr weh, aber es werden wie Du sagst glückliche Tage kommen, da bin ich mir sicher<3Bis dahin ist es glaube ich am Allerwichtigsten, alle Gefühle zuzulassen und viel drüber zu sprechen. Das hilft mir zumindest sehr, ich erzähle echt jedem davon, bis zur Nachbarin und dem Fensterputzer.Und ich bin so froh um meine tollen Freunde und Familie…schön, dass Du so großartige Menschen um Dich hast!


    Ich wünsche Dir von Herzen alles Liebe und dass Du bei aller Trauer und allem Schmerz Deine positive Sicht behältst, das inspiriert mich sehr!

  • Liebe Theresachristina,


    es tut mir sehr leid , dass deine liebe Mama so früh gehen musste! Mein herzliches Beileid :30:

    Ich fühle mit dir , meine Mama ist Ende Februar auch an dieser Sch... Krankheit :4:gestorben. Es ist sehr schwer😥 und manchmal nicht zum Aushalten.

    Gut , dass du ein stabiles Umfeld hast , wo ihr euch gegenseitig helfen könnt.

    Leider fallen mir keine richtigen Trostworte ein , außer du bist nicht allein !


    Alles Liebe :30:❤️

  • Liebe Theresachristina, es tut mir sehr leid, dass du deine Mama verloren hast und was sie durchmachen musste.


    Es ist so unglaublich schwer einen geliebten Menschen gehen lassen zu müssen. Was du schreibst, kann ich so gut verstehen. Das Vermissen, das in unzählige Stücke zersprungene Herz, die Ängstlichkeit......


    Das Lesen und Schreiben hier im Forum kann sehr helfen. Fühl' dich willkommem.


    Ganz liebe Grüsse

    Kiry

  • mein herzliches Beileid..

    auch ich musste meinen Mann und Mama innerhalb 10 Monate gehen lassen, Krebs.... zwei wichtige Menschen in meinen Leben...

    Zu meiner Restfamilie musste ich den Kontakt abbrechen und mein Mann hatte keine Familie..

    Meine Tochter, 22, ist mein einziger familiärer Halt und umgekehrt... und deshalb muss ich stark bleiben und darf nicht aufgeben!

    Das ist so furchtbar....mein herzliches Beileid und tiefes Mitgefühl...schrecklich. Ich hoffe Du findest den Mut und die Kraft weiterzumachen. Ich wünsche es Dir.

  • Mein tief empfundenes Mitgefühl und Beileid zum Verlust Deines Vaters. Ich kann nur nachvollziehen, wie es Dir gerade gehen muss. Lass die Trauer zu, bei so einem schlimmes Verlust - gerade auch wenn es so plötzlich kam - muss man alle Gefühle zulassen. Mir tut das Reden auch wahnsinnig gut und erzähle auch immer jeden davon. Das finde ich auch sehr gut, das ist auch eine Art der Verarbeitung. Ja die Gedanken, dass unsere Lieben bei einschneidenden Momenten oder auch bei kleinen Glücksmomenten nicht mehr dabei sind, die fressen mich auch manchmal auf. Aber dann denke ich mir, dass sie bestimmt trotzdem bei uns sind und alles sehen, nur nicht so wie wir es eben gewohnt waren. Ich rede auch noch viel mit meiner Mama, ich denke mir einfach, dass sie es hört. Alles Gute auf Deinen Weg, pass auf Dich auf, es werden bestimmt wieder bessere Tage kommen, aber im Moment ist es einfach nur traurig und man darf es dann auch einfach sein.

  • Ihr Lieben,

    ich danke jeden einzelnen von Euch für Eure Nachricht und Euer Mitgefühl. Es ist schön, verstanden zu werden. Aber es macht mich auch so unendlich traurig, wie viele Menschen mit so einem schlimmen Schmerz umgehen müssen. Ich wünsche Euch allen nur das Beste! Achtet auf Euch, macht das, was Euch gut tut. Es gibt kein richtig und kein falsch.


