Hallo liebe Community,
ich habe mich heute hier angemeldet, weil ich gerne meine Geschichte und alles, was mich belastet niederschreiben will...in der Hoffnung, dass es ein wenig hilft oder vielleicht auch anderen hilft.
Meine liebe Mama ist dieses Jahr Anfang Januar gestorben. Schon beim Schreiben dieser Zeilen schnürt es mir die Kehle zu. Meine Mama war viel zu jung....Sie war erst 54 Jahre alt, ich bin 30. Meine Mama und ich hatten ein sehr inniges, freundschaftliches Verhältnis. Ich konnte mit Ihr über alles sprechen. Sie war meine Mama und gleichzeitig meine Freundin. Meine Eltern sind seit 30 Jahren glücklich verheiratet und haben sich bis zum Schluss unendlich geliebt. Das macht es für mich fast noch unerträglicher, da ich nur erahnen kann, wie es meinem Papa im Moment geht.
Mama hatte diese - entschuldigung - scheißdrecks Krankheit Krebs. Und leider auch noch eine Art, die nur wenige Ausnahmen auf Heilung zulässt: Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die Diagnose kam 2 Tage vor Weihnachten im Jahr 2020. Es war ein Schock für uns, wir funktionierten nicht mehr richtig. Dennoch haben uns die Ärzte ein wenig Hoffnung gegeben, dass es ja Möglichkeiten mit Chemotherapien usw gibt und meine Mama hat sofort angefangen zu kämpfen. Sie hat so tapfer gekämpft...ich weiß nicht wie viele Chemos sie über sich ergehen lassen musste. Sie hat alle ohne Murren angetreten und es ging Ihr dadurch das letzte Jahr 2021 auch einigermaßen gut. Sie hat noch viele schöne Sachen mit meinem Papa erleben können und wir haben die Zeit auch sehr intensiv genutzt.
Meine Eltern haben vor mir nie über den Tod und das Abschied nehmen gesprochen. Ich wusste nicht, wie schlimm es eigentlich um sie stand. Das wussten nur sie beide und sie wollten mich dadurch schützen. Ich wusste zwar, dass diese Diagnose furchtbar ist, aber ich als ihr Kind hab natürlich auch keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, dass die Therapie nicht hilft und dass meine Mama so bald sterben wird. Ich habe den Gedanken weit weg geschoben und habe gedacht, dass alles gut wird, da es ihr ja bis Okotber im letzten Jahr auch gut ging.
Leider wurde es dann im November schlechter....der Tumor ist gewachsen und drückte auf die Galle. Dadurch hat sie Gelbsucht bekommen. Bei diesem Termin im Krankenhaus sagten die Ärzte zu meinen Eltern, dass die Krankheit nun außer Kontrolle ist und sie nichts mehr machen können....sie können zwar noch einmal die Chemo umstellen und einen Stent setzen, damit die Gallenflüssigkeit abfließen kann, aber sie hatten ab diesem Zeitpunkt wenig Hoffnung.
Meine Mama hat natürlich nochmal alles versucht, sie wollte leben und hat nochmal alles gegeben. Aber es half nicht....Ab Dezember 2021 wurde es für uns als Familie einfach nur furchtbar. Sie hatte im Bauch und in der Lunge Wasser, was man ihr 2x die Woche im Krankenhaus abpumpen musste. Sie konnte nichts mehr essen, nicht mehr trinken, nicht mehr aufstehen, sie war nicht mehr sie selbst. Meine Mama war bis zum Schluss, natürlich unter Absprache mit den Ärzten, bei meinem Papa zu Hause in der gemeinsamen Wohnung. Sie musste mit einem Sauerstoffgerät beatmet werden. Sie hatte Luftnot in der Nacht. Mein Papa ist ihr nie von der Seite gewichen. Es war alles so furchtbar schlimm.
