Vorsicht TRIGGERWARNUNG (wenn es euch heute gut geht, möchte ich es euch nicht kaputt machen)
Liebe Trauernde
Ich hatte große Angst vor dieser ersten Adventszeit ohne mein Kind. Wir haben bereits im Spätsommer beschlossen, dass Weihnachten heuer ausfallen muss. Christlich sind wir eh nicht. Es war ein Traditionsfest.
Es gibt viele Ratgeber. Dort liest man häufig: "Koch das Lieblingsessen des/der Vermissten", oder "stell einen Teller mit auf, als ob er/sie auch kommen würde", "schneide einen Ast aus dem Christbaum und leg ihn aufs Grab". Für mich alles undenkbar und wirkt auf mich persönlich wie "mach weiter wie bisher, mit ein paar Modifikationen dann passt das schon".
Ich maße mir hier nicht an andere zu bewerten, die das genau so handhaben und für die das hilfreich ist. Alles, was hilft ist richtig und gut!
Jetzt sitze ich hier und versuche mal wieder das Atmen nicht zu vergessen. Mir ist dauernd schwindelig. Kein Wunder so ohne ausreichend Sauerstoff. Diese Zeit drückt mir die Kehle zu.
Mein Mann war etwas traurig, weil die ganze Deko dieses Jahr in den Kisten bleibt. Ich hab ihn gefragt:"wie stellst du dir denn Weihnachten ohne unser Mädchen vor? Wie soll das aussehen? Wer soll das aushalten?" Da hat er es verstanden.
Ich bin "froh", dass nichts dekoriert ist. Aber wenn ich meinen Kleiderschrank aufmache, dann schaut mich ein leeres Fach an, wo sonst immer schon die verpackten Geschenke lagen. Dann zieht sich mein Hals noch enger zu. Ich habe Weihnachtsgeschenke zusammentragen immer geliebt. Mehr noch, als die Kinder klein waren. Wir hatten kaum Geld und es gab unterm Jahr nichts neues geschenkt. Auf Weihnachten hab ich immer gespart.
Ein Jahr, da waren sie noch recht jung, da hatte ich kein Geld sparen können. Da habe ich mich mit meinen 10 Daumen ohne jegliches Talent abends hingesetzt und mit Kalenderblättern und Stickern Poster für die Kinderzimmer gebastelt. Darüber haben sie sich wirklich gefreut. Von Oma gab es noch was zum Spielen und so waren sie auch in jenem Jahr glücklich.
Glücklich... es gab wirklich eine Zeit, da waren wir glücklich. Es ist so lange her.
Mein "Kleiner" war gestern hier. Als er gegangen war hab ich so weinen müssen. Ich war allein, mein Mann war arbeiten. Ich war so allein.
Immer mehr bemühe ich die Maske meiner Tochter. Die Maske, die suggeriert 'ja, es geht mir zwar schlecht, aber ich halte es gut aus'. Manchmal habe ich das Gefühl, sie "schaut aus mir heraus"... ich kann es nicht anders erklären. Als ob sie mir zeigen will, wie es für sie war.
Mein liebes Baby... das weiß ich doch schon!!! Ich wollte dir ein Gerüst sein an dem du dich festhältst. Ich hab dir gesagt, dass ich weiß.... aber ja, die Intensität konnte ich nicht spüren. Jetzt schon. Ich hätte so gerne für dich gelitten.
Vielleicht gibt es ja nächstes Jahr wieder Deko und Plätzchen und Weihnachtsfilme. Vielleicht stehen dann wieder Geschenke im Schrank. Das ist so weit weg. Am 27. ist es erst/schon ein halbes Jahr. Zeit macht nach wie vor keinen Sinn.
Sei schmerzfrei, leicht und fröhlich, mein so sehr geliebtes Mädchen. Ich bin dann auch bald da. Bis dahin schau ich auf die Jungs und freue mich, dass ich sie habe. Ich hoffe, du erkennst mich dann, so als alte Zuchtel.