    Bei mir kommen seit einigen Nächten die Bilder von meiner Mama wieder, wie sie die letzten 2 Tage kurz vor Ihrem Tod im Bett lag. Ging es Euch auch so?: mich hat dieser Anblick sehr verschreckt oder verstört. Ihre Augen und Mund waren immerzu geöffnet und sie atmete nur sehr flach und starrte an die Decke. Sie sah einfach nicht mehr aus wie meine Mama...ich konnte nicht verstehen, wie man sich so heftig im Gesicht verändern kann. Ich weiß nicht, ob sie das alles noch mitbekommen hat...meine Mama war immer so eine starke und selbstbewusste Frau. Sie hat sich von niemanden etwas sagen lassen und stand mit beiden Beinen im Leben. Sie so hilflos und regungslos zu sehen war ziemlich heftig und es hat mir wirklich, wie ich oben schon geschrieben habe, mein Herz gebrochen. So dünn, so schwach,...ich könnte einfach nur weinen. Meine größten Bedenken waren auch - wahrscheinlich da ich selber so eine große Angst vor dem Tod habe bzw weil man nicht weiß was danach kommt - dass meine Mama große Panik hat und ihr bewusst war, dass sie stirbt. Ich konnte sie das nicht fragen, sie war ja nicht mehr ansprechbar. Aber ich habe Ihre Hand gehalten, das weiß ich noch sehr gut, und habe Ihr gesagt, dass es für mich OK ist, wenn es nur für sie in Ordnung ist zu gehen. Dann hat sie meine Hand 2x ganz fest gedrückt. Ich wollte einfach, dass es für sie nicht so schlimm ist. Ich wusste nicht, ob sie wirklich abgeschlossen hatte, da sie ja immer eine Kämpfernatur war. Als sie sich ein letztes mal noch aufsitzen konnte haben wir uns umarmt und sie hat mich gestreichelt, so als würde ihr alles so Leid tun, dass sie mir das antun muss. Aber umgekehrt habe ich nie an mich gedacht sondern immer nur an sie. Ich wollte ihr nur die Angst nehmen, Ich hoffe so sehr, dass sie ohne Angst gehen konnte. Ich war ja dabei, als sie eingeschlafen ist und je mehr Stunden vergingen, veränderte sich Ihr Gesicht wieder. Ihr Ausdruck war auch irgendwie erleichtert...dass sie den ganzen Schnerz und Kummer nun überstanden hat. Wie war es denn bei Euch? Wie seid Ihr mit all dem umegangen?

  • Liebe Theresa Christina,


    beim Lesen konnte ich dir so mitfühlen ❤️und mir kamen die Tränen.


    Ich musste auch 4 Jahre die Veränderungen meines Papa's miterleben. Auch mein Herz ist gebrochen.


    Was du beschreibst, dass man den geliebten Menschen ja so garnicht kennt, ist schwer zu begreifen und zu ertragen und die Erinnerungen kommen immer wieder. Am Anfang dachte ich ich werde verrückt vor Schmerz als mir immer wieder diese schlimmen Bilder kamen und auch ich habe mich gefragt ob er gelitten hat. Jeder Arzt wird dir sagen, daß sie keinen Schmerz hatten, fast alle bekommen ja Schmerzmittel und ich spürte auch, dass mein Papa bereits in einem ganz anderen Bewusstseinszustand war, in denen es ihnen sehr gut geht, sagt man. Sie nehmen noch wahr, daß wir da sind und ihnen Liebe und Fürsorge schenken. Auch mein Papa hat meine Hand gedrückt als ich schluchzend an seinem Bett saß und ihm sagte, er solle sich nicht quälen, er könne gehen. Er starb 4 Tage später, alleine, aber fast die ganze Familie konnte sich noch verabschieden und man hört ja oft, dass sie alleine gehen möchten, aber das ist nicht bei allen so. Mich quält heute noch, dass er alleine war. Es ist so gut, dass du bei ihr sein konntest und ja, dieser friedliche Ausdruck in ihrem Gesicht, war der Friede und das Glück das deine Mama empfunden hat, endlich dort zu sein wo es ihr wieder gut geht.


    Auch mir kommt oft alles wieder in meine Erinnerung und es tut immer wieder furchtbar weh, aber ich kann dir zum Trost sagen, dass es etwas seinen Schrecken verliert und man mit noch viel mehr Liebe zurück blickt.


    Deine Mama war viel zu jung, das ist so hart. Aber darüber haben wir keine Kontrolle. Frag dich nie warum, darauf gibt es nie eine Antwort und es würde dich unnötig quälen.