Einen so geliebten Menschen so mit ansehen zu müssen war für mich unerträglich. Ich hatte noch nie jemanden sterben sehen bzw wusste einfach nicht was auf uns zukommt. Ich bekomme diese Bilder nicht mehr aus meinem Kopf. Sie wog am Schluss nur noch 40 kg bei 160cm. Der Körper baute ab, der Gesichtsausdruck veränderte sich. Es zerbrach mir mein Herz in tausend Stücke. Ich war die letzten 5 Tage vor Ihrem Tod ununterbrochen bei Ihnen zu Hause. Habe mit meinem Mann auf der Couch übernachtet. Ich wollte immer bei Ihr sein. Ich wollte Ihr den Schmerz und die Angst nehmen. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie im Bett liegt und Angst hat. Gott sei Dank hat uns eine Palliative Pflege, die zu uns jeden Tag, wenn gewünscht auch mehrmals, nach Hause kam, sehr unterstützt. Sie gaben meiner Mama Medikamente, damit sie keine Schmerzen haben musste. Sie haben sich so liebevoll um sie gekümmert wie es nur geht. Mit den Ärztinnen konnten wir über alles sprechen und sie haben uns alles in Ruhe erklärt. Wie der Verlauf sein wird, was als nächstes passieren wird usw. Ich war diesen beiden Damen sehr dankbar, denn sie versicherten mir, dass meine Mama zum Schluss keine Angst mehr hat und dass sie keinen Kampf hat, sondern einfach einen letzten Atemzug nehmen wird und dann für immer einschläft. Sie meinte auch, dass sehr viele gehen, sobald niemand mehr im Raum ist, da sie dann besser loslassen können.
Und so war es dann tatsächlich. An dem Montag Morgen war sie nochmals ganz verändert und ihre Atmung sehr flach. Ich habe nochmal mit Ihr geredet, habe Ihr alles gesagt. Mein Papa und mein Mann ebenfalls. Die beiden gingen dann auf die Terasse um Luft zu schnappen. Ich dachte mir, ich hole ich ihr noch schnell den selbst gebastelten Schutzengel, den sie von dem Sohn Ihrer Schwägerin bekommen hat. Ich hab ihn ihr aufs Bett gestellt, da musste ich sehen, dass sich ihr Ausdruck nochmals stark verändert hat...ich wollte meinen Papa holen und wir standen dann zusammen im Türrahmen, als wir Ihren letzten Atemzug gesehen haben....
Seitdem sind über 8 Wochen vergangen und ich bin nicht mehr die selbe. Ich lasse die Trauer zu, nehme aber auch wieder am Leben teil. Jedoch bin ich leider vielem gegenüber sehr ängstlich geworden. Ich habe das Vertrauen zum Leben irgendwie verloren. Ich habe mich immer sicher und unbeschwert gefühlt. Doch jetzt plagen mich Gedanken wie "was ist wenn ich auch krank werde?" "was ist, wenn meinem Papa oder gar meinem Mann etwas passiert?" usw. Solche Gedanken fesseln mich manchmal und ich kann schwer aus dieser Spirale ausbrechen. Tagsüber geht es mir ganz gut, aber sobald es dunkel wird, kommt wieder die Trauer, der Schmerz und die Angst. Zwar mittlerweile nicht mehr jede Nacht, aber doch noch häufig. Es ist ja auch alles noch nicht so lange her.
Ich bin sehr froh, dass ich ein sehr starkes soziales Umfeld habe. Mein Papa und ich sind uns seitdem näher denn je, mein Mann gibt mir unheimlich viel Kraft ohne ihn würde ich es nicht schaffen und meine Freunde sind wahre Engel. Ich bin zuversichtlich , dass auch wieder glückliche Tage kommen. Aber momentan frisst mich die Trauer manchmal auf, ich vermisse meine Mama so sehr. Sie wird so vieles nicht mehr mit mir erleben. Auf der anderen Seite bin ich so dankbar, dass wir so ein tolles Verhältnis zueinander hatten, dass sie mir so viel Liebe geschenkt hat und wir trotzdem 30 tolle Jahre miteinander verbringen durften.
Die Trauer verändert einen Menschen. Ich wünsche allen da draußen, die gerade einen geliebten Menschen gehen lassen müssen viel Kraft. Ich bin bei allen in Gedanken, ich verstehe und kann nachvollziehen was Ihr durchmacht. Aber lasst uns zusammen zuversichtlich sein, auch in den dunkelsten Tagen. Das hätten unsere Lieben bestimmt auch so gewollt. Dass wir weitermachen, dass wir weiterleben...mit Ihnen ganz tief in unseren Herzen und sie jeden Tag mitnehmen. Der Tod kann so vieles wegnehmen, jedoch nie die Liebe zu einem Menschen. Dieser Satz gibt mir Trost, ich hoffe Euch auch.