    In deinem Alter war es mir noch völlig fremd, dass ein Elternteil sterben könnte. Erst ein paar Jahre später, als mein Papa seinen ersten schweren Herzinfarkt hatte, fing ich an mich damit auseinander zu setzen. Aber wenn es dann passiert ist niemand darauf vorbereitet.


    Du hast dich so tapfer gehalten, hast dich in den Hintergrund gestellt, alles für deine Mama getan, das zeigt deine Stärke und Liebe und du kannst so stolz auf dich sein und deine Mama ist es auf dich.


    Ich denke so oft, ich hätte so gerne noch so viel mehr für meinen Papa getan und in deinem Alter hätte ich das, was du geschafft hast garnicht gekonnt ❤️


    Alles Liebe Pia

  • Liebe Theresachristina


    Auch ich möchte dir meine tiefe Anteilnahme zu deinem schweren Verlust sagen. Still lese ich meistens mit, doch fehlt mir oft die Kraft ob der Schwere der vielen Schicksale und auch des eigenes immer sofort zu schreiben.
    Es ist gut dass du hierher „ gefunden“ hast , obwohl niemand hier sein wollte. Aber hier wird man wirklich verstanden ohne wenn und aber , auch wenn jeder anders mit seiner Trauer umgeht. Denn das ist das entscheidende , dass die ureigenste Trauer verstanden wird, was in der Außenwelt um einem herum oft schwer ist.


    Wie sehr kann ich deine Gedanken und deine Gefühle um die letzten Tage nachvollziehen.
    Es ist so , dass diese Zeit einem nicht loslässt. Es ist wie ein Trauma. Du bist da nicht allein.
    Mein geliebter Mann bekam am 20.06.2021 die Diagnose Lungenkrebs mit Metastasen im Kopf.
    Die Ärzte hatten ihn sofort „ abgeschrieben „ . Doch widererwarten erholte er sich so gut, kämpfte , war fast wieder der Alte. Er war immer sehr agil, vital , eigentlich unkaputtbar.
    Doch im Herbst kam der Rückschlag . Und ein epileptischer Anfall leitete die letzten 3 Wochen ein. Er konnte nichts mehr. Nicht sprechen, essen , einfach nichts.
    Er konnte mich nur angucken mit seinen großen braunen Augen ( in die ich mich so verliebte) . Ich weiß nicht was er dachte, welche Angst ihn umtrieb ( will ich nicht drüber tiefer nachdenken) .
    Ich habe immer mit ihm gesprochen . Er war so klar im Blick , aber halt“ gefesselt „.


    Es ist so wie du schreibst, dass einem diese Tage nicht loslassen. Bei mir sind es jetzt 4 Monate her.
    Doch noch sind diese letzten 3 Wochen traumatisch. Allerdings seit dieser Woche ein klein wenig anders. Weil ich versuche nicht permanent an diese letzte furchtbare Zeit zu denken .


    Ich kann dir diesen Schmerz darum nicht nehmen. Ich möchte dir nur sagen , ich verstehe dich und deinen Schmerz so sehr. Uns hier in diesem Schmerz zu vereinen , kann uns diesen nicht nehmen, aber wissen du / wir sind nicht allein.
    Ihn auszuhalten ist unendlich schwer und trotzdem müssen wir . :33::33::33::33:


    Herzliche Grüße <3<3

  • Liebe Pia1962,

    vielen Dank für Deinen langen Text <3 ja es stimmt, es ist so hart seine Eltern so zu sehen....danke dass Du Deine Erfahrung mit mir geteilt hast. Ich kann Dir sagen, quäle Dich nicht so, dass Du nicht bei Deinem Papa warst als er gegangen ist. Ich habe darüber sehr lange mit einer Palliativ Ärztin gesprochen. Sie war wirklich einfühlsam und hat schon viele Menschen und Angehörige auf diesen schwierigen Weg begleitet. Sie meinte zu uns, dass es in den meisten Fällen sehr oft vorkommt, dass die Menschen, sobald sie alleine sind (und sei es nur 5 Minuten) gehen. Sie meinte auch, falls dies bei uns der Fall sein sollte, dass man sich bloß keine Vorwürfe machen soll. Viele können einfach besser loslassen, wenn sie alleine sind. Vor allem Eltern können wohl nur schwer gehen, wenn die Kinder noch im Raum sind. Die Ärztin meinte, dass viele Sterbende den Angehörigen das ersparen möchten und sie sie noch ein letztes Mal schützen möchten. Das ist vollkommen in Ordnung wenn es so ist. Es ist so gut, dass Ihr Euch alle verabschieden konntet. Dein Papa hat das gespürt, sie merken die Anwesenheit. Er konnte noch einmal bei allen sein und dann konnte er wohl einfach besser loslassen - das ist nur meine Erfahrung vielleicht hilft es Dir etwas dass Du nicht so sehr quälst. Danke für Deine lieben Worte am Schluss, das hat mich sehr berührt. Alles Liebe, Theresa

  • Liebe Sonnenschein57,

    vielen Dank, dass auch Du Deine schmerzlichen Erfahrungen mit mir teilst <3 es tut mir furchtbar Leid, dass Du Deinen geliebten Mann auf so eine furchtbare Weise verloren hast. Ich kann Deinen Schmerz nur erahnen...es ist einfach so unendlich traurig. Ich hoffe Du findest Trost bei Deiner Familie und Freunden. Es ist sehr schwer, hier die passenden Worte zu finden :( wie Du schon geschrieben hast, der Schmerz ist sehr schwer auszuhalten und doch müssen wir....In Deinen Zeilen kann ich die Liebe zu Deinem Mann finden. Es ist und bleibt wohl ein Trauma, dass man geliebte Menschen so sehen muss...so verändert und hilflos. Aber die Liebe kann uns trotzdem keiner weg nehmen, auch wenn es dadurch noch viel schmerzhafter ist. Tut mir nochmal so Leid! Für alle hier. Aber wir sind mit dem Schmerz nicht alleine. Ich hoffe, Du findest wieder Deinen Weg und erlebst bessere Tage. Alle Liebe, Theresa

  • Es sind mittlerweile ein paar Wochen vergangen, seit meine Mama am 10.01.22 um 09:45 Uhr eingeschlafen ist. Es kommt mir so unwirklich vor, diese Zeilen zu schreiben, und doch wird es jetzt, nach ein paar Wochen Abstand viel realer. Ich muss abends, wenn ich zur Ruhe komme und für mich bin so oft weinen. Ich kann sie nicht anrufen, keine whatsapp schreiben. Sie ist einfach nicht mehr da.


    Mein Mann und ich haben mein Elternhaus das ganze letzte Jahr lang renoviert und konnten im November dann einziehen. Meine Mama war so happy, dass ich wieder in das Haus einziehen mag bzw dass wir es neu und schön renoviert haben. Wir haben immer davon geredet, dass sie mir hilft, die Küche einzurichten usw. Meine Mama war ein sehr kreativer Mensch, sie hat sich immer sehr modisch und schick angezogen und das spiegelte sich auch an Ihrer Einrichtung wieder. Ich ging so gerne mit Ihr zum einkaufen, sei es Deko oder Klamotten. Es bricht mir das Herz, dass sie das Haus nicht mehr sehen kann, wie es nun weiter wächst.


    Wenigstens konnten wir einmal noch im Oktober ein Glas Champagner zusammen im Haus trinken. Ich war zu diesem Zeitpunkt so wahnsinnig naiv. Ich habe gesehen, dass meine Mama trauriger war als sonst, dass sie öfter weinte, dass sie Angst hatte. Ich habe ihr immer gut zugeredet und wir haben so viel telefoniert oder Zeit zusammen verbracht. Aber den Gedanken daran, dass sie bald stirbt (den sie zu dieser Zeit schon längst hatte) konnte ich nich greifen, Ich war der festen Überzeugung, dass wir alle zusammen Weihnachten im Haus verbringen, dass ich etwas schönes koche. Aber sie war an Weihnachten einfach schon viel zu schwach, um aus dem Haus zu gehen....ich habe es nicht kapiert, dass dies schon das Ende "eingeläutet" hat, ich weiß auch nicht wie ich es beschreiben soll.


    Wir haben dann Weihnachten bei meinen Eltern in der Wohnung gefeiert...meine Mama hat ein wenig gegessen und nicht viel geredet, Es strengte sie schon sehr an. Wir haben dann zusammen auf der Couch Kevin allein zu Haus angesehen. Das ist auch noch eine schöne Erinnerung an sie. Diese Tage kommen mir so komisch vor, dass ich es einfach nicht realisiert hab...ich hätte sie dann vielleicht noch fester umarmt und gesagt, wie sehr ich sie liebe. Ich habe den Gedanken immer weg geschoben, mein Papa hat es mir nicht direkt gesagt, aber er hat natürlich angdeutet, dass Mama sehr schwach ist und wir schauen sollen, dass sie keine Schmerzen hat usw. Das alles habe ich gehört, aber nicht verstanden...


    An Silvester haben mein Mann und ich eine Party im Haus mit Freunden gefeiert. Ich habe an dem Tag lange mit Ihr telefoniert, da war sie auch noch "fit" und das reden strengte sie an diesem Tag nicht mehr so an. Sie hat mir noch Tipps zum Essen gegeben, wie wir was anrichtichten und anbraten sollen an dem Abend. Ich dachte mir "wow es geht ihr ein wenig besser" sie wirkte so unbeschwert und wir haben über 1 Stunde telefoniert, ohne dass sie müde wurde. 10 Tage später ist sie einfach gestorben....10 Tage! Das war das schlimmste für mich, ich dachte mir immer, ich habe doch gerade noch mit Ihr telefoniert....sie kann doch nicht innerhalb von 10 Tagen so schnell sterben.


    Ich weiß noch genau, als mein Papa mich am Mittwoch, den 05.01.22 angerufen hat, dass ich alleine kommen soll, weil es Mama nicht sehr gut geht und immer wieder Atmenot hatte. Ich sperrte die Wohnungstür zu meinen Eltern auf und im Flur stand ein riesiges Sauerstoffgerät, dass immerzu brummte, Ich kann mich so genau erinnern....ich habe mich erschrocken, dass dieses Gerät da stand, dass sie es brauchte um besser zu atmen. Obwohl mir mein Papa erst noch erzählt hat, dass er so eines für zu Hause besorgt. Ich war richtig perplex, habe mir gedacht "WARUM braucht sie das denn jetzt auf einmal?". Ich war einfach richtig im Verdrängungsmodus.


    Der Anblick von meiner Mama war dann natürlich richtig schlimm. Ich habe sie erst am Sonntag, also am 02.01.22 noch gesehen, wir haben zusammen Abend gegessen und haben uns unterhalten. Am Mittwoch dann war sie schon ganz apathisch, hatte Aussetzer, hat auf einmal nicht mehr alles mitbekommen was wir ihr erzählt haben.....es ging wirklich sehr schnell, dass Ihr Körper so abbaute. Meine Mama hatte so einen starken Willen, sie hat Ihr Leben nur durch Ihren Willen verlängert, die Ärzte gaben ihr (was ich erst nach Ihrem Tod erfahren hab) nur 3 Monate zu leben. Meine Mama hat aber über 1 Jahr lang noch weiter gelebt.


    Ich hab mich zu Ihr auf die Couch gesetzt, sie war schon so schwach und hat geschlafen. Sie wurde wach und hat mich angesehen...mit einem Blick...der hat mir gesagt, dass es ihr sehr schlecht ging aber sie konnte es mir nicht sagen. Sie döste immer wieder weg und schreckte dann hoch. Dann hat sie sich umgesehen, ob jemand da war. Ich hab ihre Hand gehalten, mich ganz nah an sie ran gedrückt und musste bitterböse weinen. Meine Mama wollte nie, dass ich vor Ihr weine, das hat sie nie ertragen, dass ich so traurig wegen ihr bin. Aber diesesmal konnte ich nicht anders. In diesem Moment habe ich realisiert, WIE schlimm es ist und dass ich sie bald nicht mehr sehen werde. Es war so furchtbar.


    Ich war ab Mittwoch immer für Sie da, am Montag ist sie gestorben. Diese paar Tage zu Hause bei meinen Eltern waren so intensiv. Die werden mir immer in Erinnerung bleiben. Wir haben sie gewaschen, haben ihr beim essen und trinken geholfen. Ich habe Ihr Eiswürfel gemacht, die taten Ihr gut, da sie einfach nichts mehr essen konnte. Die ganze Wohnung war voll mit Medikamenten, einem Rollstuhl, dem Sauerstoffgerät...sie glich einem Krankenhaus. Ich hab mit meiner Mama wieder fern geschaut, hab dabei ihre Hand nicht los gelassen. Ich erinnere mich, wir haben Shopping Queen angeschaut. Ein schöner Film beruhigte sie etwas. Und mich auch.


    Abends am Freitag bekam mein Papa Besuch von einem Freund, Ich lies die beiden alleine und legte mich zu Mama ins Bett. Wir hatten sie vorher mit Mühen von der Couch in den Rollstuhl und dann ins Bett gebracht, Es war so schlimm das mit ansehen zu müssen. Aber ich tat es gerne, sie hat sich um mich auch bedingungslos gekümmert, als ich ein Baby war und es nicht konnte. So habe ich es verglichen....Ich machte uns im Bett noch einen schönen Film an, sie starrte zu dieser Zeit ja nur noch an die Decke wie ich oben schon mal beschrieben hab. Dieses Gesicht war einfach nicht mehr sie...aber ich wollte keine Angst haben, ich wollte bei ihr sein und sie beruhigen. Ich bin dann eingeschlafen neben ihr, ihre Hand in meiner Hand ganz nah dran.


    An Ihre Atmung erinnere ich mich auch....immer wieder setzte sie aus, begann dann wieder mit einem tiefen Atemzug. Es wurde immer unregelmäßiger. Immer wenn sie länger nicht mehr eingeatmet hat, habe ich auch aufgehört zu atmen. Ich dachte immer, jetzt ist es soweit, sie atmet nicht mehr ein. Aber das sollte noch ein wenig dauern. Ich habe, wie ich schon beschrieben habe, sehr viel mit den Palliativ Ärzten gesprochen. Ich habe sie auch gefragt, wie sie so einen Job nur aushält...das ist wahnsinn. Nur sterbende Menschen und die Angehörigen begleiten. Sie meinte zu mir, sie hat zum Sterben eine andere Beziehung. Sie sieht den Tod als eine Erlösung. Sie nimmt zwar auch sehr viel mit heim, aber sie weiß, dass die Menschen gut aufgehoben sind wenn sie gehen.


    Ach Mama ich vermiss Dich so sehr! Nie hätte ich gedacht, dass uns so ein Schicksalsschlag trifft. Das wird mich jetzt mein ganzes Leben lang begleiten. Ich muss lernen, die neue Realität anzunehmen, mit ihr umzugehen. Aber das ist so schwer. Ich weiß auch gar nicht, wie ich meinem Papa helfen soll. Er kämpft sich durch, er ist so tapfer. Ich weiß das macht er für sie und für mich. Wie seid Ihr denn mit Euren verbliebenen Elternteil umgegangen? Wie habt Ihr das erlebt? Mein Papa und meine Mama waren unsterblich ineinander verliebt, ein richtiges Dream Team. Sie kannten sich schon, da warem beide erst 18. Ich würde es nicht ertragen, wenn mein Mann plötzlich nicht mehr da wäre. Mein Papa ist so stark, er unternimmt viel mit Freunden und lenkt sich ab. Aber ich denke mir, abends muss er doch so alleine sein in der Wohnung...


    Jetzt habe ich viel geschrieben und es gibt noch so viel mehr, aber das mache ich dann im nächsten Beitrag. Ich bedanke mich schon mal an Alle fürs lesen.

  • Liebe theresachristina,

    es tut mir sehr leid, dass wir beide hier in diesem Forum landen mussten (so gut es ist, dass es diesen Ort gibt) und unsere Mamas verloren haben.


    Dein Begleiten beim Dahinscheiden deiner Mama ist unendlich schmerzhaft gewesen, das spürt man wenn man deine Zeilen liest.

    Und ich weiß ein wenig, wovon du sprichst, ich habe zweimal Verwandte mit Bauchspeicheldrüsenkrebst begleitet. Die Erinnerungen kamen wieder hoch - aber ich habe dabei auch gemerkt, dass die Zeit den Schrecken dieser Bilder mit der Zeit gut abgemildert hat. Doch wenn ich deine Worte lese, erinnere ich mich wieder...

    Vor allem dieses Gesicht, das aussieht wie ein Totenkopf, das hat mich sicherlich monatelang festgehalten. Ich habe wochenlang fremde Menschen am Gehsteig vorbei gehen gesehen und in mir kam das Bild hoch, wie sie am Totenbett aussehen werden: die Wangenknochen hervorgetreten, das Gesicht dasselbe und doch ganz anders. Es gibt einen wissenschaftlichen Begriff und Erklärung dazu, warum unsere Gesichter sich so wandeln im Sterben, aber ich glaube, nur wer einen nahen Menschen dabei beobachten muss, kann verstehen was das in einem auslöst.

    Ich sehe diese so dünnen Beine. Diesen einst so geschmeidigen Körper. Die Augen. Die trockenen Lippen, das unbeholfene Umbetten, das elende Fresubin-Löffeln, das viel zu kleine Nachttischchen, die Banalität des Ablenkens.

    Es tut mir unendlich leid, dass so etwas passiert.


    Meine Mama ist bei einem Verkehrsunfall im Herbst gestorben, sie war total fit und kerngesund. Sie ging aus der Tür, ich habe sie als letztes gesehen, sie war etwas in Eile weil sie für mich noch etwas erledigte.

    Und sie kam nie wieder heim zu mir und unserer Familie.

    Und ich wünschte so sehr, ich hätte sie noch umarmen können einige Zeit, und mich bedanken, und ihr noch einige Dinge sagen. Und sie noch so viel fragen. Ich bin völlig unvorbereitet für die neue Situation, für das Leben hier ohne sie. Ich wünschte, ich hätte mich noch einmal bewusst zu ihr kuscheln können.


    Aber ich kenne das Begleiten beim Sterben, und das wünsche ich ihr (und mir?) genauso wenig. Drum weiß ich nicht, ob es dir ein Trost ist, dass du für sie so da sein konntest an ihren letzten Tagen, dass du das erlebt hast, dass man dann eigentlich eh nicht mehr so viel sagen kann (obwohl es noch einiges gäbe) - oder ob das eine zusätzliche Bürde ist, mit den Bildern von deiner Mama ohne Kraft übrig zu bleiben.


    Ich glaube nicht, dass du naiv warst - oder vielleicht, wenn du es so schreibst - aber ich denke, wir wünschen uns einfach das Beste, und drum konntest du die Endgültigkeit der Diagnose vorher vermutlich auch gar nicht annehmen. Dein Optimismus war vielleicht auch hier am Werk einfach? Wichtig ist, dass du für sie da warst - und das schreibst du ja.

    Du schreibst trotz all der Schwere sehr positiv auch dazwischen, und obwohl du sagst, dass du völlig überrascht warst, wie schnell es ging - mir kam bei deinen Schilderungen der Eindruck, dass du schon einiges an "Vorarbeit" beim Abschied-Nehmen geleistet hast, und jetzt sehr reflektiert mit der Trauer umgehen kannst. Aber vielleicht erlebst du das auch ganz anders, ich war einfach beeindruckt von deinem Optimismus.


    Es ist bei mir schon mehrere Monate her, und ich bin so weit weg von allen rundherum. Es ist wie bei dir: ich funktioniere halbwegs unter tags, ich habe ein ganz kleines Kind. Aber abends...


    Ich merke auch, aber das jetzt erst in den letzten Wochen verstärkt, dass viele Sekundärverluste eingetreten sind. Freundschaften, die ihre Strahlkraft verloren haben, weil das was ich erlebe nicht gut anschlussfähig ist und die Unsicherheit im Umgang miteinander (beidseitig) im Weg steht. Meine Orientierung im Leben, die Überzeugung dass es einen Sinn hat, dass "Guten Menschen Gutes geschieht" - die habe ich aktuell verloren, und das birgt natürlich eine gewisse Fremdheit mir selbst gegenüber. Ich weiß nicht, ob das bei dir auch so ist - oder ob das bei plötzlichen Unfall-Verlusten eher auftritt?


    Ich wünsch dir alles Liebe!

  • Aja und zu deiner Frage: mit meinem Papa ist es wie bei dir. Ich bin ehrlich gesagt überrascht davon, wie stark er ist bzw. wirkt. Auch meine Eltern waren ein Dream Team, ich kann mich nicht erinnern sie je bösartig miteinander erlebt zu haben, dafür so oft so liebevoll, sie waren auch seit ihrer Jugend ein Paar.


    Ich besuche ihn täglich mit meinem kleinen Kind, ich helfe so gut es geht bei praktischen Dingen - aber ich weiß auch nicht so recht, wie es ihm wirklich geht. Und ich weiß nicht, ob ich gerade genug Energie hätte, es herauszufinden und halten zu können... ich lass ihn da gerade entscheiden, wie sehr er mit mir darüber reden mag oder nicht - und das ist halt eher weniger aktuell.